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Sonntags-Blatt. Nr. 33. Berlin, 16. August 1868.

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[Beginn Spaltensatz]
Folgen einer Bedientenklatscherei.
Aus den Erinnerungen des Lakaien Ferard.
( Fortsetzung. )

Wir dachten nur noch wenig an die von Roi gehörten schrecklichen
Dinge und begingen den Neujahrstag ganz fröhlich. Auch die folgenden
Tage vergingen recht lustig; denn es gab in dieser Zeit täglich Gesell-
schaften, von denen gute Trinkgelder unzertrennlich waren. So lebten wir
sorglos bis zum 6. Januar des Jahres 1757. Jch brachte Herrn Foissier
gerade seine Chokolade -- es war acht Uhr Morgens -- als ich klin-
geln hörte.

"Sich doch, Ferard, wer schon so früh da ist", sagte Herr Foissier.

Jch ging, um zu öffnen; da kam mir Herr Mallet ganz erhitzt aus
dem Vorflur in das Zimmer nachgelaufen."

"Jst Herr Foissier schon munter?" rief er.

Als ich dies bejahte, eilte er durch die Zimmer bis zu meinem Herrn.
Jch wäre ja kein Bedienter der Zeit Ludwigs XV. gewesen, hätte ich es
mir versagen können zu horchen. Es brauchte dazu aber keiner großen
Vorsicht, denn Herr Mallet schrie fast:

"Sie sitzen hier so ruhig, Foissier -- wissen Sie denn noch gar nicht,
was geschehen?"

"Nein -- nein", antwortete mein Herr.

"Nun, gestern Abend um dreiviertel auf sechs Uhr ist in Versailles an
der kleinen Hintertreppe ein Mordanfall auf den König gemacht worden."

"Was sagen Sie?" rief Herr Foissier, erschreckt aufspringend.

"Ein Mörder hat mit einem großen Messer dem König einen Stoß
in die Seite gegeben. Der Mörder heißt Franz Damiens und ist ein
entlassener Bedienter. Er besaß bei seiner Verhaftung noch etwa dreißig
Geldstücke, und als er festgenommen wurde, rief er aus: Man gebe auf
den Dauphin Acht! Er soll heut nicht ausgehen! Ob dies ein Gefühl der
Reue war, weiß ich nicht; aber jedenfalls beweist dieser Ruf, daß Damiens
nur das Werkzeug einer Rotte von Verschwörern gewesen ist."

