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Social-politische Blätter. 1. Lieferung. Berlin, 7. Februar 1874.

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Zur unterhaltung und Belehrung. 20
[Beginn Spaltensatz] wobei dieser ihm für seine Arbeit die nothwendigen Lebensmittel
verabfolgte, die Erzeugnisse der Arbeit des Sclaven aber für sich
behielt.

Man beachte wohl: bei der Sclaverei entsteht der falsche
Schein, als arbeite der Sclave nur für den Herrn. Dem ist
nicht so: da der Herr ihm die durchaus nöthigen Lebensmittel
giebt, so ist ein Theil der Arbeit des Sclaven Ersatz hierfür:
einen Theil seiner Arbeit hat also der Sclave für sich selbst voll-
bracht; allein, da das, was er durch seine Arbeit erzeugt, für
den Herrn viel mehr werth ist, als die Lebensmittel, die dieser
ihm giebt, so hat der Sclave einen anderen Theil und jedenfalls
den größeren Theil seiner Arbeit für einen Anderen, seinen Herrn,
geleistet.

Worin besteht die Form der Leibeigenschaft?

Darin, daß ein Mensch einem anderen gegenüber in einem
dauernden, das ganze Leben umfassenden Dienst= und Abhängig-
keitsverhältniß steht.

Und das innere Wesen des Verhältnisses in ökonomischer
Beziehung?

Der mittelalterliche Leibeigene mußte auf den Gütern seines
Herrn umsonst arbeiten; er arbeitete also für einen Anderen;
aber der Leibeigenschaftsherr mußte seinem Leibeigenen so viel
Zeit lassen, daß dieser seinen Acker bebauen und dadurch für
seinen Lebensunterhalt sorgen konnte. Der Leibeigene arbeitete
also in so weit für sich selbst, als dies zur Erzeugung der ihm
durchaus nothwendigen Lebensmittel erforderlich war; im Uebri-
gen arbeitete er für seinen Herrn.

Worin besteht die Form der Lohnarbeit?

Ein kapitalloser Arbeiter und ein kapitalbesitzender Unter-
nehmer werden dahin einig, daß der Arbeiter für einen bestimm-
ten Preis, den Lohn, seine Arbeitskraft auf eine bestimmte Zeit
an den Unternehmer verkauft.

Hier entsteht umgekehrt, wie bei der Sclaverei, der falsche
Schein, als arbeite der Arbeiter nur für sich, zu seinen eigenen
Gunsten. Denn er bekommt im Lohne scheinbar einen Ersatz
für die geleistete Arbeit. Aber dies ist ein falscher Schein. Der
Arbeiter erzeugt durch seine Arbeit im Dienste des Kapitalisten
mehr Werth, als dieser ihm im Lohne verabfolgt. Der Lohn
reicht durchschnittlich nur gerade aus, um die nöthigsten Lebens-
bedürfnisse zu decken, und oft selbst dies nicht einmal.

Man sieht: auch hier arbeitet der Arbeiter nur insoweit für
sich, als er die für ihn nothwendigen Lebensmittel, beziehungs-
weise einen denselben gleichen Werth, erzeugt; im Uebrigen ar-
beitet er für den Kapitalisten.

Die Form der Sclaverei hat also gewechselt; das innere
ökonomische Wesen derselben ist sich gleich geblieben; nämlich
immer bekam der Arbeitende nur soviel, daß er gerade leben
konnte, während im Uebrigen seine Arbeit Andern zu Gute kam;
also fortwährend unter verschiedenen Formen dieselbe Ausbeutung.

Daß wenigstens ein Theil der Arbeit dem Arbeitenden zu
Gute kam, das ist freilich sehr natürlich; denn die Ausbeuter
müssen denen, deren Arbeit sie ausbeuten wollen, wenigstens so
viel zukommen lassen, daß diese am Leben bleiben können. Jm
Uebrigen aber ist die große Masse des Volkes unter verschiede-
nen Formen immer zu Gunsten einer kleinen Klasse Bevorzugter
ausgebeutet worden.

