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Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844.

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für Turngeräth, eine Kirche als Turnsaal und 500 Fl.
Gehalt für den Turnlehrer bewilligt; viele andere preu-
ßische und nichtpreußische Städte thaten Aehnliches. Soll
Köln allein zurückbleiben und noch länger zusehen, daß
die Erziehung seiner Jugend in einem der wichtigsten
Puncte vernachlässigt werde? Zum Ueberfluß bietet sich
jetzt eine treffliche Gelegenheit dar, das Versäumte nach-
zuholen. Jm Frühjahr dieses Jahres kam der Turnlehrer
Euler aus Königsberg nach Köln und wandte sich, mit
Empfehlungen aus Berlin versehen, an die Direktoren
der Gymnasien und Bürgerschule. Nur der Direktor
Hoffmeister nahm sich der Sache an und räumte ihm
sofort den Spielplatz des Friedrich-Wilhelms-Gymnasiums,
nicht allein zum Unterricht der Schüler desselben, sondern
aller andern, ohne Unterschied, ein. -- Herr Euler hatte
während dieses Sommers 90 Schüler, sämmtlich bis
auf zwei aus dem Friedrich-Wilhelms-Gymnasium. Außer-
dem kann ein Verein von Männern, worunter mehre
Familienväter, die bei ihm turnen, Zeugniß von seiner
Tüchtigkeit ablegen. Das Turnen im Freien ist aber
bereits unmöglich geworden, und Herr Euler sieht sich
zur Fortsetzung seines Unterrichtes vergeblich nach einem
Saale um und wird, wenn nicht bald Abhülfe kommt,
die Stadt, welche ihm keine Beschäftigung bietet, wieder
verlassen müssen. Zwar ist ihm Hoffnung gemacht wor-
den, die Aula des Jesuiten-Gymnasiums eingeräumt zu
erhalten, aber einerseits scheint die Sache sich sehr in
die Länge zu ziehen, andererseits genügt dieselbe nicht,
denn die Erfahrung lehrt, daß die Schüler anderer Schu-
len fast nie zum Unterricht in einem fremden Schul-
Locale zu bringen sind; an wem die Ursache davon liegt,
mögen wir hier nicht untersuchen, genug, daß dem so ist.
Außerdem würden die Mädchen, die Hr. Euler unter-
richtet und deren Anzahl bis jetzt im Steigen war, auch
schwerlich ein solches Local betreten. Nachdem nun die
Regierung, die Stadt, die Schulvorstände, an die man
sich alle gewandt hat, nichts zu thun vermögen, so rufen

für Turngeräth, eine Kirche als Turnſaal und 500 Fl.
Gehalt für den Turnlehrer bewilligt; viele andere preu-
ßiſche und nichtpreußiſche Städte thaten Aehnliches. Soll
Köln allein zurückbleiben und noch länger zuſehen, daß
die Erziehung ſeiner Jugend in einem der wichtigſten
Puncte vernachläſſigt werde? Zum Ueberfluß bietet ſich
jetzt eine treffliche Gelegenheit dar, das Verſäumte nach-
zuholen. Jm Frühjahr dieſes Jahres kam der Turnlehrer
Euler aus Königsberg nach Köln und wandte ſich, mit
Empfehlungen aus Berlin verſehen, an die Direktoren
der Gymnaſien und Bürgerſchule. Nur der Direktor
Hoffmeiſter nahm ſich der Sache an und räumte ihm
ſofort den Spielplatz des Friedrich-Wilhelms-Gymnaſiums,
nicht allein zum Unterricht der Schüler desſelben, ſondern
aller andern, ohne Unterſchied, ein. — Herr Euler hatte
während dieſes Sommers 90 Schüler, ſämmtlich bis
auf zwei aus dem Friedrich-Wilhelms-Gymnaſium. Außer-
dem kann ein Verein von Männern, worunter mehre
Familienväter, die bei ihm turnen, Zeugniß von ſeiner
Tüchtigkeit ablegen. Das Turnen im Freien iſt aber
bereits unmöglich geworden, und Herr Euler ſieht ſich
zur Fortſetzung ſeines Unterrichtes vergeblich nach einem
Saale um und wird, wenn nicht bald Abhülfe kommt,
die Stadt, welche ihm keine Beſchäftigung bietet, wieder
verlaſſen müſſen. Zwar iſt ihm Hoffnung gemacht wor-
den, die Aula des Jeſuiten-Gymnaſiums eingeräumt zu
erhalten, aber einerſeits ſcheint die Sache ſich ſehr in
die Länge zu ziehen, andererſeits genügt dieſelbe nicht,
denn die Erfahrung lehrt, daß die Schüler anderer Schu-
len faſt nie zum Unterricht in einem fremden Schul-
Locale zu bringen ſind; an wem die Urſache davon liegt,
mögen wir hier nicht unterſuchen, genug, daß dem ſo iſt.
Außerdem würden die Mädchen, die Hr. Euler unter-
richtet und deren Anzahl bis jetzt im Steigen war, auch
ſchwerlich ein ſolches Local betreten. Nachdem nun die
Regierung, die Stadt, die Schulvorſtände, an die man
ſich alle gewandt hat, nichts zu thun vermögen, ſo rufen

