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[N. N.]: Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Platz. Nürnberg, 1685.

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Kinder-Haut bis in den Tod stecken. Der seine Begierden nicht zähmen kan/ deme ist nicht zu rathen. Viel der Sterblichen trachten in der Jugend nach nichts als lauter Wohllüsten/ in dem mittlern Alter nach Hoheit und Ehre/ und in dem Alter nach Reichthum/ welches alles uns aber/ wenn man es beym Liechten besiehet / vielmehr verunruhiget/ als in einen ruhigen Stand setzet/ also daß wir nicht wissen was wir verlangen/ und wie sehr wir von Jugend auf von den bösen Begierden geplagt werden. Hunde halten an grosser Herren Höfe ist nichts ungewöhnliches/ alldieweil man sich ihrer theils zum Nutzen/ theils zur Verwahrsamkeit gebrauchet/ hier aber müssen diese wider ihren eigenen Herren wüten/ und ihn in Stücken zerreissen; Der seines Muths ein Herr ist/ der ist stärcker/ als der/ welcher Städte gewinnet. Derjenige/ welcher sich nicht selbst zu regieren weiß/ der gleicht einem Blinden/ welcher ein Liecht trägt / und sich selbsten damit nicht leuchten kan.

Alle Wohllüste führen mehr Gall als Honig in sich. Wann das Feuer einmahl angeblasen/ so ist es so bald nicht zu leschen: Es weiß offters Einer/ der sich verliebet/ zwar wohl/ was er verlanget/ nicht aber/ was für ein unersetzlicher Schade daraus erfolget. Es ist ein gemein Sprichwort: Buhler und Jäger trachten jederzeit nach deme/ was sich nicht wohl fangen lässet.

Visus & Eloquium, Tactus, post oscula factum;

Ni fugias Tactum, vix evitabitur Actus.

Niemahls pfleget auf ein freundliches Anschauen und verliebtes Anreden etwas Gutes zu erfolgen/ dahero dann öffters erfolget/ daß auch die Creaturen selbsten zu Vollstreckung der göttlichen Rache gebraucht werden.

Fingitur Actaeon nova Cornua sumere Cervi,

dum videt, & Comites, & sine veste Deam:

Scilicet Ingenio consvescunt esse feroci,

Quos nimium sylvae, praedaq; capta juvant.

So bald Actäon sieht die keusche Göttin baden /

Da wird zu seinem Fall mit Hörnern er beladen /

Wer von dem Guten wird zum Bösen abgeleit

Und thut nicht was er soll/ den frisset auch die Zeit.

Alle Wohllüste verzehren sich selbst. Der junge Actoeon hielte mehr auf das Jagen und seine Hunde/ als die Erhaltung der Unterthanen/ das Frohnen gieng fort / die Imposten blieben nicht zurücke/ und der Arme mochte sich schmiegen und biegen wie er wollte/ so muste man der Gewalt ihren Willen lassen. Und weil derselbe/ wie gedacht/ alle seine Sinne und Gedancken auf das Weydewerck legte / so hielte man ihn auch für den/ womit er umgieng. Denn wie Dionysius saget / so ist die Liebe eine Krafft/ welche einen jeden Liebhaber in das/ was er liebet/ verwandelt;

Ovidius. Si venerem tollas, rustica sylva tua est:

Es gehet auf dem Jagen so genau nicht her/ man springet zuweilen über die Klinge.

Der Dianae schätzbarkeit. Die Heyden heilten die Diana als eine Göttin in den grösten Ehren/ und die Griechen nennten sie [Greek words], uberibus suis omnia alentem: Eine die mit ihren Brüsten alles ernehrete. Von dem Griechischen Feldherrn Agamemon wird gedichtet/ daß als er einesmahls unwissend der Dianae Hirsch erschossen/ sie dermassen auf ihn erbittert worden/ daß sie auch den Winden

