Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sonntags-Blatt. Nr. 5. Berlin, 2. Februar 1868.

Bild:
<< vorherige Seite

[Beginn Spaltensatz] Posthuma's als Mädchen geführt; hin und wieder traf man ihn noch
im Schloß auf einem Gegenstand verzeichnet: "Agnese Steen."

Stellte das oft besprochene Bild den Vater der Freifrau von Tor-
wisch vor? Nein, so wenig wie dieser sich erinnern konnte, daß sein
Vater, Großvater oder Urgroßvater Aehnlichkeit damit gehabt. Aber
Jeder hatte Etwas von ihm und war darin zu erkennen. Der Cha-
rakter des ganzen Geschlechts war von unbekannter Künstlerhand vor
Jahrhunderten personifizirt und in eine Figur zusammengedrängt wor-
den, welcher sie den Namen dessen beigelegt, der in grauer Vorzeit
aus der Fremde hergesegelt und vielleicht zu den Zeiten der Vikinger
Steens=Jnsel in Besitz genommen und sich auf ihr angesiedelt. So
ward er der Begründer eines weitverzweigten Geschlechts, das, wie
er, thatenlustig seine Heimat auf dem Meere hatte und vor Jahr-
hunderten schon in wilder Sturmesnacht mit seinem Wohnsitz größten-
theils im Meere versank. Die Steens=Hallig verschwand spurlos wie
ein gesunkenes Schiff; nur wenige Glieder der Familie, die in jener
Nacht auswärts gewesen, blieben übrig und sahen, zurückgekehrt, ihre
[Spaltenumbruch] Freunde und Habe, ihre Heimat und ihr Vaterland vom Erdboden
oder aus dem Meeresspiegel verschwunden. Mancher hätte vielleicht
den heimtückischen Boden verlassen und sich dem sicheren Festlande
zugewandt, aber das alte Vikingerblut hatte am festen Land nicht
Ruh. Sie bemächtigten sich der kleinsten, gefährlichsten Erdschollen,
die wie abgerissene Stückchen, von den größeren Jnseln verlassen,
umher lagen, weil Niemand sie umsonst besitzen wollte. Bald erhoben
sie auf den höchsten Punkten derselben ihre Hütten, umgaben sie mit
Werft und Pfahlwerk, zogen auch wohl einen Deich herum und
lebten darin -- bis eines Tages das Meer kam und den Deich zer-
riß, das Pfahlwerk in die Winde streute und das Leben unter
den Hütten krachend begrub. Wer übrig blieb, zog weiter und suchte
sich auf anderem wellenzernagtem Eiland eine neue Heimat, in jedem
Augenblick der Beihülfe aller derer gewiß, die den Namen Steen und
die Erinnerung ihrer gemeinschaftlichen Abstammung dadurch bewahrten,
daß in ihren Familien stets der Erstgeborene den Namen "Paul"
erhielt.     ( Fortsetzung folgt. )

[Ende Spaltensatz]

Album.
[Beginn Spaltensatz]
Neuer Liebe Leid.
O, wüßte sie, die Liebste hold,
Die mir gestorben ist,
Daß Du allein jetzt all' mein Glück
Auf dieser Erde bist!
O, wüßte sie's! Wie säh' voll Harm
Jhr treu, lieb Angesicht
Und vorwurfsvoll mich an, ich glaub',
Jch glaub', ich trüg' es nicht.
Und wär' es doch -- ich weinte laut,
Jch wüßt' ein einzig Wort,
Das spräch' voll Lieb' ihr süßer Mund
Und spräch' es fort und fort.
[Spaltenumbruch]
Und weinte nicht und klagte nicht
Und flehte sanft mich an:
"Sei glücklich, Liebster, daß im Grab
Jch Ruhe finden kann!"
So spräch' sie mild und kos't' mit mir
Und lächelt' sonder Gram,
Und segnete mein Haupt, und ich --
Verging vor Schmerz und Scham.
So kommt es wohl, daß mir's bei Dir,
Die Du mein Alles bist,
Jm Zwielicht oftmals gar so trüb',
So trüb' zu Muthe ist.
Julius vom Hag.


Aus der Zeit.
[Beginn Spaltensatz]
Ein Jubiläum.
( Fortsetzung. )

Dies verlockte die Ranen, trotz ihrer vereinsamten Stellung, sich zu
regen. Der König Waldemar eilte herbei und begann im Frühling des
Jahres 1168 seinen achten Feldzug gegen die wilden, räuberischen Ranen
und ihr immer noch nicht gebrochenes Heidenthum. Heinrich, um Theil-
nahme am Kriege angegangen, begnügte sich, den Pommernherzogen zu be-
fehlen, Waldemar zu unterstützen, und so sollten es auch noch Wenden
sein, die den letzten Stoß gegen das einzige noch bestehende Bollwerk ihres
ehemaligen Kultus führten.

Rügen ward von den verbündeten Heeren zunächst verwüstet, dann zog
man nach Wittow vor die Festung Arkona, diese zu belagern, da der an-
gegriffene Feind die wiederholt angebotene Schlacht verweigerte.

Wittow ist eine Halbinsel, ihre Verbindung mit Jasmund jedoch nur
schmal, aber lang gestreckt. Der Boden der Halbinsel erhebt sich
allmälig von Südwest nach Nordost, und bildet hier eine Hochebene mit
auf drei Seiten steil abfallenden Wänden von etwas über 170 Fuß Höhe.
Auf der nordöstlichen Spitze lag die Feste Arkona mit dem Tempel des
Götzen Swantewit und dessen abscheulich geformter riesiger Gestalt.

Die Ufer Arkona's haben sich sehr verändert, namentlich aber seit 700
Jahren bedeutend abgenommen; der Raum innerhalb des Walles ist jetzt
nur unbedeutend, war aber früher groß genug, einer Stadt Platz zu gönnen.