Die Lohnarbeit ist die neueste und jedenfalls letzte Form
dieser uralten Ausbeutung.



Die Stückarbeit,

auch Akkordarbeit genannt, wird von den Wortführern der
herrschenden ökonomischen Richtung mit besonderer Vorliebe dann
in's Treffen geführt, wenn sie beweisen wollen, daß die Arbeiter
keinen Grund hätten, sich zu beschweren, indem eine Ausbeutung
der Arbeit durch das Kapital gar nicht vorhanden sei.

Die socialistische Auffassung geht nämlich von dem Satz
aus, daß der Arbeiter im Lohne nur einen Theil des Werthes
bekommt, den er durch seine Arbeit erzeugt; daß also eine theil-
weise Entziehung des Arbeitsertrages zu Gunsten Anderer, das
heißt, eine Ausbeutung stattfindet. Bei der Stückarbeit aber ent-
steht gerade der falsche Schein, als erhalte der Arbeiter den
vollen Arbeitsertrag, das heißt den ganzen durch seine Arbeit
erzeugten Werth, welcher falsche Schein dadurch entsteht, daß
[Spaltenumbruch] ailerdings bei der Stückarbeit der Arbeiter nach Maßgabe der
von ihm geleisteten Arbeit gelohnt wird.

Aber gerade darauf kommt es an, einzusehen, daß die That-
sache, daß ein Arbeiter nach Maßgabe seiner Leistung gelohnt
wird, durchaus nicht beweist, daß er den vollen Ertrag seiner
Arbeit bekommt.

Wer auf Stück oder Akkord arbeitet, der bezieht nicht einen
festen Tageslohn, sondern er erhält für jedes Stück, welches er
fertig stellt, einen bestimmten Geldpreis; je weniger oder je mehr
er abliefert oder fertig macht, desto weniger oder desto mehr Geld
empfängt er. Es ist also allerdings klar, daß hier die Entschä-
digung für die Arbeit nach Maßgabe der Leistung eintritt.

Allein der Schwindel liegt darin, daß für jedes einzelne
Stück nicht so viel Werth gezahlt wird, als demselben durch die
neue Arbeit zugesetzt ist, sondern nur ein Theil desselben.

Bei der gewöhnlichen Arbeit auf Taglohn steht die Sache
beispielsweise so: der Lohnherr zahlt dem Arbeiter als Lohn etwa
fünfzehn Silbergroschen für den Tag, während der Arbeiter durch
seine Arbeit von einem Tag einen Thaler an Werth erzeugt.

Bei der Stückarbeit liegt das Verhältniß so: der Arbeiter
setzt dem Rohstoff durch seine Arbeit einen neuen Werth von
zum Beispiel einem Thaler per Stück zu; er bekommt aber als
Akkordlohn nicht einen Thaler, sondern etwa 15 Sgr.

Es ist also zwar richtig, daß die Leistung des Arbeiters den
Maßstab abgiebt, nach welchem er gelohnt wird; denn genau je
mehr Stück er abliefert, desto mehr Geld verdient er. Aber die
Ausbeutung ist gleichwohl dieselbe, wie beim gewöhnlichen Tag-
lohn; denn der Arbeiter bekommt auch im Akkordlohn nur einen
Theil des von ihm geschaffenen Werthes. Es ist in diesem Be-
treff gleichgültig, ob ein Stück oder hundert Stücke geliefert
werden; immer wird ein bestimmter Theil des Werthes, zum
Beispiel nach obiger Annahme die Hälfte desselben, dem Arbei ter
zu Gunsten des Kapitalisten entzogen.

Der Stück= oder Akkordlohn ist weiter nichts, als eine Form,
unter welcher die Ausbeutung in besonders versteckter Weise sich
vollziehen kann, und eine Einrichtung, welche die Arbeiter zu
besonderem Eifer und besonderem Fleiß im Dienste des Kapi-
tals anspornt.

