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Reichspost. Nr. 308, Wien, 04.07.1914.

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Nr. 308 Wien, Samstag Reichspost 4. Juli 1914

[Spaltenumbruch] die hohe Frau, die dem eblen Verblichenen im Leben Trost und
Stütze war und im Tode ihm treu vereint geblieben ist. Meine
Herren! Unser Verein verliert an seinem Protektor seinen wärm-
sten Freund, seinen großmütigen Förderer; wir stehen tief er-
griffen in unauslöschlicher Dankbarkeit an der
Bahre des verewigten Admirals -- wie die Flotte ihren Führer,
ihren Initiator verloren -- so ist dem Oesterreichischen Flotten-
verein sein Führer, sein Lenker geraubt. Meine Herren! Sie
sind gekommen in dem grenzenlosen Unglück, welches unser
Vaterland betroffen, das Andenken unseres erhabenen Pro-
tektors zu ehren -- tun Sie es, in dem Sie feierlich ge-
loben:
der Oesterreichische Flottenverein wird auch weiterhin
im Sinne des Verblichenen wirken, er wird ihm übers Grab hin-
aus Treue beweisen,. er wird den Kurs halten, den ihm Erz-
herzog Franz Ferdinand gewiesen, zu Oesterreich-Ungarns Ruhm
und Ehre!

Auch die Damensektion Wien des Oesterreichischen
Flottenvereines veranstaltete eine Trauerkundgebung.
Die Präsidentin Baronin Baumgartner hielt fol-
gende Ansprache an die zahlreich erschienenen Damen:

Seit Sonntag durchzittern Schmerz und Trauer ganz Oester-
reich. Erzherzog-Thronfolger Franz Ferdinand ist eines jähen
Todes verblichen. Mitten in rastloser, dem Wohle des Vater-
landes gewidmeter Tätigkeit raffte ihn das Schicksal dahin. Als
Held der Pflicht hat er sich bewährt bis zum letzten Augen-
blick. Auch um seine hohe Gemahlin trauern wir, die edle
Frau,
die ihm in voller Liebe anhing, die ihren Kindern die
beste und zärtlichste Mutter war. Der allgemeinen
Landestrauer gesellt sich auch bei uns noch das schmerzliche Be-
wußtsein, unsern hohen Protektor, den gütigen Förderer aller Be-
strebungen des Flottenvereines, verloren zu haben. In unserem
Herzen errichten wir ihm ein Denkmal, das dauernd zu erhalten
wir in dieser feierlichen Stunde geloben.

An die Kabinettskanzlei des Kaisers wurde seitens
der Damensektion eine Beileidstelegramm gesendet.

Aus den Ortsgruppen des Oesterreichischen Flotten-
vereines treffen täglich Beileidstelegramme ein, welche
Zeugnis ablegen von der großen Anteilnahme an dem
ungeheuren Verluste, den wir alle erlitten haben.




Kondolenz der niederösterreichischen landwirtschaftlichen
Zeutralkasse.

In der heutigen Generalversammlung der
niederösterreischen landwirtschaftlichen Genossenschaftszentralkasse
gedachte der Vorsitzende Obmann Abg. Dechant Bauchinger
zunächst des Sarajevoer Ereignisses und beantragte die
Absendung folgenden Telegrammes an die Kabinettskanzlei:
"Tief erschüttert von der furchtbaren Katastrophe, die das
Allerhöchste Kaiserhaus und unser Vaterland betroffen hat, legt
die heute im niederösterreichischen Landhause tagende General-
nersammlung der niederösterreichischen landwirtschaftlichen
Genossenscha[ftßen]tralkasse ihr tieftes Beileid an den Stufen des
Thrones nieder und schwört Gurer Mazestät und dem Hause
Habsburg unerschütterliche Treue." Der Vorsitzende schloß sodann
zum Zeichen der Trauer die Versammlung.




Weitere Trauerkundgebungen veranstalteten die Bezirksver-
tretung, das Armeninstitut und der Ortschulrat des 9. Bezirkes,
der katholische Fortbildungsverein Reunion, der überdies am
8. d. um 7 Uhr früh am Josefs-, Frauen- und Leopoldsaltar
der Stefanskirche drei Messen für das Seelenheil des ermordeten
Thronfolgerpaares lesen läßt, der Staatsbeamten-Kasinoverein,
das k. k. Handelsmuseum, der Verwaltungsrat der Allgemeinen
Depositenbank, der Wiener Handels- und Gewerbeverein, die
Vorsteher der Wiener Fleischhanergenossenschaft. Der Ausschuß
der Congregazione Della Chiesa Nazionale Italiana, der öster-
reichische Fachschriftstellerverband, der Ausschuß der "Eintracht",
der Wiener Kunstgewerbeverein u. v. a.

Am Sonntag den 5. Juli, 8 Uhr, wird in der Hauskapelle
des Katholischen Gesellen- und Meister-
vereines
ein Trauergottesdienst abgehalten.

Die Hortzöglinge des städtischen Knabenhortes
im 17. Bezirk
wurden Dienstag in der Hortstation, 17. Be-
zirk, Pezzlgasse, zu einer Trauerkundgebung versammelt.




Aus Mödling wird gemeldet: Heute vormittag wurde
in der Sankt-Otmarkirche ein Requiem von Dechant Stadt-
pfarrer Fuchs unter großer geistlicher Assistenz abgehalten, zu
dem die Spitzen der Behörden und die Schulen erschienen.

Aus Sollenau wird uns geschrieben: Am 2. d. fand
hier eine Trauersitzung der Gemeindevertretung unter dem
Vorsitz des Bgm. RAbg. Gruber, am 3. d. ein feierliches
Requiem statt.

Aus Gloggnitz wird gemeldet: Die erste Einsegnung
des Thronfolgerpaares auf niederösterreichischem Boden nahm
hier bei der Durchfahrt des Trauerzuges Marktpfarrer Johann
Göller vor. Am Bahnhofe hatten sich die Behörden und
eine tausendköpsige Menge eingefunden.

Aus Mürzzuschlag wird uns gemeldet: Gestern hielt die
Gemeindevertretung eine Trauersitzung ab, bei der Bürgermeister
Anton Werba die Trauerrede hielt. Gleichzeitig wurde be-
schlossen, bis inklusive 9. d. M. keine Unter-
haltungen und Konzerte
abhalten zu lassen.
Samstag findet in der hiesigen katholischen Pfarrkirche ein
feierlicher Seelengottesdienst statt.

Aus Amstetten schreibt man uns: In der Trauersitzung
der Gemeindevertretung hielt GR. Gruber die Trauerrede.
Samstag vormittags findet ein Trauergottesdienst und abends
eine Massenkundgebung der Bevölkerung statt.

Aus Konstantinsbad in Bosnien wird uns ge-
meldet: In der hiesigen Kirche wurde am 2. d. M vom
f.-e. Konsistorialsekretär Hnidek aus Prag ein Trauergottes-
dienst abgehalten, zu dem sich der Großteil der hier weilenden
Kurgäste eingefunden hatte.

Aus Graz wird telegraphiert: Der Diözesanrat Seckau
des Katholischen Schulvereines wohnte heute in der Stadtpfarr-
kirche einer Seelenmesse für den Erzherzog bei und hat an die
Kabinettskanzlei ein Beileidstelegramm abgesendet. -- Der
Stadtrat hat in seiner heutigen Sitzung die Errichtung eines
Erzherzogs-Franz-Ferdinand- und Herog in
von Hohenberg-Stiftungsfonds
beschlossen,
über dessen alljährliche Dotierung der neu zuwählende Ge-
meinderat Beschluß zu fassen haben wird.

