St. Galler Volksblatt. Nr. 53, Uznach, 02. 07. 1890.Uznach, Mittwoch No 53. den 2. Juli 1890. St. Galler-Volksblatt. Publikationsorgan der Bezirke See und Gaster. Obligatorisch in den Gemeinden Uznach, Jona, Eschenbach, Schmerikon, St. Gallenkappel, Ernetschwil, Gommiswald. [Spaltenumbruch] Abonnementspreis: Bei den Verträgern und mit Adresse in der Schweiz [Spaltenumbruch] [Abbildung] 35. Jahrgang. [Spaltenumbruch] Insertionsgebühr für den Seebezirk und Gaster (ohne Vermittlung der [Spaltenumbruch] Erscheint Mittwoch und Samstag. [Spaltenumbruch]
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Druck und Verlag von K. Oberholzer's Buchdruckerei.
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[Spaltenumbruch] Wöchentl. Gratisbeilage: "Linth-Blätter". Abonnements-Einladung. Für das zweite Halbjahr kann auf das Der Schatten wichtiger Ereignisse. "Die Menschen steh'n so kalt und leer, Die Worte fliegen hin und her, Von Eigennutz getrieben, Von jener Freiheit ächt und rein Ist das Gerippe fast allein Uns noch zurückgeblieben!" Alea jacta est -- der Würfel des Schicksals ist Man kann nach alledem, was während der Eisen- Ueber eine der wichtigsten Kontreversfragen, ob näm- "Im Auslegen seid frisch und munter: Legt ihr's nicht aus, so legt es unter!" Dem st. gallischen Abgeordneten Keel hingegen ist trotz Welche Stellung werden die Anhänger des födera- Unser Zeitalter ist das der materiellen Inte- Solchergestalt sehen sich die Föderalisten und Konser- Das Nützlichkeitsprinzip überwog in der Bundesver- Zwar trieb das Schiffchen der Republik schon lange Die Presse jubilirt, sowohl konservative als liberale st. Es gibt nur ein einziges Mittel, um uns mit dem Gott schütze das Vaterland! Eidgenössisches. -- Viehverkehr an der österreich. Grenze. Der Bundes *) Art. 23 lautet: "Dem Bunde steht das Recht zu, im In-
teresse der Eidgenossenschaft oder eines großen Theiles derselben, auf Kosten der Eidgenossenschaft öffentliche Werke zu errichten oder die Errichtung derselben zu unterstützen. Zu diesem Zwecke ist er auch befugt, gegen volle Entschädigung das Recht der Expropriation geltend zu machen. Die näheren Bestimmungen hierüber bleiben der Bundesgesetzgebung vorbehalten." Uznach, Mittwoch No 53. den 2. Juli 1890. St. Galler-Volksblatt. Publikationsorgan der Bezirke See und Gaſter. Obligatoriſch in den Gemeinden Uznach, Jona, Eſchenbach, Schmerikon, St. Gallenkappel, Ernetſchwil, Gommiswald. [Spaltenumbruch] Abonnementspreis: Bei den Verträgern und mit Adreſſe in der Schweiz [Spaltenumbruch] [Abbildung] 35. Jahrgang. [Spaltenumbruch] Inſertionsgebühr für den Seebezirk und Gaſter (ohne Vermittlung der [Spaltenumbruch] Erſcheint Mittwoch und Samſtag. [Spaltenumbruch]
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Druck und Verlag von K. Oberholzer’s Buchdruckerei.
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[Spaltenumbruch] Wöchentl. Gratisbeilage: „Linth-Blätter“. Abonnements-Einladung. Für das zweite Halbjahr kann auf das Der Schatten wichtiger Ereigniſſe. „Die Menſchen ſteh’n ſo kalt und leer, Die Worte fliegen hin und her, Von Eigennutz getrieben, Von jener Freiheit ächt und rein Iſt das Gerippe faſt allein Uns noch zurückgeblieben!“ Alea jacta est — der Würfel des Schickſals iſt Man kann nach alledem, was während der Eiſen- Ueber eine der wichtigſten Kontreversfragen, ob näm- „Im Auslegen ſeid friſch und munter: Legt ihr’s nicht aus, ſo legt es unter!“ Dem ſt. galliſchen Abgeordneten Keel hingegen iſt trotz Welche Stellung werden die Anhänger des födera- Unſer Zeitalter iſt das der materiellen Inte- Solchergeſtalt ſehen ſich die Föderaliſten und Konſer- Das Nützlichkeitsprinzip überwog in der Bundesver- Zwar trieb das Schiffchen der Republik ſchon lange Die Preſſe jubilirt, ſowohl konſervative als liberale ſt. Es gibt nur ein einziges Mittel, um uns mit dem Gott ſchütze das Vaterland! Eidgenöſſiſches. — Viehverkehr an der öſterreich. Grenze. Der Bundes *) Art. 23 lautet: „Dem Bunde ſteht das Recht zu, im In-