Für mich waren diese Nachrichten von doppelter Wichtigkeit. Einmal
glaubte ich eine recht große Neuigkeit brühwarm den Hausgenossen mit-
theilen zu können, dann aber fiel mir unwillkürlich die von Roi am Abend
der Gesellschaft bei Herrn Lenoir vernommene Aeußerung ein: "Ein Blut-
bad steht Frankreich bevor". Das erste Opfer desselben war also der
König. Jch ging so schnell wie möglich in die Küche hinunter, merkte
aber sofort, daß ich zu spät kam, denn allgemein hatte sich schon die
Kunde von dem Attentat verbreitet. Draußen läuteten alle Glocken, der
Erzbischof von Paris ordnete Gebete an, und auf den Straßen rotteten
sich Gruppen zusammen, welche das Ereigniß besprachen. Alle Welt
glaubte an eine Verschwörung. Abends erhielten wir schon nähere Aus-
kunft. Der Mörder hieß also Damiens, war ehemals Soldat, dann Be-
dienter und hatte häufig den Verhandlungen im Justizpalast beigewohnt,
wo er sich stets als eifriger Freund des Parlaments gezeigt hatte. Er
war sofort ergriffen worden, und zwar durch einen an sich geringfügigen
Umstand. Damiens hatte nämlich den Hut auf dem Kopf behalten, wäh-
rend doch alle Umstehenden ihre Hüte zogen, als der König in den Wagen
steigen wollte. Jn dem Augenblick als Ludwig XV. seinen Fuß auf die
Treppe setzte, stürzte ein Mann auf ihn zu. Der König rief: "Jch habe
einen Faustschlag erhalten!" Dann fuhr er mit der Hand unter die Weste,
und als er sie blutig zurückzog, rief er: "Jch bin verwundet!" Er sah den
mit bedecktem Haupt dastehenden Mörder und sagte schnell: "Dieser Mann
dort hat sich an mir vergriffen. Nehmt ihn fest, aber thut ihm kein Leid."
Damiens ward auch sofort gebunden; er machte gar keinen Versuch zu
entfliehen *) . Man schleppte ihn in das Wachtzimmer der Garde=du=Corps,
wo seine Taschen durchsucht wurden; es fanden sich bei ihm siebenund-
dreißig Goldstücke, etwas Silbergeld und ein Buch, betitelt: " Instructions
et prieres chretiennes
. Seinen Namen sagte er gleich; auch rief er jene
Warnung für den Dauphin aus; die Garden wollten gehört haben, daß
ihm eine Stimme zurief: "Bist Du bereit?" worauf Damiens geantwortet
hätte: "Jch warte". Die Garden meinten nun, ein Recht zur Anwendung
des peinlichen Verfahrens zu haben und zogen Damiens vor das Kohlenfeuer,
wo sie seine Fersen am Feuer braten ließen; aber er war, trotz der
Schmerzen, nicht zur Nennung eines Mitschuldigen zu bringen. Herr
Leclerc du Brillet, der Oberrichter, verhörte ihn zunächst und stellte seine
Persönlichkeit fest. Er war zu Artois geboren, Bedienter von Profession,
ein heftiger Feind der Pompadour und Anhänger des Parlaments. Er
schrieb gleich nach dem Verhör einen Brief an den König, in welchem er
diesen um Verzeihung bat, ihn aber auch beschwor, die Sache des Volks
zu ergreifen, die Angelegenheit der Sterbesakramente zu ordnen und kein
Lit de justice mehr im Jnteresse der Geistlichkeit zu halten. Er fiel
scharf gegen den Erzbischof aus und berichtete, daß der König in Lebens-
gefahr schwebe, wenn er nicht andere Wege einschlage. Endlich empfahl
er sich der königlichen Gnade. Dieser Brief bestätigte den Verdacht, Da-
miens habe Mitschuldige; dazu kam die plötzliche Angst des Königs, das
Messer könne vergiftet gewesen sein. Die Waffe war nämlich an sich ganz
unbedeutend, ein gewöhnliches Taschenmesser von kaum drei Zoll Länge.
Damiens hatte bei seiner Ergreifung die Klinge sogar abgewischt. Der
Leibarzt Martiniere konnte indeß schon am dritten Tage erklären, die
Wunde sei nicht nur ungefährlich, sondern bereits in der Heilung be-
[Spaltenumbruch] griffen. Freilich hatte den König wohl der dicke Pelzrock, den er trug,
vor schwererer Verwundung geschützt. Nunmehr wurden die Untersuchungen
mit größerer Ruhe betrieben. Damiens' Ausruf, den Dauphin betreffend,
seine Verschlossenheit, das Geld -- ließen den Verdacht, daß er das Werk-
zeug einer Verschwörung sei, nicht schwinden. Der König übergab die
Untersuchung der ersten Kammer des Pariser Parlaments, und am 17. Ja-
nuar langte Damiens im Justizpalast zu Paris an. Sein Transport
ward mit größter Vorsicht betrieben, eben so seine Bewachung. Vor der
Conciergerie mußte er aussteigen, und man trug ihn, in eine wollene Decke
gehüllt, in den Thurm von Montgomery. Vier Sergeanten wachten vor
seiner Thür; über seinem Zimmer lagen zehn, unter demselben acht Garden
einquartiert, die sich alle vierundzwanzig Stunden ablösten. Niemand
durfte ihm nahen, Niemand vor dem Fenster des Kerkers stehen; die Wachen
feuerten auf jeden Zuwiderhandelnden. Da dieser ganze Prozeß mit der-
selben Heimlichkeit betrieben wurde, wie weiland der Ravaillacs, so muth-
maßte das Publikum noch weit mehr, als in Wirklichkeit an der Sache
sein mochte. Die Untersuchung ward schnell eröffnet, blieb aber mit
dem Schleier des Geheimnisses umhüllt. Jch habe den Mordversuch
Damiens' ein wenig ausführlicher beschrieben, weil ich ihn nicht weiter
erwähnen, sondern nur berichten will, auf welche Weise wir Bediente
durch eine alberne Klatscherei in diesen Prozeß verwickelt wurden.

Wie gesagt, fahndete die Polizei eifrig auf etwaige Mitschuldige des
Damiens. Nun wird man sich erinnern, daß der Bediente Jean Aubrais
im Laden des Herrn Gabriel neben anderen Dummheiten auch die Phrase
von der Ausrottung des Hauses Bourbon geschwatzt hatte. Die Gabriel-
schen Eheleute hatten einige Zimmer ihrer Wohnung an einen gewissen
Herrn Jngoult, einem fremden Geistlichen aus St. Quentin, vermiethet.
Herr Jngoult kam am Tage nach dem Mordanfall ganz erhitzt in den
Laden des Herrn Gabriel und erzählte, daß der Mörder hartnäckig sich
weigere, seine Genossen zu nennen.

"O", rief Madame Gabriel, ganz außer sich vor Aufregung, denn
obgleich der König nicht sehr beliebt war, hatte ganz Paris doch die
größte Theilnahme gezeigt. "O -- und dennoch giebt es gewiß Mit-
schuldige; hier in diesem Laden hat Aubrais, ein Diener des Herrn Bour-
neaux, schon vor einigen Tagen gesagt, er habe gehört, das Haus Bourbon
solle ausgerottet werden -- ein Blutbad stehe bevor."

Herr Jngoult schreckte zusammen. Er schwieg jedoch vorläufig und
setzte sich mit dem Untersuchungsrichter in Verbindung, welcher Niemand
anders war, als jener Herr Mallet, der Foissier, meinem Herrn, die erste
Kunde von dem Attentat brachte. Der Mörder Damiens blieb hartnäckig
bei seiner Aussage, er habe keine Genossen. Man wollte nun aber durch-
aus einige Verschwörer ermitteln, und da Herr Jngoult am folgenden
Tage nach seiner Mittheilung aufs Neue von Aubrais' Auslassung reden
hörte, denuncirte er das Gehörte bei Herrn Mallet.

