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Sonntags-Blatt. Nr. 32. Berlin, 9. August 1868.

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[Beginn Spaltensatz] geliebtes Weib, Elisabeth Symern, zum Altar führte, scheint bereits
die Wandlung in seinem Charakter vorgegangen zu sein, deren jener
Geschichtsschreiber mit den Worten gedenkt: "Auf einmal zog er sich
von einem Leben von großer Lust und Zügellosigkeit zu außerordent-
licher Nüchternheit und Strenge, zu einer angemesseneren und ern-
steren Gesellschaft zurück."

Jmmerhin aber kann dieser Uebergang kein schroffer gewesen sein;
denn Hampden soll seine eigene natürliche Heiterkeit und Lebhaftigkeit
auch nach diesem Zeitpunkt bewahrt haben. Seine trotz seines Reich-
thums einfachen und mäßigen Sitten waren weit entfernt von jenem
finstern, asketischen Puritanismus, der damals bereits seinen Sitz in
England aufgeschlagen hatte. Seine weltmännische Gewandtheit be-
fähigte ihn sogar mehr als alle übrigen Führer der Volkspartei, den
Verkehr mit dem Hof aufrecht zu erhalten.

Um dieselbe Zeit, wo jene Wandlung in Hampdens äußerer Lebens-
weise vorgegangen war, trat er in das politische Leben ein. Es wäre
John Hampden vermöge seiner Familienverbindungen und seines
Grundbesitzes sehr leicht gewesen, den Wunsch seiner Mutter zu
befriedigen, die ihren Sohn gern unter den Peers gesehen hätte; aber
die Ehre, im Hause der Lords zu sitzen, war unter Jakobs I. Re-
gierung eine so leicht erkäufliche und so feile geworden, daß ein Mann
von dem Charakter des jungen Gentleman es unter seiner Würde
halten mußte, danach zu streben. Hampden ließ sich also im Jahr
1620 für den Flecken Grampound ins Unterhaus wählen. Hier schloß
er sich der Opposition an, die bereits unter der Regierung des, das
Gottesgnadenthum der königlichen Würde mit so viel Phrasenreich-
thum betonenden und mit so geringem Nachdruck behauptenden Jakob
bedeutend erstarkt war. Das junge Parlamentsmitglied ordnete sich
gern und willig den begabten Führern der Partei unter und suchte,
ohne eine hervorragende Rolle spielen zu wollen, eine genaue Kenntniß
der parlamentarischen Geschäfte zu erlangen. Gleichwohl nahm er an
allen politischen Akten des Unterhauses einen, wenn auch stillen, doch
sehr emsigen Antheil, wie denn auch ihm die Volkspartei verdankte,
daß verschiedene Burgflecken, die ihr ergeben waren, ihr verlornes
Wahlrecht wiedergewannen; zu denselben gehörte auch Wendower, das
Hampden wiederholt zu seinem Vertreter wählte. Hervorzuheben
dürfte aus dieser Zeit noch sein das Votum Hampdens gegen die
Heirath des damaligen Prinzen von Wales ( Kronprinzen ) mit der
spanischen Jnfantin, und seine eifrige Parteinahme für den Protestan-
tismus in dem Kurfürstenthum Brandenburg; es geht daraus hervor,
daß Hampden zu den entschiedenen Anhängern der Reformation ge-
hörte. Auch in den ersten beiden Parlamenten Karls saß Hampden
und stimmte in den Reihen der Opposition, die ihn wegen seines
Talents und Charakters zu schätzen wußte. Jetzt, da Karls Streben
nach unumschränkter Herrschaft immer mehr hervortrat, erkannte endlich
auch das englische Volk, daß in dem reichen Edelmann, dem selbst an-
dauernde Kerkerhaft Nachgiebigkeit gegen die Willkür des Königs, ob-
gleich sie ihm nur geringe Opfer auferlegt hätte, nicht abzuringen ver-
mochte, ihm ein unerschrockener und uneigennütziger Vertheidiger seines
Rechts und seiner Freiheit zur Seite stand.

Jnzwischen nahm der französische Feldzug ein schmachvolles Ende
und versetzte ganz England in Trauer; der englische Handel wurde
durch die Angriffe der feindlichen Seemacht erschüttert, und unter der
Wucht des allgemeinen Hasses kehrte Buckingham zurück.