tereſſe der Eidgenoſſenſchaft oder eines großen Theiles derſelben, auf Koſten der Eidgenoſſenſchaft öffentliche Werke zu errichten oder die Errichtung derſelben zu unterſtützen. Zu dieſem Zwecke iſt er auch befugt, gegen volle Entſchädigung das Recht der Expropriation geltend zu machen. Die näheren Beſtimmungen hierüber bleiben der Bundesgeſetzgebung vorbehalten.“ <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0001" n="1"/> <titlePage xml:id="tp1a" type="heading" next="#tp1b"> <docImprint> <docDate xml:id="dd1a" next="#dd1b"> <hi rendition="#b">Uznach, Mittwoch</hi> </docDate> <space dim="horizontal"/> <hi rendition="#b">N<hi rendition="#sup">o</hi></hi> <space dim="horizontal"/> <docDate xml:id="dd1b" prev="#dd1a"> <hi rendition="#b">53. den 2. 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J. Reithard v. Zürich.)</hi> </byline> </lg><lb/><lb/> <p><hi rendition="#aq">Alea jacta est</hi> — der Würfel des Schickſals iſt<lb/> geworfen! Den Fuß einmal auf eine ſchiefe Ebene geſetzt,<lb/> geht der Lauf in gleicher Richtung immer raſcher bergab.<lb/> Wenn uns unſere Ahnung und unſere auf Induktions-<lb/> ſchlüſſen beruhende Berechnung nicht gar ſehr irre führt,<lb/> ſo geht die ſchweizeriſche Eidgenoſſenſchaft einer völligen<lb/><hi rendition="#g">politiſchen und finanzwirthſchaftlichen Um-<lb/> geſtaltung</hi> entgegen. An den Ankauf der Jura-Sim-<lb/> plon-Eiſenbahnaktien knüpft ſich enge die <hi rendition="#g">Erwerbung<lb/> des ſchweizeriſchen Eiſenbahnnetzes durch den<lb/> Bund</hi>. — Der Gedanke iſt zwar ſchon in den zwei<lb/> letzten Nummern unſeres Blattes erörtert worden, wir<lb/> können aber bei dem hochernſten Wendepunkte auch heute<lb/> noch nicht ohne ein beklemmendes Gefühl vorübergehn.<lb/> Als das römiſch-byzantiniſche Reich ſeinem raſchen Verfalle<lb/> entgegenging und Kaiſer Heraklius im Jahre 641 Syrien<lb/> den Arabern für immer überlaſſen mußte, rief er noch<lb/> zurückweichend, von Schmerz übermannt: «<hi rendition="#aq">Vale Syria et<lb/> ultimum vale</hi> — lebe wohl, Syrien, zum letzten Male,<lb/> lebe wohl!“ Gewiß gab es in den Sälen der ſchwei-<lb/> zeriſchen Legislative bei jenem denkwürdigen Kaufabſchluß<lb/> mehr als <hi rendition="#g">ein</hi> patriotiſcher Abgeordneter, den in die Zu-<lb/> kunft ſeinen Blick werfend, ein Gefühl beſchleichen mochte,<lb/> wie den oſtrömiſchen Kaiſer bei ſeinem letzten Blick auf<lb/> Syrien; die Ehe der Eiſenbahnen mit dem Bund mochte<lb/> ihnen wie eine furchtbare Bedrohung erſcheinen: man<lb/> fürchtet den Eintritt dieſer mächtigen Familie in das alte<lb/> patriarchaliſche Haus der verbündeten Kantone, wo gleich-<lb/> berechtigte und in ihren Anſprüchen einfache Brüder ſo<lb/> lange Zeit mit einander gelebt haben. Die neue 1848er<lb/> Eidgenoſſenſchaft hat an ſich ſchon etwas Herriſches, Ge-<lb/> waltſames; wie wird das kommen, wenn ſie erſt den<lb/> eiſernen Rieſen heirathet, wann ſie ihre breite Hand auf<lb/> dieſen gewaltigen Arm ſtützt? Das gibt ein Eiſengeklirr<lb/> beim Eintritt des Paares in den Hochzeitsſaal! Aber<lb/> auch welche Rechnung zu bezahlen für die Mahlzeit dieſer<lb/> Vielfraße! Eine <hi rendition="#g">Milliarde</hi> ſagt man — tauſend Mil-<lb/> lionen Franken Schulden!