Die Ranen waren auf die Belagerung vorbereitet und hatten besonders
das große Eingangsthor mit Erde und Rasen versichert; über dem Thor
befand sich ein hölzerner Thurm, wahrscheinlich ein Schleuderthurm, und auf
dem sehr hohen Walle ( 100 Fuß ) eine hölzerne Einfassung.

Es war gegen Pfingsten, als die Belagerung ihren Anfang nahm.
Waldemar ließ einen Graben in einiger Entfernung von dem Walle auf-
werfen, sodann Schleuder= und Sturmmaschinen anfertigen; es scheinen
damals noch Wälder auf Wittow gewesen zu sein, die seitdem verschwun-
den sind. Als die Schleudermaschinen zur Anwendung kommen sollten,
zeigte es sich, daß ihre Geschosse nicht die Wallhöhe erreichten; man mußte
also auf Verbesserung denken.

Aeltere Geschichtschreiber führen an, daß Adler wie zum Schutz über
der Festung schwebten, sich auch auf die heilige Stanitza, die Fahne der
Feste, niedergelassen haben sollen. Ein neuerer Historiker hält dies für
eine Fabel; dennoch kann die Angabe ihre Richtigkeit haben, da in den
Klüften der hohen Ufer Wittows stets Seeadler nisteten.

Ein Uebelstand der Festung war, daß sie kein anderes Wasser als
Regenwasser hatte. Es regnet nun zwar viel und häufig auf Rügen, doch
gerade zu jener Zeit nicht, und die Belagerten litten, wie schon früher
einst, bald Wassermangel; dieser Umstand sollte ihr Verderben sein.

[Spaltenumbruch]

Eines Tages im Laufe der Belagerung schleuderten Troßbuben zum
Scherz Steine gegen die Wälle; die Belagerten schauten unthätig zu.
Soldaten nahmen endlich Theil an dem Spiel, und einer derselben
entdeckte, daß die vor dem Holzthor aufgehäufte Erde an einer Stelle fort-
gesunken war und das Holz frei ließ. Der Schlaukopf, dessen Name nicht
bekannt geworden, beschloß, dies zu benutzen. Er berieth sich mit Anderen;
man näherte sich der Stelle, steckte Lanzen in die Erde, auf welchen der
Mensch die Stelle erreichte; hierauf ließ er sich Feuerungsmaterial reichen
und entzündete dasselbe. Als es geschehen, ward noch eine Fuhre Stroh
herbeigeschafft und hinaufgereicht; bald loderte eine mächtige Flamme empor.

Die Wenden hatten in übergroßer Sicherheit Alles geschehen lassen,
sie konnten überdem wegen des Ueberbaues des hölzernen Thurmes nicht
sehen, was vorging. Als jedoch Rauch und Flammen emporschlugen,
suchten sie den Heerd derselben zu entdecken und das angelegte Feuer zu
löschen, wozu sie sich, da es ihnen, wie bemerkt, an Wasser mangelte, der
Milch bedienten. Doch das Feuer ergriff den Sockel des Thurmes, diesen
selbst und endlich auch die Brustwehr des Walles. Das ausgetrocknete
Holz brannte mit dem Stroh um die Wette. Jn der belagerten Wenden-
festung herrschte eine unbeschreibliche Verwirrung.

Kaum besser sah es außerhalb der Festung unter den Belagerten aus,
nur daß hier der Tumult, statt durch Aengstlichkeit, von der Schadenfreude
und Heiterkeit hervorgerufen ward.

König Waldemar kam der Feste näher; der Bischof Absalon war mit
Helm und Schild unter den Kriegern, die bereits stürmen wollten, wozu
Waldemar auch den Befehl zu geben Lust hatte; doch der Bischof rieth,
noch zu warten, und traf nur Anordnungen, jeden Augenblick den Sturm-
lauf beginnen zu können.

Waldemar nahm in einem herbeigeschafften Sessel Platz, um sich die
Sache mit Gemächlichkeit ansehen zu können; er verließ denselben auch
während des Kampfes nicht, die beiden Pommernherzoge dagegen stürmten
in Person, vielleicht um ihre Loyalität zu beweisen, vielleicht aus anderen
Gründen, mit.

Absalon hatte nur warten wollen, bis das Banner der Belagerten, die
heilige Stanitza, gefallen und von den Flammen ergriffen war. Als dasselbe
sank, gab er das Zeichen zum Sturm.

Beim Sinken der heiligen Stanitza überließen sich Viele der Wenden der
Verzweiflung und stürzten sich in die Flammen oder von den Wällen herab
in die Waffen der Angreifer. An Kampf dachten nur Wenige, die Wälle
wurden daher erstiegen, und es rief Jemand dem Bischof zu, den Kampf
zu beenden, da man unterhandeln wolle.[unleserliches Material] Die Stadt brannte übrigens
ebenfalls.