Der König sowohl wie sein Günstling fühlten die Nothwendig-
[Spaltenumbruch] keit, die aufs Aeußerste gebrachte öffentliche Meinung zu beschwich-
tigen; fast war die Liebe, welche das Volk dem König bei seiner
Thronbesteigung entgegengetragen, schon verscherzt. Aller Haß entlud
sich indeß auf den Minister, dessen thörichter Rath und unfähige Füh-
rung den Krieg hervorgerufen und seinen unglücklichen Ausgang her-
beigeführt hatte. Die Geldmittel, welche die Regierung auf ungesetz-
liche Weise beigetrieben, waren überdies erschöpft, und so entschloß
sich denn der König auf den Rath eines der gemäßigtsten Mitglieder
der Volkspartei, Sir Robert Cotton, der ihm jenes berühmte Wort
Lord Burleighs an die Königin Elisabeth zurief: "Gewinnt ihre
Herzen, und ihre Arme und ihre Beutel werden Euer sein!" -- ein neues
Parlament zu berufen. Um die öffentliche Meinung mit dem Günst-
ling zu versöhnen, wurde die Berufung des Parlaments als auf Rath
desselben geschehen dargestellt.

Gleichzeitig wurden die Gefängnisse geöffnet, um die wegen Ver-
weigerung der Zwangsanleihe Verhafteten der Freiheit wiederzugeben;
siebenundzwanzig von diesen Märtyrern wurden in das Parlament
gewählt, unter ihnen auch John Hampden. Am 17. März 1628
eröffnete der König das Parlament mit einer Thronrede, in welcher
er durch eine hochmüthige, völlig absolutistisch gehaltene Sprache seinen
Verdruß zu verbergen suchte, durch die Umstände genöthigt zu sein,
die Vertreter des Volks wieder um sich zu versammeln. Noch deut-
licher waren die Erläuterungen, welche der Lord=Siegelbewahrer den
Worten des Königs hinzufügte: "Seine Majestät", sagte er, "haben
Sich, um Beisteuern zu erlangen, an das Parlament gewandt, nicht
wie zu dem einzigen, sondern wie zu dem geeignetsten Mittel, nicht
als ob Sie anderer ermangelten, sondern weil dieses der Güte Jhrer
Allergnädigsten Gesinnung wie den Wünschen und dem Wohl Jhres
Volkes am meisten gemäß ist. Sollte der Erfolg sich verzögern, so
würde die Nothwendigkeit und das Schwert der Feinde andere Maß-
regeln erzwingen". Ging aus einem solchen Verfahren der Regierung
auch hervor, daß der König noch immer an der Theorie festhielt, die
Rechte des Volks und seiner Vertreter seien lediglich von seiner Gnade
abhängig und könnten jederzeit von ihm außer Kraft gesetzt werden,
war die Entrüstung über den Geist des Despotismus, den diese und
ähnliche Reden Karls und seiner Räthe athmeten, und über die vor-
hergegangene Willkürakte auch noch so groß und allgemein: das neue
Haus der Gemeinen umfaßte in seiner großen Majorität Männer,
die mit der Entschlossenheit, für die Rechte und Freiheiten der Nation
mit aller Kraft einzutreten, auch die Besonnenheit vereinigten, welche
von übereilten Beschlüssen zurückhält und die sicherste Bürgschaft des
Erfolges ist. An ihrer Spitze standen kühne, opferwillige, hochbegabte
Führer: der durch seine Festigkeit und seine Kenntnisse ausgezeichnete
Eduard Cooke, der damals noch nicht von der Volkssache abgefallene
feurige und beredte Thomas Wentworth, der unerschrockene, leiden-
schaftliche und energische Pym. Auch John Hampden gehörte zu den
vorzüglichsten Theilnehmern des nunmehr entbrennenden denkwürdigen
Kampfes, ohne indeß auch jetzt mehr in den Vordergrund zu treten.
Mit Mäßigung und Festigkeit antwortete das Haus der Gemeinen
auf die übermüthigen Zumuthungen des Königs. Der Sprecher
leitete am 22. März die Berathungen des Unterhauses mit der Auf-
forderung ein, dem Könige zwar die gewünschten Subsidien zu be-
willigen, aber auch zugleich für die Aufrechthaltung der Volksrechte
Sorge zu tragen.