</p><lb/> <p>Man kann nach alledem, was während der Eiſen-<lb/> bahndebatte bald offen, bald verſchämt zugeſtanden worden,<lb/> keinen Augenblick mehr darüber in Zweifel ſein, daß der<lb/> Aufkauf der Berner Eiſenbahnaktien nur das erſte Glied<lb/> an der Kette der ſich nun folgenden Schritte für <hi rendition="#g">Ver-<lb/> ſtaatlichung der Normalbahnen</hi> unſeres Landes<lb/> bedeutet. Der radikale Oberſt Künzli (Aargau) erklärte<lb/> ſich unverblümt dahin: der Ankauf der Berner Aktien ſei<lb/> nur ein erſter Schritt zum <hi rendition="#g">Rückkauf</hi> und <hi rendition="#g">deßhalb</hi> zu<lb/> genehmigen. Den gleichen Endzweck des Bundesrathes fand<lb/> der liberal-konſervative Zürcher Cramer-Frey heraus und<lb/> der ultramontane, will heißen katholiſch-konſervative, Re-<lb/> gierungsrath Schobinger meinte, der Bundesrath erachte<lb/> die Verſtaatlichung als <hi rendition="#g">ſelbſtverſtändlich</hi>, die aber<lb/> nicht Jedermann als ſelbſtverſtändlich anſehe. Wirklich<lb/> erklärte Hr. Bundesrath Welti, was er bereits in der<lb/><cb/> Botſchaft angedeutet: <hi rendition="#g">Unſer Ziel</hi> (beim Ankauf der<lb/> fragl. Eiſenbahnaktien) <hi rendition="#g">iſt der Rückkauf der Bahnen!</hi> </p><lb/> <p>Ueber eine der wichtigſten Kontreversfragen, ob näm-<lb/> lich der Bund, ohne Verfaſſungsreviſion, zum Ankauf oder<lb/> zum Selbſtbetrieb, <hi rendition="#g">befugt ſei</hi>, darüber waren die Mit-<lb/> glieder der Kommiſſion, ſelbſt die der Mehrheit, welche<lb/> Genehmigung des Altienkaufes empfahlen, getheilter An-<lb/> ſicht. Künzli z. B. wollte zwar das <hi rendition="#g">Recht des Bundes</hi><lb/> zur Verſtaatlichung des Bahnbaues und Betriebes aus<lb/> dem Art. 23 der Bundesverfaſſung herausdüfteln <note place="foot" n="*)">Art. 23 lautet: „Dem Bunde ſteht das Recht zu, im In-<lb/> tereſſe der Eidgenoſſenſchaft oder eines großen Theiles derſelben,<lb/> auf Koſten der Eidgenoſſenſchaft öffentliche Werke zu errichten oder<lb/> die Errichtung derſelben zu unterſtützen. Zu dieſem Zwecke iſt er<lb/> auch befugt, gegen volle Entſchädigung das Recht der Expropriation<lb/> geltend zu machen. Die näheren Beſtimmungen hierüber bleiben<lb/> der Bundesgeſetzgebung vorbehalten.“</note> —<lb/> Ein gewiſſer Mephiſtopheles hat freilich auch einmal gelehrt:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Im Auslegen ſeid friſch und munter:</l><lb/> <l>Legt ihr’s nicht aus, ſo legt es unter!“</l> </lg><lb/> <p>Dem ſt. galliſchen Abgeordneten <hi rendition="#g">Keel</hi> hingegen iſt trotz<lb/> der Rückkaufsklauſel in den Eiſenbahnkonzeſſionen die<lb/> Sache noch nicht ſo „glasluter“. Die Ertheilung der<lb/> Konzeſſionen, ſagte er, ſei ein einſeitiger Akt der Bundes-<lb/> verſammlung, und dieſe könne dem Rechte nicht vorgreifen<lb/> in der Frage, ob ein Rückkauf ohne vorangegangene<lb/> Reviſion der Bundesverfaſſung geſtattet ſei. Mit dem<lb/> Ankauf der Prioritätsaktien der Jura-Simplon-Bahn,<lb/> wiederholte Herr Keel, ſei die Frage des Rückkaufs in<lb/> keiner Weiſe gelöst, mögen auch viele Andere anderer<lb/> Anſchauung ſein.</p><lb/> <p>Welche Stellung werden die Anhänger des <hi rendition="#g">födera-<lb/> tiven Bundesſtaates</hi> und die ſchweizeriſchen <hi rendition="#g">Katho-<lb/> liken</hi> zu dem folgenſchweren Schritte der Bundesverſamm-<lb/> lung einnehmen? Wir ſtehen hier vor einer Kolliſſion<lb/> der <hi rendition="#g">politiſchen</hi> und der <hi rendition="#g">Verkehrsintereſſen</hi>. Mit<lb/> der Machtzunahme des Bundes durch Verſtaatlichung des<lb/> Eiſenbahnweſens iſt die vollſtändige <hi rendition="#g">Zentraliſation</hi><lb/> der Verwaltung ſo gut wie eingeleitet; der zentraliſirte<lb/> Einheitsflaat rückt in die Nähe und gegen dieſen Schnell-<lb/> zug hilft kein föderaliſtiſches Bremſen mehr. <hi rendition="#aq">»Vale,<lb/> Syria et ultimum, vale!«</hi> Mit der föderativen Staats-<lb/> form und mit dem „Reſt der Kantonshoheit iſt es alsdann<lb/> Mathä am letzten.