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Sonntags-Blatt. Nr. 32. Berlin, 9. August 1868.

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[Beginn Spaltensatz] am Hut, auf der Plattform der Guillotine. Seine Gehülfen prüften
noch einmal den Mechanismus der entsetzlichen Maschine. Dann
trugen zwei von ihnen den Körper Valaz e 's die Treppe zum Blut-
gerüst hinauf.

Ein dumpfes, grollendes Geräusch, das über dem Meer von Köpfen
dahinbrauste, sprach die Befriedigung der Zuschauer aus.

Valaz e 's Kopf war der erste, welcher in den verhängnißvollen
Korb fiel.

Jhm folgte ein Greis, der trotz seiner gebundenen Hände leichten
Schrittes die vom Regen schlüpfrigen Stufen hinauf stieg. Auf der
Plattform angekommen, grüßte er, ironisch lächelnd, nach rechts und
links, als wolle er dem Volk für das Märtyrerthum danken, das er
erlitt. "Es lebe die Republik!" rief er mit kräftiger Stimme. Dann
bot er seinen Kopf dem Eisen dar. "Es lebe die Republik!" rief er
noch einmal -- aber das Fallbeil hinderte ihn diesmal, den Ruf zu
vollenden. Das Volk klatschte jubelnd in die Hände. Sillery, der
älteste der Girondisten, hatte aufgehört zu leben.

Die Verurtheilten folgten einander nun schnell auf dem blutigen
Wege. Sie starben sämmtlich wie Helden. Keiner zeigte eine An-
wandlung von Schwäche.

Jedem Fallen des Beils folgte ein Beifallsruf des Volks -- bei
jedem Fallen des Beils wurde der Gesang der Girondisten am Fuß
des Blutgerüstes um eine Stimme schwächer. Jhre Reihen lichteten
sich mehr und mehr, und endlich wiederholte nur noch eine Stimme
die Strophen der Marseillaise. Es war die Vergniauds. Singend
stieg er die Stufen hinauf, und mit den Worten und Tönen des Frei-
heitshymnus auf den Lippen ging er in die Ewigkeit.

Es war elf Uhr als die Hinrichtung begann; dreißig Minuten
später standen einundzwanzig Richter des Königs von Frankreich vor
dem Tribunal ihres ewigen Richters.



Ein Kapitel aus der großen englischen Revolution.
( Fortsetzung. )

Karl suchte dem Sturz seines Günstlings und den Vorstellungen
seiner Gegner durch eine Auflösung zuvorzukommen; diese Maß-
regel wurde in einer öffentlichen Erklärung gerechtfertigt, und
gleichzeitig die Verbrennung der von dem Parlament entworfenen
" general remonstration " angeordnet. Beide Schriftstücke waren indeß
vielfach im Volk verbreitet, und die Maßregeln des Königs dien-
ten nur dazu, einerseits die Erbitterung zu steigern, andererseits
zu Vergleichen zwischen der Haltung der Regierung und dem Ver-
fahren der nach Hause geschickten Volksvertreter anzuregen und auf
diese Weise die Erkenntniß der Nation über die seiner Freiheit dro-
hende Gefahr immer mehr zu reifen. Ohne zu ermessen, wie gering
die Hilfsmittel waren, die ihm in dem Kampf zur Seite standen,
den er gegen die Volksrechte unternommen, schritt der König auf der
abschüssigen Bahn der Willkürherrschaft immer weiter. Die Land-
truppen, gering an Zahl, sympathisirten größtentheils mit den Bür-
gern, und die fast nur aus Puritanern bestehenden Mannschaften der
Flotte waren offenkundig die Hauptstütze der Volkspartei. Karl in-
deß, noch immer der durch schmarotzende Höflinge genährten Hoffnung
sich hingebend, die ihm bei seiner Thronbesteigung entgegengebrachte
Liebe seiner Unterthanen sei unvergänglich, schenkte den seinen Theorien
von der unumschränkten Herrschermacht entgegenkommenden, unbeson-
nenen und ungeschickten Rathschlägen seines Ministers Gehör. Durch
eine populäre Politik nach außen hin glaubte er das Volk mit dem
Willkürregiment im Jnnern versöhnen zu können. Buckingham bewog
ihn, einen Krieg mit Frankreich zu beginnen, der dem eitlen, selbst-
süchtigen Günstling lediglich als Faden zur Weiterspinnung einer in
früheren Jahren mit Anna von Oesterreich angesponnenen Jntrigue
dienen sollte. Als wirklicher Zweck dieses Krieges wurde der Schutz
der Protestanten auf dem Festlande hingestellt, um so die Sympathien
und die Begeisterung der englischen Glaubensgenossen wachzurufen.