( Fortsetzung folgt. )

[Ende Spaltensatz]

Lose Blätter.
[Beginn Spaltensatz]

M. Die "Holtenschue" und "Klotzen" in Schleswig. Jedem Frem-
den müssen die im Herzogthum Schleswig und selbst bis nach Holstein ver-
breiteten Holzschuhe auffallen, die der gemeine Mann, alle Dienstboten,
und sehr häufig auch die Kinder in Städten und Dörfern tragen. Diese
Fußbekleidung mag zweckmäßig sein, weil sie wohlfeil ist und den Fuß
trocken hält; sie ist aber unästhetisch, giebt dem Fuß etwas überaus
Plumpes und ruinirt somit alle Schönheit des Ganges. Menschen, die
immer diese plumpen "Holtenschue" an den Füßen herumschleppen, bekom-
men zuletzt einen so wackligen Gang, daß sie sich mehr fortwälzen als
gehen. Und damit diese abscheuliche Fußbekleidung länger halte, wird in
der Mitte der Sohle noch ein fingerdicker Querbalken angebracht, so daß
der Schuh selbst gleichsam auf einer zweiten Sohle ruht.

Eine Abart der "Holtenschue" sind die "Klotzen", Pantoffeln von Holz
mit sehr hohen Absätzen; diese haben etwas mehr Form, da nur die Sohle
von Holz, die eigentliche Fußbedeckung aber von Leder ist. Es klappert aber
in Nordschleswig, und zumal im Sundewitt, Jedermann darin herum.
Daß die Leute beim Treppensteigen nicht Hals und Beine in diesen
"Klotzen" brechen, ist zu bewundern. "Klotzen" tragen übrigens auch die
reichsten Leute. Es soll für den Flensburger Großhändler nach beendetem
[Spaltenumbruch] Geschäft kein größeres Vergnügen geben, als mit "Klotzen" an den Füßen
in seinem Garten herumzuwandeln und sich von den ebenfalls "beklotzten"
Töchtern Thee und Belegtes aufwarten zu lassen.



M. Sternschnuppen. Nach der rohen Volksphysik -- sagt Humboldt in
seinem "Kosmos" -- schneuzen und putzen sich die Himmelslichter, und das
sind die Sternschnuppen. Jn der Waldgegend von Orinocco, an den ein-
samen Ufern des Cassiquiare, werden die Sternschnuppen von den Ein-
geborenen noch trivialer, "Harn der Sterne", und der Thau, welcher perl-
artig die schönen Blätter der Helikonien bedeckt, "Speichel der Sterne" ge-
nannt. Edler und erfreulicher offenbart sich dagegen die symbolisirende
Einbildungskraft in dem litthauischen Mythus: Die Spinnerin, werpega,
beginnt den Schicksalsfaden des neugeborenen Kindes am Himmel zu spin-
nen, und jeder dieser Fäden endet in einem Stern. Naht nun der Tod
dem Menschen, so zerreißt sein Faden und der Stern fällt erbleichend zur
Erde nieder.

[Ende Spaltensatz]

Druck und Verlag von Franz Duncker in Berlin. -- Verantwortlicher Redakteur: Ernst Dohm in Berlin.

[Beginn Spaltensatz] geliebtes Weib, Elisabeth Symern, zum Altar führte, scheint bereits
die Wandlung in seinem Charakter vorgegangen zu sein, deren jener
Geschichtsschreiber mit den Worten gedenkt: „Auf einmal zog er sich
von einem Leben von großer Lust und Zügellosigkeit zu außerordent-
licher Nüchternheit und Strenge, zu einer angemesseneren und ern-
steren Gesellschaft zurück.“

Jmmerhin aber kann dieser Uebergang kein schroffer gewesen sein;
denn Hampden soll seine eigene natürliche Heiterkeit und Lebhaftigkeit
auch nach diesem Zeitpunkt bewahrt haben. Seine trotz seines Reich-
thums einfachen und mäßigen Sitten waren weit entfernt von jenem
finstern, asketischen Puritanismus, der damals bereits seinen Sitz in
England aufgeschlagen hatte. Seine weltmännische Gewandtheit be-
fähigte ihn sogar mehr als alle übrigen Führer der Volkspartei, den
Verkehr mit dem Hof aufrecht zu erhalten.