“ Ständerath Dr. P. C. v. Planta<lb/> ſchrieb ſchon vor mehr denn zehn Jahren in ſeinem Buche<lb/> „Die Schweiz in ihrer Entwicklung zum Einheitsſtaate“<lb/><hi rendition="#aq">(pag iii)</hi>: „Iſt ſchon die gegenwärtige grundlegende<lb/> Struktur unſeres Bundesſtaates entſchieden <hi rendition="#g">unitariſtiſch</hi><lb/> (nach dem Einheitsſtaat mit der Zentralgewalt hinſtrebend),<lb/> ſo läßt ſich ſchon hieraus und abgeſehen von den dem<lb/> Bunde ſchon zugetheilten Kompetenzen mit Sicherheit<lb/> vorausſagen, daß die Bundesgewalt mehr und mehr um<lb/> ſich greifen und das <hi rendition="#g">Einheitsprinzip</hi> früher oder<lb/> ſpäter den <hi rendition="#g">geſammten eidgenöſſiſchen Körper<lb/> erfaſſen werde</hi>.“ — Die Prophezeiung des bündneriſchen<lb/> Staatsmanns ſcheint raſcher als man ſich gedacht, in —<lb/> Erfüllung zu gehen.</p><lb/> <p>Unſer Zeitalter iſt das der <hi rendition="#g">materiellen Inte-<lb/> reſſen</hi> und mit dieſem „Zuge der Zeit“ muß gerechnet<lb/> werden, ſei man Förderaliſt oder Unitarier, Konſervativ<lb/> oder Liberal, eidgenöſſiſcher Vereinler oder Grütlianer.<lb/> Nun iſt aber die größte Inſtitution des Gewerbeweſens,<lb/> der mächtigſte Faktor unſerer materiellen Intereſſen, eben<lb/> das ſchweizeriſche <hi rendition="#g">Eiſenbahnweſen</hi> (Privatbau) in<lb/> einem Stadium angelangt, wo energiſche Abhülfe dringend<lb/> noth thut. Bundesrath Welti gab ſehr intereſſante Auf-<lb/> ſchlüſſe. Die Finanzgeſchichte unſerer Eiſenbahnen, ſagte<lb/> er, findet ihresgleichen vielleicht nur in der Türkei und<lb/> den ihr angrenzenden Ländern. Ich habe Erhebungen<lb/> machen laſſen, und da hat ſich herausgeſtellt, daß Handel<lb/> und Induſtrie eine <hi rendition="#g">größere Steuer zahlen den<lb/> Eiſenbahnen als dem Staate</hi> durch die Zölle.<lb/> 1886 z. B. betrugen die Zolleinnahmen 22 Millionen<lb/> und 300,000 Fr., die Frachteinnahmen der Bahnen hin-<lb/> gegen faſt 42 <hi rendition="#g">Millionen</hi> Franken! Wer wollte heut-<lb/> zutage mehr die Zölle verpachten wie ehedem? <hi rendition="#g">Warum<lb/> denn aber die größere Steuer von faſt 42<lb/> Mill</hi>. in Privathänden <hi rendition="#g">laſſen</hi>?! .... In keinem<lb/> Lande, fuhr Hr. Welti fort, beſteht ſo wenig Kontakt<lb/><cb/> zwiſchen Verkehr und Eiſenbahn, wie bei uns; iſt der<lb/> Bund Herr der Eiſenbahnen, ſo wird er beide mit ein-<lb/> ander in innige Berührung bringen können, zu großem<lb/> Vortheile für den Vertehr. Ein weiteres politiſches Be-<lb/> denken gegen den jetzigen Zuſtand iſt die Thatſache, daß<lb/> ⅗ unſeres Aktienkapitals in fremden Händen ſich befindet<lb/> und zwar nicht zerſtreut, ſondern in einigen wenigen<lb/> Händen. Wer garantirt nun dafür, daß unſere Aktien<lb/> nicht eines Tages in die Hände einer <hi rendition="#g">fremden Regie-<lb/> rung</hi> kommen? ....</p><lb/> <p>Solchergeſtalt ſehen ſich die Föderaliſten und Konſer-<lb/> vativen vor eine ziemliche Kolliſion der Entſchließungen<lb/> geſtellt; es iſt dies ein Widerſtreit der im politiſchen Leben<lb/> ſeit 1848 kaum je in dieſer Schärfe aufgetretenen unter<lb/> ſich getrennten Geſetzen und politiſchen Grundſätzen.<lb/> Soll der politiſch-föderaliſtiſche oder der wirthſchaft-<lb/> liche Grundgedanke vorwalten? Die <hi rendition="#g">katholiſche Frak-<lb/> tion</hi> ſtellte es daher ihren Mitgliedern frei, in der<lb/> Rückkaufsfrage nach eigenen Heften zu ſtimmen, wie<lb/> wir dem „Vaterland“ entnehmen, denn es iſt — wie<lb/> das nämliche Blatt ſagt — begreiflich, daß mancher kon-<lb/> ſervative Staatsmann aus politiſchen Bedenken gegen die<lb/> Eiſenbahnverſtaatlichung iſt. — Mancher aber könnte es<lb/> auch aus nationalökonomiſchen Gründen ſein, wenn man<lb/> an die ungeheure Schuldenlaſt denkt, welche ſich der Bund<lb/> mit dem Ankauf der geſammten Normalſpurigen aufladet:<lb/> wenigſtens tauſend Millionen Franken! Dann aber kommt<lb/> die <hi rendition="#g">Papierwirthſchaft</hi>. Was iſt dieſe? Dr. Planta<lb/> ſpricht ſich in obenerwähntem Buche dahin aus: „.....