Aus Innsbruck wird uns geschrieben: Heute, am Tage
der Leichenfeier, wurden für die Schuljugend Trauergottesdienste
veranstaltet. Die Schulen blieben geschlossen. Um 4 Uhr nach-
mittags begannen die Glocken aller Kirchen des Dekanats Inns-
bruck zu läuten. Eine halbe Stunde hindurch tönte das Trauer-
geläute durch die Stadt. Die Innsbrucker Handelskammer hielt
nachmittags eine Trauersitzung.

Trauerkundgebungen haben beschlossen: Die
Kärtnlr Handels- und Gewerbekammer, der Ausschuß der
Stadtgemeinde, Villach, der Gewerbeverband höherer Ordnung
in Klagenfurt, der Kärntner Landessanitätsrat, sowie zahlreiche
Vereine und Korporationen.

Sarajevo. Anläßlich der heutigen Trauerfeier in Wien sind
hier sämtliche Geschäfte geschlossen. Der Kaiser ließ dem Prä-
sidenten der Handels- und Gewerbekammer Berkovic und dem
Vakusdirektor Arnautovic für die Beileids- und Loyalitäts-
kundgebungen der genannten Körperschaften den Dank aus-
sprechen.

Das Organ der kroatischen Arbeiterschaft "Rednicla Speza"
bringt einen Trauerartikel, worin gesagt wird, daß die Schuld
[Spaltenumbruch] am Attentate jener Teil der serbisch-orthodoxen Bevölkerung
trägt, der durch seine Oppositionsarbeit gefährliche Mal-
kontenten, um stürzlerische Elemente und
ofene Attentäter im Dienste der groß-
serbischen Ideeerzag.




Trauergottesdienste im Ausland.

Zu dem heute in der Hedwigskirche ab-
gehaltenen Requiem hatten sich vom Kaiserhause die
Prinzen Eitel Friedrich und Oskar sowie
Prinzessin Friedrich Leopold und Prinz Wol-
rad
zu Schaumburg-Lippe eingefunden.

Dem heute mittag in der Ludwigskirche
abgehaltenen feierlichen Requiem wohnten bei: der König,
die Königin, der Kronprinz und die übrigen hier weilenden
Prinzen und Prinzessinnen des königlichen Hauses, der
Herzog von Calabrien. Der König und der Kronprinz
trugen die Inhaberuniform ihrer österreichisch-ungarischen
Regimenter.

In der katholischen Westminsterkathedrale
wurde heute um 111/2 Uhr vormittags ein Requiem abge-
halten. König Georg war durch den Prinzen Artur von
Connaught und die Königin-Mutter Alexandra durch
Lord Howe vertreten. Weiters waren anwesend König
Mannel mit Gemahlin und die Königin-
Mutter
von Portugal.

In der Marien-Kathedrale fand heute ein
Requiem statt, dem u. a. der österreichisch-ungarische Konsul,
die anderen Konsuln sowie der Kapitän und die Offiziere
des deutschen Kanonenbootes "Eber" beiwohnten.

Heute um 10 Uhr vormittags fand in
der hiestgen katholischen Kirche ein Trauergottesdienst
statt, welchem Kronprinzregent Alexander mit seinem
Hofstaate, der k. und k. Geschäftsträger Legationsrat
v. Storck, Ministerpräsident Pasic mit den Mitgliedern
der Regierung u. a. m. beiwohnten.

In der katholischen St. Katharinen-
kirche wurde eine feierliche Totenmesse zelebriet. Als Ver-
treter des Kaisers war Großfürst Nikolai Nikolaje-
witsch
erschienen.

Heute mittag wurde in der Kapelle
der österreichisch-ungarischen Gesandschaft ein Requiem für
den Herrn Erzherzog Franz Ferdinand zelebriert,
dem in Vertretung des Königs Ministerpräsident Vukotic,
in Vertretung der montenegrinischen Regierung Minister des
Aeußern Plamenatz, der Generaldirektor im Ministerium
des Aeußern Ramadanovic, ferner andere Würden-
träger, das gesamte diplomatische Korps, das gesamte
Personal der österreichisch-ungarischen Gesandtschaft und die
hier weilenden Oesterreicher beiwohnten.




Ein Befehl des Korpskommandanten
von Sarajevo.


Anläßlich des schweren Schicksalschlages, der die
Monarchie betroffen hat, erließ der Kommandant des
15. Korps einen Befehl, worin es heißt: Verzagen wir
auch in diesem schweren Augenblicke nicht! Arbeiten
wir unentwegt an der Pflege jenes Geistes, der bisher
immer mit Recht der Stolz und die Tradition der
Armee war, in dem unsere Kraft beruht und der des
Reiches Schutz und Schirm bildet. Die verabscheuungs-
würdigen Mordgesellen, vor allem deren licht-
scheue Hintermänner
sollen wissen, daß sie
ihre dunklen Ziele niem als erreichen
werden.
Dafür wird Seiner Majestät und unserem
großen Vaterlande allzeit treuergebene Armee
Sorge tragen
und die spontanen Kundgebungen
der Bevölkerung nicht nur hierzulande, sondern auch in
allen Teilen unseres weiten Reiches beweisen, daß wir
uns in diesen Bestrebungen mit unseren Mitbürgern
eins wissen. "Treu bis in den Tod" soll auch für die
Zukunft unsere Devise bleiben.




Volkesstimme.

Aus Leserkreisen gehen uns nachfolgende
Zeilen zu:

Wer in den vergangenen Tagen seit dem Schreckens-
sonntag hingehorcht hat auf die Stimme
des Volkes,
der hat es erfahren, wie der Tod
dieser beiden Prachtmenschen jedes Oesterreichers Herz
im Innersten aufgewühlt hat. Man weiß nicht, was
größer ist, der Schmerz über den unersetzlichen Verlust
oder die Empörung über die ruchlose Tat. Wir haben
viel verloren, die lieben drei Kinder alles! ... und Gott
hat es gelitten, wer weiß, was er gewollt. Wer die
vielen Aeußerungen wahrsten, echten Schmerzes hörte,
der weiß es auch, daß manch einer gerne sein Herzblut
für unseren geliebten Thronfolger hingegeben hätte.
"Und wenn ich den Tod meiner Eltern erfahren hätte,"
hörte ich kurz nach der Schreckenskunde einen schlichten
Mann sprechen, "es hätte mich im Augenblicke nicht
schwerer treffen können". Ich wüßte eine Strafe für
den Mordgesellen. An die Bahre seiner Opfer sollte
man ihn führen in dem Augenblicke, wo die unglück-
lichen Kinder ihre so unendlich geliebten Eltern wieder-
sehen .... Wenn er noch nicht zum Tiere herab-
gesunken ist, ist er für sein ganzes Leben bestraft genug.

So ist er denn hingegangen von uns, er, der Lieb-
ling des Volkes, mit seiner herzensguten Gemahlin, deren
Eheleben allen ein fast unerreichbares Ideal schien,
unser unvergeßlicher Franz Ferdinand, von dem Graf
Sternberg schreibt, daß er ihn wie einen
Heiligen verehrt
habe. Noch brennt die offene
Wunde und wird noch lange brennen, aber auch die
[Spaltenumbruch] Empörung gegen die Mörder und deren Hinter
männer
schlägt in hellen Flammen empor.
Charakteristisch sind die Worte, die ich einen einfachen
Gewerbsmann sprechen hörte: "Ja, wozu zahlen wir denn
das viele Geld für die Kanonen und die Kriegsschiffe,
wenn jeder gedungene Bube unsere
Teuersten ein fach niederknallen kann

und mit dem Mördergesindel nicht aufgeräumt wird?"

