haft, ob sich meine Ansicht über jenes Thema noch unumwunden würde aussprechen lassen, und eben weil ich zweifelte, ob ich es noch thun dürfte, entschloß ich mich, es nicht zu thun. Mir konnte dieser Entschluß nicht schwer fallen. Da, wie schon Tacitus sagt, die glücklichen Zeiten so selten sind, wo man denken darf, was man will, und was man denkt sagen darf, und deswegen von jeher die edelsten Menschen weit mehr gedacht, als gesprochen haben: so wird sich wohl nie- mand darüber beklagen, wenn er Gedanken von so zweifelhaftem Werthe freiwillig für sich behält. Um indessen weder meinem Versprechen noch meiner Ueber- zeugung untreu zu werden, hob ich einige Punkte aus dem fertigen Thema heraus und schob sie so unzu- sammenhängend, wie sie lagen, zu der aphoristischen Skizze aneinander, die der Leser S. 79. gefunden hat und die ihm, so trocken und unentwickelt, kaum zu etwas an- derm Gelegenheit giebt, als sich in der Nachsicht zu üben. Um so erfreulicher war es mir, als ich in den drei obigen Broschüren, die mir der gefällige Heraus- geber hinterher zukommen ließ, dasselbe, was ich mir vorgesetzt hatte, zwar anders aber unendlich besser, als ich gekonnt hätte, bereits erschöpfend geleistet fand. Jch glaube daher dem Leser einen Theil von dem, was ich ihm schuldig blieb, noch nachträglich abzuzahlen, wenn ich ihm diese Abhandlungen nicht empfehle, -- denn das thun sie am besten selbst -- sondern nur nenne.
Der Verfasser von Nro. 1., einer unsrer geist- vollsten Pädagogen, hat seit 1814 selbst Turnübungen der Jugend geleitet und ist also durch Erfahrung eben so wie durch Klarheit seiner Einsicht vorzugsweise be- fähigt, ein vollgültiges Urtheil darüber abzugeben. Die geschichtliche Entwickelung, mit der er beginnt, weist der griechischen Gymnastik den ästhetisch-plasti- schen, der römischen den kriegerischen Charakter nach, wäh- rend wir schon in der deutschen Vorzeit, besonders aber in den Turnieren des Mittelalters, Leibesübungen finden, mit kriegerischem Charakter, wie in Rom,
haft, ob ſich meine Anſicht über jenes Thema noch unumwunden würde ausſprechen laſſen, und eben weil ich zweifelte, ob ich es noch thun dürfte, entſchloß ich mich, es nicht zu thun. Mir konnte dieſer Entſchluß nicht ſchwer fallen. Da, wie ſchon Tacitus ſagt, die glücklichen Zeiten ſo ſelten ſind, wo man denken darf, was man will, und was man denkt ſagen darf, und deswegen von jeher die edelſten Menſchen weit mehr gedacht, als geſprochen haben: ſo wird ſich wohl nie- mand darüber beklagen, wenn er Gedanken von ſo zweifelhaftem Werthe freiwillig für ſich behält. Um indeſſen weder meinem Verſprechen noch meiner Ueber- zeugung untreu zu werden, hob ich einige Punkte aus dem fertigen Thema heraus und ſchob ſie ſo unzu- ſammenhängend, wie ſie lagen, zu der aphoriſtiſchen Skizze aneinander, die der Leſer S. 79. gefunden hat und die ihm, ſo trocken und unentwickelt, kaum zu etwas an- derm Gelegenheit giebt, als ſich in der Nachſicht zu üben. Um ſo erfreulicher war es mir, als ich in den drei obigen Broſchüren, die mir der gefällige Heraus- geber hinterher zukommen ließ, daſſelbe, was ich mir vorgeſetzt hatte, zwar anders aber unendlich beſſer, als ich gekonnt hätte, bereits erſchöpfend geleiſtet fand. Jch glaube daher dem Leſer einen Theil von dem, was ich ihm ſchuldig blieb, noch nachträglich abzuzahlen, wenn ich ihm dieſe Abhandlungen nicht empfehle, — denn das thun ſie am beſten ſelbſt — ſondern nur nenne.
