Sonntags-Blatt. Nr. 32. Berlin, 8. August 1869.
[Abbildung]
Ein Affentribunal. Von Paul Meyerheim. Felix Mendelssohn sagte einmal in vertrautem Kreise, die Genies Der Beschauer pflegt am Geschwindesten da zu bewundern, wo Aber auch weiteren Kreisen kommt diese Gabe -- Dank der me- Den Lehrjahren Panl Meyerheim's im Vaterhause folgten die
[Abbildung]
Ein Affentribunal. Von Paul Meyerheim. Felix Mendelssohn sagte einmal in vertrautem Kreise, die Genies Der Beschauer pflegt am Geschwindesten da zu bewundern, wo Aber auch weiteren Kreisen kommt diese Gabe — Dank der me- Den Lehrjahren Panl Meyerheim's im Vaterhause folgten die <TEI> <text> <body> <div type="jArticle" n="1"> <p><pb facs="#f0005" n="253"/><fw type="pageNum" place="top">253</fw><figure><head> Ein Affentribunal. Von Paul Meyerheim. </head></figure><lb/><cb type="start"/> müth dringt so tief in das Gemüth des Andern ein. Wie ist in dieser<lb/> kleinen Gruppe in feinster Schrift der nationale Unterschied und die<lb/> Anderartigkeit des Knaben und des Mädchens zu lesen! Das sind ein-<lb/> fache Stoffe, die keines Kommentars bedürfen, weil sie jedem Auge<lb/> in ihrer naiven Darstellung verständlich sind, aber es sind überreiche<lb/> Stoffe, weil sie das volle Gefühl des Beschauers beschäftigen, laut zu<lb/> seinem Herzen sprechen!</p><lb/> <p>Felix Mendelssohn sagte einmal in vertrautem Kreise, die Genies<lb/> wären die, die am meisten büffeln. Paradox, wie der Scherz ist, hat<lb/> er doch <hi rendition="#g">die</hi> Wahrheit, daß begabte und dabei überaus fleißige Men-<lb/> schen es dahin bringen können, daß ihnen eine gewisse produktive<lb/> Fähigkeit gleichsam wie von selbst kommt.</p><lb/> <p>Der Beschauer pflegt am Geschwindesten da zu bewundern, wo<lb/> kleine Gegenstände, schnell und sicher geschaffen, seine Phantasie im<lb/> Augenblick anregen und unwillkürlich seinen Gedankengang auf die<lb/> Entstehungsgeschichte lenken. Auch Paul Meyerheim, ein Maler von<lb/> nie rastendem Fleiß, hat es zu dem Glück gebracht, aus seinen großen<lb/> und anstrengenden Saaten im Kleinen hundertfältiges Korn zu ernten.<lb/> Jm engern Kreise kommt solche Gabe aber= und abermals denen zu<lb/> Gute, die das Glück der näheren Berührung mit dem Produzirenden<lb/> selbst haben. Der zerstreuten kleineren Gelegenheitsblätter zu erwähnen,<lb/> ist hier nicht der Ort — wohl aber werden sich diejenigen unter<lb/> unsern Lesern, die in Berlin einmal ein Künstlerfest mitgefeiert haben,<lb/> mit Freude der reichen Gaben erinnern, die er dann verschwenderisch<lb/> auf Tischkarten, Wanddekorationen und Arrangements aller Art zu<lb/> streuen pflegt, und denen stets der ihm eigenthümliche freundliche<lb/> Charakter aufgeprägt ist.</p><lb/> <p>Aber auch weiteren Kreisen kommt diese Gabe — Dank der me-<lb/> chanischen Hülfsmittel unserer Zeit — in vollem Maaße zu Gute.