Jnzwischen wurden die angesehensten Mitglieder der parlamenta-
rischen Opposition in den Tower geworfen. Ein königlicher Befehl
ordnete ferner die Erhebung des Pfund= und Tonnengeldes an und
rechtfertigte diese ungesetzliche Maßregel dadurch, daß ja das Parla-
ment nur durch die Auflösung an der unzweifelhaften Bewilligung
gehindert worden sei. Endlich, da alle auf diese Weise zusammen-
gebrachten Summen nicht genügten und auch eine ausgeschriebene
freiwillige Anleihe kaum die dringendsten Bedürfnisse zu befriedigen
hinreichend war, wurde unter dem königlichen Geheimsiegel der Be-
fehl zu einer Zwangsanleihe ertheilt, die in der Höhe und nach Ver-
hältniß der vom letzten Parlament verlangten, aber nicht bewilligten
Hülfsgelder aufgebracht werden sollte. Der König motivirte diese
Zwangsanleihe durch die unabweisbare Nothwendigkeit und versprach
Zurückzahlung derselben von späteren Subsidien. Die Hauptstädte und
[Spaltenumbruch] Seedistrikte waren zugleich angewiesen, bewaffnete Fahrzeuge zu stellen.
Die mit der Eintreibung der Zwangsanleihen betrauten königlichen
Kommissarien hatten den gemessensten Befehl, einen Jeden, der sich
weigerte, den für ihn angesetzten Beitrag zu zahlen, nach den Grün-
den seiner Maßregel zu fragen und nach Denen zu forschen, die ihnen
dazu gerathen. Zu ihrer Unterstützung wurden Regimenter nach den
Grafschaften geschickt und bei den widerspenstigen Bürgern einquartirt.
An einigen Orten kam es sogar zur Verkündigung des Kriegsgesetzes.
Die Zahl der wegen Verweigerung der Zwangsanleihe verhafteten
Mitglieder des Bürgerstandes und niederen Adels belief sich auf fast
achtzig Personen; Andere, namentlich geringeren Standes, wurden
ohne Weiteres in die Landarmee eingestellt oder zur Flotte gepreßt.
Gleichzeitig wurde, um die Gemüther für diesen Willkürakt zu ge-
winnen, die Geistlichkeit bestimmt, in diesem Sinne auf das Volk zu
wirken, und namentlich zwei Predigten vom "leidenden Gehorsam"
verbreitet, welche alle Macht im Staat als dem König allein zustehend
und jede Beschränkung derselben durch Gesetz und Verfassung als auf-
rührerisch und gottlos darstellten.

Auch die Gerichte begannen bereits damals in gefährliche Schwan-
kungen zu gerathen; obgleich sie noch nicht wagten, dem Willen des
Souverains unbedingt sich zu fügen, waren sie auch keine wirksame
Schutzwehr für die Rechte des Volks.

Jn diesem Zeitraum war es, wo John Hampden zum ersten Mal
für das Hauptgrundrecht der englischen Nation mit Gefahr seines
Lebens in die Schranken trat. Er war einer der Ersten gewesen,
der sich mit Festigkeit weigerte, den auf ihn fallenden Betrag der
ausgeschriebenen Zwangsanleihe zu zahlen. Dieser Betrag war für
den vermögenden, ja reich begüterten Mann eine Kleinigkeit. Er aber
schätzte weit höher, als den ihm drohenden Verlust seiner Freiheit,
das Recht jedes Engländers, nur diejenigen Steuern und Abgaben zu
zahlen, denen das Parlament zugestimmt hatte. Auch nicht einen
Farthing *) mehr würde er zahlen, erklärte er den Kommissarien, die
in Gemäßheit des königlichen Erlasses nach den Gründen seiner Wei-
gerung forschten, " da er fürchte, jenen Fluch in der Magna
charta
auf sich zu ziehen, welcher zweimal im Jahr ver-
lesen werden solle gegen die, so sie verletzten.
" Er wurde
in den Tower eingeschlossen, ohne daß sein Entschluß erschüttert wer-
den konnte; er hielt seine Weigerung auch dann noch aufrecht, als ihn
die Kommissarien nach einiger Zeit aus dem Kerker vorforderten.
Die Strafe seiner wiederholten Weigerung war die Einsperrung in
ein Gefängniß in Hampshire.