<lb/> Dieſem finanziellen Leichtſinn (luxuriöſe Bauten) wird<lb/> endlich in einer Reihe von Staaten Vorſchub geleiſtet<lb/> durch die Papierwirthſchaft, d. h. die Ausgabe von Staats-<lb/> papieren, welche im Grunde nichts anderes ſind, als auf<lb/> die Nachwelt gezogene Wechſel, bezw. Schuldſcheine,<lb/> die man nicht einzulöſen gedenkt .... Man hält es heut-<lb/> zutage allgemein für ſtatthaft, das Wohlſein der jeweilen<lb/> lebenden Generation auf Koſten der kommenden Geſchlechter<lb/> zu begründen.“</p><lb/> <p>Das Nützlichkeitsprinzip überwog in der Bundesver-<lb/> ſammlung den politiſchen Grundſatz. <hi rendition="#aq">«Vive la patrie!»</hi><lb/> „Hoch die Freiheit!“ ſind bloß noch Cliches für Schützen-<lb/> und Sängerfeſt-Triumphbögen; im praktiſchen Leben lautet<lb/> die Parole: „Es lebe der (materielle) Vortheil! Hoch die<lb/> Dividenden!</p><lb/> <p>Zwar trieb das Schiffchen der Republik ſchon lange<lb/> dem Falle des Einheitsſtaates zu. Vor 40 Jahren bereits<lb/> ſchrieb ein ſt. galliſcher Staatsmann: „Wird der Zuſam-<lb/> menhang des Ganzen wohl ins Auge gefaßt, ſo iſt unſere<lb/> jetzige Schweiz von einem Zentralſtaate nicht mehr weit<lb/> entfernt, dieſer ſelbſt der Weſenheit nach ſchon vorhanden,<lb/> und die vielſeitig zu vernehmende Meinung, daß es wohl<lb/> beſſer wäre, man würde ſich zu völliger Unitariſirung<lb/> entſchließen, zu einiger Anerkennung berechtigt.“</p><lb/> <p>Die Preſſe jubilirt, ſowohl konſervative als liberale ſt.<lb/> galliſche Blätter jubiliren über den Eiſenbahnbeſchluß der<lb/> Bundesverſammlung. Geld regiert die Welt!</p><lb/> <p>Es gibt nur ein einziges Mittel, um uns mit dem<lb/> folgenſchweren Beſchluſſe der Bundesverſammlung und mit<lb/> der Verſtaatlichung der Eiſenbahnen einigermaßen zu ver-<lb/> ſöhnen, und dieſes Mittel hat Hr. Nationalrath Keel in<lb/> ſeiner Rede am 20. Juni deutlich angetönt: „.... Auf<lb/> der andern Seite kann ein ſolcher Schritt (Rückkauf) nur<lb/> dann angenommen werden, wenn man <hi rendition="#g">Garantie</hi> dafür<lb/> hat, daß dem Schweizervolk und den <hi rendition="#g">Kantonen ihre<lb/> Selbſtändigkeit gewahrt bleibt. Wir wollen<lb/> die politiſche Freiheit bewahren</hi>. Wir wollen<lb/> das Hauptgewicht theilweiſe <hi rendition="#g">in das Volk verlegen</hi><lb/> und das Volk bei dieſem wichtigen Schritte Ja und Amen<lb/> ſagen, das Volk entſcheiden laſſen.“</p><lb/> <p> <hi rendition="#c">Gott ſchütze das Vaterland!</hi> </p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Eidgenöſſiſches.</hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head>— <hi rendition="#b">Viehverkehr an der öſterreich. Grenze.</hi> </head> <p>Der Bundes<lb/> rath hat eine Anzahl neue Verfügungen im Sinne der Verſchärfung<lb/> getroffen. Das neulich publizirte offizielle Bulletin gibt folgende<lb/> Auskunft darüber: „Unterm 18. Mai abhin hat das ſchweizeriſche<lb/> Landwirthſchaftsdepartement die Grenzthierärzte an der öſtlichen<lb/> Schweizergrenze angewieſen, vom 20. gl. M. an bis auf Weiteres<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1/0001]
Uznach, Mittwoch No 53. den 2. Juli 1890.
St. Galler-Volksblatt.
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halbjährlich Fr. 2. 50 Rp., vierteljährlich Fr. 1. 30 Rp. Bei der eidgen.
Poſt jährlich Fr. 5. — Rp., halbjährlich Fr. 2. 60 Rp., vierteljährlich Fr. 1.
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35. Jahrgang.
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Der Schatten wichtiger Ereigniſſe.