Daß es wirklich praktisch auf Eins herauskommt, ob ein
Arbeiter im Taglohn steht oder auf Akkord arbeitet, kann man
daran sehen, das ein Akkordarbeiter nicht mehr Geld verdient,
als ein Lohnarbeiter von gleicher Thätigkeit; es sei denn, daß
der Akkordarbeiter länger arbeitet oder sich mehr anstrengt, als
im Taglohn üblich ist, was aber nur besagt, daß er mehr Arbeit
leistet, also aus diesem Grunde mehr Lohn bekommt, was durch-
aus kein an sich höherer Lohn ist. Würde der Acbeiter auf Tag-
lohn mehr Arbeit leisten, als üblich ist, so könnte er auch sei nen
Lohn erhöhen. Es wäre dies eine scheinbare Lohnerhöhung, in-
dem nicht nur die Leistung des Kapitalisten, der Lohn, sondern
auch die Leistung des Arbeiters, die Arbeit, zugenommen hätte.

Es bleibt also dabei. Schwindel ist es, die Stückarbeit so
darzustellen, als komme bei ihr der Arbeiter zu seinem Recht:
dem vollen Arbeitsertrag. Tagelohn oder Stückarbeit -- in
beiden Fällen findet eine fortwährende Ausbeutung der Arbeits-
kraft des Volkes zu Gunsten der kleinen Klasse der Kapitalisten
statt. Der Stücklohn enthält dieselbe Ausbeutung wie der Taglohn.



Die Mormonen.
III.

Was das Theater für das gesellschaftliche Leben dieses Vol-
kes ist, ist der Tempel für sein religiöses Leben. Das eine
symbolisirt das Vergnügen der gegenwärtigen Welt, das andere
stellt die Glorien der Welt, welche da kommen soll, bildlich dar.
Das Schauspielhaus ist erbaut und eröffnet worden, weil sein
Dienst Dinge betrifft, welche nicht warten können; der Tempel
schreitet langsam vorwärts, Block auf Block wird mit Sorgfalt
und Muße zu einem Werke, welches für ewig dauern soll, auf
einander gesetzt.

Diese Mormonen geben vor, so viele Religion in ihrem
Blute und in ihrem ganzen Wesen zu besitzen, daß sie bei Ge-
legenheit religiöse Formen leicht entbehren können.

Vor einigen Tagen hörte ich zufällig die erste Anrede Brig-
ham Young's an eine Gesellschaft Auswanderer, deren praktischer
[Ende Spaltensatz]

Zur unterhaltung und Belehrung. 20
[Beginn Spaltensatz] wobei dieser ihm für seine Arbeit die nothwendigen Lebensmittel
verabfolgte, die Erzeugnisse der Arbeit des Sclaven aber für sich
behielt.

Man beachte wohl: bei der Sclaverei entsteht der falsche
Schein, als arbeite der Sclave nur für den Herrn. Dem ist
nicht so: da der Herr ihm die durchaus nöthigen Lebensmittel
giebt, so ist ein Theil der Arbeit des Sclaven Ersatz hierfür:
einen Theil seiner Arbeit hat also der Sclave für sich selbst voll-
bracht; allein, da das, was er durch seine Arbeit erzeugt, für
den Herrn viel mehr werth ist, als die Lebensmittel, die dieser
ihm giebt, so hat der Sclave einen anderen Theil und jedenfalls
den größeren Theil seiner Arbeit für einen Anderen, seinen Herrn,
geleistet.

Worin besteht die Form der Leibeigenschaft?

Darin, daß ein Mensch einem anderen gegenüber in einem
dauernden, das ganze Leben umfassenden Dienst= und Abhängig-
keitsverhältniß steht.

Und das innere Wesen des Verhältnisses in ökonomischer
Beziehung?

Der mittelalterliche Leibeigene mußte auf den Gütern seines
Herrn umsonst arbeiten; er arbeitete also für einen Anderen;
aber der Leibeigenschaftsherr mußte seinem Leibeigenen so viel
Zeit lassen, daß dieser seinen Acker bebauen und dadurch für
seinen Lebensunterhalt sorgen konnte. Der Leibeigene arbeitete
also in so weit für sich selbst, als dies zur Erzeugung der ihm
durchaus nothwendigen Lebensmittel erforderlich war; im Uebri-
gen arbeitete er für seinen Herrn.