Von dieser Zeit an trat John Hampden in den Vordergrund des
Kampfes, der zwischen dem Königthum und dem englischen Volk aus-
gebrochen war. John Hampden gehörte nicht zu denjenigen Politi-
kern, welche die öffentliche Laufbahn aus Eitelkeit oder Ehrgeiz erwäh-
len, wie schon der Umstand ergiebt, daß er bereits im rüstigen Mannes-
alter stand, als sich die Blicke der Nation auf ihn richteten. Er war
es nicht, der durch Vordrängen, durch absichtliche Erregung der all-
gemeinen Aufmerksamkeit diese Blicke auf sich gelenkt hatte; die Ge-
walt der Ereignisse stellte ihn, der durch Charakter und Einsicht vor
Anderen sich auszeichnete, allmälig an die Spitze der Bewegung.
John Hampden gehört auch zu denjenigen Männern, deren öffentlichem
und Privatcharakter die Revolution keinen Makel aufgebürdet. Die
Verleumdung der Gegner, welche selbst einen Aristides nicht verschont,
wagte sich nicht an die Reinheit der Gesinnung und die Uneigen-
nützigkeit des berühmten Steuerverweigerers. Selbst der höfische Ge-
schichtsschreiber Clarendon, der spätere Minister Karls II., läßt John
Hampden volle Gerechtigkeit widerfahren.

John Hampden gehörte einer Familie an, deren Stammbaum
hinaufreicht in die Zeit vor der Besitznahme Englands durch Wilhelm
den Eroberer, und die namentlich unter den Tudors sehr reich ge-
worden war. Der Großvater unseres John, Griffith Hampden,
erfrente sich besonders der Gunst der Königin Elisabeth, die er auf
seinem Landgut Buckinghamshire mit großem Aufwand bewirthete.
Aus der Ehe seines Sohnes mit Elisabeth Cromwell, der Tante des
spätern Protektors, ging John Hampden hervor, der im Jahr 1594
geboren wurde. Nach kaum drei Jahren starb sein Vater; seine erste
Schulbildung erhielt der junge reiche Erbe auf der grammatischen
Schule zu Thame, wo er bis zu seinem fünfzehnten Jahr blieb. Auf
der Universität Oxford eignete er sich hierauf eine vorzügliche klassische
Bildung und eine gründliche Kenntniß des englischen Rechts an.
Sein Privatleben scheint allerdings in dieser Zeit nicht das solideste
gewesen zu sein, wenn man den wenigen Berichten, die Clarendon
darüber mittheilt, Glauben schenken darf. "Bei seinem Eintritt in
die Welt", sagt dieser Geschichtsschreiber, "gab er sich aller Zügel-
losigkeit im Spielen, in Gewohnheiten und Gesellschaft hin, wie sie bei
Männern der lustigsten Umgangsweise gebräuchlich waren". Lange
indeß setzte John Hampden jedenfalls diese Lebensweise nicht fort;
denn als er in seinem fünfundzwanzigsten Jahr ein zärtlich von ihm
[Ende Spaltensatz]

*) 1 / 4 Penny.

[Beginn Spaltensatz] am Hut, auf der Plattform der Guillotine. Seine Gehülfen prüften
noch einmal den Mechanismus der entsetzlichen Maschine. Dann
trugen zwei von ihnen den Körper Valaz é 's die Treppe zum Blut-
gerüst hinauf.

Ein dumpfes, grollendes Geräusch, das über dem Meer von Köpfen
dahinbrauste, sprach die Befriedigung der Zuschauer aus.

Valaz é 's Kopf war der erste, welcher in den verhängnißvollen
Korb fiel.

Jhm folgte ein Greis, der trotz seiner gebundenen Hände leichten
Schrittes die vom Regen schlüpfrigen Stufen hinauf stieg. Auf der
Plattform angekommen, grüßte er, ironisch lächelnd, nach rechts und
links, als wolle er dem Volk für das Märtyrerthum danken, das er
erlitt. „Es lebe die Republik!“ rief er mit kräftiger Stimme. Dann
bot er seinen Kopf dem Eisen dar. „Es lebe die Republik!“ rief er
noch einmal — aber das Fallbeil hinderte ihn diesmal, den Ruf zu
vollenden. Das Volk klatschte jubelnd in die Hände. Sillery, der
älteste der Girondisten, hatte aufgehört zu leben.