Nun war die ganze Geschichte in bestem Gange.

"Ferard", rief mein Herr mir zu, "was habt Jhr Alle gethan? Jch
höre heut im Parlament, daß großartige Verhaftungen vorgenommen wer-
den sollen, daß man in Bedientenkreisen auf Spuren der Mitschuldigen
des Damiens gestoßen sei; ich höre, daß Aubrais, Roi, der Diener des
Herrn Lenoir, und Du selbst, Jhr Alle in diese Sache verflochten seid."

Jch betheuerte meine Unschuld und hielt es fürs Beste, dem Herrn
Foissier die ganze Geschichte mitzutheilen. Das machte ihn aber noch ängst-
licher; denn er sah gleich, daß die schwersten Verdachtsgründe gegen Drou und
Legouv e geltend gemacht werden würden, weil Beide in Lenoirs Haus das
Gespräch vom Blutvergießen geführt hatten, welches der alberne Roi stück-
weise belauschte und eben so in das Publikum brachte. Wir geriethen
sämmtlich in die größte Angst, da die Richter durchaus Mitschuldige haben
wollten und jeden noch so kleinen Anhaltepunkt dazu begierig ergriffen.
Außerdem wollte es das Unglück, daß Damiens ebenfalls ein Bedienter
sein mußte, und daß die ganze Klasse der Diener in Paris sich durch-
schnittlich keines besondern Rufes erfreute.

( Schluß folgt. )



Mittheilungen aus Australien.
Von einem Missionär.
( Fortsetzung. )
Die Deutschen in der Provinz New=Süd=Wales.

Die australischen Frühlingsmonate Oktober, November und der An-
fang des Monats Dezember, sind dort die angenehmste Reisezeit. Jch
wählte zu meiner Reise nach Sidney die letzten Tage des Monats Oktober,
und ließ schon vor Tagesanbruch meine Reise=Effekten nach dem Hafen
von Melbourne bringen, um den abgehenden Dampfer nicht zu versäumen.

Der Gastwirth Wedell, ein Preuße, damals Besitzer des Criterion-
Hotel
in Melbourne, gab mir das Geleit nach dem Hafen. Bereits vom
Ufer aus sah ich das Dampfroß liegen, welches mich und meine Hoffnungen
tragen sollte. Auf dem Deck herrschte schon ein lebhaftes Treiben, theils
von Passagieren in bunter Tracht, theils von den Matrosen, welche mit
der Zurichtung zur Reise an Deck und in dem Takelwerth beschäftigt
waren. Ein kleiner Kahn brachte mich und meine Effekten näher; ich
bestieg sodann vermittelst der Strickleiter das Schiff, und nachdem auch
meine Effekten an Bord gebracht waren, wurde mir von dem Steward
( Oberkellner ) meine Schlafkoje angewiesen. Jn dieser machte ich es mir
zuerst bequem und ging sodann an Deck, um jetzt mich dem Geschäft der
anderen Passagiere, welches darin bestand, die ankommenden Reisegefährten zu
mustern , anzuschließen; aber kaum an Deck, bewillkommnete mich auf
[Ende Spaltensatz]

*) Es dürfte nicht am unrechten Ort sein, zu erwähnen, daß der
Mörder des Herzogs von Buckingham, Felton, durch ein dem obigen ent-
gegengesetztes Versehen gleich erkannt wurde. Bei Buckinghams Ermor-
dung waren alle Zuschauer bedeckten Hauptes. Felton allein hatte seinen
Hut weggeworfen. "Der ohne Hut hat mich getroffen!" rief Buckingham.
[Beginn Spaltensatz]
Folgen einer Bedientenklatscherei.
Aus den Erinnerungen des Lakaien Férard.
( Fortsetzung. )

Wir dachten nur noch wenig an die von Roi gehörten schrecklichen
Dinge und begingen den Neujahrstag ganz fröhlich. Auch die folgenden
Tage vergingen recht lustig; denn es gab in dieser Zeit täglich Gesell-
schaften, von denen gute Trinkgelder unzertrennlich waren. So lebten wir
sorglos bis zum 6. Januar des Jahres 1757. Jch brachte Herrn Foissier
gerade seine Chokolade — es war acht Uhr Morgens — als ich klin-
geln hörte.

„Sich doch, Férard, wer schon so früh da ist“, sagte Herr Foissier.

Jch ging, um zu öffnen; da kam mir Herr Mallet ganz erhitzt aus
dem Vorflur in das Zimmer nachgelaufen.“

„Jst Herr Foissier schon munter?“ rief er.

Als ich dies bejahte, eilte er durch die Zimmer bis zu meinem Herrn.
Jch wäre ja kein Bedienter der Zeit Ludwigs XV. gewesen, hätte ich es
mir versagen können zu horchen. Es brauchte dazu aber keiner großen
Vorsicht, denn Herr Mallet schrie fast:

„Sie sitzen hier so ruhig, Foissier — wissen Sie denn noch gar nicht,
was geschehen?“

„Nein — nein“, antwortete mein Herr.

