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Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 1. Danzig, 1843.

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II.
Ueber die Nothwendigkeit der körper-
lichen Ausbildung.


Es scheint erforderlich, über die Nothwendigkeit der
körperlichen, oder was dasselbe ist, der turnerischen
Ausbildung, meine Ansicht näher auseinander zu setzen.

Jch spreche nicht, wie man bisher gewohnt gewe-
sen, von der Nützlichkeit, von der Heilsamkeit der kör-
perlichen Ausbildung, ich spreche von ihrer Noth-
wendigkeit.
Und ich gehe noch weiter, und be-
haupte, daß in Zukunft eben so wenig mehr die Rede
sein dürfe von Turn übungen, körperlichen Übun-
gen,
Leibesübungen in anderm Sinne, als daß sie
nur das Mittel und der Weg zur Bildung und Aus-
bildung des Körpers sein sollen, eben so wie wir nicht
von geistigen Übungen sprechen, wohl aber, daß man
das Gedächtniß, den Verstand u. s. w. üben müsse, doch
nur um das Ziel aller Übungen, die Bildung des
Geistes, zu erlangen. Diese Nothwendigkeit nun er-
folgt uns aus dem Begriffe: Mensch. Der Mensch
ist nicht blos Geist, aber eben so wenig bloß Leib: er
besteht aus beiden auf das Jnnigste und Wesentlichste
zu einer Einheit, Mensch, verbundenen Theilen, von
denen keiner, in Folge menschlicher Bildung, vorherr-
schen darf, ohne diese vom Schöpfer gesetzte Einheit in
demselben Maße zu stören. "Es ist nicht eine Seele, nicht ein
Körper, den wir erziehen, es ist ein Mensch. Aus
dem müssen wir keine zwei machen. Man muß den
einen nicht abrichten, ohne den andern, sondern sie beide
gleich führen und leiten wie ein Paar an eine Deichsel
gespannte Pferde." (Mich. Montaigne).

II.
Ueber die Nothwendigkeit der körper-
lichen Ausbildung.


Es ſcheint erforderlich, über die Nothwendigkeit der
körperlichen, oder was daſſelbe iſt, der turneriſchen
Ausbildung, meine Anſicht näher auseinander zu ſetzen.

Jch ſpreche nicht, wie man bisher gewohnt gewe-
ſen, von der Nützlichkeit, von der Heilſamkeit der kör-
perlichen Ausbildung, ich ſpreche von ihrer Noth-
wendigkeit.
Und ich gehe noch weiter, und be-
haupte, daß in Zukunft eben ſo wenig mehr die Rede
ſein dürfe von Turn übungen, körperlichen Übun-
gen,
Leibesübungen in anderm Sinne, als daß ſie
nur das Mittel und der Weg zur Bildung und Aus-
bildung des Körpers ſein ſollen, eben ſo wie wir nicht
von geiſtigen Übungen ſprechen, wohl aber, daß man
das Gedächtniß, den Verſtand u. ſ. w. üben müſſe, doch
nur um das Ziel aller Übungen, die Bildung des
Geiſtes, zu erlangen. Dieſe Nothwendigkeit nun er-
folgt uns aus dem Begriffe: Menſch. Der Menſch
iſt nicht blos Geiſt, aber eben ſo wenig bloß Leib: er
beſteht aus beiden auf das Jnnigſte und Weſentlichſte
zu einer Einheit, Menſch, verbundenen Theilen, von
denen keiner, in Folge menſchlicher Bildung, vorherr-
ſchen darf, ohne dieſe vom Schöpfer geſetzte Einheit in
demſelben Maße zu ſtören. „Es iſt nicht eine Seele, nicht ein
Körper, den wir erziehen, es iſt ein Menſch. Aus
dem müſſen wir keine zwei machen. Man muß den
einen nicht abrichten, ohne den andern, ſondern ſie beide
gleich führen und leiten wie ein Paar an eine Deichſel
geſpannte Pferde.“ (Mich. Montaigne).

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[4/0008] II. Ueber die Nothwendigkeit der körper- lichen Ausbildung. Es ſcheint erforderlich, über die Nothwendigkeit der körperlichen, oder was daſſelbe iſt, der turneriſchen Ausbildung, meine Anſicht näher auseinander zu ſetzen. Jch ſpreche nicht, wie man bisher gewohnt gewe- ſen, von der Nützlichkeit, von der Heilſamkeit der kör- perlichen Ausbildung, ich ſpreche von ihrer Noth- wendigkeit. Und ich gehe noch weiter, und be- haupte, daß in Zukunft eben ſo wenig mehr die Rede ſein dürfe von Turn übungen, körperlichen Übun- gen, Leibesübungen in anderm Sinne, als daß ſie nur das Mittel und der Weg zur Bildung und Aus- bildung des Körpers ſein ſollen, eben ſo wie wir nicht von geiſtigen Übungen ſprechen, wohl aber, daß man das Gedächtniß, den Verſtand u. ſ. w. üben müſſe, doch nur um das Ziel aller Übungen, die Bildung des Geiſtes, zu erlangen. Dieſe Nothwendigkeit nun er- folgt uns aus dem Begriffe: Menſch. Der Menſch iſt nicht blos Geiſt, aber eben ſo wenig bloß Leib: er beſteht aus beiden auf das Jnnigſte und Weſentlichſte zu einer Einheit, Menſch, verbundenen Theilen, von denen keiner, in Folge menſchlicher Bildung, vorherr- ſchen darf, ohne dieſe vom Schöpfer geſetzte Einheit in demſelben Maße zu ſtören. „Es iſt nicht eine Seele, nicht ein Körper, den wir erziehen, es iſt ein Menſch. Aus dem müſſen wir keine zwei machen. Man muß den einen nicht abrichten, ohne den andern, ſondern ſie beide gleich führen und leiten wie ein Paar an eine Deichſel geſpannte Pferde.“ (Mich. Montaigne).

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Zitationshilfe: Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 1. Danzig, 1843, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_turnkunst01_1843/8>, abgerufen am 24.11.2024.