Worin besteht die Form der Lohnarbeit?

Ein kapitalloser Arbeiter und ein kapitalbesitzender Unter-
nehmer werden dahin einig, daß der Arbeiter für einen bestimm-
ten Preis, den Lohn, seine Arbeitskraft auf eine bestimmte Zeit
an den Unternehmer verkauft.

Hier entsteht umgekehrt, wie bei der Sclaverei, der falsche
Schein, als arbeite der Arbeiter nur für sich, zu seinen eigenen
Gunsten. Denn er bekommt im Lohne scheinbar einen Ersatz
für die geleistete Arbeit. Aber dies ist ein falscher Schein. Der
Arbeiter erzeugt durch seine Arbeit im Dienste des Kapitalisten
mehr Werth, als dieser ihm im Lohne verabfolgt. Der Lohn
reicht durchschnittlich nur gerade aus, um die nöthigsten Lebens-
bedürfnisse zu decken, und oft selbst dies nicht einmal.

Man sieht: auch hier arbeitet der Arbeiter nur insoweit für
sich, als er die für ihn nothwendigen Lebensmittel, beziehungs-
weise einen denselben gleichen Werth, erzeugt; im Uebrigen ar-
beitet er für den Kapitalisten.

Die Form der Sclaverei hat also gewechselt; das innere
ökonomische Wesen derselben ist sich gleich geblieben; nämlich
immer bekam der Arbeitende nur soviel, daß er gerade leben
konnte, während im Uebrigen seine Arbeit Andern zu Gute kam;
also fortwährend unter verschiedenen Formen dieselbe Ausbeutung.

Daß wenigstens ein Theil der Arbeit dem Arbeitenden zu
Gute kam, das ist freilich sehr natürlich; denn die Ausbeuter
müssen denen, deren Arbeit sie ausbeuten wollen, wenigstens so
viel zukommen lassen, daß diese am Leben bleiben können. Jm
Uebrigen aber ist die große Masse des Volkes unter verschiede-
nen Formen immer zu Gunsten einer kleinen Klasse Bevorzugter
ausgebeutet worden.

Die Lohnarbeit ist die neueste und jedenfalls letzte Form
dieser uralten Ausbeutung.



Die Stückarbeit,

auch Akkordarbeit genannt, wird von den Wortführern der
herrschenden ökonomischen Richtung mit besonderer Vorliebe dann
in's Treffen geführt, wenn sie beweisen wollen, daß die Arbeiter
keinen Grund hätten, sich zu beschweren, indem eine Ausbeutung
der Arbeit durch das Kapital gar nicht vorhanden sei.

Die socialistische Auffassung geht nämlich von dem Satz
aus, daß der Arbeiter im Lohne nur einen Theil des Werthes
bekommt, den er durch seine Arbeit erzeugt; daß also eine theil-
weise Entziehung des Arbeitsertrages zu Gunsten Anderer, das
heißt, eine Ausbeutung stattfindet. Bei der Stückarbeit aber ent-
steht gerade der falsche Schein, als erhalte der Arbeiter den
vollen Arbeitsertrag, das heißt den ganzen durch seine Arbeit
erzeugten Werth, welcher falsche Schein dadurch entsteht, daß
[Spaltenumbruch] ailerdings bei der Stückarbeit der Arbeiter nach Maßgabe der
von ihm geleisteten Arbeit gelohnt wird.

Aber gerade darauf kommt es an, einzusehen, daß die That-
sache, daß ein Arbeiter nach Maßgabe seiner Leistung gelohnt
wird, durchaus nicht beweist, daß er den vollen Ertrag seiner
Arbeit bekommt.

Wer auf Stück oder Akkord arbeitet, der bezieht nicht einen
festen Tageslohn, sondern er erhält für jedes Stück, welches er
fertig stellt, einen bestimmten Geldpreis; je weniger oder je mehr
er abliefert oder fertig macht, desto weniger oder desto mehr Geld
empfängt er. Es ist also allerdings klar, daß hier die Entschä-
digung für die Arbeit nach Maßgabe der Leistung eintritt.