„Nun, gestern Abend um dreiviertel auf sechs Uhr ist in Versailles an
der kleinen Hintertreppe ein Mordanfall auf den König gemacht worden.“

„Was sagen Sie?“ rief Herr Foissier, erschreckt aufspringend.

„Ein Mörder hat mit einem großen Messer dem König einen Stoß
in die Seite gegeben. Der Mörder heißt Franz Damiens und ist ein
entlassener Bedienter. Er besaß bei seiner Verhaftung noch etwa dreißig
Geldstücke, und als er festgenommen wurde, rief er aus: Man gebe auf
den Dauphin Acht! Er soll heut nicht ausgehen! Ob dies ein Gefühl der
Reue war, weiß ich nicht; aber jedenfalls beweist dieser Ruf, daß Damiens
nur das Werkzeug einer Rotte von Verschwörern gewesen ist.“

Für mich waren diese Nachrichten von doppelter Wichtigkeit. Einmal
glaubte ich eine recht große Neuigkeit brühwarm den Hausgenossen mit-
theilen zu können, dann aber fiel mir unwillkürlich die von Roi am Abend
der Gesellschaft bei Herrn Lenoir vernommene Aeußerung ein: „Ein Blut-
bad steht Frankreich bevor“. Das erste Opfer desselben war also der
König. Jch ging so schnell wie möglich in die Küche hinunter, merkte
aber sofort, daß ich zu spät kam, denn allgemein hatte sich schon die
Kunde von dem Attentat verbreitet. Draußen läuteten alle Glocken, der
Erzbischof von Paris ordnete Gebete an, und auf den Straßen rotteten
sich Gruppen zusammen, welche das Ereigniß besprachen. Alle Welt
glaubte an eine Verschwörung. Abends erhielten wir schon nähere Aus-
kunft. Der Mörder hieß also Damiens, war ehemals Soldat, dann Be-
dienter und hatte häufig den Verhandlungen im Justizpalast beigewohnt,
wo er sich stets als eifriger Freund des Parlaments gezeigt hatte. Er
war sofort ergriffen worden, und zwar durch einen an sich geringfügigen
Umstand. Damiens hatte nämlich den Hut auf dem Kopf behalten, wäh-
rend doch alle Umstehenden ihre Hüte zogen, als der König in den Wagen
steigen wollte. Jn dem Augenblick als Ludwig XV. seinen Fuß auf die
Treppe setzte, stürzte ein Mann auf ihn zu. Der König rief: „Jch habe
einen Faustschlag erhalten!“ Dann fuhr er mit der Hand unter die Weste,
und als er sie blutig zurückzog, rief er: „Jch bin verwundet!“ Er sah den
mit bedecktem Haupt dastehenden Mörder und sagte schnell: „Dieser Mann
dort hat sich an mir vergriffen. Nehmt ihn fest, aber thut ihm kein Leid.“
Damiens ward auch sofort gebunden; er machte gar keinen Versuch zu
entfliehen *) . Man schleppte ihn in das Wachtzimmer der Garde=du=Corps,
wo seine Taschen durchsucht wurden; es fanden sich bei ihm siebenund-
dreißig Goldstücke, etwas Silbergeld und ein Buch, betitelt: „ Instructions
et prières chrétiennes
. Seinen Namen sagte er gleich; auch rief er jene
Warnung für den Dauphin aus; die Garden wollten gehört haben, daß
ihm eine Stimme zurief: „Bist Du bereit?“ worauf Damiens geantwortet
hätte: „Jch warte“. Die Garden meinten nun, ein Recht zur Anwendung
des peinlichen Verfahrens zu haben und zogen Damiens vor das Kohlenfeuer,
wo sie seine Fersen am Feuer braten ließen; aber er war, trotz der
Schmerzen, nicht zur Nennung eines Mitschuldigen zu bringen. Herr
Leclerc du Brillet, der Oberrichter, verhörte ihn zunächst und stellte seine
Persönlichkeit fest. Er war zu Artois geboren, Bedienter von Profession,
ein heftiger Feind der Pompadour und Anhänger des Parlaments. Er
schrieb gleich nach dem Verhör einen Brief an den König, in welchem er
diesen um Verzeihung bat, ihn aber auch beschwor, die Sache des Volks
zu ergreifen, die Angelegenheit der Sterbesakramente zu ordnen und kein
Lit de justice mehr im Jnteresse der Geistlichkeit zu halten. Er fiel
scharf gegen den Erzbischof aus und berichtete, daß der König in Lebens-
gefahr schwebe, wenn er nicht andere Wege einschlage. Endlich empfahl
er sich der königlichen Gnade. Dieser Brief bestätigte den Verdacht, Da-
miens habe Mitschuldige; dazu kam die plötzliche Angst des Königs, das
Messer könne vergiftet gewesen sein. Die Waffe war nämlich an sich ganz
unbedeutend, ein gewöhnliches Taschenmesser von kaum drei Zoll Länge.
Damiens hatte bei seiner Ergreifung die Klinge sogar abgewischt. Der
Leibarzt Martinière konnte indeß schon am dritten Tage erklären, die
Wunde sei nicht nur ungefährlich, sondern bereits in der Heilung be-
[Spaltenumbruch] griffen. Freilich hatte den König wohl der dicke Pelzrock, den er trug,
vor schwererer Verwundung geschützt. Nunmehr wurden die Untersuchungen
mit größerer Ruhe betrieben. Damiens' Ausruf, den Dauphin betreffend,
seine Verschlossenheit, das Geld — ließen den Verdacht, daß er das Werk-
zeug einer Verschwörung sei, nicht schwinden. Der König übergab die
Untersuchung der ersten Kammer des Pariser Parlaments, und am 17. Ja-
nuar langte Damiens im Justizpalast zu Paris an. Sein Transport
ward mit größter Vorsicht betrieben, eben so seine Bewachung. Vor der
Conciergerie mußte er aussteigen, und man trug ihn, in eine wollene Decke
gehüllt, in den Thurm von Montgomery. Vier Sergeanten wachten vor
seiner Thür; über seinem Zimmer lagen zehn, unter demselben acht Garden
einquartiert, die sich alle vierundzwanzig Stunden ablösten. Niemand
durfte ihm nahen, Niemand vor dem Fenster des Kerkers stehen; die Wachen
feuerten auf jeden Zuwiderhandelnden. Da dieser ganze Prozeß mit der-
selben Heimlichkeit betrieben wurde, wie weiland der Ravaillacs, so muth-
maßte das Publikum noch weit mehr, als in Wirklichkeit an der Sache
sein mochte. Die Untersuchung ward schnell eröffnet, blieb aber mit
dem Schleier des Geheimnisses umhüllt. Jch habe den Mordversuch
Damiens' ein wenig ausführlicher beschrieben, weil ich ihn nicht weiter
erwähnen, sondern nur berichten will, auf welche Weise wir Bediente
durch eine alberne Klatscherei in diesen Prozeß verwickelt wurden.