„Die Menſchen ſteh’n ſo kalt und leer,
Die Worte fliegen hin und her,
Von Eigennutz getrieben,
Von jener Freiheit ächt und rein
Iſt das Gerippe faſt allein
Uns noch zurückgeblieben!“ (J. J. Reithard v. Zürich.)
Alea jacta est — der Würfel des Schickſals iſt
geworfen! Den Fuß einmal auf eine ſchiefe Ebene geſetzt,
geht der Lauf in gleicher Richtung immer raſcher bergab.
Wenn uns unſere Ahnung und unſere auf Induktions-
ſchlüſſen beruhende Berechnung nicht gar ſehr irre führt,
ſo geht die ſchweizeriſche Eidgenoſſenſchaft einer völligen
politiſchen und finanzwirthſchaftlichen Um-
geſtaltung entgegen. An den Ankauf der Jura-Sim-
plon-Eiſenbahnaktien knüpft ſich enge die Erwerbung
des ſchweizeriſchen Eiſenbahnnetzes durch den
Bund. — Der Gedanke iſt zwar ſchon in den zwei
letzten Nummern unſeres Blattes erörtert worden, wir
können aber bei dem hochernſten Wendepunkte auch heute
noch nicht ohne ein beklemmendes Gefühl vorübergehn.
Als das römiſch-byzantiniſche Reich ſeinem raſchen Verfalle
entgegenging und Kaiſer Heraklius im Jahre 641 Syrien
den Arabern für immer überlaſſen mußte, rief er noch
zurückweichend, von Schmerz übermannt: «Vale Syria et
ultimum vale — lebe wohl, Syrien, zum letzten Male,
lebe wohl!“ Gewiß gab es in den Sälen der ſchwei-
zeriſchen Legislative bei jenem denkwürdigen Kaufabſchluß
mehr als ein patriotiſcher Abgeordneter, den in die Zu-
kunft ſeinen Blick werfend, ein Gefühl beſchleichen mochte,
wie den oſtrömiſchen Kaiſer bei ſeinem letzten Blick auf
Syrien; die Ehe der Eiſenbahnen mit dem Bund mochte
ihnen wie eine furchtbare Bedrohung erſcheinen: man
fürchtet den Eintritt dieſer mächtigen Familie in das alte
patriarchaliſche Haus der verbündeten Kantone, wo gleich-
berechtigte und in ihren Anſprüchen einfache Brüder ſo
lange Zeit mit einander gelebt haben. Die neue 1848er
Eidgenoſſenſchaft hat an ſich ſchon etwas Herriſches, Ge-
waltſames; wie wird das kommen, wenn ſie erſt den
eiſernen Rieſen heirathet, wann ſie ihre breite Hand auf
dieſen gewaltigen Arm ſtützt? Das gibt ein Eiſengeklirr
beim Eintritt des Paares in den Hochzeitsſaal! Aber
auch welche Rechnung zu bezahlen für die Mahlzeit dieſer
Vielfraße! Eine Milliarde ſagt man — tauſend Mil-
lionen Franken Schulden!
Man kann nach alledem, was während der Eiſen-
bahndebatte bald offen, bald verſchämt zugeſtanden worden,
keinen Augenblick mehr darüber in Zweifel ſein, daß der
Aufkauf der Berner Eiſenbahnaktien nur das erſte Glied
an der Kette der ſich nun folgenden Schritte für Ver-
ſtaatlichung der Normalbahnen unſeres Landes
bedeutet. Der radikale Oberſt Künzli (Aargau) erklärte
ſich unverblümt dahin: der Ankauf der Berner Aktien ſei
nur ein erſter Schritt zum Rückkauf und deßhalb zu
genehmigen. Den gleichen Endzweck des Bundesrathes fand
der liberal-konſervative Zürcher Cramer-Frey heraus und
der ultramontane, will heißen katholiſch-konſervative, Re-
gierungsrath Schobinger meinte, der Bundesrath erachte
die Verſtaatlichung als ſelbſtverſtändlich, die aber
nicht Jedermann als ſelbſtverſtändlich anſehe. Wirklich
erklärte Hr. Bundesrath Welti, was er bereits in der
Botſchaft angedeutet: Unſer Ziel (beim Ankauf der
fragl. Eiſenbahnaktien) iſt der Rückkauf der Bahnen!
Ueber eine der wichtigſten Kontreversfragen, ob näm-
lich der Bund, ohne Verfaſſungsreviſion, zum Ankauf oder
zum Selbſtbetrieb, befugt ſei, darüber waren die Mit-
glieder der Kommiſſion, ſelbſt die der Mehrheit, welche
Genehmigung des Altienkaufes empfahlen, getheilter An-
ſicht. Künzli z. B. wollte zwar das Recht des Bundes
zur Verſtaatlichung des Bahnbaues und Betriebes aus
dem Art. 23 der Bundesverfaſſung herausdüfteln *) —
Ein gewiſſer Mephiſtopheles hat freilich auch einmal gelehrt:
„Im Auslegen ſeid friſch und munter:
Legt ihr’s nicht aus, ſo legt es unter!“
Dem ſt. galliſchen Abgeordneten Keel hingegen iſt trotz
der Rückkaufsklauſel in den Eiſenbahnkonzeſſionen die
Sache noch nicht ſo „glasluter“. Die Ertheilung der
Konzeſſionen, ſagte er, ſei ein einſeitiger Akt der Bundes-
verſammlung, und dieſe könne dem Rechte nicht vorgreifen
in der Frage, ob ein Rückkauf ohne vorangegangene
Reviſion der Bundesverfaſſung geſtattet ſei. Mit dem
Ankauf der Prioritätsaktien der Jura-Simplon-Bahn,
wiederholte Herr Keel, ſei die Frage des Rückkaufs in
keiner Weiſe gelöst, mögen auch viele Andere anderer
Anſchauung ſein.