Hört diese Worte ihr alle, die ihr berufen seid,
Oesterreichs Geschick zu leiten!




Von einer Wiener Persönlichkeit, die uns ersucht,
"auch einen politischen Gegner, aber
einen Oesterreicher"
zu Worte kommen zu
lassen, erhalten wir folgende Zeilen:

Das Entweder -- oder, die Frage nach Sein oder
Nichtsein, tritt in immer unverhüllterer Form an uns
Oesterreicher heran. Ich sage ausdrücklich "Oester-
reicher"
nicht "Oesterreich", denn das Oester-
reich hat uns seit einer Reihe von Jahren arg getäuscht.

Ein böser Traum; wir schrecken auf, treiben die
Schlafgeister aus Aug' und Ohr. -- Es ist ja gar kein
böser Traum, es ist nackte, schreckliche Wirklichkeit: man
respektiert uns nicht, Großes, Bedeutendes, wir sind
Nichts. Ich will nicht untersuchen und konstatieren, daß
den oder jenen die Schuld treffe, Oesterreich oder die
Oesterreicher, das Auswärtige Amt oder einen anderen.
Aber die Schuld ist da, die Schuld, daß man von allen
Seiten, von Nordosten und Südosten im Besonderen
zu drohen wagt, die Schuld, daß Feinde spottend höhnen,
Freunde witzeln. Ränkespinnen hinter glatten Worten,
Friedesäuseln hinter gezogenen Geschützen, rechts ein
teilnehmender Händedruck, links die verborgene Knute;
das auf der einen Seite.

Und auf der anderen, offener, blutiger Hohn, ge-
boren aus blutgewohnter Megäre.

Genug der empirischen Betrachtung. Alle Staaten
Europas, die von der Krise der letzten Kriegsjahre be-
troffen waren, die mehr und minder engagiert, sogar die
direkt Beteiligten, Sieger und Besiegte, sind daran, sich
gründlich zu erholen. Nur Oesterreich krankt weiter in
unabsehbare Fernen. Noch immer sind viele Fabrikstore
ganz geschlossen, zu den Textil-, Glas- und Maschinen-
fabriken wandern noch immer viel, viel weniger schaf-
fende, erwerbende Männer als in sonstigen, gerade auch
nicht rosigen Zeiten, Tausende unschuldiger Kinder
hungern. Noch immer steigen die Insolvenznachrichten,
gute alte Häuser beben vor dem Morgen, schwächere, die
auch vielverheißend waren, straucheln, fallen.

Wie ein Alp liegt's allen auf der Brust, dem In-
dustriellen, dem Arbeiter, dem Kaufmann, dem Kon-
sumenten.

Zwei Fragen sind's, die sich da alle Oesterreicher
stellen: Warum -- wie lange noch? Geht nur hinaus,
ihr alle, die ihr's nicht glauben könnt: Oesterreicher sind
es, die die Zustände nicht länger ertragen wollen,
Oesterreicher aller Parteien. Laßt euch
nicht beirren durch Zeitungsstimmen, die Stimmung
täuschen wollen, fragt alle, auch den Armen, den Ar-
beiter: warum -- wie lange noch? ist seine Antwort!

Warum? -- Weil Oesterreich das nächste Opfer
der Heimtücke und Hinterlist sein soll. Und der Feind
ist nicht zu verachten. An Meucheln und Morden ge-
wohnt, durch häufige Uebung vertraut mit diesem Me-
tier, holt er schon zum Stoße aus. Ein Oesterreicher ist
gefallen, in dem man den Besten wähnte, die Stütze. Die
Beraubten, die Schwächeren sollen folgen. Oesterreich
trauert und schweigt. Ein Oesterreicher ist gefallen --
Millionen Oesterreicher stehen auf, treten für den Einen
in die Schanze.

Warum? -- Weil Oesterreich verschwinden soll,
weil die schweren Zeiten, die noch schwereren Zeiten voll
Greuel in der Luft liegen, darum will der Alp nicht
weichen, bleibt weiter Handel und Wandel unterbunden,
Not und Sorge der Oesterreicher Gast.

Wie lange noch? -- Das fragen Tausende und
Abertausende seit sechs Jahren.




Die Teilnahme Dänemarks.
(Drahtbericht der "Reichspost".)


Zu dem heute für den ermordeten Erzherzog und
seine Gemahlin abgehaltenen Pontifikal-
requiem,
zelebriert vom apostolischen Vikar, Bischof
von Euken, erschienen: Der König, die königlichen
Prinzen Harald, Waldemar, Axel und
Erik, sowie Prinz Georg von Griechenland.
Die Fürstlichkeiten wurden am Portal der Kirche vom
österreichisch-ungarischen Geschäftsträger Legationsrat Frei-
herrn von Franz mit dem Personal der Gesandtschaft und
des Konsulats, sowie dem Admiral von Bardenfleth
als Vertreter der Königin-Witwe empfangen.
In der wunderbar schwarzdrapierten und mit
Blumen und Pflanzen geschmückten Kirche waren ferner
in großer Uniform erschienen: der Minister des Aeußern
v. Scavenius, die obersten Staats- und Hof-
funktionäre, das ganze diplomatische Korps und die
österreichisch-ungarische Kolonie. Am Schlusse der kirch-
lichen Feier wurde die Volkshymne gespielt,
welche von der anwesenden Trauergemeinde stehend an-
gehört wurde und allseits die tiefste Ergriffenheit hervor-
rief. -- Der König war bereits am Tage nach dem
ruchlosen Attentat persönlich beim Geschäfts-
träger Freiherrn v. Franz
erschienen, um
demselben seine tiefempfundene Teilnahme auszudrücken.




Nr. 308 Wien, Samstag Reichspoſt 4. Juli 1914

[Spaltenumbruch] die hohe Frau, die dem eblen Verblichenen im Leben Troſt und
Stütze war und im Tode ihm treu vereint geblieben iſt. Meine
Herren! Unſer Verein verliert an ſeinem Protektor ſeinen wärm-
ſten Freund, ſeinen großmütigen Förderer; wir ſtehen tief er-
griffen in unauslöſchlicher Dankbarkeit an der
Bahre des verewigten Admirals — wie die Flotte ihren Führer,
ihren Initiator verloren — ſo iſt dem Oeſterreichiſchen Flotten-
verein ſein Führer, ſein Lenker geraubt. Meine Herren! Sie
ſind gekommen in dem grenzenloſen Unglück, welches unſer
Vaterland betroffen, das Andenken unſeres erhabenen Pro-
tektors zu ehren — tun Sie es, in dem Sie feierlich ge-
loben:
der Oeſterreichiſche Flottenverein wird auch weiterhin
im Sinne des Verblichenen wirken, er wird ihm übers Grab hin-
aus Treue beweiſen,. er wird den Kurs halten, den ihm Erz-
herzog Franz Ferdinand gewieſen, zu Oeſterreich-Ungarns Ruhm
und Ehre!