<lb/> Die Jllustration, seit Chodowiecki eine in Deutschland fleißig gepflegte<lb/> Kunstgattung, hat es in unseren Tagen zu einer Vollkommenheit ge-<lb/> bracht, deren sich Jeder erfreut, wenn er nur an Namen wie Menzel<lb/> und Ludwig Richter denkt. Hier muß der Maler mit dem Dichter<lb/> gehen, oder gar selbst zum Erzähler werden. Jn Beiden hat sich<lb/><cb n="2"/> Paul Meyerheim mit Glück versucht. Die artistischen Beigaben seiner<lb/> Hand, z. B. in Auerbach's letztem Kalender, die in den Stuttgarter<lb/> Bilderbogen erschienenen Blätter sind davon redende Zeugnisse, und<lb/> wie sich im Kleinsten oft der Meister zeigt, möchte kaum eine seiner<lb/> Gaben mehr für seine besonderen Eigenthümlichkeiten Zeugniß ab-<lb/> legen, als die Lebensgeschichte eines Löwen und die Japanesen auf<lb/> jenen Bilderbogen.</p><lb/> <p>Den Lehrjahren Panl Meyerheim's im Vaterhause folgten die<lb/> Wanderjahre. Seine erste Reise war eine Seereise. Von Danzig<lb/> aus besuchte er an der Seite eines befreundeten Kapitäns die Küsten<lb/> von Dänemark, Schweden, Norwegen, England und Frankreich. Den<lb/> Studien an den Dünen folgten die im Hochgebirge; einen vollen<lb/> Sommer verlebte er in Tyrol. Seine letzte Reise endlich führte ihn<lb/> über Holland und Belgien nach Paris, wo er Jahr und Tag zu-<lb/> brachte. Auf dieser Schlußwanderung knüpfte er zahlreiche Verbin-<lb/> dungen mit seinen auswärtigen Kunstgenossen an. Seine Studien-<lb/> mappen füllten sich damals mit dem reichen Schatz von Aquarellen,<lb/> deren Ausstellung im vergangenen Sommer in Berlin mit Recht all-<lb/> seitige Anerkennung fand. Jn den Straßen der holländischen Städte<lb/> und an den Küsten der Nordsee fand er des Eigenthümlichen, noch<lb/> selten genug Ausgebeuteten so viel, daß man nicht allein über die<lb/> Ausführung, sondern auch über die Mannichfaltigkeit des Gegebenen<lb/> staunen muß. Die Zeit seines Pariser Aufenthalts schloß die große<lb/> Welt=Jndustrie=Ausstellung von 1867 ab, deren vollen Eindruck er mit<lb/> lebhafter Freude in sich aufnahm. Nach einem flüchtigen Besuch der<lb/> Schweiz kehrte er in die Heimath zurück, begründete mit der erwählten<lb/> Braut das eigene Hauswesen, und er wenigstens kann sich nicht der<lb/> alten Klage anschließen, daß der Prophet im Vaterlande nichts gelte.<lb/> Den jugendlichen, noch nicht lange heimgekehrten Meister nahm die<lb/> so exklusive Berliner Akademie in ihre erlesenen Kreise auf. Möchte<lb/> der Eintritt einer so frischen, aufstrebenden Kraft dazu beitragen, dem<lb/> alternden, wenig ausgiebigen Jnstitut neue Lebenswärme einzuhauchen,<lb/> aus einem versteinerten Areopagus der Künste eine jugendliche Ring-<lb/> schule der Künstler zu machen.</p> </div><lb/> <cb type="end"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </body> </text> </TEI> [253/0005]
253
[Abbildung Ein Affentribunal. Von Paul Meyerheim. ]
müth dringt so tief in das Gemüth des Andern ein. Wie ist in dieser
kleinen Gruppe in feinster Schrift der nationale Unterschied und die
Anderartigkeit des Knaben und des Mädchens zu lesen! Das sind ein-
fache Stoffe, die keines Kommentars bedürfen, weil sie jedem Auge
in ihrer naiven Darstellung verständlich sind, aber es sind überreiche
Stoffe, weil sie das volle Gefühl des Beschauers beschäftigen, laut zu
seinem Herzen sprechen!
Felix Mendelssohn sagte einmal in vertrautem Kreise, die Genies
wären die, die am meisten büffeln. Paradox, wie der Scherz ist, hat
er doch die Wahrheit, daß begabte und dabei überaus fleißige Men-
schen es dahin bringen können, daß ihnen eine gewisse produktive
Fähigkeit gleichsam wie von selbst kommt.