Um dieselbe Zeit, wo jene Wandlung in Hampdens äußerer Lebens-
weise vorgegangen war, trat er in das politische Leben ein. Es wäre
John Hampden vermöge seiner Familienverbindungen und seines
Grundbesitzes sehr leicht gewesen, den Wunsch seiner Mutter zu
befriedigen, die ihren Sohn gern unter den Peers gesehen hätte; aber
die Ehre, im Hause der Lords zu sitzen, war unter Jakobs I. Re-
gierung eine so leicht erkäufliche und so feile geworden, daß ein Mann
von dem Charakter des jungen Gentleman es unter seiner Würde
halten mußte, danach zu streben. Hampden ließ sich also im Jahr
1620 für den Flecken Grampound ins Unterhaus wählen. Hier schloß
er sich der Opposition an, die bereits unter der Regierung des, das
Gottesgnadenthum der königlichen Würde mit so viel Phrasenreich-
thum betonenden und mit so geringem Nachdruck behauptenden Jakob
bedeutend erstarkt war. Das junge Parlamentsmitglied ordnete sich
gern und willig den begabten Führern der Partei unter und suchte,
ohne eine hervorragende Rolle spielen zu wollen, eine genaue Kenntniß
der parlamentarischen Geschäfte zu erlangen. Gleichwohl nahm er an
allen politischen Akten des Unterhauses einen, wenn auch stillen, doch
sehr emsigen Antheil, wie denn auch ihm die Volkspartei verdankte,
daß verschiedene Burgflecken, die ihr ergeben waren, ihr verlornes
Wahlrecht wiedergewannen; zu denselben gehörte auch Wendower, das
Hampden wiederholt zu seinem Vertreter wählte. Hervorzuheben
dürfte aus dieser Zeit noch sein das Votum Hampdens gegen die
Heirath des damaligen Prinzen von Wales ( Kronprinzen ) mit der
spanischen Jnfantin, und seine eifrige Parteinahme für den Protestan-
tismus in dem Kurfürstenthum Brandenburg; es geht daraus hervor,
daß Hampden zu den entschiedenen Anhängern der Reformation ge-
hörte. Auch in den ersten beiden Parlamenten Karls saß Hampden
und stimmte in den Reihen der Opposition, die ihn wegen seines
Talents und Charakters zu schätzen wußte. Jetzt, da Karls Streben
nach unumschränkter Herrschaft immer mehr hervortrat, erkannte endlich
auch das englische Volk, daß in dem reichen Edelmann, dem selbst an-
dauernde Kerkerhaft Nachgiebigkeit gegen die Willkür des Königs, ob-
gleich sie ihm nur geringe Opfer auferlegt hätte, nicht abzuringen ver-
mochte, ihm ein unerschrockener und uneigennütziger Vertheidiger seines
Rechts und seiner Freiheit zur Seite stand.

Jnzwischen nahm der französische Feldzug ein schmachvolles Ende
und versetzte ganz England in Trauer; der englische Handel wurde
durch die Angriffe der feindlichen Seemacht erschüttert, und unter der
Wucht des allgemeinen Hasses kehrte Buckingham zurück.

Der König sowohl wie sein Günstling fühlten die Nothwendig-
[Spaltenumbruch] keit, die aufs Aeußerste gebrachte öffentliche Meinung zu beschwich-
tigen; fast war die Liebe, welche das Volk dem König bei seiner
Thronbesteigung entgegengetragen, schon verscherzt. Aller Haß entlud
sich indeß auf den Minister, dessen thörichter Rath und unfähige Füh-
rung den Krieg hervorgerufen und seinen unglücklichen Ausgang her-
beigeführt hatte. Die Geldmittel, welche die Regierung auf ungesetz-
liche Weise beigetrieben, waren überdies erschöpft, und so entschloß
sich denn der König auf den Rath eines der gemäßigtsten Mitglieder
der Volkspartei, Sir Robert Cotton, der ihm jenes berühmte Wort
Lord Burleighs an die Königin Elisabeth zurief: „Gewinnt ihre
Herzen, und ihre Arme und ihre Beutel werden Euer sein!“ — ein neues
Parlament zu berufen. Um die öffentliche Meinung mit dem Günst-
ling zu versöhnen, wurde die Berufung des Parlaments als auf Rath
desselben geschehen dargestellt.