Allein der Schwindel liegt darin, daß für jedes einzelne
Stück nicht so viel Werth gezahlt wird, als demselben durch die
neue Arbeit zugesetzt ist, sondern nur ein Theil desselben.

Bei der gewöhnlichen Arbeit auf Taglohn steht die Sache
beispielsweise so: der Lohnherr zahlt dem Arbeiter als Lohn etwa
fünfzehn Silbergroschen für den Tag, während der Arbeiter durch
seine Arbeit von einem Tag einen Thaler an Werth erzeugt.

Bei der Stückarbeit liegt das Verhältniß so: der Arbeiter
setzt dem Rohstoff durch seine Arbeit einen neuen Werth von
zum Beispiel einem Thaler per Stück zu; er bekommt aber als
Akkordlohn nicht einen Thaler, sondern etwa 15 Sgr.

Es ist also zwar richtig, daß die Leistung des Arbeiters den
Maßstab abgiebt, nach welchem er gelohnt wird; denn genau je
mehr Stück er abliefert, desto mehr Geld verdient er. Aber die
Ausbeutung ist gleichwohl dieselbe, wie beim gewöhnlichen Tag-
lohn; denn der Arbeiter bekommt auch im Akkordlohn nur einen
Theil des von ihm geschaffenen Werthes. Es ist in diesem Be-
treff gleichgültig, ob ein Stück oder hundert Stücke geliefert
werden; immer wird ein bestimmter Theil des Werthes, zum
Beispiel nach obiger Annahme die Hälfte desselben, dem Arbei ter
zu Gunsten des Kapitalisten entzogen.

Der Stück= oder Akkordlohn ist weiter nichts, als eine Form,
unter welcher die Ausbeutung in besonders versteckter Weise sich
vollziehen kann, und eine Einrichtung, welche die Arbeiter zu
besonderem Eifer und besonderem Fleiß im Dienste des Kapi-
tals anspornt.

Daß es wirklich praktisch auf Eins herauskommt, ob ein
Arbeiter im Taglohn steht oder auf Akkord arbeitet, kann man
daran sehen, das ein Akkordarbeiter nicht mehr Geld verdient,
als ein Lohnarbeiter von gleicher Thätigkeit; es sei denn, daß
der Akkordarbeiter länger arbeitet oder sich mehr anstrengt, als
im Taglohn üblich ist, was aber nur besagt, daß er mehr Arbeit
leistet, also aus diesem Grunde mehr Lohn bekommt, was durch-
aus kein an sich höherer Lohn ist. Würde der Acbeiter auf Tag-
lohn mehr Arbeit leisten, als üblich ist, so könnte er auch sei nen
Lohn erhöhen. Es wäre dies eine scheinbare Lohnerhöhung, in-
dem nicht nur die Leistung des Kapitalisten, der Lohn, sondern
auch die Leistung des Arbeiters, die Arbeit, zugenommen hätte.

Es bleibt also dabei. Schwindel ist es, die Stückarbeit so
darzustellen, als komme bei ihr der Arbeiter zu seinem Recht:
dem vollen Arbeitsertrag. Tagelohn oder Stückarbeit — in
beiden Fällen findet eine fortwährende Ausbeutung der Arbeits-
kraft des Volkes zu Gunsten der kleinen Klasse der Kapitalisten
statt. Der Stücklohn enthält dieselbe Ausbeutung wie der Taglohn.



Die Mormonen.
III.

Was das Theater für das gesellschaftliche Leben dieses Vol-
kes ist, ist der Tempel für sein religiöses Leben. Das eine
symbolisirt das Vergnügen der gegenwärtigen Welt, das andere
stellt die Glorien der Welt, welche da kommen soll, bildlich dar.
Das Schauspielhaus ist erbaut und eröffnet worden, weil sein
Dienst Dinge betrifft, welche nicht warten können; der Tempel
schreitet langsam vorwärts, Block auf Block wird mit Sorgfalt
und Muße zu einem Werke, welches für ewig dauern soll, auf
einander gesetzt.

