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Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844.

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leisten kann. Dies wird sehr leicht gehen, wenn wir
beachten, daß in den Militair-Waisenhäusern zu Potsdam
und Annaburg sehr fleißig geturnt wird, daß wir schon
jetzt tüchtige Unteroffizirre haben, die in jenen Anstalten
ihre gute turnerische Vorbildung empfangen haben, wie
ich selbst drei solche in Dauzig unter meinen Turnern
zählte. Vor Allem aber verlangen wir, daß die Offiziere
in allen körperlichen Uebungen Meister, hieb- und stich-
fest zugleich sind.

2. Es erscheint zum wenigsten überflüssig, die
Nothwendigkeit der körperlichen Ausbildung der Elemen-
tarschüler in Stadt und Land zu erweisen, nachdem ein-
mal von unserm Könige die Leibesübungen als nothwen-
diger Bestandtheil der männlichen Erziehung anerkannt
worden. Aber es gibt der Leute zu Viele, die aus
körperlicher und geistiger Trägheit die Wahrheit verkehren
zur Lüge, daß es hier wie überall Noth thut, ihnen und
den oberflächlichen Schreiern des Tages entgegen zu treten.
Es hat Zeiten gegeben, in denen man nur die Vorneh-
men berechtigt hielt, die rudis indigestaque moles ab-
zustreifen, geistig und körperlich sich zu bilden. Sie sind
zum Heil der Völker wie der Einzelnen vorüber. Jeder,
der Anspruch auf den Titel "Mensch zu sein" hat und
macht, darf nicht nur sondern soll und muß sich geistig
und körperlich ausbilden. Mit dem Wiederaufleben der
Wissenschaften und dem Ueberhandnehmen der Söldner-
heere (soldati, soldurii), so wie der schwarzen Kunst
(des Pulvers) meinten nun jene, die sonst im alleinigen
Besitz der körperlichen Ausbildung waren ("adliche Exer-
citien"), ihrer entrathen zu können als unnöthig und über-
flüssig. War das Mittelalter hindurch die Geistlichkeit
gegen die ritterlichen Uebungen, trotz dem, daß Bischöfe,
geistliche Kurfürsten und Päpste den Harnisch trugen und
in die Schlacht zogen, so ist darin durch das Aufleben
der wissenschaftlichen Studien und durch die Reformation
nichts geändert worden, und da die Ritter selbst den
Harnisch ablegten, und die ritterlichen Uebungen vernach-

leiſten kann. Dies wird ſehr leicht gehen, wenn wir
beachten, daß in den Militair-Waiſenhäuſern zu Potsdam
und Annaburg ſehr fleißig geturnt wird, daß wir ſchon
jetzt tüchtige Unteroffizirre haben, die in jenen Anſtalten
ihre gute turneriſche Vorbildung empfangen haben, wie
ich ſelbſt drei ſolche in Dauzig unter meinen Turnern
zählte. Vor Allem aber verlangen wir, daß die Offiziere
in allen körperlichen Uebungen Meiſter, hieb- und ſtich-
feſt zugleich ſind.

2. Es erſcheint zum wenigſten überflüſſig, die
Nothwendigkeit der körperlichen Ausbildung der Elemen-
tarſchüler in Stadt und Land zu erweiſen, nachdem ein-
mal von unſerm Könige die Leibesübungen als nothwen-
diger Beſtandtheil der männlichen Erziehung anerkannt
worden. Aber es gibt der Leute zu Viele, die aus
körperlicher und geiſtiger Trägheit die Wahrheit verkehren
zur Lüge, daß es hier wie überall Noth thut, ihnen und
den oberflächlichen Schreiern des Tages entgegen zu treten.
Es hat Zeiten gegeben, in denen man nur die Vorneh-
men berechtigt hielt, die rudis indigestaque moles ab-
zuſtreifen, geiſtig und körperlich ſich zu bilden. Sie ſind
zum Heil der Völker wie der Einzelnen vorüber. Jeder,
der Anſpruch auf den Titel „Menſch zu ſein“ hat und
macht, darf nicht nur ſondern ſoll und muß ſich geiſtig
und körperlich ausbilden. Mit dem Wiederaufleben der
Wiſſenſchaften und dem Ueberhandnehmen der Söldner-
heere (soldati, soldurii), ſo wie der ſchwarzen Kunſt
(des Pulvers) meinten nun jene, die ſonſt im alleinigen
Beſitz der körperlichen Ausbildung waren („adliche Exer-
citien“), ihrer entrathen zu können als unnöthig und über-
flüſſig. War das Mittelalter hindurch die Geiſtlichkeit
gegen die ritterlichen Uebungen, trotz dem, daß Biſchöfe,
geiſtliche Kurfürſten und Päpſte den Harniſch trugen und
in die Schlacht zogen, ſo iſt darin durch das Aufleben
der wiſſenſchaftlichen Studien und durch die Reformation
nichts geändert worden, und da die Ritter ſelbſt den
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[52/0056] leiſten kann. Dies wird ſehr leicht gehen, wenn wir beachten, daß in den Militair-Waiſenhäuſern zu Potsdam und Annaburg ſehr fleißig geturnt wird, daß wir ſchon jetzt tüchtige Unteroffizirre haben, die in jenen Anſtalten ihre gute turneriſche Vorbildung empfangen haben, wie ich ſelbſt drei ſolche in Dauzig unter meinen Turnern zählte. Vor Allem aber verlangen wir, daß die Offiziere in allen körperlichen Uebungen Meiſter, hieb- und ſtich- feſt zugleich ſind. 2. Es erſcheint zum wenigſten überflüſſig, die Nothwendigkeit der körperlichen Ausbildung der Elemen- tarſchüler in Stadt und Land zu erweiſen, nachdem ein- mal von unſerm Könige die Leibesübungen als nothwen- diger Beſtandtheil der männlichen Erziehung anerkannt worden. Aber es gibt der Leute zu Viele, die aus körperlicher und geiſtiger Trägheit die Wahrheit verkehren zur Lüge, daß es hier wie überall Noth thut, ihnen und den oberflächlichen Schreiern des Tages entgegen zu treten. Es hat Zeiten gegeben, in denen man nur die Vorneh- men berechtigt hielt, die rudis indigestaque moles ab- zuſtreifen, geiſtig und körperlich ſich zu bilden. Sie ſind zum Heil der Völker wie der Einzelnen vorüber. Jeder, der Anſpruch auf den Titel „Menſch zu ſein“ hat und macht, darf nicht nur ſondern ſoll und muß ſich geiſtig und körperlich ausbilden. Mit dem Wiederaufleben der Wiſſenſchaften und dem Ueberhandnehmen der Söldner- heere (soldati, soldurii), ſo wie der ſchwarzen Kunſt (des Pulvers) meinten nun jene, die ſonſt im alleinigen Beſitz der körperlichen Ausbildung waren („adliche Exer- citien“), ihrer entrathen zu können als unnöthig und über- flüſſig. War das Mittelalter hindurch die Geiſtlichkeit gegen die ritterlichen Uebungen, trotz dem, daß Biſchöfe, geiſtliche Kurfürſten und Päpſte den Harniſch trugen und in die Schlacht zogen, ſo iſt darin durch das Aufleben der wiſſenſchaftlichen Studien und durch die Reformation nichts geändert worden, und da die Ritter ſelbſt den Harniſch ablegten, und die ritterlichen Uebungen vernach-

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Zitationshilfe: Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_turnkunst02_1844/56>, abgerufen am 03.05.2024.