Gleichzeitig wurden die Gefängnisse geöffnet, um die wegen Ver-
weigerung der Zwangsanleihe Verhafteten der Freiheit wiederzugeben;
siebenundzwanzig von diesen Märtyrern wurden in das Parlament
gewählt, unter ihnen auch John Hampden. Am 17. März 1628
eröffnete der König das Parlament mit einer Thronrede, in welcher
er durch eine hochmüthige, völlig absolutistisch gehaltene Sprache seinen
Verdruß zu verbergen suchte, durch die Umstände genöthigt zu sein,
die Vertreter des Volks wieder um sich zu versammeln. Noch deut-
licher waren die Erläuterungen, welche der Lord=Siegelbewahrer den
Worten des Königs hinzufügte: „Seine Majestät“, sagte er, „haben
Sich, um Beisteuern zu erlangen, an das Parlament gewandt, nicht
wie zu dem einzigen, sondern wie zu dem geeignetsten Mittel, nicht
als ob Sie anderer ermangelten, sondern weil dieses der Güte Jhrer
Allergnädigsten Gesinnung wie den Wünschen und dem Wohl Jhres
Volkes am meisten gemäß ist. Sollte der Erfolg sich verzögern, so
würde die Nothwendigkeit und das Schwert der Feinde andere Maß-
regeln erzwingen“. Ging aus einem solchen Verfahren der Regierung
auch hervor, daß der König noch immer an der Theorie festhielt, die
Rechte des Volks und seiner Vertreter seien lediglich von seiner Gnade
abhängig und könnten jederzeit von ihm außer Kraft gesetzt werden,
war die Entrüstung über den Geist des Despotismus, den diese und
ähnliche Reden Karls und seiner Räthe athmeten, und über die vor-
hergegangene Willkürakte auch noch so groß und allgemein: das neue
Haus der Gemeinen umfaßte in seiner großen Majorität Männer,
die mit der Entschlossenheit, für die Rechte und Freiheiten der Nation
mit aller Kraft einzutreten, auch die Besonnenheit vereinigten, welche
von übereilten Beschlüssen zurückhält und die sicherste Bürgschaft des
Erfolges ist. An ihrer Spitze standen kühne, opferwillige, hochbegabte
Führer: der durch seine Festigkeit und seine Kenntnisse ausgezeichnete
Eduard Cooke, der damals noch nicht von der Volkssache abgefallene
feurige und beredte Thomas Wentworth, der unerschrockene, leiden-
schaftliche und energische Pym. Auch John Hampden gehörte zu den
vorzüglichsten Theilnehmern des nunmehr entbrennenden denkwürdigen
Kampfes, ohne indeß auch jetzt mehr in den Vordergrund zu treten.
Mit Mäßigung und Festigkeit antwortete das Haus der Gemeinen
auf die übermüthigen Zumuthungen des Königs. Der Sprecher
leitete am 22. März die Berathungen des Unterhauses mit der Auf-
forderung ein, dem Könige zwar die gewünschten Subsidien zu be-
willigen, aber auch zugleich für die Aufrechthaltung der Volksrechte
Sorge zu tragen.

( Fortsetzung folgt. )

[Ende Spaltensatz]

Lose Blätter.
[Beginn Spaltensatz]

M. Die „Holtenschue“ und „Klotzen“ in Schleswig. Jedem Frem-
den müssen die im Herzogthum Schleswig und selbst bis nach Holstein ver-
breiteten Holzschuhe auffallen, die der gemeine Mann, alle Dienstboten,
und sehr häufig auch die Kinder in Städten und Dörfern tragen. Diese
Fußbekleidung mag zweckmäßig sein, weil sie wohlfeil ist und den Fuß
trocken hält; sie ist aber unästhetisch, giebt dem Fuß etwas überaus
Plumpes und ruinirt somit alle Schönheit des Ganges. Menschen, die
immer diese plumpen „Holtenschue“ an den Füßen herumschleppen, bekom-
men zuletzt einen so wackligen Gang, daß sie sich mehr fortwälzen als
gehen. Und damit diese abscheuliche Fußbekleidung länger halte, wird in
der Mitte der Sohle noch ein fingerdicker Querbalken angebracht, so daß
der Schuh selbst gleichsam auf einer zweiten Sohle ruht.