Diese Mormonen geben vor, so viele Religion in ihrem
Blute und in ihrem ganzen Wesen zu besitzen, daß sie bei Ge-
legenheit religiöse Formen leicht entbehren können.

Vor einigen Tagen hörte ich zufällig die erste Anrede Brig-
ham Young's an eine Gesellschaft Auswanderer, deren praktischer
[Ende Spaltensatz]

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Aber dies ist ein falscher Schein. Der Arbeiter erzeugt durch seine Arbeit im Dienste des Kapitalisten mehr Werth, als dieser ihm im Lohne verabfolgt. Der Lohn reicht durchschnittlich nur gerade aus, um die nöthigsten Lebens- bedürfnisse zu decken, und oft selbst dies nicht einmal. Man sieht: auch hier arbeitet der Arbeiter nur insoweit für sich, als er die für ihn nothwendigen Lebensmittel, beziehungs- weise einen denselben gleichen Werth, erzeugt; im Uebrigen ar- beitet er für den Kapitalisten. Die Form der Sclaverei hat also gewechselt; das innere ökonomische Wesen derselben ist sich gleich geblieben; nämlich immer bekam der Arbeitende nur soviel, daß er gerade leben konnte, während im Uebrigen seine Arbeit Andern zu Gute kam; also fortwährend unter verschiedenen Formen dieselbe Ausbeutung. Daß wenigstens ein Theil der Arbeit dem Arbeitenden zu Gute kam, das ist freilich sehr natürlich; denn die Ausbeuter müssen denen, deren Arbeit sie ausbeuten wollen, wenigstens so viel zukommen lassen, daß diese am Leben bleiben können. Jm Uebrigen aber ist die große Masse des Volkes unter verschiede- nen Formen immer zu Gunsten einer kleinen Klasse Bevorzugter ausgebeutet worden. Die Lohnarbeit ist die neueste und jedenfalls letzte Form dieser uralten Ausbeutung. Die Stückarbeit, auch Akkordarbeit genannt, wird von den Wortführern der herrschenden ökonomischen Richtung mit besonderer Vorliebe dann in's Treffen geführt, wenn sie beweisen wollen, daß die Arbeiter keinen Grund hätten, sich zu beschweren, indem eine Ausbeutung der Arbeit durch das Kapital gar nicht vorhanden sei. Die socialistische Auffassung geht nämlich von dem Satz aus, daß der Arbeiter im Lohne nur einen Theil des Werthes bekommt, den er durch seine Arbeit erzeugt; daß also eine theil- weise Entziehung des Arbeitsertrages zu Gunsten Anderer, das heißt, eine Ausbeutung stattfindet. Bei der Stückarbeit aber ent- steht gerade der falsche Schein, als erhalte der Arbeiter den vollen Arbeitsertrag, das heißt den ganzen durch seine Arbeit erzeugten Werth, welcher falsche Schein dadurch entsteht, daß ailerdings bei der Stückarbeit der Arbeiter nach Maßgabe der von ihm geleisteten Arbeit gelohnt wird. Aber gerade darauf kommt es an, einzusehen, daß die That- sache, daß ein Arbeiter nach Maßgabe seiner Leistung gelohnt wird, durchaus nicht beweist, daß er den vollen Ertrag seiner Arbeit bekommt. Wer auf Stück oder Akkord arbeitet, der bezieht nicht einen festen Tageslohn, sondern er erhält für jedes Stück, welches er fertig stellt, einen bestimmten Geldpreis; je weniger oder je mehr er abliefert oder fertig macht, desto weniger oder desto mehr Geld empfängt er. Es ist also allerdings klar, daß hier die Entschä- digung für die Arbeit nach Maßgabe der Leistung eintritt. Allein der Schwindel liegt darin, daß für jedes einzelne Stück nicht so viel Werth gezahlt wird, als demselben durch die neue Arbeit zugesetzt ist, sondern nur ein Theil desselben. Bei der gewöhnlichen Arbeit auf Taglohn steht die Sache beispielsweise so: der Lohnherr zahlt