Social-politische Blätter. 3. Lieferung. Berlin, 6. März 1873.Zur Unterhaltung und Belehrung. 60 [Beginn Spaltensatz]
blickenden Männer stehen dem Gebrauche gemäß sechs andereLeibeigene, die Eideshelfer, welche der Angeklagte und der An- kläger erwählten, damit sie eidlich behaupten, ob sie deren Aus- sage für wahr halten. -- Nun an's Werk! sagte der Ritter. -- Hofmeister, halte -- Jens, der Koch unseres Herrn Ritter, war allein in -- Und ich wiederhole es nochmals, Herr Ritter, wenn die -- Ja, ja, sprachen die sechs von ihm gewählten Leibeigenen -- Hörst Du, Hund? wendete sich Olaf an Peter. -- Was -- Herr, ich habe die Kelle nicht gestohlen, sie nicht einmal -- Ja, ja, Peter ist unschuldig; wir schwören es bei unserer -- Mein lieber Bruder in Christo, sagte der Geistliche zu -- Mein guter Pater, ich fürchte den Allmächtigen, ich folge -- Bei mir auch nicht, fiel Jens ein; bei mir hat man auch -- Die schlauen Diebe wissen schon die Beute zu verstecken. -- Herr Ritter glaube mir, ich schwöre bei der ewigen Ver- -- Und ich, Jens, behaupte, Peter muß der Dieb sein, weil -- Jens behauptet, Peter leugnet, und ich befehle, damit die -- Herr Ritter! -- Was willst Du, Pfaff? -- Du befiehlst, daß Beide, der Ankläger und der Angeklagte, -- Ja. -- Wenn aber das Gottesgericht darthut, der Angeklagte, -- Pfaff, und wenn der Ankläger und der Angeklagte mit -- Ja, ja, riefen die Anwesenden aus, die sich schon im -- Jch fürchte das Gottesgericht nicht, ich verlange es sagte, -- Jch bin meiner Unschuld auch gewiß, sagte Peter zitternd, -- Dein Gefährte, mein lieber Sohn, geht Dir mit gutem -- Ach, guter Vater, wenn die Probe gegen mich ausfällt? -- Mein Sohn, dann hast Du die Kelle gestohlen. -- Nein, nein, bei meinem Seelenheile, ich habe sie nicht -- So fürchte auch das Gericht Gottes nicht, mein Sohn, -- Ach welch' schreckliches und ungerechtes Gesetz! -- Sprich nicht also, mein Sohn, das Gesetz ist heilig, es -- Pfaff, genug nun der Worte! siel der Ritter ein. Der Auf einen Wink Olafs ergriffen mehrere Männer den -- Ach, rief er ächzend, welch schreckliches Gesetz, mein guter -- Das Gericht des Ewigen kann nie irren, mein Sohn. Schon hoben die Mannen den Leibeigenen empor und wollten -- Noch einen Angenblick! Erst muß das Wasser geweiht Dann trat er zu dem Diener, der fortwährend ächzte, hielt -- Küsse dieses Kreuz. mein lieber Sohn. -- Der Leibeigene küßte das Sinnbild des Todes des " Der Du dem Gericht des kalten Wassers Dich unterwerfen Zur Unterhaltung und Belehrung. 60 [Beginn Spaltensatz]
blickenden Männer stehen dem Gebrauche gemäß sechs andereLeibeigene, die Eideshelfer, welche der Angeklagte und der An- kläger erwählten, damit sie eidlich behaupten, ob sie deren Aus- sage für wahr halten. — Nun an's Werk! sagte der Ritter. — Hofmeister, halte — Jens, der Koch unseres Herrn Ritter, war allein in — Und ich wiederhole es nochmals, Herr Ritter, wenn die — Ja, ja, sprachen die sechs von ihm gewählten Leibeigenen — Hörst Du, Hund? wendete sich Olaf an Peter. — Was — Herr, ich habe die Kelle nicht gestohlen, sie nicht einmal — Ja, ja, Peter ist unschuldig; wir schwören es bei unserer — Mein lieber Bruder in Christo, sagte der Geistliche zu — Mein guter Pater, ich fürchte den Allmächtigen, ich folge — Bei mir auch nicht, fiel Jens ein; bei mir hat man auch — Die schlauen Diebe wissen schon die