Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844.noch Aequilibristen werden, auch nicht die Zartheit der Durch zweckmäßig geleitete Turnübungen bilden sich Wer in späteren Jahren geturnt hat, wird die Er- noch Aequilibriſten werden, auch nicht die Zartheit der Durch zweckmäßig geleitete Turnübungen bilden ſich Wer in ſpäteren Jahren geturnt hat, wird die Er- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0107" n="103"/> noch Aequilibriſten werden, auch nicht die Zartheit der<lb/> Empfindung vertauſchen gegen keckes, kühnes Weſen, aber<lb/> wohl könnte es Noth thun, der künftigen Hausfrau,<lb/> Gattin und Mutter Muth, Geiſtesgegenwart und Ent-<lb/> ſchloſſenheit anzuerziehen. Jſt nicht in den verſchiedenen<lb/> Wechſelfällen eines bewegten Lebens der Frau geiſtige<lb/> Kraft eben ſo nöthig wie dem Manne? ſind nicht den<lb/> Mädchen und Frauen Prüfungen und Leiden in eben<lb/> dem Maße vorbehalten wie dem Manne, bedürfen ſie<lb/> nicht eben ſo ſehr der Anfriſchung, Erheiterung und Be-<lb/> lebung, eines hellen, ſtarken, heiteren Geiſtes, eines ge-<lb/> ſunden Körpers, und aller geiſtigen Hülfsmittel wie der<lb/> Mann? (Miß Wright.)</p><lb/> <p>Durch zweckmäßig geleitete Turnübungen bilden ſich<lb/> aber gerade Wille und Thatkraft, Entſchloſſenheit und<lb/> Sicherheit, Muth und Gewandtheit (Eigenſchaften des<lb/> Geiſtes und des Körpers) überhaupt der geſunde Geiſt<lb/> im geſunden Körper aus; durch Turnen wird das Leben<lb/> reicher, die Lebenserſcheinungen vermehrt und verbeſſert,<lb/> das Turnen hat einen unverkennbaren Einfluß auf das<lb/> Nervenſyſtem, und ſomit auf alle Funktionen des Gei-<lb/> ſtes. Nicht allein alle Eindrücke, die durch äußere<lb/> Sinne zum Gehirn gelangen, ſondern auch die Thätigkeiten<lb/> des inneren Sinnes werden geſchärft und verſtärkt.</p><lb/> <p>Wer in ſpäteren Jahren geturnt hat, wird die Er-<lb/> fahrung gemacht haben, daß zur Erhaltung und Her-<lb/> ſtellung der Klarheit ſeiner Jdeen, der Reinheit ſeiner<lb/> Gefühle, der Heiterkeit und des Frohſinns, eine tüchtige<lb/> Turnbewegung genügt; daß das Turnen durch erhöhtes<lb/> Lebens-Gefühl mit der Gegenwart ausſöhnt, daß jene<lb/> Unzufriedenheit und Blaſirtheit, jener Weltſchmerz, jene<lb/> Sehnſucht nach der Ferne, nach Unerreichbarem, jene<lb/> Krankheit unſerer Zeit, die allen friſchen Lebensgenuß<lb/> ſtört und verdirbt, durch Turnen am ſicherſten und<lb/> ſchnellſten gebeſſert und geheilt wird, und dafür ein<lb/> freies offenes Weſen an die Stelle tritt. Jeder ältere<lb/> Turner kennt den wohlthätigen Einfluß auf Digeſtion,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [103/0107]
noch Aequilibriſten werden, auch nicht die Zartheit der
Empfindung vertauſchen gegen keckes, kühnes Weſen, aber
wohl könnte es Noth thun, der künftigen Hausfrau,
Gattin und Mutter Muth, Geiſtesgegenwart und Ent-
ſchloſſenheit anzuerziehen. Jſt nicht in den verſchiedenen
Wechſelfällen eines bewegten Lebens der Frau geiſtige
Kraft eben ſo nöthig wie dem Manne? ſind nicht den
Mädchen und Frauen Prüfungen und Leiden in eben
dem Maße vorbehalten wie dem Manne, bedürfen ſie
nicht eben ſo ſehr der Anfriſchung, Erheiterung und Be-
lebung, eines hellen, ſtarken, heiteren Geiſtes, eines ge-
ſunden Körpers, und aller geiſtigen Hülfsmittel wie der
Mann? (Miß Wright.)
Durch zweckmäßig geleitete Turnübungen bilden ſich
aber gerade Wille und Thatkraft, Entſchloſſenheit und
Sicherheit, Muth und Gewandtheit (Eigenſchaften des
Geiſtes und des Körpers) überhaupt der geſunde Geiſt
im geſunden Körper aus; durch Turnen wird das Leben
reicher, die Lebenserſcheinungen vermehrt und verbeſſert,
das Turnen hat einen unverkennbaren Einfluß auf das
Nervenſyſtem, und ſomit auf alle Funktionen des Gei-
ſtes. Nicht allein alle Eindrücke, die durch äußere
Sinne zum Gehirn gelangen, ſondern auch die Thätigkeiten
des inneren Sinnes werden geſchärft und verſtärkt.
Wer in ſpäteren Jahren geturnt hat, wird die Er-
fahrung gemacht haben, daß zur Erhaltung und Her-
ſtellung der Klarheit ſeiner Jdeen, der Reinheit ſeiner
Gefühle, der Heiterkeit und des Frohſinns, eine tüchtige
Turnbewegung genügt; daß das Turnen durch erhöhtes
Lebens-Gefühl mit der Gegenwart ausſöhnt, daß jene
Unzufriedenheit und Blaſirtheit, jener Weltſchmerz, jene
Sehnſucht nach der Ferne, nach Unerreichbarem, jene
Krankheit unſerer Zeit, die allen friſchen Lebensgenuß
ſtört und verdirbt, durch Turnen am ſicherſten und
ſchnellſten gebeſſert und geheilt wird, und dafür ein
freies offenes Weſen an die Stelle tritt. Jeder ältere
Turner kennt den wohlthätigen Einfluß auf Digeſtion,
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