Wie gesagt, fahndete die Polizei eifrig auf etwaige Mitschuldige des
Damiens. Nun wird man sich erinnern, daß der Bediente Jean Aubrais
im Laden des Herrn Gabriel neben anderen Dummheiten auch die Phrase
von der Ausrottung des Hauses Bourbon geschwatzt hatte. Die Gabriel-
schen Eheleute hatten einige Zimmer ihrer Wohnung an einen gewissen
Herrn Jngoult, einem fremden Geistlichen aus St. Quentin, vermiethet.
Herr Jngoult kam am Tage nach dem Mordanfall ganz erhitzt in den
Laden des Herrn Gabriel und erzählte, daß der Mörder hartnäckig sich
weigere, seine Genossen zu nennen.

„O“, rief Madame Gabriel, ganz außer sich vor Aufregung, denn
obgleich der König nicht sehr beliebt war, hatte ganz Paris doch die
größte Theilnahme gezeigt. „O — und dennoch giebt es gewiß Mit-
schuldige; hier in diesem Laden hat Aubrais, ein Diener des Herrn Bour-
neaux, schon vor einigen Tagen gesagt, er habe gehört, das Haus Bourbon
solle ausgerottet werden — ein Blutbad stehe bevor.“

Herr Jngoult schreckte zusammen. Er schwieg jedoch vorläufig und
setzte sich mit dem Untersuchungsrichter in Verbindung, welcher Niemand
anders war, als jener Herr Mallet, der Foissier, meinem Herrn, die erste
Kunde von dem Attentat brachte. Der Mörder Damiens blieb hartnäckig
bei seiner Aussage, er habe keine Genossen. Man wollte nun aber durch-
aus einige Verschwörer ermitteln, und da Herr Jngoult am folgenden
Tage nach seiner Mittheilung aufs Neue von Aubrais' Auslassung reden
hörte, denuncirte er das Gehörte bei Herrn Mallet.

Nun war die ganze Geschichte in bestem Gange.

„Ferard“, rief mein Herr mir zu, „was habt Jhr Alle gethan? Jch
höre heut im Parlament, daß großartige Verhaftungen vorgenommen wer-
den sollen, daß man in Bedientenkreisen auf Spuren der Mitschuldigen
des Damiens gestoßen sei; ich höre, daß Aubrais, Roi, der Diener des
Herrn Lenoir, und Du selbst, Jhr Alle in diese Sache verflochten seid.“

Jch betheuerte meine Unschuld und hielt es fürs Beste, dem Herrn
Foissier die ganze Geschichte mitzutheilen. Das machte ihn aber noch ängst-
licher; denn er sah gleich, daß die schwersten Verdachtsgründe gegen Drou und
Legouv é geltend gemacht werden würden, weil Beide in Lenoirs Haus das
Gespräch vom Blutvergießen geführt hatten, welches der alberne Roi stück-
weise belauschte und eben so in das Publikum brachte. Wir geriethen
sämmtlich in die größte Angst, da die Richter durchaus Mitschuldige haben
wollten und jeden noch so kleinen Anhaltepunkt dazu begierig ergriffen.
Außerdem wollte es das Unglück, daß Damiens ebenfalls ein Bedienter
sein mußte, und daß die ganze Klasse der Diener in Paris sich durch-
schnittlich keines besondern Rufes erfreute.

( Schluß folgt. )



Mittheilungen aus Australien.
Von einem Missionär.
( Fortsetzung. )
Die Deutschen in der Provinz New=Süd=Wales.