Beute zu verstecken. — Herr Ritter glaube mir, ich schwöre bei der ewigen Ver- — Und ich, Jens, behaupte, Peter muß der Dieb sein, weil — Jens behauptet, Peter leugnet, und ich befehle, damit die — Herr Ritter! — Was willst Du, Pfaff? — Du befiehlst, daß Beide, der Ankläger und der Angeklagte, — Ja. — Wenn aber das Gottesgericht darthut, der Angeklagte, — Pfaff, und wenn der Ankläger und der Angeklagte mit — Ja, ja, riefen die Anwesenden aus, die sich schon im — Jch fürchte das Gottesgericht nicht, ich verlange es sagte, — Jch bin meiner Unschuld auch gewiß, sagte Peter zitternd, — Dein Gefährte, mein lieber Sohn, geht Dir mit gutem — Ach, guter Vater, wenn die Probe gegen mich ausfällt? — Mein Sohn, dann hast Du die Kelle gestohlen. — Nein, nein, bei meinem Seelenheile, ich habe sie nicht — So fürchte auch das Gericht Gottes nicht, mein Sohn, — Ach welch' schreckliches und ungerechtes Gesetz! — Sprich nicht also, mein Sohn, das Gesetz ist heilig, es — Pfaff, genug nun der Worte! siel der Ritter ein. Der Auf einen Wink Olafs ergriffen mehrere Männer den — Ach, rief er ächzend, welch schreckliches Gesetz, mein guter — Das Gericht des Ewigen kann nie irren, mein Sohn. Schon hoben die Mannen den Leibeigenen empor und wollten — Noch einen Angenblick! Erst muß das Wasser geweiht Dann trat er zu dem Diener, der fortwährend ächzte, hielt — Küsse dieses Kreuz. mein lieber Sohn. — Der Leibeigene küßte das Sinnbild des Todes des „ Der Du dem Gericht des kalten Wassers Dich unterwerfen <TEI> <text> <body> <div xml:id="Streich2" type="jArticle" n="1"> <p><pb facs="#f0012" n="60"/><fw type="header" place="top"><hi rendition="#g">Zur Unterhaltung und Belehrung.</hi> 60</fw><cb type="start"/> blickenden Männer stehen dem Gebrauche gemäß sechs andere<lb/> Leibeigene, die Eideshelfer, welche der Angeklagte und der An-<lb/> kläger erwählten, damit sie eidlich behaupten, ob sie deren Aus-<lb/> sage für wahr halten.</p><lb/> <p>— Nun an's Werk! sagte der Ritter. — Hofmeister, halte<lb/> Du dem Hausdiener noch einmal vor, wessen ihn der Küchen-<lb/> knecht anklagt. </p><lb/> <p>— Jens, der Koch unseres Herrn Ritter, war allein in<lb/> seiner Küche; auf dem Tische lag eine kleine silberne Kelle, deren<lb/> sich Dame Ortrun, die edele Gemahlin unseres Herrn, bediente.<lb/> Peter, dieser Hausdiener, brachte Holz in die Küche, und sobald<lb/> er sich entfernt hatte, bemerkte Jens, daß die Kelle verschwunden<lb/> sei. 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Man hat auch meine<lb/> Lumpen durchsucht und nichts bei mir gefunden. </p><lb/> <p>— Bei mir auch nicht, fiel Jens ein; bei mir hat man auch<lb/> nichts gefunden. </p><lb/> <p>— Die schlauen Diebe wissen schon die Beute zu verstecken. </p><lb/> <p>— Herr Ritter glaube mir, ich schwöre bei der ewigen Ver-<lb/> dammniß, daß ich die Kelle nicht gestohlen habe. </p><lb/> <p>— Und ich, Jens, behaupte, Peter muß der Dieb sein, weil<lb/> ich unschuldig bin. </p><lb/> <p>— Jens behauptet, Peter leugnet, und ich befehle, damit die<lb/> Wahrheit an den Tag komme, daß der eine der Wasserprobe,<lb/> der andere der Feuerprobe unterworfen werde. </p><lb/> <p>— Herr Ritter! </p><lb/> <p>— Was willst Du, Pfaff? </p><lb/> <p>— Du befiehlst, daß Beide, der Ankläger und der Angeklagte,<lb/> der Probe unterworfen werden? </p><lb/> <p>— Ja. </p><lb/> <p>— Wenn aber das Gottesgericht darthut, der Angeklagte,<lb/> sei schuldig, wird dadurch nicht zugleich der Ankläger für unschul-<lb/> dig erklärt? Warum also beide der Probe unterziehen? </p><lb/> <p>— Pfaff, und wenn der Ankläger und der Angeklagte mit<lb/> einander im Einverständniß waren, mir meine Kelle zu stehlen?<lb/><cb n="2"/> Wenn sie einander gegenseitig anklagen, um unsern Verdacht ab-<lb/> zuwenden? Siehst Du nicht ein, daß das Gottesgericht erweisen<lb/> wird, ob sie schuldig oder unschuldig sind, oder ob einer schuldig,<lb/> der andere aber unschuldig?</p><lb/> <p>— Ja, ja, riefen die Anwesenden aus, die sich schon im<lb/> Voraus des Schauspiels freuten.. das doppelte Gottesgericht..</p><lb/> <p>— Jch fürchte das Gottesgericht nicht, ich verlange es sagte,<lb/> Jens mit fester Stimme. Gott selbst wird für meine Unschuld<lb/> Zeugniß ablegen. </p><lb/> <p>— Jch bin meiner Unschuld auch gewiß, sagte Peter zitternd,<lb/> und doch fürchte ich das Gottesgericht. </p><lb/> <p>— Dein Gefährte, mein lieber Sohn, geht Dir mit gutem<lb/> Beispiele in seinem Vertrauen auf die göttliche Gerechtigkeit<lb/> voran, da er weiß, daß der Ewige nur Schuldige verurtheilen<lb/> läßt..</p><lb/> <p>— Ach, guter Vater, wenn die Probe gegen mich ausfällt? </p><lb/> <p>— Mein Sohn, dann hast Du die Kelle gestohlen. </p><lb/> <p>— Nein, nein, bei meinem Seelenheile, ich habe sie nicht<lb/> gestohlen. </p><lb/> <p>— So fürchte auch das Gericht Gottes nicht, mein Sohn,<lb/> seine Gerechtigkeit ist unfehlbar. </p><lb/> <p>— Ach welch' schreckliches und ungerechtes Gesetz! </p><lb/> <p>— Sprich nicht also, mein Sohn, das Gesetz ist heilig, es<lb/> ist das Gesetz der Dänen und steht unter dem Schutze unsers<lb/> Herrn Jesus Christus. </p><lb/> <p>— Pfaff, genug nun der Worte! siel der Ritter ein. 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Erst muß das Wasser geweiht<lb/> werden. </p><lb/> <p>Dann trat er zu dem Diener, der fortwährend ächzte, hielt<lb/> ein silbernes Kreuz ihm an die Lippen, das er am Halse trug,<lb/> und sagte zu ihm:</p><lb/> <p>— Küsse dieses Kreuz. mein lieber Sohn. </p><lb/> <p>— Der Leibeigene küßte das Sinnbild des Todes des<lb/> Freundes der Betrübten, während der Geistliche die von der<lb/> Kirche vorgeschriebenen Worte sprach: </p><lb/> <p>„ Der Du dem Gericht des kalten Wassers Dich unterwerfen<lb/> sollst, ich beschwöre Dich bei unserm Herrn Jesus Christus, bei dem<lb/> Vater, Sohn und heiligen Geist, bei der untrennbaren Dreieinig-<lb/> keit, bei allen Engeln und Erzengeln, bei allen Mächten, Tugen-<lb/> den, Thronen, Cherubim und Seraphim, daß, wenn Du schuldig<lb/> bist, das Wasser hier Dich zurückwerfe, daß kein Zauber dasselbe<lb/> daran hindern könne, und Du, Jesus Christus, gieb uns von<lb/> Deiner Majestät ein solches Zeichen, daß, wenn dieser Mann das<lb/> Verbrechen begangen hat, er von diesem Wasser zurückgestoßen<lb/> werde zur Ehre und zum Ruhme Deines heiligen Namens, da-<lb/> mit Alle erkennen, Du seiest der wahre Gott. Und Du, Wasser,<lb/><cb type="end"/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [60/0012]
Zur Unterhaltung und Belehrung. 60
blickenden Männer stehen dem Gebrauche gemäß sechs andere
Leibeigene, die Eideshelfer, welche der Angeklagte und der An-
kläger erwählten, damit sie eidlich behaupten, ob sie deren Aus-
sage für wahr halten.
— Nun an's Werk! sagte der Ritter. — Hofmeister, halte
Du dem Hausdiener noch einmal vor, wessen ihn der Küchen-
knecht anklagt.
— Jens, der Koch unseres Herrn Ritter, war allein in
seiner Küche; auf dem Tische lag eine kleine silberne Kelle, deren
sich Dame Ortrun, die edele Gemahlin unseres Herrn, bediente.
Peter, dieser Hausdiener, brachte Holz in die Küche, und sobald
er sich entfernt hatte, bemerkte Jens, daß die Kelle verschwunden
sei. Er meldete mir, dem Hofmeister, den Diebstahl, dessen er
Peter beschuldigte, und ich antwortete, es werde ihm, dem Koche,
ein Ohr abgeschnitten werden, wenn sich die Kelle nicht wieder
finde. Bei seinem Seelenheile betheuerte er, daß er die Wahr-
heit gesprochen habe und daß der Diener da der Dieb sei.
— Und ich wiederhole es nochmals, Herr Ritter, wenn die
Kelle gestohlen wurde, kann nur Peter hier der Dieb sein. Jch
schwöre es bei dem Paradiese. Jch bin unschuldig und meine
Eideshelfer sind bereit, gleich mir einen Eid darauf abzulegen.
— Ja, ja, sprachen die sechs von ihm gewählten Leibeigenen
im Chor, wir schwören, daß Jens an dem Diebstahle unschuldig
ist; wir schwören es bei unserer Seligkeit.
— Hörst Du, Hund? wendete sich Olaf an Peter. — Was
hast Du darauf zu antworten? Was ist aus der Kelle geworden?
Jch kenne sie sehr wohl, denn ich brachte sie als Beute mit. Was
wirst Du antworten, Hund?
— Herr, ich habe die Kelle nicht gestohlen, sie nicht einmal
auf dem Tische gesehen. Diese da werden bei ihrer Seligkeit
schwören wie ich.
— Ja, ja, Peter ist unschuldig; wir schwören es bei unserer
Seligkeit, antworteten seine Eideshelfer.
— Mein lieber Bruder in Christo, sagte der Geistliche zu
dem Angeklagten, bedenke wohl, Diebstahl ist eine große Sünde,
und eine große Sünde ist auch die Lüge. Sieh Dich wohl vor,
der Allmächtige sieht uns und hört Dich.
— Mein guter Pater, ich fürchte den Allmächtigen, ich folge
seinen Geboten, die Du lehrst, ich ertrage meine Noth mit Er-
gebung, gehorche meinem Herrn, mit der Unterwürfigkeit, die Du
verlangst, damit wir die Seligkeit erlangen, aber ich schwöre es
Dir, ich habe die Kelle nicht gestohlen. Man hat auch meine
Lumpen durchsucht und nichts bei mir gefunden.
— Bei mir auch nicht, fiel Jens ein; bei mir hat man auch
nichts gefunden.
— Die schlauen Diebe wissen schon die Beute zu verstecken.
— Herr Ritter glaube mir, ich schwöre bei der ewigen Ver-
dammniß, daß ich die Kelle nicht gestohlen habe.
— Und ich, Jens, behaupte, Peter muß der Dieb sein, weil
ich unschuldig bin.
— Jens behauptet, Peter leugnet, und ich befehle, damit die
Wahrheit an den Tag komme, daß der eine der Wasserprobe,
der andere der Feuerprobe unterworfen werde.
— Herr Ritter!
— Was willst Du, Pfaff?
— Du befiehlst, daß Beide, der Ankläger und der Angeklagte,
der Probe unterworfen werden?
— Ja.
— Wenn aber das Gottesgericht darthut, der Angeklagte,
sei schuldig, wird dadurch nicht zugleich der Ankläger für unschul-
dig erklärt? Warum also beide der Probe unterziehen?
— Pfaff, und wenn der Ankläger und der Angeklagte mit
einander im Einverständniß waren, mir meine Kelle zu stehlen?