dem Arbeiter als Lohn etwa fünfzehn Silbergroschen für den Tag, während der Arbeiter durch seine Arbeit von einem Tag einen Thaler an Werth erzeugt. Bei der Stückarbeit liegt das Verhältniß so: der Arbeiter setzt dem Rohstoff durch seine Arbeit einen neuen Werth von zum Beispiel einem Thaler per Stück zu; er bekommt aber als Akkordlohn nicht einen Thaler, sondern etwa 15 Sgr. Es ist also zwar richtig, daß die Leistung des Arbeiters den Maßstab abgiebt, nach welchem er gelohnt wird; denn genau je mehr Stück er abliefert, desto mehr Geld verdient er. Aber die Ausbeutung ist gleichwohl dieselbe, wie beim gewöhnlichen Tag- lohn; denn der Arbeiter bekommt auch im Akkordlohn nur einen Theil des von ihm geschaffenen Werthes. Es ist in diesem Be- treff gleichgültig, ob ein Stück oder hundert Stücke geliefert werden; immer wird ein bestimmter Theil des Werthes, zum Beispiel nach obiger Annahme die Hälfte desselben, dem Arbei ter zu Gunsten des Kapitalisten entzogen. Der Stück= oder Akkordlohn ist weiter nichts, als eine Form, unter welcher die Ausbeutung in besonders versteckter Weise sich vollziehen kann, und eine Einrichtung, welche die Arbeiter zu besonderem Eifer und besonderem Fleiß im Dienste des Kapi- tals anspornt. Daß es wirklich praktisch auf Eins herauskommt, ob ein Arbeiter im Taglohn steht oder auf Akkord arbeitet, kann man daran sehen, das ein Akkordarbeiter nicht mehr Geld verdient, als ein Lohnarbeiter von gleicher Thätigkeit; es sei denn, daß der Akkordarbeiter länger arbeitet oder sich mehr anstrengt, als im Taglohn üblich ist, was aber nur besagt, daß er mehr Arbeit leistet, also aus diesem Grunde mehr Lohn bekommt, was durch- aus kein an sich höherer Lohn ist. Würde der Acbeiter auf Tag- lohn mehr Arbeit leisten, als üblich ist, so könnte er auch sei nen Lohn erhöhen. Es wäre dies eine scheinbare Lohnerhöhung, in- dem nicht nur die Leistung des Kapitalisten, der Lohn, sondern auch die Leistung des Arbeiters, die Arbeit, zugenommen hätte. Es bleibt also dabei. Schwindel ist es, die Stückarbeit so darzustellen, als komme bei ihr der Arbeiter zu seinem Recht: dem vollen Arbeitsertrag. Tagelohn oder Stückarbeit — in beiden Fällen findet eine fortwährende Ausbeutung der Arbeits- kraft des Volkes zu Gunsten der kleinen Klasse der Kapitalisten statt. Der Stücklohn enthält dieselbe Ausbeutung wie der Taglohn. Die Mormonen. III. Was das Theater für das gesellschaftliche Leben dieses Vol- kes ist, ist der Tempel für sein religiöses Leben. Das eine symbolisirt das Vergnügen der gegenwärtigen Welt, das andere stellt die Glorien der Welt, welche da kommen soll, bildlich dar. Das Schauspielhaus ist erbaut und eröffnet worden, weil sein Dienst Dinge betrifft, welche nicht warten können; der Tempel schreitet langsam vorwärts, Block auf Block wird mit Sorgfalt und Muße zu einem Werke, welches für ewig dauern soll, auf einander gesetzt. Diese Mormonen geben vor, so viele Religion in ihrem Blute und in ihrem ganzen Wesen zu besitzen, daß sie bei Ge- legenheit religiöse Formen leicht entbehren können. Vor einigen Tagen hörte ich zufällig die erste Anrede Brig- ham Young's an eine Gesellschaft Auswanderer, deren praktischer

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Zitationshilfe: Social-politische Blätter. 1. Lieferung. Berlin, 7. Februar 1874, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social01_1874/20>, abgerufen am 27.11.2024.