Absalon gebot den Seinen, zu bleiben wo sie waren, und begab sich in
die Stadt hinunter auf einen freien Platz, wo alle Wenden, die es ver-
mochten oder durften, erklärten, sich ergeben zu wollen. Absalon nahm
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] Posthuma's als Mädchen geführt; hin und wieder traf man ihn noch
im Schloß auf einem Gegenstand verzeichnet: „Agnese Steen.“

Stellte das oft besprochene Bild den Vater der Freifrau von Tor-
wisch vor? Nein, so wenig wie dieser sich erinnern konnte, daß sein
Vater, Großvater oder Urgroßvater Aehnlichkeit damit gehabt. Aber
Jeder hatte Etwas von ihm und war darin zu erkennen. Der Cha-
rakter des ganzen Geschlechts war von unbekannter Künstlerhand vor
Jahrhunderten personifizirt und in eine Figur zusammengedrängt wor-
den, welcher sie den Namen dessen beigelegt, der in grauer Vorzeit
aus der Fremde hergesegelt und vielleicht zu den Zeiten der Vikinger
Steens=Jnsel in Besitz genommen und sich auf ihr angesiedelt. So
ward er der Begründer eines weitverzweigten Geschlechts, das, wie
er, thatenlustig seine Heimat auf dem Meere hatte und vor Jahr-
hunderten schon in wilder Sturmesnacht mit seinem Wohnsitz größten-
theils im Meere versank. Die Steens=Hallig verschwand spurlos wie
ein gesunkenes Schiff; nur wenige Glieder der Familie, die in jener
Nacht auswärts gewesen, blieben übrig und sahen, zurückgekehrt, ihre
[Spaltenumbruch] Freunde und Habe, ihre Heimat und ihr Vaterland vom Erdboden
oder aus dem Meeresspiegel verschwunden. Mancher hätte vielleicht
den heimtückischen Boden verlassen und sich dem sicheren Festlande
zugewandt, aber das alte Vikingerblut hatte am festen Land nicht
Ruh. Sie bemächtigten sich der kleinsten, gefährlichsten Erdschollen,
die wie abgerissene Stückchen, von den größeren Jnseln verlassen,
umher lagen, weil Niemand sie umsonst besitzen wollte. Bald erhoben
sie auf den höchsten Punkten derselben ihre Hütten, umgaben sie mit
Werft und Pfahlwerk, zogen auch wohl einen Deich herum und
lebten darin — bis eines Tages das Meer kam und den Deich zer-
riß, das Pfahlwerk in die Winde streute und das Leben unter
den Hütten krachend begrub. Wer übrig blieb, zog weiter und suchte
sich auf anderem wellenzernagtem Eiland eine neue Heimat, in jedem
Augenblick der Beihülfe aller derer gewiß, die den Namen Steen und
die Erinnerung ihrer gemeinschaftlichen Abstammung dadurch bewahrten,
daß in ihren Familien stets der Erstgeborene den Namen „Paul“
erhielt.     ( Fortsetzung folgt. )

[Ende Spaltensatz]

Album.
[Beginn Spaltensatz]
Neuer Liebe Leid.
O, wüßte sie, die Liebste hold,
Die mir gestorben ist,
Daß Du allein jetzt all' mein Glück
Auf dieser Erde bist!
O, wüßte sie's! Wie säh' voll Harm
Jhr treu, lieb Angesicht
Und vorwurfsvoll mich an, ich glaub',
Jch glaub', ich trüg' es nicht.
Und wär' es doch — ich weinte laut,
Jch wüßt' ein einzig Wort,
Das spräch' voll Lieb' ihr süßer Mund
Und spräch' es fort und fort.
[Spaltenumbruch]
Und weinte nicht und klagte nicht
Und flehte sanft mich an:
„Sei glücklich, Liebster, daß im Grab
Jch Ruhe finden kann!“
So spräch' sie mild und kos't' mit mir
Und lächelt' sonder Gram,
Und segnete mein Haupt, und ich —
Verging vor Schmerz und Scham.
So kommt es wohl, daß mir's bei Dir,
Die Du mein Alles bist,
Jm Zwielicht oftmals gar so trüb',
So trüb' zu Muthe ist.
Julius vom Hag.


Aus der Zeit.
[Beginn Spaltensatz]
Ein Jubiläum.
( Fortsetzung. )

Dies verlockte die Ranen, trotz ihrer vereinsamten Stellung, sich zu
regen. Der König Waldemar eilte herbei und begann im Frühling des
Jahres 1168 seinen achten Feldzug gegen die wilden, räuberischen Ranen
und ihr immer noch nicht gebrochenes Heidenthum. Heinrich, um Theil-
nahme am Kriege angegangen, begnügte sich, den Pommernherzogen zu be-
fehlen, Waldemar zu unterstützen, und so sollten es auch noch Wenden
sein, die den letzten Stoß gegen das einzige noch bestehende Bollwerk ihres
ehemaligen Kultus führten.

Rügen ward von den verbündeten Heeren zunächst verwüstet, dann zog
man nach Wittow vor die Festung Arkona, diese zu belagern, da der an-
gegriffene Feind die wiederholt angebotene Schlacht verweigerte.

Wittow ist eine Halbinsel, ihre Verbindung mit Jasmund jedoch nur
schmal, aber lang gestreckt. Der Boden der Halbinsel erhebt sich
allmälig von Südwest nach Nordost, und bildet hier eine Hochebene mit
auf drei Seiten steil abfallenden Wänden von etwas über 170 Fuß Höhe.
Auf der nordöstlichen Spitze lag die Feste Arkona mit dem Tempel des
Götzen Swantewit und dessen abscheulich geformter riesiger Gestalt.

Die Ufer Arkona's haben sich sehr verändert, namentlich aber seit 700
Jahren bedeutend abgenommen; der Raum innerhalb des Walles ist jetzt
nur unbedeutend, war aber früher groß genug, einer Stadt Platz zu gönnen.

Die Ranen waren auf die Belagerung vorbereitet und hatten besonders
das große Eingangsthor mit Erde und Rasen versichert; über dem Thor
befand sich ein hölzerner Thurm, wahrscheinlich ein Schleuderthurm, und auf
dem sehr hohen Walle ( 100 Fuß ) eine hölzerne Einfassung.

Es war gegen Pfingsten, als die Belagerung ihren Anfang nahm.
Waldemar ließ einen Graben in einiger Entfernung von dem Walle auf-
werfen, sodann Schleuder= und Sturmmaschinen anfertigen; es scheinen
damals noch Wälder auf Wittow gewesen zu sein, die seitdem verschwun-
den sind. Als die Schleudermaschinen zur Anwendung kommen sollten,
zeigte es sich, daß ihre Geschosse nicht die Wallhöhe erreichten; man mußte
also auf Verbesserung denken.

