Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844.Haut-Thätigkeit und Nervenstimmung. Hypochondristen Das Turnen stellt die natürlichen Appetite wieder Haut-Thätigkeit und Nervenſtimmung. Hypochondriſten Das Turnen ſtellt die natürlichen Appetite wieder <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0108" n="104"/> Haut-Thätigkeit und Nervenſtimmung. Hypochondriſten<lb/> loben den Einfluß des Turnens nicht allein auf ihre<lb/> tauſendfältigen Krankheits-Gefühle, ſondern auf wirkliche<lb/> Herſtellung unregelmäßiger, tief geſtörter Funktionen. Aus<lb/> dieſen günſtigen Reſultaten des Turnens als Heilmittel<lb/> bei Hypochondrie und Melancholie, ergiebt ſich von ſelbſt<lb/> die Anwendbarkeit des Turnens bei Krankheiten der<lb/> Frauen, entweder zur Verhütung oder Heilung derſelben.<lb/> Hat nicht die Hypochondrie und Nerven-Verſtimmung<lb/> der Männer ihre Parallele in der Hyſterie der Frauen?<lb/> und ſollten nicht in dem Boudoir einer krampfbehafteten,<lb/> nervenverſtimmten Dame Turn-Apparate eben ſo gut<lb/> ihren Platz finden, wie in den Spielſtuben der Kinder?<lb/> Grillen, Langeweile und Vapeurs finden in Turnübun-<lb/> gen eine immer ſichere, immer fertige Heilkraft.</p><lb/> <p>Das Turnen ſtellt die natürlichen Appetite wieder<lb/> her; dem Turner genügt friſche Luft, Bewegung, reines<lb/> Waſſer und einfache Nahrung; er bedarf nicht der Reiz-<lb/> mittel und Gewürze; das Turnen wirkt ähnlich wie<lb/> Reiſen, Bergeſteigen, Bergluftathmen, es erweckt das<lb/> Gefühl des Leicht- und Frei-Seins, es beſchleunigt die<lb/> Oxydation des Blutes, den Verbrennungs-Proceß des<lb/> Kohlenſtoffs in den Lungen; wie tiefes Aufathmen befreit<lb/> es Herz und Lungen, Hirn und Eingeweide von dem<lb/> kohlenſtoffigen venöſen Blut, und treibt daſſelbe nach der<lb/> Peripherie, nach der Haut, nach den Muskeln. Das<lb/> Blut wird friſcher und lebendiger, und aus dieſem rei-<lb/> neren Quell ſchöpfen dann alle anderen Organe, und<lb/> beſonders das Nervenſyſtem, ihre Nahrung, ſo daß alle<lb/> an der belebenden erfriſchenden Einwirkung participiren.<lb/> Dies iſt der phyſiologiſche Grund für die herrlichen Fol-<lb/> gen der Leibes-Uebungen und des Turnens; ein anderer<lb/> liegt in dem mit den Turn-Uebungen verbundenen ca-<lb/> meradſchaftlichen Zuſammenſein, wodurch freundſchaftliches<lb/> Anſchließen, freundliche Mittheilung, Aemulation befördert,<lb/> Selbſtſucht, Abgeſchloſſenheit, Mißgunſt, Eitelkeit aber<lb/> ausgemerzt werden. Die Heiterkeit der Turn-Uebungen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [104/0108]
Haut-Thätigkeit und Nervenſtimmung. Hypochondriſten
loben den Einfluß des Turnens nicht allein auf ihre
tauſendfältigen Krankheits-Gefühle, ſondern auf wirkliche
Herſtellung unregelmäßiger, tief geſtörter Funktionen. Aus
dieſen günſtigen Reſultaten des Turnens als Heilmittel
bei Hypochondrie und Melancholie, ergiebt ſich von ſelbſt
die Anwendbarkeit des Turnens bei Krankheiten der
Frauen, entweder zur Verhütung oder Heilung derſelben.
Hat nicht die Hypochondrie und Nerven-Verſtimmung
der Männer ihre Parallele in der Hyſterie der Frauen?
und ſollten nicht in dem Boudoir einer krampfbehafteten,
nervenverſtimmten Dame Turn-Apparate eben ſo gut
ihren Platz finden, wie in den Spielſtuben der Kinder?
Grillen, Langeweile und Vapeurs finden in Turnübun-
gen eine immer ſichere, immer fertige Heilkraft.
Das Turnen ſtellt die natürlichen Appetite wieder
her; dem Turner genügt friſche Luft, Bewegung, reines
Waſſer und einfache Nahrung; er bedarf nicht der Reiz-
mittel und Gewürze; das Turnen wirkt ähnlich wie
Reiſen, Bergeſteigen, Bergluftathmen, es erweckt das
Gefühl des Leicht- und Frei-Seins, es beſchleunigt die
Oxydation des Blutes, den Verbrennungs-Proceß des
Kohlenſtoffs in den Lungen; wie tiefes Aufathmen befreit
es Herz und Lungen, Hirn und Eingeweide von dem
kohlenſtoffigen venöſen Blut, und treibt daſſelbe nach der
Peripherie, nach der Haut, nach den Muskeln. Das
Blut wird friſcher und lebendiger, und aus dieſem rei-
neren Quell ſchöpfen dann alle anderen Organe, und
beſonders das Nervenſyſtem, ihre Nahrung, ſo daß alle
an der belebenden erfriſchenden Einwirkung participiren.
Dies iſt der phyſiologiſche Grund für die herrlichen Fol-
gen der Leibes-Uebungen und des Turnens; ein anderer
liegt in dem mit den Turn-Uebungen verbundenen ca-
meradſchaftlichen Zuſammenſein, wodurch freundſchaftliches
Anſchließen, freundliche Mittheilung, Aemulation befördert,
Selbſtſucht, Abgeſchloſſenheit, Mißgunſt, Eitelkeit aber
ausgemerzt werden. Die Heiterkeit der Turn-Uebungen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |