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[N. N.]: Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Platz. Nürnberg, 1685.

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darus saget: Ein weiser Herr sey gleichwie ein Löwe/ welcher bey aller sich ereignenden Gefahr austaure / hingegen gleiche Er sich einem Fuchse/ der auf allerhand kluge Anschläge gedächte. Eine Regierung ist gleich einem einzigen Menschen/ bey deme Weißheit / Rath/ und Verstand zu finden ist: Hingegen der Leib gleich einer Gemeine / die offters über kluge und weise Rathschläge herrschen will. Weise Gemüther / denen nichts böses bewust/ verachten das Bellen der Hunde. Von dem Marco Antonio Dion. Philosopho/ hernach Römischen Keyser / meldet Dion/ daß Er ein weiser und tugendhaffter Herr gewesen/ der sonderliche Policey-Ordnung und Gesetze/ auch darbey herrliche Erinnerungen/ als der Weißheit/ Gerechtigkeit/ Gedult und Gutthätigkeit gemacht. Keyser Severus war ein Herr/ dem am Verstande nichts mangelte/ geschwinde und von fürtrefflichen Rathschlägen. Er liebte die Künste/ und beförderte dieselben/ und war darbey selbsten wohl gelehrt. Gegen seine Freunde erwiese er sich willig/ gegen Lib. Sapient. seine Feinde aber gestrenge und ernsthafftig. Die Liebe zur Weißheit macht ein beständig Reich/ und die Menge der Weisen erhält die gantze Welt. Wenn die Alten die Weisheit wollten abbilden / machten sie ein Gemählde oder Bild/ das einen Jeden/ ermochte stehen auf welcher Seiten er wollte/ mit den Augen ansahe. Die jenigen Königreiche / Länder und Städte sind für die seeligsten und besten zu achten/ derer Regenten nach Kunst und Weißheit trachten. Wenn die Gewaltigen klug sind/ so gedeyet die Stadt/ da gegenfalls ein wüster König Land und Leute verderbet. Ein Herr hat sich im Reden mässig zu halten. Denn braucht Er der Zungen zu viel/ so macht er sich durch die Vielheit seiner Wörter verächtlich. Er entdeckt dadurch die Geheimnisse/ die sonst verschwiegen blieben/ entblösset was Er in Gedancken führet/ und vergleichet sich einer Glocke/ die alle Unterthanen im Lande hören. Niemand ist/ der nicht auf seine Natur/ Art/ Verstand und Zuneigung Achtung giebet. Alles wird auf das genaueste an ihme beobachtet/ und auf das unterschiedlichste ausgeleget. Ein iedes Geschirr erkennet man an dem Klange: Also auch die Rede an den Menschen. Die Worte sind die nächsten Werckzeuge: Alle Ehre/ Thorheit und Schande/ Leben und Tod beruhen auf demselben. Die Natur hat die Zunge nicht vergebens mit den Lippen und Zähnen umzäunet. Sie hänget an dem gefährlichsten Orte/ da sie bald lieget/ bald stehet. An dem Steuer-Ruder ist das ganze Heil des Schiffs gelegen. Der Gewalt eines Pferdes muß durch das Gebiß Einhalt gethan werden/ der Zunge aber durch die Vorsichtigkeit. Die Römischen Keyser tractirten ihre wichtigsten Dinge lieber schrifftlich als mündlich / alldieweil sie der langsamen Feder nicht so viel Gefährlichkeit als der fertigen Zungen zutraueten. Wer sein Gemüth durch allzugrosse Weitläufftigkeit eröffnet / der geräth in Gefahr: Kurze Gespräche sind die besten/ welche doch nichts desto weniger ein grosses Nachbenken verursachen. So lange ein Thörichter schweiget / solange wird er für klug gehalten/ sobald er aber das Maul aufthut/ so gucket Ihm der Jecke zum Halse heraus. Nichts ist ansehnlicher als wenig reden/ und viel hören/ auch gebühret sich nicht weniger mit Vernunfft zu schweigen/ als zu reden. Eine besondere Ernsthafftigkeit ohne Verdruß/ eine Anmuthigkeit ohne Falsch/ eine Beständigkeit ohne Boßheit/ und eine Freundlichkeit ohne Heucheley wircket mehr/ als ein allzuvielfältiges Gespräche. Viel zusagen / wenig halten/ macht einen verdächtigen Glauben. Viel Kriege entstehen nicht so wol wider die zugefügte Schmach/ als daß man das/ was man zugesagt/ nicht gehal-

darus saget: Ein weiser Herr sey gleichwie ein Löwe/ welcher bey aller sich ereignenden Gefahr austaure / hingegen gleiche Er sich einem Fuchse/ der auf allerhand kluge Anschläge gedächte. Eine Regierung ist gleich einem einzigen Menschen/ bey deme Weißheit / Rath/ und Verstand zu finden ist: Hingegen der Leib gleich einer Gemeine / die offters über kluge und weise Rathschläge herrschen will. Weise Gemüther / denen nichts böses bewust/ verachten das Bellen der Hunde. Von dem Marco Antonio Dion. Philosopho/ hernach Römischen Keyser / meldet Dion/ daß Er ein weiser und tugendhaffter Herr gewesen/ der sonderliche Policey-Ordnung und Gesetze/ auch darbey herrliche Erinnerungen/ als der Weißheit/ Gerechtigkeit/ Gedult und Gutthätigkeit gemacht. Keyser Severus war ein Herr/ dem am Verstande nichts mangelte/ geschwinde und von fürtrefflichen Rathschlägen. Er liebte die Künste/ und beförderte dieselben/ und war darbey selbsten wohl gelehrt. Gegen seine Freunde erwiese er sich willig/ gegen Lib. Sapient. seine Feinde aber gestrenge und ernsthafftig. Die Liebe zur Weißheit macht ein beständig Reich/ und die Menge der Weisen erhält die gantze Welt. Wenn die Alten die Weisheit wollten abbilden / machten sie ein Gemählde oder Bild/ das einen Jeden/ ermochte stehen auf welcher Seiten er wollte/ mit den Augen ansahe. Die jenigen Königreiche / Länder und Städte sind für die seeligsten und besten zu achten/ derer Regenten nach Kunst und Weißheit trachten. Wenn die Gewaltigen klug sind/ so gedeyet die Stadt/ da gegenfalls ein wüster König Land und Leute verderbet. Ein Herr hat sich im Reden mässig zu halten. Denn braucht Er der Zungen zu viel/ so macht er sich durch die Vielheit seiner Wörter verächtlich. Er entdeckt dadurch die Geheimnisse/ die sonst verschwiegen blieben/ entblösset was Er in Gedancken führet/ und vergleichet sich einer Glocke/ die alle Unterthanen im Lande hören. Niemand ist/ der nicht auf seine Natur/ Art/ Verstand und Zuneigung Achtung giebet. Alles wird auf das genaueste an ihme beobachtet/ und auf das unterschiedlichste ausgeleget. Ein iedes Geschirr erkennet man an dem Klange: Also auch die Rede an den Menschen. Die Worte sind die nächsten Werckzeuge: Alle Ehre/ Thorheit und Schande/ Leben und Tod beruhen auf demselben. Die Natur hat die Zunge nicht vergebens mit den Lippen und Zähnen umzäunet. Sie hänget an dem gefährlichsten Orte/ da sie bald lieget/ bald stehet. An dem Steuer-Ruder ist das ganze Heil des Schiffs gelegen. Der Gewalt eines Pferdes muß durch das Gebiß Einhalt gethan werden/ der Zunge aber durch die Vorsichtigkeit. Die Römischen Keyser tractirten ihre wichtigsten Dinge lieber schrifftlich als mündlich / alldieweil sie der langsamen Feder nicht so viel Gefährlichkeit als der fertigen Zungen zutraueten. Wer sein Gemüth durch allzugrosse Weitläufftigkeit eröffnet / der geräth in Gefahr: Kurze Gespräche sind die besten/ welche doch nichts desto weniger ein grosses Nachbenken verursachen. So lange ein Thörichter schweiget / solange wird er für klug gehalten/ sobald er aber das Maul aufthut/ so gucket Ihm der Jecke zum Halse heraus. Nichts ist ansehnlicher als wenig reden/ und viel hören/ auch gebühret sich nicht weniger mit Vernunfft zu schweigen/ als zu reden. Eine besondere Ernsthafftigkeit ohne Verdruß/ eine Anmuthigkeit ohne Falsch/ eine Beständigkeit ohne Boßheit/ und eine Freundlichkeit ohne Heucheley wircket mehr/ als ein allzuvielfältiges Gespräche. Viel zusagen / wenig halten/ macht einen verdächtigen Glauben. Viel Kriege entstehen nicht so wol wider die zugefügte Schmach/ als daß man das/ was man zugesagt/ nicht gehal-

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[295/0327] darus saget: Ein weiser Herr sey gleichwie ein Löwe/ welcher bey aller sich ereignenden Gefahr austaure / hingegen gleiche Er sich einem Fuchse/ der auf allerhand kluge Anschläge gedächte. Eine Regierung ist gleich einem einzigen Menschen/ bey deme Weißheit / Rath/ und Verstand zu finden ist: Hingegen der Leib gleich einer Gemeine / die offters über kluge und weise Rathschläge herrschen will. Weise Gemüther / denen nichts böses bewust/ verachten das Bellen der Hunde. Von dem Marco Antonio Philosopho/ hernach Römischen Keyser / meldet Dion/ daß Er ein weiser und tugendhaffter Herr gewesen/ der sonderliche Policey-Ordnung und Gesetze/ auch darbey herrliche Erinnerungen/ als der Weißheit/ Gerechtigkeit/ Gedult und Gutthätigkeit gemacht. Keyser Severus war ein Herr/ dem am Verstande nichts mangelte/ geschwinde und von fürtrefflichen Rathschlägen. Er liebte die Künste/ und beförderte dieselben/ und war darbey selbsten wohl gelehrt. Gegen seine Freunde erwiese er sich willig/ gegen seine Feinde aber gestrenge und ernsthafftig. Die Liebe zur Weißheit macht ein beständig Reich/ und die Menge der Weisen erhält die gantze Welt. Wenn die Alten die Weisheit wollten abbilden / machten sie ein Gemählde oder Bild/ das einen Jeden/ ermochte stehen auf welcher Seiten er wollte/ mit den Augen ansahe. Die jenigen Königreiche / Länder und Städte sind für die seeligsten und besten zu achten/ derer Regenten nach Kunst und Weißheit trachten. Wenn die Gewaltigen klug sind/ so gedeyet die Stadt/ da gegenfalls ein wüster König Land und Leute verderbet. Ein Herr hat sich im Reden mässig zu halten. Denn braucht Er der Zungen zu viel/ so macht er sich durch die Vielheit seiner Wörter verächtlich. Er entdeckt dadurch die Geheimnisse/ die sonst verschwiegen blieben/ entblösset was Er in Gedancken führet/ und vergleichet sich einer Glocke/ die alle Unterthanen im Lande hören. Niemand ist/ der nicht auf seine Natur/ Art/ Verstand und Zuneigung Achtung giebet. Alles wird auf das genaueste an ihme beobachtet/ und auf das unterschiedlichste ausgeleget. Ein iedes Geschirr erkennet man an dem Klange: Also auch die Rede an den Menschen. Die Worte sind die nächsten Werckzeuge: Alle Ehre/ Thorheit und Schande/ Leben und Tod beruhen auf demselben. Die Natur hat die Zunge nicht vergebens mit den Lippen und Zähnen umzäunet. Sie hänget an dem gefährlichsten Orte/ da sie bald lieget/ bald stehet. An dem Steuer-Ruder ist das ganze Heil des Schiffs gelegen. Der Gewalt eines Pferdes muß durch das Gebiß Einhalt gethan werden/ der Zunge aber durch die Vorsichtigkeit. Die Römischen Keyser tractirten ihre wichtigsten Dinge lieber schrifftlich als mündlich / alldieweil sie der langsamen Feder nicht so viel Gefährlichkeit als der fertigen Zungen zutraueten. Wer sein Gemüth durch allzugrosse Weitläufftigkeit eröffnet / der geräth in Gefahr: Kurze Gespräche sind die besten/ welche doch nichts desto weniger ein grosses Nachbenken verursachen. So lange ein Thörichter schweiget / solange wird er für klug gehalten/ sobald er aber das Maul aufthut/ so gucket Ihm der Jecke zum Halse heraus. Nichts ist ansehnlicher als wenig reden/ und viel hören/ auch gebühret sich nicht weniger mit Vernunfft zu schweigen/ als zu reden. Eine besondere Ernsthafftigkeit ohne Verdruß/ eine Anmuthigkeit ohne Falsch/ eine Beständigkeit ohne Boßheit/ und eine Freundlichkeit ohne Heucheley wircket mehr/ als ein allzuvielfältiges Gespräche. Viel zusagen / wenig halten/ macht einen verdächtigen Glauben. Viel Kriege entstehen nicht so wol wider die zugefügte Schmach/ als daß man das/ was man zugesagt/ nicht gehal- Dion. Lib. Sapient.

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Zitationshilfe: [N. N.]: Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Platz. Nürnberg, 1685, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_schauplatz_1685/327>, abgerufen am 28.11.2024.