Welche Stellung werden die Anhänger des födera-
tiven Bundesſtaates und die ſchweizeriſchen Katho-
liken zu dem folgenſchweren Schritte der Bundesverſamm-
lung einnehmen? Wir ſtehen hier vor einer Kolliſſion
der politiſchen und der Verkehrsintereſſen. Mit
der Machtzunahme des Bundes durch Verſtaatlichung des
Eiſenbahnweſens iſt die vollſtändige Zentraliſation
der Verwaltung ſo gut wie eingeleitet; der zentraliſirte
Einheitsflaat rückt in die Nähe und gegen dieſen Schnell-
zug hilft kein föderaliſtiſches Bremſen mehr. »Vale,
Syria et ultimum, vale!« Mit der föderativen Staats-
form und mit dem „Reſt der Kantonshoheit iſt es alsdann
Mathä am letzten.“ Ständerath Dr. P. C. v. Planta
ſchrieb ſchon vor mehr denn zehn Jahren in ſeinem Buche
„Die Schweiz in ihrer Entwicklung zum Einheitsſtaate“
(pag iii): „Iſt ſchon die gegenwärtige grundlegende
Struktur unſeres Bundesſtaates entſchieden unitariſtiſch
(nach dem Einheitsſtaat mit der Zentralgewalt hinſtrebend),
ſo läßt ſich ſchon hieraus und abgeſehen von den dem
Bunde ſchon zugetheilten Kompetenzen mit Sicherheit
vorausſagen, daß die Bundesgewalt mehr und mehr um
ſich greifen und das Einheitsprinzip früher oder
ſpäter den geſammten eidgenöſſiſchen Körper
erfaſſen werde.“ — Die Prophezeiung des bündneriſchen
Staatsmanns ſcheint raſcher als man ſich gedacht, in —
Erfüllung zu gehen.
Unſer Zeitalter iſt das der materiellen Inte-
reſſen und mit dieſem „Zuge der Zeit“ muß gerechnet
werden, ſei man Förderaliſt oder Unitarier, Konſervativ
oder Liberal, eidgenöſſiſcher Vereinler oder Grütlianer.
Nun iſt aber die größte Inſtitution des Gewerbeweſens,
der mächtigſte Faktor unſerer materiellen Intereſſen, eben
das ſchweizeriſche Eiſenbahnweſen (Privatbau) in
einem Stadium angelangt, wo energiſche Abhülfe dringend
noth thut. Bundesrath Welti gab ſehr intereſſante Auf-
ſchlüſſe. Die Finanzgeſchichte unſerer Eiſenbahnen, ſagte
er, findet ihresgleichen vielleicht nur in der Türkei und
den ihr angrenzenden Ländern. Ich habe Erhebungen
machen laſſen, und da hat ſich herausgeſtellt, daß Handel
und Induſtrie eine größere Steuer zahlen den
Eiſenbahnen als dem Staate durch die Zölle.
1886 z. B. betrugen die Zolleinnahmen 22 Millionen
und 300,000 Fr., die Frachteinnahmen der Bahnen hin-
gegen faſt 42 Millionen Franken! Wer wollte heut-
zutage mehr die Zölle verpachten wie ehedem? Warum
denn aber die größere Steuer von faſt 42
Mill. in Privathänden laſſen?! .... In keinem
Lande, fuhr Hr. Welti fort, beſteht ſo wenig Kontakt
zwiſchen Verkehr und Eiſenbahn, wie bei uns; iſt der
Bund Herr der Eiſenbahnen, ſo wird er beide mit ein-
ander in innige Berührung bringen können, zu großem
Vortheile für den Vertehr. Ein weiteres politiſches Be-
denken gegen den jetzigen Zuſtand iſt die Thatſache, daß
⅗ unſeres Aktienkapitals in fremden Händen ſich befindet
und zwar nicht zerſtreut, ſondern in einigen wenigen
Händen. Wer garantirt nun dafür, daß unſere Aktien
nicht eines Tages in die Hände einer fremden Regie-
rung kommen? ....
Solchergeſtalt ſehen ſich die Föderaliſten und Konſer-
vativen vor eine ziemliche Kolliſion der Entſchließungen
geſtellt; es iſt dies ein Widerſtreit der im politiſchen Leben
ſeit 1848 kaum je in dieſer Schärfe aufgetretenen unter
ſich getrennten Geſetzen und politiſchen Grundſätzen.