Aeltere Geschichtschreiber führen an, daß Adler wie zum Schutz über
der Festung schwebten, sich auch auf die heilige Stanitza, die Fahne der
Feste, niedergelassen haben sollen. Ein neuerer Historiker hält dies für
eine Fabel; dennoch kann die Angabe ihre Richtigkeit haben, da in den
Klüften der hohen Ufer Wittows stets Seeadler nisteten.

Ein Uebelstand der Festung war, daß sie kein anderes Wasser als
Regenwasser hatte. Es regnet nun zwar viel und häufig auf Rügen, doch
gerade zu jener Zeit nicht, und die Belagerten litten, wie schon früher
einst, bald Wassermangel; dieser Umstand sollte ihr Verderben sein.

[Spaltenumbruch]

Eines Tages im Laufe der Belagerung schleuderten Troßbuben zum
Scherz Steine gegen die Wälle; die Belagerten schauten unthätig zu.
Soldaten nahmen endlich Theil an dem Spiel, und einer derselben
entdeckte, daß die vor dem Holzthor aufgehäufte Erde an einer Stelle fort-
gesunken war und das Holz frei ließ. Der Schlaukopf, dessen Name nicht
bekannt geworden, beschloß, dies zu benutzen. Er berieth sich mit Anderen;
man näherte sich der Stelle, steckte Lanzen in die Erde, auf welchen der
Mensch die Stelle erreichte; hierauf ließ er sich Feuerungsmaterial reichen
und entzündete dasselbe. Als es geschehen, ward noch eine Fuhre Stroh
herbeigeschafft und hinaufgereicht; bald loderte eine mächtige Flamme empor.

Die Wenden hatten in übergroßer Sicherheit Alles geschehen lassen,
sie konnten überdem wegen des Ueberbaues des hölzernen Thurmes nicht
sehen, was vorging. Als jedoch Rauch und Flammen emporschlugen,
suchten sie den Heerd derselben zu entdecken und das angelegte Feuer zu
löschen, wozu sie sich, da es ihnen, wie bemerkt, an Wasser mangelte, der
Milch bedienten. Doch das Feuer ergriff den Sockel des Thurmes, diesen
selbst und endlich auch die Brustwehr des Walles. Das ausgetrocknete
Holz brannte mit dem Stroh um die Wette. Jn der belagerten Wenden-
festung herrschte eine unbeschreibliche Verwirrung.

Kaum besser sah es außerhalb der Festung unter den Belagerten aus,
nur daß hier der Tumult, statt durch Aengstlichkeit, von der Schadenfreude
und Heiterkeit hervorgerufen ward.

König Waldemar kam der Feste näher; der Bischof Absalon war mit
Helm und Schild unter den Kriegern, die bereits stürmen wollten, wozu
Waldemar auch den Befehl zu geben Lust hatte; doch der Bischof rieth,
noch zu warten, und traf nur Anordnungen, jeden Augenblick den Sturm-
lauf beginnen zu können.

Waldemar nahm in einem herbeigeschafften Sessel Platz, um sich die
Sache mit Gemächlichkeit ansehen zu können; er verließ denselben auch
während des Kampfes nicht, die beiden Pommernherzoge dagegen stürmten
in Person, vielleicht um ihre Loyalität zu beweisen, vielleicht aus anderen
Gründen, mit.

Absalon hatte nur warten wollen, bis das Banner der Belagerten, die
heilige Stanitza, gefallen und von den Flammen ergriffen war. Als dasselbe
sank, gab er das Zeichen zum Sturm.

Beim Sinken der heiligen Stanitza überließen sich Viele der Wenden der
Verzweiflung und stürzten sich in die Flammen oder von den Wällen herab
in die Waffen der Angreifer. An Kampf dachten nur Wenige, die Wälle
wurden daher erstiegen, und es rief Jemand dem Bischof zu, den Kampf
zu beenden, da man unterhandeln wolle.[unleserliches Material] Die Stadt brannte übrigens
ebenfalls.

Absalon gebot den Seinen, zu bleiben wo sie waren, und begab sich in
die Stadt hinunter auf einen freien Platz, wo alle Wenden, die es ver-
mochten oder durften, erklärten, sich ergeben zu wollen. Absalon nahm
[Ende Spaltensatz]