Kinder-Haut bis in den Tod stecken. Der seine Begierden nicht zähmen kan/ deme ist nicht zu rathen. Viel der Sterblichen trachten in der Jugend nach nichts als lauter Wohllüsten/ in dem mittlern Alter nach Hoheit und Ehre/ und in dem Alter nach Reichthum/ welches alles uns aber/ weñ man es beym Liechten besiehet / vielmehr verunruhiget/ als in einen ruhigen Stand setzet/ also daß wir nicht wissen was wir verlangen/ und wie sehr wir von Jugend auf von den bösen Begierden geplagt werden. Hunde halten an grosser Herren Höfe ist nichts ungewöhnliches/ alldieweil man sich ihrer theils zum Nutzen/ theils zur Verwahrsamkeit gebrauchet/ hier aber müssen diese wider ihren eigenen Herren wüten/ und ihn in Stücken zerreissen; Der seines Muths ein Herr ist/ der ist stärcker/ als der/ welcher Städte gewinnet. Derjenige/ welcher sich nicht selbst zu regieren weiß/ der gleicht einem Blinden/ welcher ein Liecht trägt / und sich selbsten damit nicht leuchten kan.

Alle Wohllüste führen mehr Gall als Honig in sich. Wann das Feuer einmahl angeblasen/ so ist es so bald nicht zu leschen: Es weiß offters Einer/ der sich verliebet/ zwar wohl/ was er verlanget/ nicht aber/ was für ein unersetzlicher Schade daraus erfolget. Es ist ein gemein Sprichwort: Buhler und Jäger trachten jederzeit nach deme/ was sich nicht wohl fangen lässet.

Visus & Eloquium, Tactus, post oscula factum;

Ni fugias Tactum, vix evitabitur Actus.

Niemahls pfleget auf ein freundliches Anschauen und verliebtes Anreden etwas Gutes zu erfolgen/ dahero dann öffters erfolget/ daß auch die Creaturen selbsten zu Vollstreckung der göttlichen Rache gebraucht werden.

Fingitur Actaeon nova Cornua sumere Cervi,

dum videt, & Comites, & sine veste Deam:

Scilicet Ingenio consvescunt esse feroci,

Quos nimium sylvae, praedaq; capta juvant.

So bald Actäon sieht die keusche Göttin baden /

Da wird zu seinem Fall mit Hörnern er beladen /

Wer von dem Guten wird zum Bösen abgeleit

Und thut nicht was er soll/ den frisset auch die Zeit.

Alle Wohllüste verzehren sich selbst. Der junge Actoeon hielte mehr auf das Jagen und seine Hunde/ als die Erhaltung der Unterthanen/ das Frohnen gieng fort / die Imposten blieben nicht zurücke/ und der Arme mochte sich schmiegen und biegen wie er wollte/ so muste man der Gewalt ihren Willen lassen. Und weil derselbe/ wie gedacht/ alle seine Sinne und Gedancken auf das Weydewerck legte / so hielte man ihn auch für den/ womit er umgieng. Denn wie Dionysius saget / so ist die Liebe eine Krafft/ welche einen jeden Liebhaber in das/ was er liebet/ verwandelt;

Ovidius. Si venerem tollas, rustica sylva tua est:

Es gehet auf dem Jagen so genau nicht her/ man springet zuweilen über die Klinge.

Der Dianae schätzbarkeit. Die Heyden heilten die Diana als eine Göttin in den grösten Ehren/ und die Griechen nennten sie [Greek words], uberibus suis omnia alentem: Eine die mit ihren Brüsten alles ernehrete. Von dem Griechischen Feldherrn Agamemon wird gedichtet/ daß als er einesmahls unwissend der Dianae Hirsch erschossen/ sie dermassen auf ihn erbittert worden/ daß sie auch den Winden