Die Verurtheilten folgten einander nun schnell auf dem blutigen
Wege. Sie starben sämmtlich wie Helden. Keiner zeigte eine An-
wandlung von Schwäche.

Jedem Fallen des Beils folgte ein Beifallsruf des Volks — bei
jedem Fallen des Beils wurde der Gesang der Girondisten am Fuß
des Blutgerüstes um eine Stimme schwächer. Jhre Reihen lichteten
sich mehr und mehr, und endlich wiederholte nur noch eine Stimme
die Strophen der Marseillaise. Es war die Vergniauds. Singend
stieg er die Stufen hinauf, und mit den Worten und Tönen des Frei-
heitshymnus auf den Lippen ging er in die Ewigkeit.

Es war elf Uhr als die Hinrichtung begann; dreißig Minuten
später standen einundzwanzig Richter des Königs von Frankreich vor
dem Tribunal ihres ewigen Richters.



Ein Kapitel aus der großen englischen Revolution.
( Fortsetzung. )

Karl suchte dem Sturz seines Günstlings und den Vorstellungen
seiner Gegner durch eine Auflösung zuvorzukommen; diese Maß-
regel wurde in einer öffentlichen Erklärung gerechtfertigt, und
gleichzeitig die Verbrennung der von dem Parlament entworfenen
general remonstration “ angeordnet. Beide Schriftstücke waren indeß
vielfach im Volk verbreitet, und die Maßregeln des Königs dien-
ten nur dazu, einerseits die Erbitterung zu steigern, andererseits
zu Vergleichen zwischen der Haltung der Regierung und dem Ver-
fahren der nach Hause geschickten Volksvertreter anzuregen und auf
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hende Gefahr immer mehr zu reifen. Ohne zu ermessen, wie gering
die Hilfsmittel waren, die ihm in dem Kampf zur Seite standen,
den er gegen die Volksrechte unternommen, schritt der König auf der
abschüssigen Bahn der Willkürherrschaft immer weiter. Die Land-
truppen, gering an Zahl, sympathisirten größtentheils mit den Bür-
gern, und die fast nur aus Puritanern bestehenden Mannschaften der
Flotte waren offenkundig die Hauptstütze der Volkspartei. Karl in-
deß, noch immer der durch schmarotzende Höflinge genährten Hoffnung
sich hingebend, die ihm bei seiner Thronbesteigung entgegengebrachte
Liebe seiner Unterthanen sei unvergänglich, schenkte den seinen Theorien
von der unumschränkten Herrschermacht entgegenkommenden, unbeson-
nenen und ungeschickten Rathschlägen seines Ministers Gehör. Durch
eine populäre Politik nach außen hin glaubte er das Volk mit dem
Willkürregiment im Jnnern versöhnen zu können. Buckingham bewog
ihn, einen Krieg mit Frankreich zu beginnen, der dem eitlen, selbst-
süchtigen Günstling lediglich als Faden zur Weiterspinnung einer in
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dienen sollte. Als wirklicher Zweck dieses Krieges wurde der Schutz
der Protestanten auf dem Festlande hingestellt, um so die Sympathien
und die Begeisterung der englischen Glaubensgenossen wachzurufen.

Jnzwischen wurden die angesehensten Mitglieder der parlamenta-
rischen Opposition in den Tower geworfen. Ein königlicher Befehl
ordnete ferner die Erhebung des Pfund= und Tonnengeldes an und
rechtfertigte diese ungesetzliche Maßregel dadurch, daß ja das Parla-
ment nur durch die Auflösung an der unzweifelhaften Bewilligung
gehindert worden sei. Endlich, da alle auf diese Weise zusammen-
gebrachten Summen nicht genügten und auch eine ausgeschriebene
freiwillige Anleihe kaum die dringendsten Bedürfnisse zu befriedigen
hinreichend war, wurde unter dem königlichen Geheimsiegel der Be-
fehl zu einer Zwangsanleihe ertheilt, die in der Höhe und nach Ver-
hältniß der vom letzten Parlament verlangten, aber nicht bewilligten
Hülfsgelder aufgebracht werden sollte. Der König motivirte diese
Zwangsanleihe durch die unabweisbare Nothwendigkeit und versprach
Zurückzahlung derselben von späteren Subsidien. Die Hauptstädte und
[Spaltenumbruch] Seedistrikte waren zugleich angewiesen, bewaffnete Fahrzeuge zu stellen.
Die mit der Eintreibung der Zwangsanleihen betrauten königlichen
Kommissarien hatten den gemessensten Befehl, einen Jeden, der sich
weigerte, den für ihn angesetzten Beitrag zu zahlen, nach den Grün-
den seiner Maßregel zu fragen und nach Denen zu forschen, die ihnen
dazu gerathen. Zu ihrer Unterstützung wurden Regimenter nach den
Grafschaften geschickt und bei den widerspenstigen Bürgern einquartirt.
An einigen Orten kam es sogar zur Verkündigung des Kriegsgesetzes.
Die Zahl der wegen Verweigerung der Zwangsanleihe verhafteten
Mitglieder des Bürgerstandes und niederen Adels belief sich auf fast
achtzig Personen; Andere, namentlich geringeren Standes, wurden
ohne Weiteres in die Landarmee eingestellt oder zur Flotte gepreßt.
Gleichzeitig wurde, um die Gemüther für diesen Willkürakt zu ge-
winnen, die Geistlichkeit bestimmt, in diesem Sinne auf das Volk zu
wirken, und namentlich zwei Predigten vom „leidenden Gehorsam“
verbreitet, welche alle Macht im Staat als dem König allein zustehend
und jede Beschränkung derselben durch Gesetz und Verfassung als auf-
rührerisch und gottlos darstellten.