Die australischen Frühlingsmonate Oktober, November und der An-
fang des Monats Dezember, sind dort die angenehmste Reisezeit. Jch
wählte zu meiner Reise nach Sidney die letzten Tage des Monats Oktober,
und ließ schon vor Tagesanbruch meine Reise=Effekten nach dem Hafen
von Melbourne bringen, um den abgehenden Dampfer nicht zu versäumen.

Der Gastwirth Wedell, ein Preuße, damals Besitzer des Criterion-
Hôtel
in Melbourne, gab mir das Geleit nach dem Hafen. Bereits vom
Ufer aus sah ich das Dampfroß liegen, welches mich und meine Hoffnungen
tragen sollte. Auf dem Deck herrschte schon ein lebhaftes Treiben, theils
von Passagieren in bunter Tracht, theils von den Matrosen, welche mit
der Zurichtung zur Reise an Deck und in dem Takelwerth beschäftigt
waren. Ein kleiner Kahn brachte mich und meine Effekten näher; ich
bestieg sodann vermittelst der Strickleiter das Schiff, und nachdem auch
meine Effekten an Bord gebracht waren, wurde mir von dem Steward
( Oberkellner ) meine Schlafkoje angewiesen. Jn dieser machte ich es mir
zuerst bequem und ging sodann an Deck, um jetzt mich dem Geschäft der
anderen Passagiere, welches darin bestand, die ankommenden Reisegefährten zu
mustern , anzuschließen; aber kaum an Deck, bewillkommnete mich auf
[Ende Spaltensatz]