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        <p>Fingitur Actaeon nova Cornua sumere Cervi,</p>
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        <p>Und thut nicht was er soll/ den frisset auch die Zeit.</p>
        <p>Alle Wohllüste verzehren sich selbst. Der junge Actoeon hielte mehr auf das Jagen                      und seine Hunde/ als die Erhaltung der Unterthanen/ das Frohnen gieng fort /                      die Imposten blieben nicht zurücke/ und der Arme mochte sich schmiegen und                      biegen wie er wollte/ so muste man der Gewalt ihren Willen lassen. Und weil                      derselbe/ wie gedacht/ alle seine Sinne und Gedancken auf das Weydewerck legte                     / so hielte man ihn auch für den/ womit er umgieng. Denn wie Dionysius saget /                      so ist die Liebe eine Krafft/ welche einen jeden Liebhaber in das/ was er                      liebet/ verwandelt;</p>
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[214/0242] Kinder-Haut bis in den Tod stecken. Der seine Begierden nicht zähmen kan/ deme ist nicht zu rathen. Viel der Sterblichen trachten in der Jugend nach nichts als lauter Wohllüsten/ in dem mittlern Alter nach Hoheit und Ehre/ und in dem Alter nach Reichthum/ welches alles uns aber/ weñ man es beym Liechten besiehet / vielmehr verunruhiget/ als in einen ruhigen Stand setzet/ also daß wir nicht wissen was wir verlangen/ und wie sehr wir von Jugend auf von den bösen Begierden geplagt werden. Hunde halten an grosser Herren Höfe ist nichts ungewöhnliches/ alldieweil man sich ihrer theils zum Nutzen/ theils zur Verwahrsamkeit gebrauchet/ hier aber müssen diese wider ihren eigenen Herren wüten/ und ihn in Stücken zerreissen; Der seines Muths ein Herr ist/ der ist stärcker/ als der/ welcher Städte gewinnet. Derjenige/ welcher sich nicht selbst zu regieren weiß/ der gleicht einem Blinden/ welcher ein Liecht trägt / und sich selbsten damit nicht leuchten kan. Alle Wohllüste führen mehr Gall als Honig in sich. Wann das Feuer einmahl angeblasen/ so ist es so bald nicht zu leschen: Es weiß offters Einer/ der sich verliebet/ zwar wohl/ was er verlanget/ nicht aber/ was für ein unersetzlicher Schade daraus erfolget. Es ist ein gemein Sprichwort: Buhler und Jäger trachten jederzeit nach deme/ was sich nicht wohl fangen lässet. Visus & Eloquium, Tactus, post oscula factum; Ni fugias Tactum, vix evitabitur Actus. Niemahls pfleget auf ein freundliches Anschauen und verliebtes Anreden etwas Gutes zu erfolgen/ dahero dann öffters erfolget/ daß auch die Creaturen selbsten zu Vollstreckung der göttlichen Rache gebraucht werden. Fingitur Actaeon nova Cornua sumere Cervi, dum videt, & Comites, & sine veste Deam: Scilicet Ingenio consvescunt esse feroci, Quos nimium sylvae, praedaq; capta juvant. So bald Actäon sieht die keusche Göttin baden / Da wird zu seinem Fall mit Hörnern er beladen / Wer von dem Guten wird zum Bösen abgeleit Und thut nicht was er soll/ den frisset auch die Zeit. Alle Wohllüste verzehren sich selbst. Der junge Actoeon hielte mehr auf das Jagen und seine Hunde/ als die Erhaltung der Unterthanen/ das Frohnen gieng fort / die Imposten blieben nicht zurücke/ und der Arme mochte sich schmiegen und biegen wie er wollte/ so muste man der Gewalt ihren Willen lassen. Und weil derselbe/ wie gedacht/ alle seine Sinne und Gedancken auf das Weydewerck legte / so hielte man ihn auch für den/ womit er umgieng. Denn wie Dionysius saget / so ist die Liebe eine Krafft/ welche einen jeden Liebhaber in das/ was er liebet/ verwandelt; Si venerem tollas, rustica sylva tua est: Ovidius. Es gehet auf dem Jagen so genau nicht her/ man springet zuweilen über die Klinge. Die Heyden heilten die Diana als eine Göttin in den grösten Ehren/ und die Griechen nennten sie [Greek words], uberibus suis omnia alentem: Eine die mit ihren Brüsten alles ernehrete. Von dem Griechischen Feldherrn Agamemon wird gedichtet/ daß als er einesmahls unwissend der Dianae Hirsch erschossen/ sie dermassen auf ihn erbittert worden/ daß sie auch den Winden Der Dianae schätzbarkeit.

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Zitationshilfe: [N. N.]: Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Platz. Nürnberg, 1685, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_schauplatz_1685/242>, abgerufen am 07.05.2024.