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div xml:id="Posthuma1" type="jArticle" n="1">
        <p><pb facs="#f0004" n="36"/><fw type="pageNum" place="top">36</fw><cb type="start"/>
Posthuma's als Mädchen geführt; hin und wieder traf man ihn noch<lb/>
im Schloß auf einem Gegenstand verzeichnet: &#x201E;Agnese Steen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Stellte das oft besprochene Bild den Vater der Freifrau von Tor-<lb/>
wisch vor? Nein, so wenig wie dieser sich erinnern konnte, daß sein<lb/>
Vater, Großvater oder Urgroßvater Aehnlichkeit damit gehabt. Aber<lb/>
Jeder hatte Etwas von ihm und war darin zu erkennen. Der Cha-<lb/>
rakter des ganzen Geschlechts war von unbekannter Künstlerhand vor<lb/>
Jahrhunderten personifizirt und in eine Figur zusammengedrängt wor-<lb/>
den, welcher sie den Namen dessen beigelegt, der in grauer Vorzeit<lb/>
aus der Fremde hergesegelt und vielleicht zu den Zeiten der Vikinger<lb/>
Steens=Jnsel in Besitz genommen und sich auf ihr angesiedelt. So<lb/>
ward er der Begründer eines weitverzweigten Geschlechts, das, wie<lb/>
er, thatenlustig seine Heimat auf dem Meere hatte und vor Jahr-<lb/>
hunderten schon in wilder Sturmesnacht mit seinem Wohnsitz größten-<lb/>
theils im Meere versank. Die Steens=Hallig verschwand spurlos wie<lb/>
ein gesunkenes Schiff; nur wenige Glieder der Familie, die in jener<lb/>
Nacht auswärts gewesen, blieben übrig und sahen, zurückgekehrt, ihre<lb/><cb n="2"/>
Freunde und Habe, ihre Heimat und ihr Vaterland vom Erdboden<lb/>
oder aus dem Meeresspiegel verschwunden. Mancher hätte vielleicht<lb/>
den heimtückischen Boden verlassen und sich dem sicheren Festlande<lb/>
zugewandt, aber das alte Vikingerblut hatte am festen Land nicht<lb/>
Ruh. Sie bemächtigten sich der kleinsten, gefährlichsten Erdschollen,<lb/>
die wie abgerissene Stückchen, von den größeren Jnseln verlassen,<lb/>
umher lagen, weil Niemand sie umsonst besitzen wollte. Bald erhoben<lb/>
sie auf den höchsten Punkten derselben ihre Hütten, umgaben sie mit<lb/>
Werft und Pfahlwerk, zogen auch wohl einen Deich herum und<lb/>
lebten darin &#x2014; bis eines Tages das Meer kam und den Deich zer-<lb/>
riß, das Pfahlwerk in die Winde streute und das Leben unter<lb/>
den Hütten krachend begrub. Wer übrig blieb, zog weiter und suchte<lb/>
sich auf anderem wellenzernagtem Eiland eine neue Heimat, in jedem<lb/>
Augenblick der Beihülfe aller derer gewiß, die den Namen Steen und<lb/>
die Erinnerung ihrer gemeinschaftlichen Abstammung dadurch bewahrten,<lb/>
daß in ihren Familien stets der Erstgeborene den Namen &#x201E;Paul&#x201C;<lb/>
erhielt.  <space dim="horizontal"/>   ( Fortsetzung folgt. ) </p>
      </div><lb/>
      <cb type="end"/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Album</hi>.</hi> </head><lb/>
        <cb type="start"/>
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#fr">Neuer Liebe Leid.</hi> </head><lb/>
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">O</hi>, wüßte sie, die Liebste hold,</l><lb/>
              <l>Die mir gestorben ist,</l><lb/>
              <l>Daß Du allein jetzt all' mein Glück</l><lb/>
              <l>Auf dieser Erde bist!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>O, wüßte sie's! Wie säh' voll Harm</l><lb/>
              <l>Jhr treu, lieb Angesicht</l><lb/>
              <l>Und vorwurfsvoll mich an, ich glaub',</l><lb/>
              <l>Jch glaub', ich trüg' es nicht.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Und wär' es doch &#x2014; ich weinte laut,</l><lb/>
              <l>Jch wüßt' ein einzig Wort,</l><lb/>
              <l>Das spräch' voll Lieb' ihr süßer Mund</l><lb/>
              <l>Und spräch' es fort und fort.</l>
            </lg><lb/>
            <cb n="2"/>
            <lg n="4">
              <l>Und weinte nicht und klagte nicht</l><lb/>
              <l>Und flehte sanft mich an:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Sei glücklich, Liebster, daß im Grab</l><lb/>
              <l>Jch Ruhe finden kann!&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>So spräch' sie mild und kos't' mit mir</l><lb/>
              <l>Und lächelt' sonder Gram,</l><lb/>
              <l>Und segnete mein Haupt, und ich &#x2014;</l><lb/>
              <l>Verging vor Schmerz und Scham.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>So kommt es wohl, daß mir's bei Dir,</l><lb/>
              <l>Die Du mein Alles bist,</l><lb/>
              <l>Jm Zwielicht oftmals gar so trüb',</l><lb/>
              <l>So trüb' zu Muthe ist.</l>
            </lg>
          </lg><lb/>
          <bibl> <hi rendition="#g #right">Julius vom Hag.</hi> </bibl>
        </div>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Aus der Zeit</hi>.</hi> </head><lb/>
        <cb type="start"/>
        <div xml:id="Jubilaeum2" type="jArticle" n="2">
          <head> <hi rendition="#fr">Ein Jubiläum.</hi><lb/>
            <ref target="nn_sonntagsblatt04_1868#Jubilaeum1">( Fortsetzung. )</ref>