Eine Abart der „Holtenschue“ sind die „Klotzen“, Pantoffeln von Holz
mit sehr hohen Absätzen; diese haben etwas mehr Form, da nur die Sohle
von Holz, die eigentliche Fußbedeckung aber von Leder ist. Es klappert aber
in Nordschleswig, und zumal im Sundewitt, Jedermann darin herum.
Daß die Leute beim Treppensteigen nicht Hals und Beine in diesen
„Klotzen“ brechen, ist zu bewundern. „Klotzen“ tragen übrigens auch die
reichsten Leute. Es soll für den Flensburger Großhändler nach beendetem
[Spaltenumbruch] Geschäft kein größeres Vergnügen geben, als mit „Klotzen“ an den Füßen
in seinem Garten herumzuwandeln und sich von den ebenfalls „beklotzten“
Töchtern Thee und Belegtes aufwarten zu lassen.



M. Sternschnuppen. Nach der rohen Volksphysik — sagt Humboldt in
seinem „Kosmos“ — schneuzen und putzen sich die Himmelslichter, und das
sind die Sternschnuppen. Jn der Waldgegend von Orinocco, an den ein-
samen Ufern des Cassiquiare, werden die Sternschnuppen von den Ein-
geborenen noch trivialer, „Harn der Sterne“, und der Thau, welcher perl-
artig die schönen Blätter der Helikonien bedeckt, „Speichel der Sterne“ ge-
nannt. Edler und erfreulicher offenbart sich dagegen die symbolisirende
Einbildungskraft in dem litthauischen Mythus: Die Spinnerin, werpega,
beginnt den Schicksalsfaden des neugeborenen Kindes am Himmel zu spin-
nen, und jeder dieser Fäden endet in einem Stern. Naht nun der Tod
dem Menschen, so zerreißt sein Faden und der Stern fällt erbleichend zur
Erde nieder.

[Ende Spaltensatz]

Druck und Verlag von Franz Duncker in Berlin. — Verantwortlicher Redakteur: Ernst Dohm in Berlin.