Soll der politiſch-föderaliſtiſche oder der wirthſchaft-
liche Grundgedanke vorwalten? Die katholiſche Frak-
tion ſtellte es daher ihren Mitgliedern frei, in der
Rückkaufsfrage nach eigenen Heften zu ſtimmen, wie
wir dem „Vaterland“ entnehmen, denn es iſt — wie
das nämliche Blatt ſagt — begreiflich, daß mancher kon-
ſervative Staatsmann aus politiſchen Bedenken gegen die
Eiſenbahnverſtaatlichung iſt. — Mancher aber könnte es
auch aus nationalökonomiſchen Gründen ſein, wenn man
an die ungeheure Schuldenlaſt denkt, welche ſich der Bund
mit dem Ankauf der geſammten Normalſpurigen aufladet:
wenigſtens tauſend Millionen Franken! Dann aber kommt
die Papierwirthſchaft. Was iſt dieſe? Dr. Planta
ſpricht ſich in obenerwähntem Buche dahin aus: „.....
Dieſem finanziellen Leichtſinn (luxuriöſe Bauten) wird
endlich in einer Reihe von Staaten Vorſchub geleiſtet
durch die Papierwirthſchaft, d. h. die Ausgabe von Staats-
papieren, welche im Grunde nichts anderes ſind, als auf
die Nachwelt gezogene Wechſel, bezw. Schuldſcheine,
die man nicht einzulöſen gedenkt .... Man hält es heut-
zutage allgemein für ſtatthaft, das Wohlſein der jeweilen
lebenden Generation auf Koſten der kommenden Geſchlechter
zu begründen.“
Das Nützlichkeitsprinzip überwog in der Bundesver-
ſammlung den politiſchen Grundſatz. «Vive la patrie!»
„Hoch die Freiheit!“ ſind bloß noch Cliches für Schützen-
und Sängerfeſt-Triumphbögen; im praktiſchen Leben lautet
die Parole: „Es lebe der (materielle) Vortheil! Hoch die
Dividenden!
Zwar trieb das Schiffchen der Republik ſchon lange
dem Falle des Einheitsſtaates zu. Vor 40 Jahren bereits
ſchrieb ein ſt. galliſcher Staatsmann: „Wird der Zuſam-
menhang des Ganzen wohl ins Auge gefaßt, ſo iſt unſere
jetzige Schweiz von einem Zentralſtaate nicht mehr weit
entfernt, dieſer ſelbſt der Weſenheit nach ſchon vorhanden,
und die vielſeitig zu vernehmende Meinung, daß es wohl
beſſer wäre, man würde ſich zu völliger Unitariſirung
entſchließen, zu einiger Anerkennung berechtigt.“
Die Preſſe jubilirt, ſowohl konſervative als liberale ſt.
galliſche Blätter jubiliren über den Eiſenbahnbeſchluß der
Bundesverſammlung. Geld regiert die Welt!
Es gibt nur ein einziges Mittel, um uns mit dem
folgenſchweren Beſchluſſe der Bundesverſammlung und mit
der Verſtaatlichung der Eiſenbahnen einigermaßen zu ver-
ſöhnen, und dieſes Mittel hat Hr. Nationalrath Keel in
ſeiner Rede am 20. Juni deutlich angetönt: „.... Auf
der andern Seite kann ein ſolcher Schritt (Rückkauf) nur
dann angenommen werden, wenn man Garantie dafür
hat, daß dem Schweizervolk und den Kantonen ihre
Selbſtändigkeit gewahrt bleibt. Wir wollen
die politiſche Freiheit bewahren. Wir wollen
das Hauptgewicht theilweiſe in das Volk verlegen
und das Volk bei dieſem wichtigen Schritte Ja und Amen
ſagen, das Volk entſcheiden laſſen.“
Gott ſchütze das Vaterland!
Eidgenöſſiſches.
— Viehverkehr an der öſterreich. Grenze. Der Bundes
rath hat eine Anzahl neue Verfügungen im Sinne der Verſchärfung
getroffen. Das neulich publizirte offizielle Bulletin gibt folgende
Auskunft darüber: „Unterm 18. Mai abhin hat das ſchweizeriſche
Landwirthſchaftsdepartement die Grenzthierärzte an der öſtlichen
Schweizergrenze angewieſen, vom 20. gl. M. an bis auf Weiteres
*) Art. 23 lautet: „Dem Bunde ſteht das Recht zu, im In-
tereſſe der Eidgenoſſenſchaft oder eines großen Theiles derſelben,
auf Koſten der Eidgenoſſenſchaft öffentliche Werke zu errichten oder
die Errichtung derſelben zu unterſtützen. Zu dieſem Zwecke iſt er
auch befugt, gegen volle Entſchädigung das Recht der Expropriation
geltend zu machen. Die näheren Beſtimmungen hierüber bleiben
der Bundesgeſetzgebung vorbehalten.“
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