Auch die Damenſektion Wien des Oeſterreichiſchen
Flottenvereines veranſtaltete eine Trauerkundgebung.
Die Präſidentin Baronin Baumgartner hielt fol-
gende Anſprache an die zahlreich erſchienenen Damen:

Seit Sonntag durchzittern Schmerz und Trauer ganz Oeſter-
reich. Erzherzog-Thronfolger Franz Ferdinand iſt eines jähen
Todes verblichen. Mitten in raſtloſer, dem Wohle des Vater-
landes gewidmeter Tätigkeit raffte ihn das Schickſal dahin. Als
Held der Pflicht hat er ſich bewährt bis zum letzten Augen-
blick. Auch um ſeine hohe Gemahlin trauern wir, die edle
Frau,
die ihm in voller Liebe anhing, die ihren Kindern die
beſte und zärtlichſte Mutter war. Der allgemeinen
Landestrauer geſellt ſich auch bei uns noch das ſchmerzliche Be-
wußtſein, unſern hohen Protektor, den gütigen Förderer aller Be-
ſtrebungen des Flottenvereines, verloren zu haben. In unſerem
Herzen errichten wir ihm ein Denkmal, das dauernd zu erhalten
wir in dieſer feierlichen Stunde geloben.

An die Kabinettskanzlei des Kaiſers wurde ſeitens
der Damenſektion eine Beileidstelegramm geſendet.

Aus den Ortsgruppen des Oeſterreichiſchen Flotten-
vereines treffen täglich Beileidstelegramme ein, welche
Zeugnis ablegen von der großen Anteilnahme an dem
ungeheuren Verluſte, den wir alle erlitten haben.




Kondolenz der niederöſterreichiſchen landwirtſchaftlichen
Zeutralkaſſe.

In der heutigen Generalverſammlung der
niederöſterreiſchen landwirtſchaftlichen Genoſſenſchaftszentralkaſſe
gedachte der Vorſitzende Obmann Abg. Dechant Bauchinger
zunächſt des Sarajevoer Ereigniſſes und beantragte die
Abſendung folgenden Telegrammes an die Kabinettskanzlei:
„Tief erſchüttert von der furchtbaren Kataſtrophe, die das
Allerhöchſte Kaiſerhaus und unſer Vaterland betroffen hat, legt
die heute im niederöſterreichiſchen Landhauſe tagende General-
nerſammlung der niederöſterreichiſchen landwirtſchaftlichen
Genoſſenſcha[ftſzen]tralkaſſe ihr tieftes Beileid an den Stufen des
Thrones nieder und ſchwört Gurer Mazeſtät und dem Hauſe
Habsburg unerſchütterliche Treue.“ Der Vorſitzende ſchloß ſodann
zum Zeichen der Trauer die Verſammlung.




Weitere Trauerkundgebungen veranſtalteten die Bezirksver-
tretung, das Armeninſtitut und der Ortſchulrat des 9. Bezirkes,
der katholiſche Fortbildungsverein Reunion, der überdies am
8. d. um 7 Uhr früh am Joſefs-, Frauen- und Leopoldsaltar
der Stefanskirche drei Meſſen für das Seelenheil des ermordeten
Thronfolgerpaares leſen läßt, der Staatsbeamten-Kaſinoverein,
das k. k. Handelsmuſeum, der Verwaltungsrat der Allgemeinen
Depoſitenbank, der Wiener Handels- und Gewerbeverein, die
Vorſteher der Wiener Fleiſchhanergenoſſenſchaft. Der Ausſchuß
der Congregazione Della Chieſa Nazionale Italiana, der öſter-
reichiſche Fachſchriftſtellerverband, der Ausſchuß der „Eintracht“,
der Wiener Kunſtgewerbeverein u. v. a.

Am Sonntag den 5. Juli, 8 Uhr, wird in der Hauskapelle
des Katholiſchen Geſellen- und Meiſter-
vereines
ein Trauergottesdienſt abgehalten.

Die Hortzöglinge des ſtädtiſchen Knabenhortes
im 17. Bezirk
wurden Dienstag in der Hortſtation, 17. Be-
zirk, Pezzlgaſſe, zu einer Trauerkundgebung verſammelt.




Aus Mödling wird gemeldet: Heute vormittag wurde
in der Sankt-Otmarkirche ein Requiem von Dechant Stadt-
pfarrer Fuchs unter großer geiſtlicher Aſſiſtenz abgehalten, zu
dem die Spitzen der Behörden und die Schulen erſchienen.

Aus Sollenau wird uns geſchrieben: Am 2. d. fand
hier eine Trauerſitzung der Gemeindevertretung unter dem
Vorſitz des Bgm. RAbg. Gruber, am 3. d. ein feierliches
Requiem ſtatt.

Aus Gloggnitz wird gemeldet: Die erſte Einſegnung
des Thronfolgerpaares auf niederöſterreichiſchem Boden nahm
hier bei der Durchfahrt des Trauerzuges Marktpfarrer Johann
Göller vor. Am Bahnhofe hatten ſich die Behörden und
eine tauſendköpſige Menge eingefunden.

Aus Mürzzuſchlag wird uns gemeldet: Geſtern hielt die
Gemeindevertretung eine Trauerſitzung ab, bei der Bürgermeiſter
Anton Werba die Trauerrede hielt. Gleichzeitig wurde be-
ſchloſſen, bis inkluſive 9. d. M. keine Unter-
haltungen und Konzerte
abhalten zu laſſen.
Samstag findet in der hieſigen katholiſchen Pfarrkirche ein
feierlicher Seelengottesdienſt ſtatt.

Aus Amſtetten ſchreibt man uns: In der Trauerſitzung
der Gemeindevertretung hielt GR. Gruber die Trauerrede.
Samstag vormittags findet ein Trauergottesdienſt und abends
eine Maſſenkundgebung der Bevölkerung ſtatt.

Aus Konſtantinsbad in Bosnien wird uns ge-
meldet: In der hieſigen Kirche wurde am 2. d. M vom
f.-e. Konſiſtorialſekretär Hnidek aus Prag ein Trauergottes-
dienſt abgehalten, zu dem ſich der Großteil der hier weilenden
Kurgäſte eingefunden hatte.

Aus Graz wird telegraphiert: Der Diözeſanrat Seckau
des Katholiſchen Schulvereines wohnte heute in der Stadtpfarr-
kirche einer Seelenmeſſe für den Erzherzog bei und hat an die
Kabinettskanzlei ein Beileidstelegramm abgeſendet. — Der
Stadtrat hat in ſeiner heutigen Sitzung die Errichtung eines
Erzherzogs-Franz-Ferdinand- und Herog in
von Hohenberg-Stiftungsfonds
beſchloſſen,
über deſſen alljährliche Dotierung der neu zuwählende Ge-
meinderat Beſchluß zu faſſen haben wird.

Aus Innsbruck wird uns geſchrieben: Heute, am Tage
der Leichenfeier, wurden für die Schuljugend Trauergottesdienſte
veranſtaltet. Die Schulen blieben geſchloſſen. Um 4 Uhr nach-
mittags begannen die Glocken aller Kirchen des Dekanats Inns-
bruck zu läuten. Eine halbe Stunde hindurch tönte das Trauer-
geläute durch die Stadt. Die Innsbrucker Handelskammer hielt
nachmittags eine Trauerſitzung.

Trauerkundgebungen haben beſchloſſen: Die
Kärtnlr Handels- und Gewerbekammer, der Ausſchuß der
Stadtgemeinde, Villach, der Gewerbeverband höherer Ordnung
in Klagenfurt, der Kärntner Landesſanitätsrat, ſowie zahlreiche
Vereine und Korporationen.