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[256/0008] 256 geliebtes Weib, Elisabeth Symern, zum Altar führte, scheint bereits die Wandlung in seinem Charakter vorgegangen zu sein, deren jener Geschichtsschreiber mit den Worten gedenkt: „Auf einmal zog er sich von einem Leben von großer Lust und Zügellosigkeit zu außerordent- licher Nüchternheit und Strenge, zu einer angemesseneren und ern- steren Gesellschaft zurück.“ Jmmerhin aber kann dieser Uebergang kein schroffer gewesen sein; denn Hampden soll seine eigene natürliche Heiterkeit und Lebhaftigkeit auch nach diesem Zeitpunkt bewahrt haben. Seine trotz seines Reich- thums einfachen und mäßigen Sitten waren weit entfernt von jenem finstern, asketischen Puritanismus, der damals bereits seinen Sitz in England aufgeschlagen hatte. Seine weltmännische Gewandtheit be- fähigte ihn sogar mehr als alle übrigen Führer der Volkspartei, den Verkehr mit dem Hof aufrecht zu erhalten. Um dieselbe Zeit, wo jene Wandlung in Hampdens äußerer Lebens- weise vorgegangen war, trat er in das politische Leben ein. Es wäre John Hampden vermöge seiner Familienverbindungen und seines Grundbesitzes sehr leicht gewesen, den Wunsch seiner Mutter zu befriedigen, die ihren Sohn gern unter den Peers gesehen hätte; aber die Ehre, im Hause der Lords zu sitzen, war unter Jakobs I. Re- gierung eine so leicht erkäufliche und so feile geworden, daß ein Mann von dem Charakter des jungen Gentleman es unter seiner Würde halten mußte, danach zu streben. Hampden ließ sich also im Jahr 1620 für den Flecken Grampound ins Unterhaus wählen. Hier schloß er sich der Opposition an, die bereits unter der Regierung des, das Gottesgnadenthum der königlichen Würde mit so viel Phrasenreich- thum betonenden und mit so geringem Nachdruck behauptenden Jakob bedeutend erstarkt war. Das junge Parlamentsmitglied ordnete sich gern und willig den begabten Führern der Partei unter und suchte, ohne eine hervorragende Rolle spielen zu wollen, eine genaue Kenntniß der parlamentarischen Geschäfte zu erlangen. Gleichwohl nahm er an allen politischen Akten des Unterhauses einen, wenn auch stillen, doch sehr emsigen Antheil, wie denn auch ihm die Volkspartei verdankte, daß verschiedene Burgflecken, die ihr ergeben waren, ihr verlornes Wahlrecht wiedergewannen; zu denselben gehörte auch Wendower, das Hampden wiederholt zu seinem Vertreter wählte. Hervorzuheben dürfte aus dieser Zeit noch sein das Votum Hampdens gegen die Heirath des damaligen Prinzen von Wales ( Kronprinzen ) mit der spanischen Jnfantin, und seine eifrige Parteinahme für den Protestan- tismus in dem Kurfürstenthum Brandenburg; es geht daraus hervor, daß Hampden zu den entschiedenen Anhängern der Reformation ge- hörte. Auch in den ersten beiden Parlamenten Karls saß Hampden und stimmte in den Reihen der Opposition, die ihn wegen seines Talents und Charakters zu schätzen wußte. Jetzt, da Karls Streben nach unumschränkter Herrschaft immer mehr hervortrat, erkannte endlich auch das englische Volk, daß in dem reichen Edelmann, dem selbst an- dauernde Kerkerhaft Nachgiebigkeit gegen die Willkür des Königs, ob- gleich sie ihm nur geringe Opfer auferlegt hätte, nicht abzuringen ver- mochte, ihm ein unerschrockener und uneigennütziger Vertheidiger seines Rechts und seiner Freiheit zur Seite stand. Jnzwischen nahm der französische Feldzug ein schmachvolles Ende und versetzte ganz England in Trauer; der englische Handel wurde durch die Angriffe der feindlichen Seemacht erschüttert, und unter der Wucht des allgemeinen Hasses kehrte Buckingham zurück. Der König sowohl wie sein Günstling fühlten die Nothwendig- keit, die aufs Aeußerste gebrachte öffentliche Meinung zu beschwich- tigen; fast war die Liebe, welche das Volk dem König bei seiner Thronbesteigung entgegengetragen, schon verscherzt. Aller Haß entlud sich indeß auf den Minister, dessen thörichter Rath und unfähige Füh- rung den Krieg hervorgerufen und seinen unglücklichen Ausgang her- beigeführt hatte. Die Geldmittel, welche die Regierung auf ungesetz- liche Weise beigetrieben, waren überdies erschöpft, und so entschloß sich denn der König auf den Rath eines der gemäßigtsten Mitglieder der Volkspartei, Sir Robert Cotton, der ihm jenes berühmte Wort Lord Burleighs an die Königin Elisabeth zurief: „Gewinnt ihre Herzen, und ihre Arme und ihre Beutel werden Euer sein!