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[133/0137] für Turngeräth, eine Kirche als Turnſaal und 500 Fl. Gehalt für den Turnlehrer bewilligt; viele andere preu- ßiſche und nichtpreußiſche Städte thaten Aehnliches. Soll Köln allein zurückbleiben und noch länger zuſehen, daß die Erziehung ſeiner Jugend in einem der wichtigſten Puncte vernachläſſigt werde? Zum Ueberfluß bietet ſich jetzt eine treffliche Gelegenheit dar, das Verſäumte nach- zuholen. Jm Frühjahr dieſes Jahres kam der Turnlehrer Euler aus Königsberg nach Köln und wandte ſich, mit Empfehlungen aus Berlin verſehen, an die Direktoren der Gymnaſien und Bürgerſchule. Nur der Direktor Hoffmeiſter nahm ſich der Sache an und räumte ihm ſofort den Spielplatz des Friedrich-Wilhelms-Gymnaſiums, nicht allein zum Unterricht der Schüler desſelben, ſondern aller andern, ohne Unterſchied, ein. — Herr Euler hatte während dieſes Sommers 90 Schüler, ſämmtlich bis auf zwei aus dem Friedrich-Wilhelms-Gymnaſium. Außer- dem kann ein Verein von Männern, worunter mehre Familienväter, die bei ihm turnen, Zeugniß von ſeiner Tüchtigkeit ablegen. Das Turnen im Freien iſt aber bereits unmöglich geworden, und Herr Euler ſieht ſich zur Fortſetzung ſeines Unterrichtes vergeblich nach einem Saale um und wird, wenn nicht bald Abhülfe kommt, die Stadt, welche ihm keine Beſchäftigung bietet, wieder verlaſſen müſſen. Zwar iſt ihm Hoffnung gemacht wor- den, die Aula des Jeſuiten-Gymnaſiums eingeräumt zu erhalten, aber einerſeits ſcheint die Sache ſich ſehr in die Länge zu ziehen, andererſeits genügt dieſelbe nicht, denn die Erfahrung lehrt, daß die Schüler anderer Schu- len faſt nie zum Unterricht in einem fremden Schul- Locale zu bringen ſind; an wem die Urſache davon liegt, mögen wir hier nicht unterſuchen, genug, daß dem ſo iſt. Außerdem würden die Mädchen, die Hr. Euler unter- richtet und deren Anzahl bis jetzt im Steigen war, auch ſchwerlich ein ſolches Local betreten. Nachdem nun die Regierung, die Stadt, die Schulvorſtände, an die man ſich alle gewandt hat, nichts zu thun vermögen, ſo rufen

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Zitationshilfe: Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_turnkunst02_1844/137>, abgerufen am 04.05.2024.