Auch die Gerichte begannen bereits damals in gefährliche Schwan-
kungen zu gerathen; obgleich sie noch nicht wagten, dem Willen des
Souverains unbedingt sich zu fügen, waren sie auch keine wirksame
Schutzwehr für die Rechte des Volks.

Jn diesem Zeitraum war es, wo John Hampden zum ersten Mal
für das Hauptgrundrecht der englischen Nation mit Gefahr seines
Lebens in die Schranken trat. Er war einer der Ersten gewesen,
der sich mit Festigkeit weigerte, den auf ihn fallenden Betrag der
ausgeschriebenen Zwangsanleihe zu zahlen. Dieser Betrag war für
den vermögenden, ja reich begüterten Mann eine Kleinigkeit. Er aber
schätzte weit höher, als den ihm drohenden Verlust seiner Freiheit,
das Recht jedes Engländers, nur diejenigen Steuern und Abgaben zu
zahlen, denen das Parlament zugestimmt hatte. Auch nicht einen
Farthing *) mehr würde er zahlen, erklärte er den Kommissarien, die
in Gemäßheit des königlichen Erlasses nach den Gründen seiner Wei-
gerung forschten, „ da er fürchte, jenen Fluch in der Magna
charta
auf sich zu ziehen, welcher zweimal im Jahr ver-
lesen werden solle gegen die, so sie verletzten.
“ Er wurde
in den Tower eingeschlossen, ohne daß sein Entschluß erschüttert wer-
den konnte; er hielt seine Weigerung auch dann noch aufrecht, als ihn
die Kommissarien nach einiger Zeit aus dem Kerker vorforderten.
Die Strafe seiner wiederholten Weigerung war die Einsperrung in
ein Gefängniß in Hampshire.

Von dieser Zeit an trat John Hampden in den Vordergrund des
Kampfes, der zwischen dem Königthum und dem englischen Volk aus-
gebrochen war. John Hampden gehörte nicht zu denjenigen Politi-
kern, welche die öffentliche Laufbahn aus Eitelkeit oder Ehrgeiz erwäh-
len, wie schon der Umstand ergiebt, daß er bereits im rüstigen Mannes-
alter stand, als sich die Blicke der Nation auf ihn richteten. Er war
es nicht, der durch Vordrängen, durch absichtliche Erregung der all-
gemeinen Aufmerksamkeit diese Blicke auf sich gelenkt hatte; die Ge-
walt der Ereignisse stellte ihn, der durch Charakter und Einsicht vor
Anderen sich auszeichnete, allmälig an die Spitze der Bewegung.
John Hampden gehört auch zu denjenigen Männern, deren öffentlichem
und Privatcharakter die Revolution keinen Makel aufgebürdet. Die
Verleumdung der Gegner, welche selbst einen Aristides nicht verschont,
wagte sich nicht an die Reinheit der Gesinnung und die Uneigen-
nützigkeit des berühmten Steuerverweigerers. Selbst der höfische Ge-
schichtsschreiber Clarendon, der spätere Minister Karls II., läßt John
Hampden volle Gerechtigkeit widerfahren.