“ — ein neues Parlament zu berufen. Um die öffentliche Meinung mit dem Günst- ling zu versöhnen, wurde die Berufung des Parlaments als auf Rath desselben geschehen dargestellt. Gleichzeitig wurden die Gefängnisse geöffnet, um die wegen Ver- weigerung der Zwangsanleihe Verhafteten der Freiheit wiederzugeben; siebenundzwanzig von diesen Märtyrern wurden in das Parlament gewählt, unter ihnen auch John Hampden. Am 17. März 1628 eröffnete der König das Parlament mit einer Thronrede, in welcher er durch eine hochmüthige, völlig absolutistisch gehaltene Sprache seinen Verdruß zu verbergen suchte, durch die Umstände genöthigt zu sein, die Vertreter des Volks wieder um sich zu versammeln. Noch deut- licher waren die Erläuterungen, welche der Lord=Siegelbewahrer den Worten des Königs hinzufügte: „Seine Majestät“, sagte er, „haben Sich, um Beisteuern zu erlangen, an das Parlament gewandt, nicht wie zu dem einzigen, sondern wie zu dem geeignetsten Mittel, nicht als ob Sie anderer ermangelten, sondern weil dieses der Güte Jhrer Allergnädigsten Gesinnung wie den Wünschen und dem Wohl Jhres Volkes am meisten gemäß ist. Sollte der Erfolg sich verzögern, so würde die Nothwendigkeit und das Schwert der Feinde andere Maß- regeln erzwingen“. Ging aus einem solchen Verfahren der Regierung auch hervor, daß der König noch immer an der Theorie festhielt, die Rechte des Volks und seiner Vertreter seien lediglich von seiner Gnade abhängig und könnten jederzeit von ihm außer Kraft gesetzt werden, war die Entrüstung über den Geist des Despotismus, den diese und ähnliche Reden Karls und seiner Räthe athmeten, und über die vor- hergegangene Willkürakte auch noch so groß und allgemein: das neue Haus der Gemeinen umfaßte in seiner großen Majorität Männer, die mit der Entschlossenheit, für die Rechte und Freiheiten der Nation mit aller Kraft einzutreten, auch die Besonnenheit vereinigten, welche von übereilten Beschlüssen zurückhält und die sicherste Bürgschaft des Erfolges ist. An ihrer Spitze standen kühne, opferwillige, hochbegabte Führer: der durch seine Festigkeit und seine Kenntnisse ausgezeichnete Eduard Cooke, der damals noch nicht von der Volkssache abgefallene feurige und beredte Thomas Wentworth, der unerschrockene, leiden- schaftliche und energische Pym. Auch John Hampden gehörte zu den vorzüglichsten Theilnehmern des nunmehr entbrennenden denkwürdigen Kampfes, ohne indeß auch jetzt mehr in den Vordergrund zu treten. Mit Mäßigung und Festigkeit antwortete das Haus der Gemeinen auf die übermüthigen Zumuthungen des Königs. Der Sprecher leitete am 22. März die Berathungen des Unterhauses mit der Auf- forderung ein, dem Könige zwar die gewünschten Subsidien zu be- willigen, aber auch zugleich für die Aufrechthaltung der Volksrechte Sorge zu tragen. ( Fortsetzung folgt. ) Lose Blätter. M. Die „Holtenschue“ und „Klotzen“ in Schleswig. Jedem Frem- den müssen die im Herzogthum Schleswig und selbst bis nach Holstein ver- breiteten Holzschuhe auffallen, die der gemeine Mann, alle Dienstboten, und sehr häufig auch die Kinder in Städten und Dörfern tragen. Diese Fußbekleidung mag zweckmäßig sein, weil sie wohlfeil ist und den Fuß trocken hält; sie ist aber unästhetisch, giebt dem Fuß etwas überaus Plumpes und ruinirt somit alle Schönheit des Ganges. Menschen, die immer diese plumpen „Holtenschue“ an den Füßen herumschleppen, bekom- men zuletzt einen so wackligen Gang, daß sie sich mehr fortwälzen als gehen. Und damit diese abscheuliche Fußbekleidung länger halte, wird in der Mitte der Sohle noch ein fingerdicker Querbalken angebracht, so daß der Schuh selbst gleichsam auf einer zweiten Sohle ruht. Eine Abart der „Holtenschue“ sind die „Klotzen“, Pantoffeln von Holz mit sehr hohen Absätzen; diese haben etwas mehr Form, da nur die Sohle von Holz, die eigentliche Fußbedeckung aber von Leder ist. Es klappert aber in Nordschleswig, und zumal im Sundewitt, Jedermann darin herum. Daß die Leute beim Treppensteigen nicht Hals und Beine in diesen „Klotzen“ brechen, ist zu bewundern. „Klotzen“ tragen übrigens auch die reichsten Leute. Es soll für den Flensburger Großhändler nach beendetem Geschäft kein größeres Vergnügen geben, als mit „Klotzen“ an den Füßen in seinem Garten herumzuwandeln und sich von den ebenfalls „beklotzten“ Töchtern Thee und Belegtes aufwarten zu lassen. M. Sternschnuppen. Nach der rohen Volksphysik — sagt Humboldt in seinem „Kosmos“ — schneuzen und putzen sich die Himmelslichter, und das sind die Sternschnuppen. Jn der Waldgegend von Orinocco, an den ein- samen Ufern des Cassiquiare, werden die Sternschnuppen von den Ein- geborenen noch trivialer, „Harn der Sterne“, und der Thau, welcher perl- artig die schönen Blätter der Helikonien bedeckt, „Speichel der Sterne“ ge- nannt. Edler und erfreulicher offenbart sich dagegen die symbolisirende Einbildungskraft in dem litthauischen Mythus: Die Spinnerin, werpega, beginnt den Schicksalsfaden des neugeborenen Kindes am Himmel zu spin- nen, und jeder dieser Fäden endet in einem Stern. Naht nun der Tod dem Menschen, so zerreißt sein Faden und der Stern fällt erbleichend zur Erde nieder. Druck und Verlag von Franz Duncker in Berlin. — Verantwortlicher Redakteur: Ernst Dohm in Berlin.

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Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Sonntags-Blatt. Nr. 32. Berlin, 9. August 1868, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_sonntagsblatt32_1868/8>, abgerufen am 17.06.2024.