Wenn sie einander gegenseitig anklagen, um unsern Verdacht ab-
zuwenden? Siehst Du nicht ein, daß das Gottesgericht erweisen
wird, ob sie schuldig oder unschuldig sind, oder ob einer schuldig,
der andere aber unschuldig?
— Ja, ja, riefen die Anwesenden aus, die sich schon im
Voraus des Schauspiels freuten.. das doppelte Gottesgericht..
— Jch fürchte das Gottesgericht nicht, ich verlange es sagte,
Jens mit fester Stimme. Gott selbst wird für meine Unschuld
Zeugniß ablegen.
— Jch bin meiner Unschuld auch gewiß, sagte Peter zitternd,
und doch fürchte ich das Gottesgericht.
— Dein Gefährte, mein lieber Sohn, geht Dir mit gutem
Beispiele in seinem Vertrauen auf die göttliche Gerechtigkeit
voran, da er weiß, daß der Ewige nur Schuldige verurtheilen
läßt..
— Ach, guter Vater, wenn die Probe gegen mich ausfällt?
— Mein Sohn, dann hast Du die Kelle gestohlen.
— Nein, nein, bei meinem Seelenheile, ich habe sie nicht
gestohlen.
— So fürchte auch das Gericht Gottes nicht, mein Sohn,
seine Gerechtigkeit ist unfehlbar.
— Ach welch' schreckliches und ungerechtes Gesetz!
— Sprich nicht also, mein Sohn, das Gesetz ist heilig, es
ist das Gesetz der Dänen und steht unter dem Schutze unsers
Herrn Jesus Christus.
— Pfaff, genug nun der Worte! siel der Ritter ein. Der
Angeklagte wird sich der Wasserprobe unterwerfen. Man wird
dem Herkommen gemäß seine rechte Hand an seinen linken Fuß
binden und ihn mit dem Kopf voran in diesen tiefen Wasserkübel
stürzen. Wenn er obenauf schwimmt, verurtheilt ihn Gott; er
ist schuldig und wird morgen die seinem Diebstahl ensprechende
Strufe leiden; sinkt er zu Boden, so spricht ihn das Gottesge-
richt frei.
Auf einen Wink Olafs ergriffen mehrere Männer den
Hausdiener und banden ihm trotz seines Widerstandes und seiner
Bitten die rechte Hand an den linken Fuß.
— Ach, rief er ächzend, welch schreckliches Gesetz, mein guter
Vater! Wie traurig ist mein Geschick. Wenn ich auf dem Boden
des Kübels bleibe, ertrinke ich, obgleich ich unschuldig bin;
schwimme ich oben, so werde ich als Dieb bestraft.
— Das Gericht des Ewigen kann nie irren, mein Sohn.
Schon hoben die Mannen den Leibeigenen empor und wollten
ihn in die Kufe stürzen, als der Geistliche rief:
— Noch einen Angenblick! Erst muß das Wasser geweiht
werden.
Dann trat er zu dem Diener, der fortwährend ächzte, hielt
ein silbernes Kreuz ihm an die Lippen, das er am Halse trug,
und sagte zu ihm:
— Küsse dieses Kreuz. mein lieber Sohn.
— Der Leibeigene küßte das Sinnbild des Todes des
Freundes der Betrübten, während der Geistliche die von der
Kirche vorgeschriebenen Worte sprach:
„ Der Du dem Gericht des kalten Wassers Dich unterwerfen
sollst, ich beschwöre Dich bei unserm Herrn Jesus Christus, bei dem
Vater, Sohn und heiligen Geist, bei der untrennbaren Dreieinig-
keit, bei allen Engeln und Erzengeln, bei allen Mächten, Tugen-
den, Thronen, Cherubim und Seraphim, daß, wenn Du schuldig
bist, das Wasser hier Dich zurückwerfe, daß kein Zauber dasselbe
daran hindern könne, und Du, Jesus Christus, gieb uns von
Deiner Majestät ein solches Zeichen, daß, wenn dieser Mann das
Verbrechen begangen hat, er von diesem Wasser zurückgestoßen
werde zur Ehre und zum Ruhme Deines heiligen Namens, da-
mit Alle erkennen, Du seiest der wahre Gott. Und Du, Wasser,
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