Sarajevo. Anläßlich der heutigen Trauerfeier in Wien ſind
hier ſämtliche Geſchäfte geſchloſſen. Der Kaiſer ließ dem Prä-
ſidenten der Handels- und Gewerbekammer Berkovic und dem
Vakuſdirektor Arnautovic für die Beileids- und Loyalitäts-
kundgebungen der genannten Körperſchaften den Dank aus-
ſprechen.

Das Organ der kroatiſchen Arbeiterſchaft „Rednicla Speza“
bringt einen Trauerartikel, worin geſagt wird, daß die Schuld
[Spaltenumbruch] am Attentate jener Teil der ſerbiſch-orthodoxen Bevölkerung
trägt, der durch ſeine Oppoſitionsarbeit gefährliche Mal-
kontenten, um ſtürzleriſche Elemente und
ofene Attentäter im Dienſte der groß-
ſerbiſchen Ideeerzag.




Trauergottesdienſte im Ausland.

Zu dem heute in der Hedwigskirche ab-
gehaltenen Requiem hatten ſich vom Kaiſerhauſe die
Prinzen Eitel Friedrich und Oskar ſowie
Prinzeſſin Friedrich Leopold und Prinz Wol-
rad
zu Schaumburg-Lippe eingefunden.

Dem heute mittag in der Ludwigskirche
abgehaltenen feierlichen Requiem wohnten bei: der König,
die Königin, der Kronprinz und die übrigen hier weilenden
Prinzen und Prinzeſſinnen des königlichen Hauſes, der
Herzog von Calabrien. Der König und der Kronprinz
trugen die Inhaberuniform ihrer öſterreichiſch-ungariſchen
Regimenter.

In der katholiſchen Weſtminſterkathedrale
wurde heute um 11½ Uhr vormittags ein Requiem abge-
halten. König Georg war durch den Prinzen Artur von
Connaught und die Königin-Mutter Alexandra durch
Lord Howe vertreten. Weiters waren anweſend König
Mannel mit Gemahlin und die Königin-
Mutter
von Portugal.

In der Marien-Kathedrale fand heute ein
Requiem ſtatt, dem u. a. der öſterreichiſch-ungariſche Konſul,
die anderen Konſuln ſowie der Kapitän und die Offiziere
des deutſchen Kanonenbootes „Eber“ beiwohnten.

Heute um 10 Uhr vormittags fand in
der hieſtgen katholiſchen Kirche ein Trauergottesdienſt
ſtatt, welchem Kronprinzregent Alexander mit ſeinem
Hofſtaate, der k. und k. Geſchäftsträger Legationsrat
v. Storck, Miniſterpräſident Paſic mit den Mitgliedern
der Regierung u. a. m. beiwohnten.

In der katholiſchen St. Katharinen-
kirche wurde eine feierliche Totenmeſſe zelebriet. Als Ver-
treter des Kaiſers war Großfürſt Nikolai Nikolaje-
witſch
erſchienen.

Heute mittag wurde in der Kapelle
der öſterreichiſch-ungariſchen Geſandſchaft ein Requiem für
den Herrn Erzherzog Franz Ferdinand zelebriert,
dem in Vertretung des Königs Miniſterpräſident Vukotic,
in Vertretung der montenegriniſchen Regierung Miniſter des
Aeußern Plamenatz, der Generaldirektor im Miniſterium
des Aeußern Ramadanovic, ferner andere Würden-
träger, das geſamte diplomatiſche Korps, das geſamte
Perſonal der öſterreichiſch-ungariſchen Geſandtſchaft und die
hier weilenden Oeſterreicher beiwohnten.




Ein Befehl des Korpskommandanten
von Sarajevo.


Anläßlich des ſchweren Schickſalſchlages, der die
Monarchie betroffen hat, erließ der Kommandant des
15. Korps einen Befehl, worin es heißt: Verzagen wir
auch in dieſem ſchweren Augenblicke nicht! Arbeiten
wir unentwegt an der Pflege jenes Geiſtes, der bisher
immer mit Recht der Stolz und die Tradition der
Armee war, in dem unſere Kraft beruht und der des
Reiches Schutz und Schirm bildet. Die verabſcheuungs-
würdigen Mordgeſellen, vor allem deren licht-
ſcheue Hintermänner
ſollen wiſſen, daß ſie
ihre dunklen Ziele niem als erreichen
werden.
Dafür wird Seiner Majeſtät und unſerem
großen Vaterlande allzeit treuergebene Armee
Sorge tragen
und die ſpontanen Kundgebungen
der Bevölkerung nicht nur hierzulande, ſondern auch in
allen Teilen unſeres weiten Reiches beweiſen, daß wir
uns in dieſen Beſtrebungen mit unſeren Mitbürgern
eins wiſſen. „Treu bis in den Tod“ ſoll auch für die
Zukunft unſere Deviſe bleiben.




Volkesſtimme.

Aus Leſerkreiſen gehen uns nachfolgende
Zeilen zu:

Wer in den vergangenen Tagen ſeit dem Schreckens-
ſonntag hingehorcht hat auf die Stimme
des Volkes,
der hat es erfahren, wie der Tod
dieſer beiden Prachtmenſchen jedes Oeſterreichers Herz
im Innerſten aufgewühlt hat. Man weiß nicht, was
größer iſt, der Schmerz über den unerſetzlichen Verluſt
oder die Empörung über die ruchloſe Tat. Wir haben
viel verloren, die lieben drei Kinder alles! ... und Gott
hat es gelitten, wer weiß, was er gewollt. Wer die
vielen Aeußerungen wahrſten, echten Schmerzes hörte,
der weiß es auch, daß manch einer gerne ſein Herzblut
für unſeren geliebten Thronfolger hingegeben hätte.
„Und wenn ich den Tod meiner Eltern erfahren hätte,“
hörte ich kurz nach der Schreckenskunde einen ſchlichten
Mann ſprechen, „es hätte mich im Augenblicke nicht
ſchwerer treffen können“. Ich wüßte eine Strafe für
den Mordgeſellen. An die Bahre ſeiner Opfer ſollte
man ihn führen in dem Augenblicke, wo die unglück-
lichen Kinder ihre ſo unendlich geliebten Eltern wieder-
ſehen .... Wenn er noch nicht zum Tiere herab-
geſunken iſt, iſt er für ſein ganzes Leben beſtraft genug.

So iſt er denn hingegangen von uns, er, der Lieb-
ling des Volkes, mit ſeiner herzensguten Gemahlin, deren
Eheleben allen ein faſt unerreichbares Ideal ſchien,
unſer unvergeßlicher Franz Ferdinand, von dem Graf
Sternberg ſchreibt, daß er ihn wie einen
Heiligen verehrt
habe. Noch brennt die offene
Wunde und wird noch lange brennen, aber auch die
[Spaltenumbruch] Empörung gegen die Mörder und deren Hinter
männer
ſchlägt in hellen Flammen empor.
Charakteriſtiſch ſind die Worte, die ich einen einfachen
Gewerbsmann ſprechen hörte: „Ja, wozu zahlen wir denn
das viele Geld für die Kanonen und die Kriegsſchiffe,
wenn jeder gedungene Bube unſere
Teuerſten ein fach niederknallen kann

und mit dem Mördergeſindel nicht aufgeräumt wird?“

Hört dieſe Worte ihr alle, die ihr berufen ſeid,
Oeſterreichs Geſchick zu leiten!