          </head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">D</hi>ies verlockte die Ranen, trotz ihrer vereinsamten Stellung, sich zu<lb/>
regen. Der König Waldemar eilte herbei und begann im Frühling des<lb/>
Jahres 1168 seinen achten Feldzug gegen die wilden, räuberischen Ranen<lb/>
und ihr immer noch nicht gebrochenes Heidenthum. Heinrich, um Theil-<lb/>
nahme am Kriege angegangen, begnügte sich, den Pommernherzogen zu be-<lb/>
fehlen, Waldemar zu unterstützen, und so sollten es auch noch Wenden<lb/>
sein, die den letzten Stoß gegen das einzige noch bestehende Bollwerk ihres<lb/>
ehemaligen Kultus führten.</p><lb/>
          <p>Rügen ward von den verbündeten Heeren zunächst verwüstet, dann zog<lb/>
man nach Wittow vor die Festung Arkona, diese zu belagern, da der an-<lb/>
gegriffene Feind die wiederholt angebotene Schlacht verweigerte.</p><lb/>
          <p>Wittow ist eine Halbinsel, ihre Verbindung mit Jasmund jedoch nur<lb/>
schmal, aber lang gestreckt. Der Boden der Halbinsel erhebt sich<lb/>
allmälig von Südwest nach Nordost, und bildet hier eine Hochebene mit<lb/>
auf drei Seiten steil abfallenden Wänden von etwas über 170 Fuß Höhe.<lb/>
Auf der nordöstlichen Spitze lag die Feste Arkona mit dem Tempel des<lb/>
Götzen Swantewit und dessen abscheulich geformter riesiger Gestalt.</p><lb/>
          <p>Die Ufer Arkona's haben sich sehr verändert, namentlich aber seit 700<lb/>
Jahren bedeutend abgenommen; der Raum innerhalb des Walles ist jetzt<lb/>
nur unbedeutend, war aber früher groß genug, einer Stadt Platz zu gönnen.</p><lb/>
          <p>Die Ranen waren auf die Belagerung vorbereitet und hatten besonders<lb/>
das große Eingangsthor mit Erde und Rasen versichert; über dem Thor<lb/>
befand sich ein hölzerner Thurm, wahrscheinlich ein Schleuderthurm, und auf<lb/>
dem sehr hohen Walle ( 100 Fuß ) eine hölzerne Einfassung.</p><lb/>
          <p>Es war gegen Pfingsten, als die Belagerung ihren Anfang nahm.<lb/>
Waldemar ließ einen Graben in einiger Entfernung von dem Walle auf-<lb/>
werfen, sodann Schleuder= und Sturmmaschinen anfertigen; es scheinen<lb/>
damals noch Wälder auf Wittow gewesen zu sein, die seitdem verschwun-<lb/>
den sind. Als die Schleudermaschinen zur Anwendung kommen sollten,<lb/>
zeigte es sich, daß ihre Geschosse nicht die Wallhöhe erreichten; man mußte<lb/>
also auf Verbesserung denken.</p><lb/>
          <p>Aeltere Geschichtschreiber führen an, daß Adler wie zum Schutz über<lb/>
der Festung schwebten, sich auch auf die heilige Stanitza, die Fahne der<lb/>
Feste, niedergelassen haben sollen. Ein neuerer Historiker hält dies für<lb/>
eine Fabel; dennoch kann die Angabe ihre Richtigkeit haben, da in den<lb/>
Klüften der hohen Ufer Wittows stets Seeadler nisteten.</p><lb/>
          <p>Ein Uebelstand der Festung war, daß sie kein anderes Wasser als<lb/>
Regenwasser hatte. Es regnet nun zwar viel und häufig auf Rügen, doch<lb/>
gerade zu jener Zeit nicht, und die Belagerten litten, wie schon früher<lb/>
einst, bald Wassermangel; dieser Umstand sollte ihr Verderben sein.</p><lb/>
          <cb n="2"/>
          <p>Eines Tages im Laufe der Belagerung schleuderten Troßbuben zum<lb/>
Scherz Steine gegen die Wälle; die Belagerten schauten unthätig zu.<lb/>
Soldaten nahmen endlich Theil an dem Spiel, und einer derselben<lb/>
entdeckte, daß die vor dem Holzthor aufgehäufte Erde an einer Stelle fort-<lb/>
gesunken war und das Holz frei ließ. Der Schlaukopf, dessen Name nicht<lb/>
bekannt geworden, beschloß, dies zu benutzen. Er berieth sich mit Anderen;<lb/>
man näherte sich der Stelle, steckte Lanzen in die Erde, auf welchen der<lb/>
Mensch die Stelle erreichte; hierauf ließ er sich Feuerungsmaterial reichen<lb/>
und entzündete dasselbe. Als es geschehen, ward noch eine Fuhre Stroh<lb/>
herbeigeschafft und hinaufgereicht; bald loderte eine mächtige Flamme empor.</p><lb/>
          <p>Die Wenden hatten in übergroßer Sicherheit Alles geschehen lassen,<lb/>
sie konnten überdem wegen des Ueberbaues des hölzernen Thurmes nicht<lb/>
sehen, was vorging. Als jedoch Rauch und Flammen emporschlugen,<lb/>
suchten sie den Heerd derselben zu entdecken und das angelegte Feuer zu<lb/>
löschen, wozu sie sich, da es ihnen, wie bemerkt, an Wasser mangelte, der<lb/>
Milch bedienten. Doch das Feuer ergriff den Sockel des Thurmes, diesen<lb/>
selbst und endlich auch die Brustwehr des Walles. Das ausgetrocknete<lb/>
Holz brannte mit dem Stroh um die Wette. Jn der belagerten Wenden-<lb/>
festung herrschte eine unbeschreibliche Verwirrung.</p><lb/>
          <p>Kaum besser sah es außerhalb der Festung unter den Belagerten aus,<lb/>
nur daß hier der Tumult, statt durch Aengstlichkeit, von der Schadenfreude<lb/>
und Heiterkeit hervorgerufen ward.</p><lb/>
          <p>König Waldemar kam der Feste näher; der Bischof Absalon war mit<lb/>
Helm und Schild unter den Kriegern, die bereits stürmen wollten, wozu<lb/>
Waldemar auch den Befehl zu geben Lust hatte; doch der Bischof rieth,<lb/>
noch zu warten, und traf nur Anordnungen, jeden Augenblick den Sturm-<lb/>
lauf beginnen zu können.</p><lb/>