John Hampden gehörte einer Familie an, deren Stammbaum
hinaufreicht in die Zeit vor der Besitznahme Englands durch Wilhelm
den Eroberer, und die namentlich unter den Tudors sehr reich ge-
worden war. Der Großvater unseres John, Griffith Hampden,
erfrente sich besonders der Gunst der Königin Elisabeth, die er auf
seinem Landgut Buckinghamshire mit großem Aufwand bewirthete.
Aus der Ehe seines Sohnes mit Elisabeth Cromwell, der Tante des
spätern Protektors, ging John Hampden hervor, der im Jahr 1594
geboren wurde. Nach kaum drei Jahren starb sein Vater; seine erste
Schulbildung erhielt der junge reiche Erbe auf der grammatischen
Schule zu Thame, wo er bis zu seinem fünfzehnten Jahr blieb. Auf
der Universität Oxford eignete er sich hierauf eine vorzügliche klassische
Bildung und eine gründliche Kenntniß des englischen Rechts an.
Sein Privatleben scheint allerdings in dieser Zeit nicht das solideste
gewesen zu sein, wenn man den wenigen Berichten, die Clarendon
darüber mittheilt, Glauben schenken darf. „Bei seinem Eintritt in
die Welt“, sagt dieser Geschichtsschreiber, „gab er sich aller Zügel-
losigkeit im Spielen, in Gewohnheiten und Gesellschaft hin, wie sie bei
Männern der lustigsten Umgangsweise gebräuchlich waren“. Lange
indeß setzte John Hampden jedenfalls diese Lebensweise nicht fort;
denn als er in seinem fünfundzwanzigsten Jahr ein zärtlich von ihm
[Ende Spaltensatz]