Von einer Wiener Perſönlichkeit, die uns erſucht,
„auch einen politiſchen Gegner, aber
einen Oeſterreicher“
zu Worte kommen zu
laſſen, erhalten wir folgende Zeilen:

Das Entweder — oder, die Frage nach Sein oder
Nichtſein, tritt in immer unverhüllterer Form an uns
Oeſterreicher heran. Ich ſage ausdrücklich „Oeſter-
reicher“
nicht „Oeſterreich“, denn das Oeſter-
reich hat uns ſeit einer Reihe von Jahren arg getäuſcht.

Ein böſer Traum; wir ſchrecken auf, treiben die
Schlafgeiſter aus Aug’ und Ohr. — Es iſt ja gar kein
böſer Traum, es iſt nackte, ſchreckliche Wirklichkeit: man
reſpektiert uns nicht, Großes, Bedeutendes, wir ſind
Nichts. Ich will nicht unterſuchen und konſtatieren, daß
den oder jenen die Schuld treffe, Oeſterreich oder die
Oeſterreicher, das Auswärtige Amt oder einen anderen.
Aber die Schuld iſt da, die Schuld, daß man von allen
Seiten, von Nordoſten und Südoſten im Beſonderen
zu drohen wagt, die Schuld, daß Feinde ſpottend höhnen,
Freunde witzeln. Ränkeſpinnen hinter glatten Worten,
Friedeſäuſeln hinter gezogenen Geſchützen, rechts ein
teilnehmender Händedruck, links die verborgene Knute;
das auf der einen Seite.

Und auf der anderen, offener, blutiger Hohn, ge-
boren aus blutgewohnter Megäre.

Genug der empiriſchen Betrachtung. Alle Staaten
Europas, die von der Kriſe der letzten Kriegsjahre be-
troffen waren, die mehr und minder engagiert, ſogar die
direkt Beteiligten, Sieger und Beſiegte, ſind daran, ſich
gründlich zu erholen. Nur Oeſterreich krankt weiter in
unabſehbare Fernen. Noch immer ſind viele Fabrikstore
ganz geſchloſſen, zu den Textil-, Glas- und Maſchinen-
fabriken wandern noch immer viel, viel weniger ſchaf-
fende, erwerbende Männer als in ſonſtigen, gerade auch
nicht roſigen Zeiten, Tauſende unſchuldiger Kinder
hungern. Noch immer ſteigen die Inſolvenznachrichten,
gute alte Häuſer beben vor dem Morgen, ſchwächere, die
auch vielverheißend waren, ſtraucheln, fallen.

Wie ein Alp liegt’s allen auf der Bruſt, dem In-
duſtriellen, dem Arbeiter, dem Kaufmann, dem Kon-
ſumenten.

Zwei Fragen ſind’s, die ſich da alle Oeſterreicher
ſtellen: Warum — wie lange noch? Geht nur hinaus,
ihr alle, die ihr’s nicht glauben könnt: Oeſterreicher ſind
es, die die Zuſtände nicht länger ertragen wollen,
Oeſterreicher aller Parteien. Laßt euch
nicht beirren durch Zeitungsſtimmen, die Stimmung
täuſchen wollen, fragt alle, auch den Armen, den Ar-
beiter: warum — wie lange noch? iſt ſeine Antwort!

Warum? — Weil Oeſterreich das nächſte Opfer
der Heimtücke und Hinterliſt ſein ſoll. Und der Feind
iſt nicht zu verachten. An Meucheln und Morden ge-
wohnt, durch häufige Uebung vertraut mit dieſem Me-
tier, holt er ſchon zum Stoße aus. Ein Oeſterreicher iſt
gefallen, in dem man den Beſten wähnte, die Stütze. Die
Beraubten, die Schwächeren ſollen folgen. Oeſterreich
trauert und ſchweigt. Ein Oeſterreicher iſt gefallen —
Millionen Oeſterreicher ſtehen auf, treten für den Einen
in die Schanze.

Warum? — Weil Oeſterreich verſchwinden ſoll,
weil die ſchweren Zeiten, die noch ſchwereren Zeiten voll
Greuel in der Luft liegen, darum will der Alp nicht
weichen, bleibt weiter Handel und Wandel unterbunden,
Not und Sorge der Oeſterreicher Gaſt.

Wie lange noch? — Das fragen Tauſende und
Abertauſende ſeit ſechs Jahren.




Die Teilnahme Dänemarks.
(Drahtbericht der „Reichspoſt“.)


Zu dem heute für den ermordeten Erzherzog und
ſeine Gemahlin abgehaltenen Pontifikal-
requiem,
zelebriert vom apoſtoliſchen Vikar, Biſchof
von Euken, erſchienen: Der König, die königlichen
Prinzen Harald, Waldemar, Axel und
Erik, ſowie Prinz Georg von Griechenland.
Die Fürſtlichkeiten wurden am Portal der Kirche vom
öſterreichiſch-ungariſchen Geſchäftsträger Legationsrat Frei-
herrn von Franz mit dem Perſonal der Geſandtſchaft und
des Konſulats, ſowie dem Admiral von Bardenfleth
als Vertreter der Königin-Witwe empfangen.
In der wunderbar ſchwarzdrapierten und mit
Blumen und Pflanzen geſchmückten Kirche waren ferner
in großer Uniform erſchienen: der Miniſter des Aeußern
v. Scavenius, die oberſten Staats- und Hof-
funktionäre, das ganze diplomatiſche Korps und die
öſterreichiſch-ungariſche Kolonie. Am Schluſſe der kirch-
lichen Feier wurde die Volkshymne geſpielt,
welche von der anweſenden Trauergemeinde ſtehend an-
gehört wurde und allſeits die tiefſte Ergriffenheit hervor-
rief. — Der König war bereits am Tage nach dem
ruchloſen Attentat perſönlich beim Geſchäfts-
träger Freiherrn v. Franz
erſchienen, um
demſelben ſeine tiefempfundene Teilnahme auszudrücken.