          <p>Waldemar nahm in einem herbeigeschafften Sessel Platz, um sich die<lb/>
Sache mit Gemächlichkeit ansehen zu können; er verließ denselben auch<lb/>
während des Kampfes nicht, die beiden Pommernherzoge dagegen stürmten<lb/>
in Person, vielleicht um ihre Loyalität zu beweisen, vielleicht aus anderen<lb/>
Gründen, mit.</p><lb/>
          <p>Absalon hatte nur warten wollen, bis das Banner der Belagerten, die<lb/>
heilige Stanitza, gefallen und von den Flammen ergriffen war. Als dasselbe<lb/>
sank, gab er das Zeichen zum Sturm.</p><lb/>
          <p>Beim Sinken der heiligen Stanitza überließen sich Viele der Wenden der<lb/>
Verzweiflung und stürzten sich in die Flammen oder von den Wällen herab<lb/>
in die Waffen der Angreifer. An Kampf dachten nur Wenige, die Wälle<lb/>
wurden daher erstiegen, und es rief Jemand dem Bischof zu, den Kampf<lb/>
zu beenden, da man unterhandeln wolle.<gap reason="illegible"/> Die Stadt brannte übrigens<lb/>
ebenfalls.</p><lb/>
          <p>Absalon gebot den Seinen, zu bleiben wo sie waren, und begab sich in<lb/>
die Stadt hinunter auf einen freien Platz, wo alle Wenden, die es ver-<lb/>
mochten oder durften, erklärten, sich ergeben zu wollen. Absalon nahm<lb/><cb type="end"/>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0004] 36 Posthuma's als Mädchen geführt; hin und wieder traf man ihn noch im Schloß auf einem Gegenstand verzeichnet: „Agnese Steen.“ Stellte das oft besprochene Bild den Vater der Freifrau von Tor- wisch vor? Nein, so wenig wie dieser sich erinnern konnte, daß sein Vater, Großvater oder Urgroßvater Aehnlichkeit damit gehabt. Aber Jeder hatte Etwas von ihm und war darin zu erkennen. Der Cha- rakter des ganzen Geschlechts war von unbekannter Künstlerhand vor Jahrhunderten personifizirt und in eine Figur zusammengedrängt wor- den, welcher sie den Namen dessen beigelegt, der in grauer Vorzeit aus der Fremde hergesegelt und vielleicht zu den Zeiten der Vikinger Steens=Jnsel in Besitz genommen und sich auf ihr angesiedelt. So ward er der Begründer eines weitverzweigten Geschlechts, das, wie er, thatenlustig seine Heimat auf dem Meere hatte und vor Jahr- hunderten schon in wilder Sturmesnacht mit seinem Wohnsitz größten- theils im Meere versank. Die Steens=Hallig verschwand spurlos wie ein gesunkenes Schiff; nur wenige Glieder der Familie, die in jener Nacht auswärts gewesen, blieben übrig und sahen, zurückgekehrt, ihre Freunde und Habe, ihre Heimat und ihr Vaterland vom Erdboden oder aus dem Meeresspiegel verschwunden. Mancher hätte vielleicht den heimtückischen Boden verlassen und sich dem sicheren Festlande zugewandt, aber das alte Vikingerblut hatte am festen Land nicht Ruh. Sie bemächtigten sich der kleinsten, gefährlichsten Erdschollen, die wie abgerissene Stückchen, von den größeren Jnseln verlassen, umher lagen, weil Niemand sie umsonst besitzen wollte. Bald erhoben sie auf den höchsten Punkten derselben ihre Hütten, umgaben sie mit Werft und Pfahlwerk, zogen auch wohl einen Deich herum und lebten darin — bis eines Tages das Meer kam und den Deich zer- riß, das Pfahlwerk in die Winde streute und das Leben unter den Hütten krachend begrub. Wer übrig blieb, zog weiter und suchte sich auf anderem wellenzernagtem Eiland eine neue Heimat, in jedem Augenblick der Beihülfe aller derer gewiß, die den Namen Steen und die Erinnerung ihrer gemeinschaftlichen Abstammung dadurch bewahrten, daß in ihren Familien stets der Erstgeborene den Namen „Paul“ erhielt. ( Fortsetzung folgt. ) Album. Neuer Liebe Leid. O, wüßte sie, die Liebste hold, Die mir gestorben ist, Daß Du allein jetzt all' mein Glück Auf dieser Erde bist! O, wüßte sie's! Wie säh' voll Harm Jhr treu, lieb Angesicht Und vorwurfsvoll mich an, ich glaub', Jch glaub', ich trüg' es nicht. Und wär' es doch — ich weinte laut, Jch wüßt' ein einzig Wort, Das spräch' voll Lieb' ihr süßer Mund Und spräch' es fort und fort. Und weinte nicht und klagte nicht Und flehte sanft mich an: „Sei glücklich, Liebster, daß im Grab Jch Ruhe finden kann!“ So spräch' sie mild und kos't' mit mir Und lächelt' sonder Gram, Und segnete mein Haupt, und ich — Verging vor Schmerz und Scham. So kommt es wohl, daß mir's bei Dir, Die Du mein Alles bist, Jm Zwielicht oftmals gar so trüb', So trüb' zu Muthe ist. Julius vom Hag. Aus der Zeit. Ein Jubiläum. ( Fortsetzung. ) Dies verlockte die Ranen, trotz ihrer vereinsamten Stellung, sich zu regen. Der König Waldemar eilte herbei und begann im Frühling des Jahres 1168 seinen achten Feldzug gegen die wilden, räuberischen Ranen und ihr immer noch nicht gebrochenes Heidenthum. Heinrich, um Theil- nahme am Kriege angegangen, begnügte sich, den Pommernherzogen zu be- fehlen, Waldemar zu unterstützen, und so sollten es auch noch Wenden sein, die den letzten Stoß gegen das einzige noch bestehende Bollwerk ihres ehemaligen Kultus führten. Rügen ward von den verbündeten Heeren zunächst verwüstet, dann zog man nach Wittow vor die Festung Arkona, diese zu belagern, da der an- gegriffene Feind die wiederholt angebotene Schlacht verweigerte. Wittow ist eine Halbinsel, ihre Verbindung mit