*) Es dürfte nicht am unrechten Ort sein, zu erwähnen, daß der
Mörder des Herzogs von Buckingham, Felton, durch ein dem obigen ent-
gegengesetztes Versehen gleich erkannt wurde. Bei Buckinghams Ermor-
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[260/0004] 260 Folgen einer Bedientenklatscherei. Aus den Erinnerungen des Lakaien Férard. ( Fortsetzung. ) Wir dachten nur noch wenig an die von Roi gehörten schrecklichen Dinge und begingen den Neujahrstag ganz fröhlich. Auch die folgenden Tage vergingen recht lustig; denn es gab in dieser Zeit täglich Gesell- schaften, von denen gute Trinkgelder unzertrennlich waren. So lebten wir sorglos bis zum 6. Januar des Jahres 1757. Jch brachte Herrn Foissier gerade seine Chokolade — es war acht Uhr Morgens — als ich klin- geln hörte. „Sich doch, Férard, wer schon so früh da ist“, sagte Herr Foissier. Jch ging, um zu öffnen; da kam mir Herr Mallet ganz erhitzt aus dem Vorflur in das Zimmer nachgelaufen.“ „Jst Herr Foissier schon munter?“ rief er. Als ich dies bejahte, eilte er durch die Zimmer bis zu meinem Herrn. Jch wäre ja kein Bedienter der Zeit Ludwigs XV. gewesen, hätte ich es mir versagen können zu horchen. Es brauchte dazu aber keiner großen Vorsicht, denn Herr Mallet schrie fast: „Sie sitzen hier so ruhig, Foissier — wissen Sie denn noch gar nicht, was geschehen?“ „Nein — nein“, antwortete mein Herr. „Nun, gestern Abend um dreiviertel auf sechs Uhr ist in Versailles an der kleinen Hintertreppe ein Mordanfall auf den König gemacht worden.“ „Was sagen Sie?“ rief Herr Foissier, erschreckt aufspringend. „Ein Mörder hat mit einem großen Messer dem König einen Stoß in die Seite gegeben. Der Mörder heißt Franz Damiens und ist ein entlassener Bedienter. Er besaß bei seiner Verhaftung noch etwa dreißig Geldstücke, und als er festgenommen wurde, rief er aus: Man gebe auf den Dauphin Acht! Er soll heut nicht ausgehen! Ob dies ein Gefühl der Reue war, weiß ich nicht; aber jedenfalls beweist dieser Ruf, daß Damiens nur das Werkzeug einer Rotte von Verschwörern gewesen ist.“ Für mich waren diese Nachrichten von doppelter Wichtigkeit. Einmal glaubte ich eine recht große Neuigkeit brühwarm den Hausgenossen mit- theilen zu können, dann aber fiel mir unwillkürlich die von Roi am Abend der Gesellschaft bei Herrn Lenoir vernommene Aeußerung ein: „Ein Blut- bad steht Frankreich bevor“. Das erste Opfer desselben war also der König. Jch ging so schnell wie möglich in die Küche hinunter, merkte aber sofort, daß ich zu spät kam, denn allgemein hatte sich schon die Kunde von dem Attentat verbreitet. Draußen läuteten alle Glocken, der Erzbischof von Paris ordnete Gebete an, und auf den Straßen rotteten sich Gruppen zusammen, welche das Ereigniß besprachen. Alle Welt glaubte an eine Verschwörung. Abends erhielten wir schon nähere Aus- kunft. Der Mörder hieß also Damiens, war ehemals Soldat, dann Be- dienter und hatte häufig den Verhandlungen im Justizpalast beigewohnt, wo er sich stets als eifriger Freund des Parlaments gezeigt hatte. Er war sofort ergriffen worden, und zwar durch einen an sich geringfügigen Umstand. Damiens hatte nämlich den Hut auf dem Kopf behalten, wäh- rend doch alle Umstehenden ihre Hüte zogen, als der König in den Wagen steigen wollte. Jn dem Augenblick als Ludwig XV. seinen Fuß auf die Treppe setzte, stürzte ein Mann auf ihn zu. Der König rief: „Jch habe einen Faustschlag erhalten!“ Dann fuhr er mit der Hand unter die Weste, und als er sie blutig zurückzog, rief er: „Jch bin verwundet!“ Er sah den mit bedecktem Haupt dastehenden Mörder und sagte schnell: „Dieser Mann dort hat sich an mir vergriffen. Nehmt ihn fest, aber thut ihm kein Leid.“ Damiens ward auch sofort gebunden; er machte gar keinen Versuch zu entfliehen *) . Man schleppte ihn in das Wachtzimmer der Garde=du=Corps, wo seine Taschen durchsucht wurden; es fanden sich bei ihm siebenund- dreißig Goldstücke, etwas Silbergeld und ein Buch, betitelt: „ Instructions et prières chrétiennes. Seinen Namen sagte er gleich; auch rief er jene Warnung für den Dauphin aus; die Garden wollten gehört haben, daß ihm eine Stimme zurief: „Bist Du bereit?“ worauf Damiens geantwortet hätte: „Jch warte“. Die Garden meinten nun, ein Recht zur Anwendung des peinlichen Verfahrens zu haben und zogen Damiens vor das Kohlenfeuer, wo sie seine Fersen am Feuer braten ließen; aber er war, trotz der Schmerzen, nicht zur Nennung eines Mitschuldigen zu bringen. Herr Leclerc du Brillet, der Oberrichter, verhörte ihn zunächst und stellte seine Persönlichkeit fest. Er war zu Artois geboren, Bedienter von Profession, ein heftiger Feind der Pompadour und Anhänger des Parlaments. Er schrieb gleich nach dem Verhör einen Brief an den König, in welchem er diesen um Verzeihung bat, ihn aber auch beschwor, die Sache des Volks zu ergreifen, die Angelegenheit der Sterbesakramente zu ordnen und kein Lit de justice mehr im Jnteresse der Geistlichkeit zu halten. Er fiel scharf gegen den Erzbischof aus und berichtete, daß der König in Lebens- gefahr schwebe, wenn er nicht andere Wege einschlage. Endlich empfahl er sich der königlichen Gnade. Dieser Brief bestätigte den Verdacht, Da- miens habe Mitschuldige; dazu kam die plötzliche Angst des Königs, das Messer könne vergiftet gewesen sein. Die Waffe war nämlich an sich ganz unbedeutend, ein gewöhnliches Taschenmesser von kaum drei Zoll Länge. Damiens hatte bei seiner Ergreifung die Klinge sogar abgewischt. Der Leibarzt Martinière konnte indeß schon am dritten Tage erklären, die Wunde sei nicht nur ungefährlich, sondern bereits in der Heilung be- griffen. Freilich hatte den König wohl der dicke Pelzrock, den er trug, vor schwererer Verwundung geschützt. Nunmehr wurden die Untersuchungen mit größerer Ruhe betrieben. Damiens' Ausruf, den Dauphin betreffend, seine Verschlossenheit, das Geld — ließen