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[5/0005] Nr. 308 Wien, Samstag Reichspoſt 4. Juli 1914 die hohe Frau, die dem eblen Verblichenen im Leben Troſt und Stütze war und im Tode ihm treu vereint geblieben iſt. Meine Herren! Unſer Verein verliert an ſeinem Protektor ſeinen wärm- ſten Freund, ſeinen großmütigen Förderer; wir ſtehen tief er- griffen in unauslöſchlicher Dankbarkeit an der Bahre des verewigten Admirals — wie die Flotte ihren Führer, ihren Initiator verloren — ſo iſt dem Oeſterreichiſchen Flotten- verein ſein Führer, ſein Lenker geraubt. Meine Herren! Sie ſind gekommen in dem grenzenloſen Unglück, welches unſer Vaterland betroffen, das Andenken unſeres erhabenen Pro- tektors zu ehren — tun Sie es, in dem Sie feierlich ge- loben: der Oeſterreichiſche Flottenverein wird auch weiterhin im Sinne des Verblichenen wirken, er wird ihm übers Grab hin- aus Treue beweiſen,. er wird den Kurs halten, den ihm Erz- herzog Franz Ferdinand gewieſen, zu Oeſterreich-Ungarns Ruhm und Ehre! Auch die Damenſektion Wien des Oeſterreichiſchen Flottenvereines veranſtaltete eine Trauerkundgebung. Die Präſidentin Baronin Baumgartner hielt fol- gende Anſprache an die zahlreich erſchienenen Damen: Seit Sonntag durchzittern Schmerz und Trauer ganz Oeſter- reich. Erzherzog-Thronfolger Franz Ferdinand iſt eines jähen Todes verblichen. Mitten in raſtloſer, dem Wohle des Vater- landes gewidmeter Tätigkeit raffte ihn das Schickſal dahin. Als Held der Pflicht hat er ſich bewährt bis zum letzten Augen- blick. Auch um ſeine hohe Gemahlin trauern wir, die edle Frau, die ihm in voller Liebe anhing, die ihren Kindern die beſte und zärtlichſte Mutter war. Der allgemeinen Landestrauer geſellt ſich auch bei uns noch das ſchmerzliche Be- wußtſein, unſern hohen Protektor, den gütigen Förderer aller Be- ſtrebungen des Flottenvereines, verloren zu haben. In unſerem Herzen errichten wir ihm ein Denkmal, das dauernd zu erhalten wir in dieſer feierlichen Stunde geloben. An die Kabinettskanzlei des Kaiſers wurde ſeitens der Damenſektion eine Beileidstelegramm geſendet. Aus den Ortsgruppen des Oeſterreichiſchen Flotten- vereines treffen täglich Beileidstelegramme ein, welche Zeugnis ablegen von der großen Anteilnahme an dem ungeheuren Verluſte, den wir alle erlitten haben. Kondolenz der niederöſterreichiſchen landwirtſchaftlichen Zeutralkaſſe. In der heutigen Generalverſammlung der niederöſterreiſchen landwirtſchaftlichen Genoſſenſchaftszentralkaſſe gedachte der Vorſitzende Obmann Abg. Dechant Bauchinger zunächſt des Sarajevoer Ereigniſſes und beantragte die Abſendung folgenden Telegrammes an die Kabinettskanzlei: „Tief erſchüttert von der furchtbaren Kataſtrophe, die das Allerhöchſte Kaiſerhaus und unſer Vaterland betroffen hat, legt die heute im niederöſterreichiſchen Landhauſe tagende General- nerſammlung der niederöſterreichiſchen landwirtſchaftlichen Genoſſenſchaftſzentralkaſſe ihr tieftes Beileid an den Stufen des Thrones nieder und ſchwört Gurer Mazeſtät und dem Hauſe Habsburg unerſchütterliche Treue.“ Der Vorſitzende ſchloß ſodann zum Zeichen der Trauer die Verſammlung. Weitere Trauerkundgebungen veranſtalteten die Bezirksver- tretung, das Armeninſtitut und der Ortſchulrat des 9. Bezirkes, der katholiſche Fortbildungsverein Reunion, der überdies am 8. d. um 7 Uhr früh am Joſefs-, Frauen- und Leopoldsaltar der Stefanskirche drei Meſſen für das Seelenheil des ermordeten Thronfolgerpaares leſen läßt, der Staatsbeamten-Kaſinoverein, das k. k. Handelsmuſeum, der Verwaltungsrat der Allgemeinen Depoſitenbank, der Wiener Handels- und Gewerbeverein, die Vorſteher der Wiener Fleiſchhanergenoſſenſchaft. Der Ausſchuß der Congregazione Della Chieſa Nazionale Italiana, der öſter- reichiſche Fachſchriftſtellerverband, der Ausſchuß der „Eintracht“, der Wiener Kunſtgewerbeverein u. v. a. Am Sonntag den 5. Juli, 8 Uhr, wird in der Hauskapelle des Katholiſchen Geſellen- und Meiſter- vereines ein Trauergottesdienſt abgehalten. Die Hortzöglinge des ſtädtiſchen Knabenhortes im 17. Bezirk wurden Dienstag in der Hortſtation, 17. Be- zirk, Pezzlgaſſe, zu einer Trauerkundgebung verſammelt. Aus Mödling wird gemeldet: Heute vormittag wurde in der Sankt-Otmarkirche ein Requiem von Dechant Stadt- pfarrer Fuchs unter großer geiſtlicher Aſſiſtenz abgehalten, zu dem die Spitzen der Behörden und die Schulen erſchienen. Aus Sollenau wird uns geſchrieben: Am 2. d. fand hier eine Trauerſitzung der Gemeindevertretung unter dem Vorſitz des Bgm. RAbg. Gruber, am 3. d. ein feierliches Requiem ſtatt. Aus Gloggnitz wird gemeldet: Die erſte Einſegnung des Thronfolgerpaares auf niederöſterreichiſchem Boden nahm hier bei der Durchfahrt des Trauerzuges Marktpfarrer Johann Göller vor. Am Bahnhofe hatten ſich die Behörden und eine tauſendköpſige Menge eingefunden. Aus Mürzzuſchlag wird uns gemeldet: Geſtern hielt die Gemeindevertretung eine Trauerſitzung ab, bei der Bürgermeiſter Anton Werba die Trauerrede hielt. Gleichzeitig wurde be- ſchloſſen, bis inkluſive 9. d. M. keine Unter- haltungen und Konzerte abhalten zu laſſen. Samstag findet in der hieſigen katholiſchen Pfarrkirche ein feierlicher Seelengottesdienſt ſtatt. Aus Amſtetten ſchreibt man uns: In der Trauerſitzung der Gemeindevertretung hielt GR. Gruber die Trauerrede. Samstag vormittags findet ein Trauergottesdienſt und abends eine Maſſenkundgebung der Bevölkerung ſtatt. Aus Konſtantinsbad in Bosnien wird uns ge- meldet: In der hieſigen Kirche wurde am 2. d. M vom f.-e. Konſiſtorialſekretär Hnidek aus Prag ein Trauergottes- dienſt abgehalten, zu dem ſich der Großteil der hier weilenden Kurgäſte eingefunden hatte. Aus Graz wird telegraphiert: Der Diözeſanrat Seckau des Katholiſchen Schulvereines wohnte heute in der Stadtpfarr- kirche einer Seelenmeſſe für den Erzherzog bei und hat an die Kabinettskanzlei ein Beileidstelegramm abgeſendet. — Der Stadtrat hat in ſeiner heutigen Sitzung die Errichtung eines Erzherzogs-Franz-Ferdinand- und Herog in von Hohenberg-Stiftungsfonds beſchloſſen, über deſſen alljährliche Dotierung der neu zuwählende Ge- meinderat Beſchluß zu faſſen haben wird. Aus Innsbruck wird uns geſchrieben: Heute, am Tage der Leichenfeier, wurden für die Schuljugend Trauergottesdienſte veranſtaltet. Die Schulen blieben geſchloſſen. Um 4 Uhr nach- mittags begannen die Glocken aller Kirchen des Dekanats Inns- bruck zu läuten. Eine halbe Stunde hindurch tönte das Trauer- geläute durch die Stadt. Die Innsbrucker Handelskammer hielt nachmittags eine Trauerſitzung. Trauerkundgebungen haben beſchloſſen: Die