Der Verfaſſer von Nro. 1., einer unſrer geiſt- vollſten Pädagogen, hat ſeit 1814 ſelbſt Turnübungen der Jugend geleitet und iſt alſo durch Erfahrung eben ſo wie durch Klarheit ſeiner Einſicht vorzugsweiſe be- fähigt, ein vollgültiges Urtheil darüber abzugeben. Die geſchichtliche Entwickelung, mit der er beginnt, weiſt der griechiſchen Gymnaſtik den äſthetiſch-plaſti- ſchen, der römiſchen den kriegeriſchen Charakter nach, wäh- rend wir ſchon in der deutſchen Vorzeit, beſonders aber in den Turnieren des Mittelalters, Leibesübungen finden, mit kriegeriſchem Charakter, wie in Rom,
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haft, ob ſich meine Anſicht über jenes Thema noch
unumwunden würde ausſprechen laſſen, und eben weil
ich zweifelte, ob ich es noch thun dürfte, entſchloß ich
mich, es nicht zu thun. Mir konnte dieſer Entſchluß
nicht ſchwer fallen. Da, wie ſchon Tacitus ſagt, die
glücklichen Zeiten ſo ſelten ſind, wo man denken darf,
was man will, und was man denkt ſagen darf, und
deswegen von jeher die edelſten Menſchen weit mehr
gedacht, als geſprochen haben: ſo wird ſich wohl nie-
mand darüber beklagen, wenn er Gedanken von ſo
zweifelhaftem Werthe freiwillig für ſich behält. Um
indeſſen weder meinem Verſprechen noch meiner Ueber-
zeugung untreu zu werden, hob ich einige Punkte aus
dem fertigen Thema heraus und ſchob ſie ſo unzu-
ſammenhängend, wie ſie lagen, zu der aphoriſtiſchen Skizze
aneinander, die der Leſer S. 79. gefunden hat und die
ihm, ſo trocken und unentwickelt, kaum zu etwas an-
derm Gelegenheit giebt, als ſich in der Nachſicht zu
üben. Um ſo erfreulicher war es mir, als ich in den
drei obigen Broſchüren, die mir der gefällige Heraus-
geber hinterher zukommen ließ, daſſelbe, was ich mir
vorgeſetzt hatte, zwar anders aber unendlich beſſer, als
ich gekonnt hätte, bereits erſchöpfend geleiſtet fand. Jch
glaube daher dem Leſer einen Theil von dem, was ich
ihm ſchuldig blieb, noch nachträglich abzuzahlen, wenn
ich ihm dieſe Abhandlungen nicht empfehle, — denn das
thun ſie am beſten ſelbſt — ſondern nur nenne.
Der Verfaſſer von Nro. 1., einer unſrer geiſt-
vollſten Pädagogen, hat ſeit 1814 ſelbſt Turnübungen
der Jugend geleitet und iſt alſo durch Erfahrung eben
ſo wie durch Klarheit ſeiner Einſicht vorzugsweiſe be-
fähigt, ein vollgültiges Urtheil darüber abzugeben.
Die geſchichtliche Entwickelung, mit der er beginnt,
weiſt der griechiſchen Gymnaſtik den äſthetiſch-plaſti-
ſchen, der römiſchen den kriegeriſchen Charakter nach, wäh-
rend wir ſchon in der deutſchen Vorzeit, beſonders
aber in den Turnieren des Mittelalters, Leibesübungen
finden, mit kriegeriſchem Charakter, wie in Rom,
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Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 1. Danzig, 1843, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_turnkunst01_1843/133>, abgerufen am 16.02.2025.
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