Jasmund jedoch nur schmal, aber lang gestreckt. Der Boden der Halbinsel erhebt sich allmälig von Südwest nach Nordost, und bildet hier eine Hochebene mit auf drei Seiten steil abfallenden Wänden von etwas über 170 Fuß Höhe. Auf der nordöstlichen Spitze lag die Feste Arkona mit dem Tempel des Götzen Swantewit und dessen abscheulich geformter riesiger Gestalt. Die Ufer Arkona's haben sich sehr verändert, namentlich aber seit 700 Jahren bedeutend abgenommen; der Raum innerhalb des Walles ist jetzt nur unbedeutend, war aber früher groß genug, einer Stadt Platz zu gönnen. Die Ranen waren auf die Belagerung vorbereitet und hatten besonders das große Eingangsthor mit Erde und Rasen versichert; über dem Thor befand sich ein hölzerner Thurm, wahrscheinlich ein Schleuderthurm, und auf dem sehr hohen Walle ( 100 Fuß ) eine hölzerne Einfassung. Es war gegen Pfingsten, als die Belagerung ihren Anfang nahm. Waldemar ließ einen Graben in einiger Entfernung von dem Walle auf- werfen, sodann Schleuder= und Sturmmaschinen anfertigen; es scheinen damals noch Wälder auf Wittow gewesen zu sein, die seitdem verschwun- den sind. Als die Schleudermaschinen zur Anwendung kommen sollten, zeigte es sich, daß ihre Geschosse nicht die Wallhöhe erreichten; man mußte also auf Verbesserung denken. Aeltere Geschichtschreiber führen an, daß Adler wie zum Schutz über der Festung schwebten, sich auch auf die heilige Stanitza, die Fahne der Feste, niedergelassen haben sollen. Ein neuerer Historiker hält dies für eine Fabel; dennoch kann die Angabe ihre Richtigkeit haben, da in den Klüften der hohen Ufer Wittows stets Seeadler nisteten. Ein Uebelstand der Festung war, daß sie kein anderes Wasser als Regenwasser hatte. Es regnet nun zwar viel und häufig auf Rügen, doch gerade zu jener Zeit nicht, und die Belagerten litten, wie schon früher einst, bald Wassermangel; dieser Umstand sollte ihr Verderben sein. Eines Tages im Laufe der Belagerung schleuderten Troßbuben zum Scherz Steine gegen die Wälle; die Belagerten schauten unthätig zu. Soldaten nahmen endlich Theil an dem Spiel, und einer derselben entdeckte, daß die vor dem Holzthor aufgehäufte Erde an einer Stelle fort- gesunken war und das Holz frei ließ. Der Schlaukopf, dessen Name nicht bekannt geworden, beschloß, dies zu benutzen. Er berieth sich mit Anderen; man näherte sich der Stelle, steckte Lanzen in die Erde, auf welchen der Mensch die Stelle erreichte; hierauf ließ er sich Feuerungsmaterial reichen und entzündete dasselbe. Als es geschehen, ward noch eine Fuhre Stroh herbeigeschafft und hinaufgereicht; bald loderte eine mächtige Flamme empor. Die Wenden hatten in übergroßer Sicherheit Alles geschehen lassen, sie konnten überdem wegen des Ueberbaues des hölzernen Thurmes nicht sehen, was vorging. Als jedoch Rauch und Flammen emporschlugen, suchten sie den Heerd derselben zu entdecken und das angelegte Feuer zu löschen, wozu sie sich, da es ihnen, wie bemerkt, an Wasser mangelte, der Milch bedienten. Doch das Feuer ergriff den Sockel des Thurmes, diesen selbst und endlich auch die Brustwehr des Walles. Das ausgetrocknete Holz brannte mit dem Stroh um die Wette. Jn der belagerten Wenden- festung herrschte eine unbeschreibliche Verwirrung. Kaum besser sah es außerhalb der Festung unter den Belagerten aus, nur daß hier der Tumult, statt durch Aengstlichkeit, von der Schadenfreude und Heiterkeit hervorgerufen ward. König Waldemar kam der Feste näher; der Bischof Absalon war mit Helm und Schild unter den Kriegern, die bereits stürmen wollten, wozu Waldemar auch den Befehl zu geben Lust hatte; doch der Bischof rieth, noch zu warten, und traf nur Anordnungen, jeden Augenblick den Sturm- lauf beginnen zu können. Waldemar nahm in einem herbeigeschafften Sessel Platz, um sich die Sache mit Gemächlichkeit ansehen zu können; er verließ denselben auch während des Kampfes nicht, die beiden Pommernherzoge dagegen stürmten in Person, vielleicht um ihre Loyalität zu beweisen, vielleicht aus anderen Gründen, mit. Absalon hatte nur warten wollen, bis das Banner der Belagerten, die heilige Stanitza, gefallen und von den Flammen ergriffen war. Als dasselbe sank, gab er das Zeichen zum Sturm. Beim Sinken der heiligen Stanitza überließen sich Viele der Wenden der Verzweiflung und stürzten sich in die Flammen oder von den Wällen herab in die Waffen der Angreifer. An Kampf dachten nur Wenige, die Wälle wurden daher erstiegen, und es rief Jemand dem Bischof zu, den Kampf zu beenden, da man unterhandeln wolle._ Die Stadt brannte übrigens ebenfalls. Absalon gebot den Seinen, zu bleiben wo sie waren, und begab sich in die Stadt hinunter auf einen freien Platz, wo alle Wenden, die es ver- mochten oder durften, erklärten, sich ergeben zu wollen. Absalon nahm

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_sonntagsblatt05_1868
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_sonntagsblatt05_1868/4
Zitationshilfe: Sonntags-Blatt. Nr. 5. Berlin, 2. Februar 1868, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_sonntagsblatt05_1868/4>, abgerufen am 06.06.2024.