den Verdacht, daß er das Werk- zeug einer Verschwörung sei, nicht schwinden. Der König übergab die Untersuchung der ersten Kammer des Pariser Parlaments, und am 17. Ja- nuar langte Damiens im Justizpalast zu Paris an. Sein Transport ward mit größter Vorsicht betrieben, eben so seine Bewachung. Vor der Conciergerie mußte er aussteigen, und man trug ihn, in eine wollene Decke gehüllt, in den Thurm von Montgomery. Vier Sergeanten wachten vor seiner Thür; über seinem Zimmer lagen zehn, unter demselben acht Garden einquartiert, die sich alle vierundzwanzig Stunden ablösten. Niemand durfte ihm nahen, Niemand vor dem Fenster des Kerkers stehen; die Wachen feuerten auf jeden Zuwiderhandelnden. Da dieser ganze Prozeß mit der- selben Heimlichkeit betrieben wurde, wie weiland der Ravaillacs, so muth- maßte das Publikum noch weit mehr, als in Wirklichkeit an der Sache sein mochte. Die Untersuchung ward schnell eröffnet, blieb aber mit dem Schleier des Geheimnisses umhüllt. Jch habe den Mordversuch Damiens' ein wenig ausführlicher beschrieben, weil ich ihn nicht weiter erwähnen, sondern nur berichten will, auf welche Weise wir Bediente durch eine alberne Klatscherei in diesen Prozeß verwickelt wurden. Wie gesagt, fahndete die Polizei eifrig auf etwaige Mitschuldige des Damiens. Nun wird man sich erinnern, daß der Bediente Jean Aubrais im Laden des Herrn Gabriel neben anderen Dummheiten auch die Phrase von der Ausrottung des Hauses Bourbon geschwatzt hatte. Die Gabriel- schen Eheleute hatten einige Zimmer ihrer Wohnung an einen gewissen Herrn Jngoult, einem fremden Geistlichen aus St. Quentin, vermiethet. Herr Jngoult kam am Tage nach dem Mordanfall ganz erhitzt in den Laden des Herrn Gabriel und erzählte, daß der Mörder hartnäckig sich weigere, seine Genossen zu nennen. „O“, rief Madame Gabriel, ganz außer sich vor Aufregung, denn obgleich der König nicht sehr beliebt war, hatte ganz Paris doch die größte Theilnahme gezeigt. „O — und dennoch giebt es gewiß Mit- schuldige; hier in diesem Laden hat Aubrais, ein Diener des Herrn Bour- neaux, schon vor einigen Tagen gesagt, er habe gehört, das Haus Bourbon solle ausgerottet werden — ein Blutbad stehe bevor.“ Herr Jngoult schreckte zusammen. Er schwieg jedoch vorläufig und setzte sich mit dem Untersuchungsrichter in Verbindung, welcher Niemand anders war, als jener Herr Mallet, der Foissier, meinem Herrn, die erste Kunde von dem Attentat brachte. Der Mörder Damiens blieb hartnäckig bei seiner Aussage, er habe keine Genossen. Man wollte nun aber durch- aus einige Verschwörer ermitteln, und da Herr Jngoult am folgenden Tage nach seiner Mittheilung aufs Neue von Aubrais' Auslassung reden hörte, denuncirte er das Gehörte bei Herrn Mallet. Nun war die ganze Geschichte in bestem Gange. „Ferard“, rief mein Herr mir zu, „was habt Jhr Alle gethan? Jch höre heut im Parlament, daß großartige Verhaftungen vorgenommen wer- den sollen, daß man in Bedientenkreisen auf Spuren der Mitschuldigen des Damiens gestoßen sei; ich höre, daß Aubrais, Roi, der Diener des Herrn Lenoir, und Du selbst, Jhr Alle in diese Sache verflochten seid.“ Jch betheuerte meine Unschuld und hielt es fürs Beste, dem Herrn Foissier die ganze Geschichte mitzutheilen. Das machte ihn aber noch ängst- licher; denn er sah gleich, daß die schwersten Verdachtsgründe gegen Drou und Legouv é geltend gemacht werden würden, weil Beide in Lenoirs Haus das Gespräch vom Blutvergießen geführt hatten, welches der alberne Roi stück- weise belauschte und eben so in das Publikum brachte. Wir geriethen sämmtlich in die größte Angst, da die Richter durchaus Mitschuldige haben wollten und jeden noch so kleinen Anhaltepunkt dazu begierig ergriffen. Außerdem wollte es das Unglück, daß Damiens ebenfalls ein Bedienter sein mußte, und daß die ganze Klasse der Diener in Paris sich durch- schnittlich keines besondern Rufes erfreute. ( Schluß folgt. ) Mittheilungen aus Australien. Von einem Missionär. ( Fortsetzung. ) Die Deutschen in der Provinz New=Süd=Wales. Die australischen Frühlingsmonate Oktober, November und der An- fang des Monats Dezember, sind dort die angenehmste Reisezeit. Jch wählte zu meiner Reise nach Sidney die letzten Tage des Monats Oktober, und ließ schon vor Tagesanbruch meine Reise=Effekten nach dem Hafen von Melbourne bringen, um den abgehenden Dampfer nicht zu versäumen. Der Gastwirth Wedell, ein Preuße, damals Besitzer des Criterion- Hôtel in Melbourne, gab mir das Geleit nach dem Hafen. Bereits vom Ufer aus sah ich das Dampfroß liegen, welches mich und meine Hoffnungen tragen sollte. Auf dem Deck herrschte schon ein lebhaftes Treiben, theils von Passagieren in bunter Tracht, theils von den Matrosen, welche mit der Zurichtung zur Reise an Deck und in dem Takelwerth beschäftigt waren. Ein kleiner Kahn brachte mich und meine Effekten näher; ich bestieg sodann vermittelst der Strickleiter das Schiff, und nachdem auch meine Effekten an Bord gebracht waren, wurde mir von dem Steward ( Oberkellner ) meine Schlafkoje angewiesen. Jn dieser machte ich es mir zuerst bequem und ging sodann an Deck, um jetzt mich dem Geschäft der anderen Passagiere, welches darin bestand, die ankommenden Reisegefährten zu mustern , anzuschließen; aber kaum an Deck, bewillkommnete mich auf *) Es dürfte nicht am unrechten Ort sein, zu erwähnen, daß der Mörder des Herzogs von Buckingham, Felton, durch ein dem obigen ent- gegengesetztes Versehen gleich erkannt wurde. Bei Buckinghams Ermor- dung waren alle Zuschauer bedeckten Hauptes. Felton allein hatte seinen Hut weggeworfen. „Der ohne Hut hat mich getroffen!“ rief Buckingham.

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Zitationshilfe: Sonntags-Blatt. Nr. 33. Berlin, 16. August 1868, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_sonntagsblatt33_1868/4>, abgerufen am 22.07.2024.