Der Beschauer pflegt am Geschwindesten da zu bewundern, wo
kleine Gegenstände, schnell und sicher geschaffen, seine Phantasie im
Augenblick anregen und unwillkürlich seinen Gedankengang auf die
Entstehungsgeschichte lenken. Auch Paul Meyerheim, ein Maler von
nie rastendem Fleiß, hat es zu dem Glück gebracht, aus seinen großen
und anstrengenden Saaten im Kleinen hundertfältiges Korn zu ernten.
Jm engern Kreise kommt solche Gabe aber= und abermals denen zu
Gute, die das Glück der näheren Berührung mit dem Produzirenden
selbst haben. Der zerstreuten kleineren Gelegenheitsblätter zu erwähnen,
ist hier nicht der Ort — wohl aber werden sich diejenigen unter
unsern Lesern, die in Berlin einmal ein Künstlerfest mitgefeiert haben,
mit Freude der reichen Gaben erinnern, die er dann verschwenderisch
auf Tischkarten, Wanddekorationen und Arrangements aller Art zu
streuen pflegt, und denen stets der ihm eigenthümliche freundliche
Charakter aufgeprägt ist.
Aber auch weiteren Kreisen kommt diese Gabe — Dank der me-
chanischen Hülfsmittel unserer Zeit — in vollem Maaße zu Gute.
Die Jllustration, seit Chodowiecki eine in Deutschland fleißig gepflegte
Kunstgattung, hat es in unseren Tagen zu einer Vollkommenheit ge-
bracht, deren sich Jeder erfreut, wenn er nur an Namen wie Menzel
und Ludwig Richter denkt. Hier muß der Maler mit dem Dichter
gehen, oder gar selbst zum Erzähler werden. Jn Beiden hat sich
Paul Meyerheim mit Glück versucht. Die artistischen Beigaben seiner
Hand, z. B. in Auerbach's letztem Kalender, die in den Stuttgarter
Bilderbogen erschienenen Blätter sind davon redende Zeugnisse, und
wie sich im Kleinsten oft der Meister zeigt, möchte kaum eine seiner
Gaben mehr für seine besonderen Eigenthümlichkeiten Zeugniß ab-
legen, als die Lebensgeschichte eines Löwen und die Japanesen auf
jenen Bilderbogen.
Den Lehrjahren Panl Meyerheim's im Vaterhause folgten die
Wanderjahre. Seine erste Reise war eine Seereise. Von Danzig
aus besuchte er an der Seite eines befreundeten Kapitäns die Küsten
von Dänemark, Schweden, Norwegen, England und Frankreich. Den
Studien an den Dünen folgten die im Hochgebirge; einen vollen
Sommer verlebte er in Tyrol. Seine letzte Reise endlich führte ihn
über Holland und Belgien nach Paris, wo er Jahr und Tag zu-
brachte. Auf dieser Schlußwanderung knüpfte er zahlreiche Verbin-
dungen mit seinen auswärtigen Kunstgenossen an. Seine Studien-
mappen füllten sich damals mit dem reichen Schatz von Aquarellen,
deren Ausstellung im vergangenen Sommer in Berlin mit Recht all-
seitige Anerkennung fand. Jn den Straßen der holländischen Städte
und an den Küsten der Nordsee fand er des Eigenthümlichen, noch
selten genug Ausgebeuteten so viel, daß man nicht allein über die
Ausführung, sondern auch über die Mannichfaltigkeit des Gegebenen
staunen muß. Die Zeit seines Pariser Aufenthalts schloß die große
Welt=Jndustrie=Ausstellung von 1867 ab, deren vollen Eindruck er mit
lebhafter Freude in sich aufnahm. Nach einem flüchtigen Besuch der
Schweiz kehrte er in die Heimath zurück, begründete mit der erwählten
Braut das eigene Hauswesen, und er wenigstens kann sich nicht der
alten Klage anschließen, daß der Prophet im Vaterlande nichts gelte.
Den jugendlichen, noch nicht lange heimgekehrten Meister nahm die
so exklusive Berliner Akademie in ihre erlesenen Kreise auf. Möchte
der Eintritt einer so frischen, aufstrebenden Kraft dazu beitragen, dem
alternden, wenig ausgiebigen Jnstitut neue Lebenswärme einzuhauchen,
aus einem versteinerten Areopagus der Künste eine jugendliche Ring-
schule der Künstler zu machen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung
Weitere Informationen:Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |