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[N. N.]: Theatrum Novum Politico-Historicum. Würzburg, [1686].

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Abdruck-Schreibens aus Constantinopel vom 23. Januar st. n. 1686. an einem Offirirer in Morea, von einem guten Freund.

Monsieur.

Genaller Bericht von dem gegenwärtigen Türckischen Zuftand. ICh habe allbereits aus Livorno M. Hn. Obristen die vorhabende Reise nach Constantinopel bekant gemacht/ anjetzo continuire ich meine Pflicht/ demselben zu berichten/ wie ich darunter reussiret/ GOtt sey Danck glücklichst/ und zwar mit Besichtigung von Scio, Smirne, Metelin, der Dardanellen/ Constantinopel/ deß gantzen Bosphori und Adrianopel. Wieviel ich hievon könte Materi zu schreiben nehmen/ so contentire ich mich vor dißmahl bloß von dieses Reichs Zustand nur zu melden. Wolte GOtt/ daß alle Christ. Potentaten es möchten für ihr Staats-Interesse halten/ es wäre nichts leichters als solches zu destruiren. Zum wenigsten in dem Theil von Europa; die Ursach seynd die Fahrläsigkeit deß grossen Signors, das zerrüttete Gouverno, Enervirung von Mitteln/ Entblösung von tüchtiger Milice, übele Verfassung zur See/ und letztens der Terreur panique. Deß grossen Herrn Passion dominante ist die Jagt / womit mit er sich täglich occupirt/ ohne sich das geringste umb seines Reichs affairen zu bekümmern. Die Milice welche darob einige Unzufriedenheit temoigniret/ ist einmahl appaisiret/ zum andernmahl dörffte es so glücklich nicht geschehen. Nach Strangulirung deß Cara Mustapha hat Cara Reaga die Veziers-Stell betretten/ aber mit mehrer Sorg sich von dieser gefährlichen charge abzuhelffen/ als gute Anstalt wider dero Feind zu befördern. Er hat vermittels einer Staats-Kranckheit darinn reussiret/ solcher gestalt/ daß dem Solyman Bacha das Regiment an seiner Stelle ist auffgetragen/ und dabey zu Verhütung aller Verfolgung/ ihme sein Tochter gegeben. So einige Hoffnung zu remedirung der Türcken affaires ist/ muß es durch diesen Vezier geschehen; er ist von sehr gutem natürlichen Verstand oder Raisonable, und dabey von guter Experience, sowohl in Staats-als Kriegs-Geschäfften/ die Enervirung von Mitteln wird daraus verspühret/ weil ohnlängst viel altes Silberwerck einige quintal schwähr aus dem Seraglio geholet/ und nach der Müntze getragen ist. Die beruffenen Janitscharen gleichen sich so wenig/ als die heutigen Römer denen von ohngefehr für 2000. Jahren; man raffet darunter was man kan. Die Spahi kommen weiter

Abdruck-Schreibens aus Constantinopel vom 23. Januar st. n. 1686. an einem Offirirer in Morea, von einem guten Freund.

Monsieur.

Genaller Bericht von dem gegenwärtigen Türckischen Zuftand. ICh habe allbereits aus Livorno M. Hn. Obristen die vorhabende Reise nach Constantinopel bekant gemacht/ anjetzo continuire ich meine Pflicht/ demselben zu berichten/ wie ich darunter reussiret/ GOtt sey Danck glücklichst/ und zwar mit Besichtigung von Scio, Smirne, Metelin, der Dardanellen/ Constantinopel/ deß gantzen Bosphori und Adrianopel. Wieviel ich hievon könte Materi zu schreiben nehmen/ so contentire ich mich vor dißmahl bloß von dieses Reichs Zustand nur zu melden. Wolte GOtt/ daß alle Christ. Potentaten es möchten für ihr Staats-Interesse halten/ es wäre nichts leichters als solches zu destruiren. Zum wenigsten in dem Theil von Europa; die Ursach seynd die Fahrläsigkeit deß grossen Signors, das zerrüttete Gouverno, Enervirung von Mitteln/ Entblösung von tüchtiger Milice, übele Verfassung zur See/ und letztens der Terreur panique. Deß grossen Herrn Passion dominante ist die Jagt / womit mit er sich täglich occupirt/ ohne sich das geringste umb seines Reichs affairen zu bekümmern. Die Milice welche darob einige Unzufriedenheit temoigniret/ ist einmahl appaisiret/ zum andernmahl dörffte es so glücklich nicht geschehen. Nach Strangulirung deß Cara Mustapha hat Cara Reaga die Veziers-Stell betretten/ aber mit mehrer Sorg sich von dieser gefährlichen charge abzuhelffen/ als gute Anstalt wider dero Feind zu befördern. Er hat vermittels einer Staats-Kranckheit darinn reussiret/ solcher gestalt/ daß dem Solyman Bacha das Regiment an seiner Stelle ist auffgetragen/ und dabey zu Verhütung aller Verfolgung/ ihme sein Tochter gegeben. So einige Hoffnung zu remedirung der Türcken affaires ist/ muß es durch diesen Vezier geschehen; er ist von sehr gutem natürlichen Verstand oder Raisonable, und dabey von guter Experience, sowohl in Staats-als Kriegs-Geschäfften/ die Enervirung von Mitteln wird daraus verspühret/ weil ohnlängst viel altes Silberwerck einige quintal schwähr aus dem Seraglio geholet/ und nach der Müntze getragen ist. Die beruffenen Janitscharen gleichen sich so wenig/ als die heutigen Römer denen von ohngefehr für 2000. Jahren; man raffet darunter was man kan. Die Spahi kommen weiter

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        <p>Abdruck-Schreibens aus Constantinopel vom 23. Januar st. n. 1686. an einem                      Offirirer in Morea, von einem guten Freund.</p>
        <p>Monsieur.</p>
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[110/0122] Abdruck-Schreibens aus Constantinopel vom 23. Januar st. n. 1686. an einem Offirirer in Morea, von einem guten Freund. Monsieur. ICh habe allbereits aus Livorno M. Hn. Obristen die vorhabende Reise nach Constantinopel bekant gemacht/ anjetzo continuire ich meine Pflicht/ demselben zu berichten/ wie ich darunter reussiret/ GOtt sey Danck glücklichst/ und zwar mit Besichtigung von Scio, Smirne, Metelin, der Dardanellen/ Constantinopel/ deß gantzen Bosphori und Adrianopel. Wieviel ich hievon könte Materi zu schreiben nehmen/ so contentire ich mich vor dißmahl bloß von dieses Reichs Zustand nur zu melden. Wolte GOtt/ daß alle Christ. Potentaten es möchten für ihr Staats-Interesse halten/ es wäre nichts leichters als solches zu destruiren. Zum wenigsten in dem Theil von Europa; die Ursach seynd die Fahrläsigkeit deß grossen Signors, das zerrüttete Gouverno, Enervirung von Mitteln/ Entblösung von tüchtiger Milice, übele Verfassung zur See/ und letztens der Terreur panique. Deß grossen Herrn Passion dominante ist die Jagt / womit mit er sich täglich occupirt/ ohne sich das geringste umb seines Reichs affairen zu bekümmern. Die Milice welche darob einige Unzufriedenheit temoigniret/ ist einmahl appaisiret/ zum andernmahl dörffte es so glücklich nicht geschehen. Nach Strangulirung deß Cara Mustapha hat Cara Reaga die Veziers-Stell betretten/ aber mit mehrer Sorg sich von dieser gefährlichen charge abzuhelffen/ als gute Anstalt wider dero Feind zu befördern. Er hat vermittels einer Staats-Kranckheit darinn reussiret/ solcher gestalt/ daß dem Solyman Bacha das Regiment an seiner Stelle ist auffgetragen/ und dabey zu Verhütung aller Verfolgung/ ihme sein Tochter gegeben. So einige Hoffnung zu remedirung der Türcken affaires ist/ muß es durch diesen Vezier geschehen; er ist von sehr gutem natürlichen Verstand oder Raisonable, und dabey von guter Experience, sowohl in Staats-als Kriegs-Geschäfften/ die Enervirung von Mitteln wird daraus verspühret/ weil ohnlängst viel altes Silberwerck einige quintal schwähr aus dem Seraglio geholet/ und nach der Müntze getragen ist. Die beruffenen Janitscharen gleichen sich so wenig/ als die heutigen Römer denen von ohngefehr für 2000. Jahren; man raffet darunter was man kan. Die Spahi kommen weiter Genaller Bericht von dem gegenwärtigen Türckischen Zuftand.

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Zitationshilfe: [N. N.]: Theatrum Novum Politico-Historicum. Würzburg, [1686], S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_theatrum_1686/122>, abgerufen am 24.11.2024.