*) 1 / 4 Penny.
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[255/0007] 255 am Hut, auf der Plattform der Guillotine. Seine Gehülfen prüften noch einmal den Mechanismus der entsetzlichen Maschine. Dann trugen zwei von ihnen den Körper Valaz é 's die Treppe zum Blut- gerüst hinauf. Ein dumpfes, grollendes Geräusch, das über dem Meer von Köpfen dahinbrauste, sprach die Befriedigung der Zuschauer aus. Valaz é 's Kopf war der erste, welcher in den verhängnißvollen Korb fiel. Jhm folgte ein Greis, der trotz seiner gebundenen Hände leichten Schrittes die vom Regen schlüpfrigen Stufen hinauf stieg. Auf der Plattform angekommen, grüßte er, ironisch lächelnd, nach rechts und links, als wolle er dem Volk für das Märtyrerthum danken, das er erlitt. „Es lebe die Republik!“ rief er mit kräftiger Stimme. Dann bot er seinen Kopf dem Eisen dar. „Es lebe die Republik!“ rief er noch einmal — aber das Fallbeil hinderte ihn diesmal, den Ruf zu vollenden. Das Volk klatschte jubelnd in die Hände. Sillery, der älteste der Girondisten, hatte aufgehört zu leben. Die Verurtheilten folgten einander nun schnell auf dem blutigen Wege. Sie starben sämmtlich wie Helden. Keiner zeigte eine An- wandlung von Schwäche. Jedem Fallen des Beils folgte ein Beifallsruf des Volks — bei jedem Fallen des Beils wurde der Gesang der Girondisten am Fuß des Blutgerüstes um eine Stimme schwächer. Jhre Reihen lichteten sich mehr und mehr, und endlich wiederholte nur noch eine Stimme die Strophen der Marseillaise. Es war die Vergniauds. Singend stieg er die Stufen hinauf, und mit den Worten und Tönen des Frei- heitshymnus auf den Lippen ging er in die Ewigkeit. Es war elf Uhr als die Hinrichtung begann; dreißig Minuten später standen einundzwanzig Richter des Königs von Frankreich vor dem Tribunal ihres ewigen Richters. Ein Kapitel aus der großen englischen Revolution. ( Fortsetzung. ) Karl suchte dem Sturz seines Günstlings und den Vorstellungen seiner Gegner durch eine Auflösung zuvorzukommen; diese Maß- regel wurde in einer öffentlichen Erklärung gerechtfertigt, und gleichzeitig die Verbrennung der von dem Parlament entworfenen „ general remonstration “ angeordnet. Beide Schriftstücke waren indeß vielfach im Volk verbreitet, und die Maßregeln des Königs dien- ten nur dazu, einerseits die Erbitterung zu steigern, andererseits zu Vergleichen zwischen der Haltung der Regierung und dem Ver- fahren der nach Hause geschickten Volksvertreter anzuregen und auf diese Weise die Erkenntniß der Nation über die seiner Freiheit dro- hende Gefahr immer mehr zu reifen. Ohne zu ermessen, wie gering die Hilfsmittel waren, die ihm in dem Kampf zur Seite standen, den er gegen die Volksrechte unternommen, schritt der König auf der abschüssigen Bahn der Willkürherrschaft immer weiter. Die Land- truppen, gering an Zahl, sympathisirten größtentheils mit den Bür- gern, und die fast nur aus Puritanern bestehenden Mannschaften der Flotte waren offenkundig die Hauptstütze der Volkspartei. Karl in- deß, noch immer der durch schmarotzende Höflinge genährten Hoffnung sich hingebend, die ihm bei seiner Thronbesteigung entgegengebrachte Liebe seiner Unterthanen sei unvergänglich, schenkte den seinen Theorien von der unumschränkten Herrschermacht entgegenkommenden, unbeson- nenen und ungeschickten Rathschlägen seines Ministers Gehör. Durch eine populäre Politik nach außen hin glaubte er das Volk mit dem Willkürregiment im Jnnern versöhnen zu können. Buckingham bewog ihn, einen Krieg mit Frankreich zu beginnen, der dem eitlen, selbst- süchtigen Günstling lediglich als Faden zur Weiterspinnung einer in früheren Jahren mit Anna von Oesterreich angesponnenen Jntrigue dienen sollte. Als wirklicher Zweck dieses Krieges wurde der Schutz der Protestanten auf dem Festlande hingestellt, um so die Sympathien und die Begeisterung der englischen Glaubensgenossen wachzurufen. Jnzwischen wurden die angesehensten Mitglieder der parlamenta- rischen Opposition in den Tower geworfen. Ein königlicher Befehl ordnete ferner die Erhebung des Pfund= und Tonnengeldes an und rechtfertigte diese ungesetzliche Maßregel dadurch, daß ja das Parla- ment nur durch die Auflösung an der unzweifelhaften Bewilligung gehindert worden sei. Endlich, da alle auf diese Weise zusammen- gebrachten Summen nicht genügten und auch eine ausgeschriebene freiwillige Anleihe kaum die dringendsten Bedürfnisse zu befriedigen hinreichend war, wurde unter dem königlichen Geheimsiegel der Be- fehl zu einer Zwangsanleihe ertheilt, die in der Höhe und nach Ver- hältniß der vom letzten Parlament verlangten, aber nicht bewilligten Hülfsgelder aufgebracht werden sollte. Der König motivirte diese Zwangsanleihe durch die unabweisbare Nothwendigkeit und versprach Zurückzahlung derselben von späteren Subsidien. Die Hauptstädte und Seedistrikte waren zugleich angewiesen, bewaffnete Fahrzeuge zu stellen. Die mit der Eintreibung der Zwangsanleihen betrauten königlichen Kommissarien hatten den gemessensten Befehl, einen Jeden, der sich weigerte, den für ihn angesetzten Beitrag zu zahlen, nach den Grün- den