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Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844.

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baum aufgeschlagen wurden. Die Uebungen fanden jeden
Mittwoch und Samstag Nachmittag unter lebhafter
Theilnahme des Publikums, jedoch ohne Mitwirkung der
Schulbehörden, statt. Die Kosten wurden unter die
Theilnehmer gleichmäßig vertheilt, deren Zahl (1815 5,
1816 12, 1817 20 und so fort) bis zum Jahre 1819
allmählig auf 30 bis 35 stieg. Es herrschte unter
diesen jungen Leuten ganz der turnerische Geist, wie er
von Jahn ausgegangen war: strenger Ernst, einfache
Kleidung, Sittlichkeit und Schweigsamkeit. Geschriebene
Gesetze gab es nicht; Turnfahrten und Turnläufe wur-
den gemacht; keiner der Turner betrat ein Gast- oder
Weinhaus; Turnproben (Prüfungen), Wett-Turnen und
eigentliche Turnfeste fanden nicht statt; dagegen wurde
der 18. October seit 1816 durch großes Turnen und
Beleuchtung der Gerüste, so wie durch einen Gesammt-
zug zu dem Freudenfeuer an der Warte mit Gesang
von Turnliedern gefeiert. Jn dieser Weise schien die
Sache den gedeihlichsten Fortgang zu nehmen, als 1819
im Königreiche Preußen das Turnen verboten, in Frank-
furt selbst die Feier des 18. Octobers beschränkt und
bald darauf (1820) auch den Schülern des hiesigen
Gymnasiums das Turnen untersagt wurde.

Während sich nun das Turnwesen in der oben
beschriebenen Weise unter den Schülern des Gymnasiums
entwickelt hatte, blieb die Musterschule nicht zurück. Hier
wurden nämlich im Jahre 1816 gleichfalls Turnübungen
eingeführt. Lassen wir in dieser Beziehung den, wo es
die Förderung wahrer Menschenbildung galt, unermüd-
lichen Kirchner reden. *)

"Noch müssen wir dankbar einer Anstalt gedenken,
welche zween würdige Lehrer dieser Schule: Dr. Die-
sterweg
und Hahn, seit kurzem -- zunächst für Zög-
linge derselben, gegründet haben; einer Turnschule

*) Kirchners Ansichten von Frankfurt. Wilmans, 1818, Band I, Seite
275 und Band II, Seite 259.

baum aufgeſchlagen wurden. Die Uebungen fanden jeden
Mittwoch und Samſtag Nachmittag unter lebhafter
Theilnahme des Publikums, jedoch ohne Mitwirkung der
Schulbehörden, ſtatt. Die Koſten wurden unter die
Theilnehmer gleichmäßig vertheilt, deren Zahl (1815 5,
1816 12, 1817 20 und ſo fort) bis zum Jahre 1819
allmählig auf 30 bis 35 ſtieg. Es herrſchte unter
dieſen jungen Leuten ganz der turneriſche Geiſt, wie er
von Jahn ausgegangen war: ſtrenger Ernſt, einfache
Kleidung, Sittlichkeit und Schweigſamkeit. Geſchriebene
Geſetze gab es nicht; Turnfahrten und Turnläufe wur-
den gemacht; keiner der Turner betrat ein Gaſt- oder
Weinhaus; Turnproben (Prüfungen), Wett-Turnen und
eigentliche Turnfeſte fanden nicht ſtatt; dagegen wurde
der 18. October ſeit 1816 durch großes Turnen und
Beleuchtung der Gerüſte, ſo wie durch einen Geſammt-
zug zu dem Freudenfeuer an der Warte mit Geſang
von Turnliedern gefeiert. Jn dieſer Weiſe ſchien die
Sache den gedeihlichſten Fortgang zu nehmen, als 1819
im Königreiche Preußen das Turnen verboten, in Frank-
furt ſelbſt die Feier des 18. Octobers beſchränkt und
bald darauf (1820) auch den Schülern des hieſigen
Gymnaſiums das Turnen unterſagt wurde.

Während ſich nun das Turnweſen in der oben
beſchriebenen Weiſe unter den Schülern des Gymnaſiums
entwickelt hatte, blieb die Muſterſchule nicht zurück. Hier
wurden nämlich im Jahre 1816 gleichfalls Turnübungen
eingeführt. Laſſen wir in dieſer Beziehung den, wo es
die Förderung wahrer Menſchenbildung galt, unermüd-
lichen Kirchner reden. *)

„Noch müſſen wir dankbar einer Anſtalt gedenken,
welche zween würdige Lehrer dieſer Schule: Dr. Die-
ſterweg
und Hahn, ſeit kurzem — zunächſt für Zög-
linge derſelben, gegründet haben; einer Turnſchule

*) Kirchners Anſichten von Frankfurt. Wilmans, 1818, Band I, Seite
275 und Band II, Seite 259.
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[22/0026] baum aufgeſchlagen wurden. Die Uebungen fanden jeden Mittwoch und Samſtag Nachmittag unter lebhafter Theilnahme des Publikums, jedoch ohne Mitwirkung der Schulbehörden, ſtatt. Die Koſten wurden unter die Theilnehmer gleichmäßig vertheilt, deren Zahl (1815 5, 1816 12, 1817 20 und ſo fort) bis zum Jahre 1819 allmählig auf 30 bis 35 ſtieg. Es herrſchte unter dieſen jungen Leuten ganz der turneriſche Geiſt, wie er von Jahn ausgegangen war: ſtrenger Ernſt, einfache Kleidung, Sittlichkeit und Schweigſamkeit. Geſchriebene Geſetze gab es nicht; Turnfahrten und Turnläufe wur- den gemacht; keiner der Turner betrat ein Gaſt- oder Weinhaus; Turnproben (Prüfungen), Wett-Turnen und eigentliche Turnfeſte fanden nicht ſtatt; dagegen wurde der 18. October ſeit 1816 durch großes Turnen und Beleuchtung der Gerüſte, ſo wie durch einen Geſammt- zug zu dem Freudenfeuer an der Warte mit Geſang von Turnliedern gefeiert. Jn dieſer Weiſe ſchien die Sache den gedeihlichſten Fortgang zu nehmen, als 1819 im Königreiche Preußen das Turnen verboten, in Frank- furt ſelbſt die Feier des 18. Octobers beſchränkt und bald darauf (1820) auch den Schülern des hieſigen Gymnaſiums das Turnen unterſagt wurde. Während ſich nun das Turnweſen in der oben beſchriebenen Weiſe unter den Schülern des Gymnaſiums entwickelt hatte, blieb die Muſterſchule nicht zurück. Hier wurden nämlich im Jahre 1816 gleichfalls Turnübungen eingeführt. Laſſen wir in dieſer Beziehung den, wo es die Förderung wahrer Menſchenbildung galt, unermüd- lichen Kirchner reden. *) „Noch müſſen wir dankbar einer Anſtalt gedenken, welche zween würdige Lehrer dieſer Schule: Dr. Die- ſterweg und Hahn, ſeit kurzem — zunächſt für Zög- linge derſelben, gegründet haben; einer Turnſchule *) Kirchners Anſichten von Frankfurt. Wilmans, 1818, Band I, Seite 275 und Band II, Seite 259.

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Zitationshilfe: Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_turnkunst02_1844/26>, abgerufen am 19.04.2024.