seiner Maßregel zu fragen und nach Denen zu forschen, die ihnen dazu gerathen. Zu ihrer Unterstützung wurden Regimenter nach den Grafschaften geschickt und bei den widerspenstigen Bürgern einquartirt. An einigen Orten kam es sogar zur Verkündigung des Kriegsgesetzes. Die Zahl der wegen Verweigerung der Zwangsanleihe verhafteten Mitglieder des Bürgerstandes und niederen Adels belief sich auf fast achtzig Personen; Andere, namentlich geringeren Standes, wurden ohne Weiteres in die Landarmee eingestellt oder zur Flotte gepreßt. Gleichzeitig wurde, um die Gemüther für diesen Willkürakt zu ge- winnen, die Geistlichkeit bestimmt, in diesem Sinne auf das Volk zu wirken, und namentlich zwei Predigten vom „leidenden Gehorsam“ verbreitet, welche alle Macht im Staat als dem König allein zustehend und jede Beschränkung derselben durch Gesetz und Verfassung als auf- rührerisch und gottlos darstellten. Auch die Gerichte begannen bereits damals in gefährliche Schwan- kungen zu gerathen; obgleich sie noch nicht wagten, dem Willen des Souverains unbedingt sich zu fügen, waren sie auch keine wirksame Schutzwehr für die Rechte des Volks. Jn diesem Zeitraum war es, wo John Hampden zum ersten Mal für das Hauptgrundrecht der englischen Nation mit Gefahr seines Lebens in die Schranken trat. Er war einer der Ersten gewesen, der sich mit Festigkeit weigerte, den auf ihn fallenden Betrag der ausgeschriebenen Zwangsanleihe zu zahlen. Dieser Betrag war für den vermögenden, ja reich begüterten Mann eine Kleinigkeit. Er aber schätzte weit höher, als den ihm drohenden Verlust seiner Freiheit, das Recht jedes Engländers, nur diejenigen Steuern und Abgaben zu zahlen, denen das Parlament zugestimmt hatte. Auch nicht einen Farthing *) mehr würde er zahlen, erklärte er den Kommissarien, die in Gemäßheit des königlichen Erlasses nach den Gründen seiner Wei- gerung forschten, „ da er fürchte, jenen Fluch in der Magna charta auf sich zu ziehen, welcher zweimal im Jahr ver- lesen werden solle gegen die, so sie verletzten. “ Er wurde in den Tower eingeschlossen, ohne daß sein Entschluß erschüttert wer- den konnte; er hielt seine Weigerung auch dann noch aufrecht, als ihn die Kommissarien nach einiger Zeit aus dem Kerker vorforderten. Die Strafe seiner wiederholten Weigerung war die Einsperrung in ein Gefängniß in Hampshire. Von dieser Zeit an trat John Hampden in den Vordergrund des Kampfes, der zwischen dem Königthum und dem englischen Volk aus- gebrochen war. John Hampden gehörte nicht zu denjenigen Politi- kern, welche die öffentliche Laufbahn aus Eitelkeit oder Ehrgeiz erwäh- len, wie schon der Umstand ergiebt, daß er bereits im rüstigen Mannes- alter stand, als sich die Blicke der Nation auf ihn richteten. Er war es nicht, der durch Vordrängen, durch absichtliche Erregung der all- gemeinen Aufmerksamkeit diese Blicke auf sich gelenkt hatte; die Ge- walt der Ereignisse stellte ihn, der durch Charakter und Einsicht vor Anderen sich auszeichnete, allmälig an die Spitze der Bewegung. John Hampden gehört auch zu denjenigen Männern, deren öffentlichem und Privatcharakter die Revolution keinen Makel aufgebürdet. Die Verleumdung der Gegner, welche selbst einen Aristides nicht verschont, wagte sich nicht an die Reinheit der Gesinnung und die Uneigen- nützigkeit des berühmten Steuerverweigerers. Selbst der höfische Ge- schichtsschreiber Clarendon, der spätere Minister Karls II., läßt John Hampden volle Gerechtigkeit widerfahren. John Hampden gehörte einer Familie an, deren Stammbaum hinaufreicht in die Zeit vor der Besitznahme Englands durch Wilhelm den Eroberer, und die namentlich unter den Tudors sehr reich ge- worden war. Der Großvater unseres John, Griffith Hampden, erfrente sich besonders der Gunst der Königin Elisabeth, die er auf seinem Landgut Buckinghamshire mit großem Aufwand bewirthete. Aus der Ehe seines Sohnes mit Elisabeth Cromwell, der Tante des spätern Protektors, ging John Hampden hervor, der im Jahr 1594 geboren wurde. Nach kaum drei Jahren starb sein Vater; seine erste Schulbildung erhielt der junge reiche Erbe auf der grammatischen Schule zu Thame, wo er bis zu seinem fünfzehnten Jahr blieb. Auf der Universität Oxford eignete er sich hierauf eine vorzügliche klassische Bildung und eine gründliche Kenntniß des englischen Rechts an. Sein Privatleben scheint allerdings in dieser Zeit nicht das solideste gewesen zu sein, wenn man den wenigen Berichten, die Clarendon darüber mittheilt, Glauben schenken darf. „Bei seinem Eintritt in die Welt“, sagt dieser Geschichtsschreiber, „gab er sich aller Zügel- losigkeit im Spielen, in Gewohnheiten und Gesellschaft hin, wie sie bei Männern der lustigsten Umgangsweise gebräuchlich waren“. Lange indeß setzte John Hampden jedenfalls diese Lebensweise nicht fort; denn als er in seinem fünfundzwanzigsten Jahr ein zärtlich von ihm *) 1 / 4 Penny.

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Zitationshilfe: Sonntags-Blatt. Nr. 32. Berlin, 9. August 1868, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_sonntagsblatt32_1868/7>, abgerufen am 24.08.2024.