Kärtnlr Handels- und Gewerbekammer, der Ausſchuß der Stadtgemeinde, Villach, der Gewerbeverband höherer Ordnung in Klagenfurt, der Kärntner Landesſanitätsrat, ſowie zahlreiche Vereine und Korporationen. Sarajevo. Anläßlich der heutigen Trauerfeier in Wien ſind hier ſämtliche Geſchäfte geſchloſſen. Der Kaiſer ließ dem Prä- ſidenten der Handels- und Gewerbekammer Berkovic und dem Vakuſdirektor Arnautovic für die Beileids- und Loyalitäts- kundgebungen der genannten Körperſchaften den Dank aus- ſprechen. Das Organ der kroatiſchen Arbeiterſchaft „Rednicla Speza“ bringt einen Trauerartikel, worin geſagt wird, daß die Schuld am Attentate jener Teil der ſerbiſch-orthodoxen Bevölkerung trägt, der durch ſeine Oppoſitionsarbeit gefährliche Mal- kontenten, um ſtürzleriſche Elemente und ofene Attentäter im Dienſte der groß- ſerbiſchen Ideeerzag. Trauergottesdienſte im Ausland. Berlin. Zu dem heute in der Hedwigskirche ab- gehaltenen Requiem hatten ſich vom Kaiſerhauſe die Prinzen Eitel Friedrich und Oskar ſowie Prinzeſſin Friedrich Leopold und Prinz Wol- rad zu Schaumburg-Lippe eingefunden. München. Dem heute mittag in der Ludwigskirche abgehaltenen feierlichen Requiem wohnten bei: der König, die Königin, der Kronprinz und die übrigen hier weilenden Prinzen und Prinzeſſinnen des königlichen Hauſes, der Herzog von Calabrien. Der König und der Kronprinz trugen die Inhaberuniform ihrer öſterreichiſch-ungariſchen Regimenter. London. In der katholiſchen Weſtminſterkathedrale wurde heute um 11½ Uhr vormittags ein Requiem abge- halten. König Georg war durch den Prinzen Artur von Connaught und die Königin-Mutter Alexandra durch Lord Howe vertreten. Weiters waren anweſend König Mannel mit Gemahlin und die Königin- Mutter von Portugal. Kapſtadt. In der Marien-Kathedrale fand heute ein Requiem ſtatt, dem u. a. der öſterreichiſch-ungariſche Konſul, die anderen Konſuln ſowie der Kapitän und die Offiziere des deutſchen Kanonenbootes „Eber“ beiwohnten. Belgrad. Heute um 10 Uhr vormittags fand in der hieſtgen katholiſchen Kirche ein Trauergottesdienſt ſtatt, welchem Kronprinzregent Alexander mit ſeinem Hofſtaate, der k. und k. Geſchäftsträger Legationsrat v. Storck, Miniſterpräſident Paſic mit den Mitgliedern der Regierung u. a. m. beiwohnten. St. Petersburg. In der katholiſchen St. Katharinen- kirche wurde eine feierliche Totenmeſſe zelebriet. Als Ver- treter des Kaiſers war Großfürſt Nikolai Nikolaje- witſch erſchienen. Cetinje, 3. Juli. Heute mittag wurde in der Kapelle der öſterreichiſch-ungariſchen Geſandſchaft ein Requiem für den Herrn Erzherzog Franz Ferdinand zelebriert, dem in Vertretung des Königs Miniſterpräſident Vukotic, in Vertretung der montenegriniſchen Regierung Miniſter des Aeußern Plamenatz, der Generaldirektor im Miniſterium des Aeußern Ramadanovic, ferner andere Würden- träger, das geſamte diplomatiſche Korps, das geſamte Perſonal der öſterreichiſch-ungariſchen Geſandtſchaft und die hier weilenden Oeſterreicher beiwohnten. Ein Befehl des Korpskommandanten von Sarajevo. Sarajevo, 3. Juli. Anläßlich des ſchweren Schickſalſchlages, der die Monarchie betroffen hat, erließ der Kommandant des 15. Korps einen Befehl, worin es heißt: Verzagen wir auch in dieſem ſchweren Augenblicke nicht! Arbeiten wir unentwegt an der Pflege jenes Geiſtes, der bisher immer mit Recht der Stolz und die Tradition der Armee war, in dem unſere Kraft beruht und der des Reiches Schutz und Schirm bildet. Die verabſcheuungs- würdigen Mordgeſellen, vor allem deren licht- ſcheue Hintermänner ſollen wiſſen, daß ſie ihre dunklen Ziele niem als erreichen werden. Dafür wird Seiner Majeſtät und unſerem großen Vaterlande allzeit treuergebene Armee Sorge tragen und die ſpontanen Kundgebungen der Bevölkerung nicht nur hierzulande, ſondern auch in allen Teilen unſeres weiten Reiches beweiſen, daß wir uns in dieſen Beſtrebungen mit unſeren Mitbürgern eins wiſſen. „Treu bis in den Tod“ ſoll auch für die Zukunft unſere Deviſe bleiben. Volkesſtimme. Aus Leſerkreiſen gehen uns nachfolgende Zeilen zu: Wer in den vergangenen Tagen ſeit dem Schreckens- ſonntag hingehorcht hat auf die Stimme des Volkes, der hat es erfahren, wie der Tod dieſer beiden Prachtmenſchen jedes Oeſterreichers Herz im Innerſten aufgewühlt hat. Man weiß nicht, was größer iſt, der Schmerz über den unerſetzlichen Verluſt oder die Empörung über die ruchloſe Tat. Wir haben viel verloren, die lieben drei Kinder alles! ... und Gott hat es gelitten, wer weiß, was er gewollt. Wer die vielen Aeußerungen wahrſten, echten Schmerzes hörte, der weiß es auch, daß manch einer gerne ſein Herzblut für unſeren geliebten Thronfolger hingegeben hätte. „Und wenn ich den Tod meiner Eltern erfahren hätte,“ hörte ich kurz nach der Schreckenskunde einen ſchlichten Mann ſprechen, „es hätte mich im Augenblicke nicht ſchwerer treffen können“. Ich wüßte eine Strafe für den Mordgeſellen. An die Bahre ſeiner Opfer ſollte man ihn führen in dem Augenblicke, wo die unglück- lichen Kinder ihre ſo unendlich geliebten Eltern wieder- ſehen .... Wenn er noch nicht zum Tiere herab- geſunken iſt, iſt er für ſein ganzes Leben beſtraft genug. So iſt er denn hingegangen von uns, er, der Lieb- ling des Volkes, mit ſeiner herzensguten Gemahlin, deren Eheleben allen ein faſt unerreichbares Ideal ſchien, unſer unvergeßlicher Franz Ferdinand, von dem Graf Sternberg ſchreibt, daß er ihn wie einen Heiligen verehrt habe. Noch brennt die offene Wunde und wird noch lange brennen, aber auch die Empörung gegen die Mörder und deren Hinter männer ſchlägt in hellen Flammen empor. Charakteriſtiſch ſind die Worte, die ich einen einfachen Gewerbsmann ſprechen hörte: „Ja, wozu zahlen wir denn das viele Geld für die Kanonen und die Kriegsſchiffe, wenn jeder gedungene Bube unſere Teuerſten ein fach niederknallen kann und mit dem Mördergeſindel nicht aufgeräumt wird?“ Hört dieſe Worte ihr alle, die ihr berufen ſeid, Oeſterreichs Geſchick zu leiten! Von einer Wiener Perſönlichkeit, die uns erſucht, „auch einen politiſchen Gegner, aber einen Oeſterreicher“ zu Worte kommen zu laſſen, erhalten wir folgende Zeilen: Das Entweder — oder, die Frage nach Sein oder Nichtſein, tritt in immer unverhüllterer Form an uns Oeſterreicher heran. Ich ſage ausdrücklich „Oeſter- reicher“ nicht „Oeſterreich“, denn das Oeſter- reich hat uns ſeit einer Reihe von Jahren arg getäuſcht. Ein böſer Traum; wir ſchrecken auf, treiben die Schlafgeiſter aus Aug’ und Ohr. — Es iſt ja gar kein böſer Traum, es iſt nackte, ſchreckliche Wirklichkeit: man reſpektiert uns nicht, Großes, Bedeutendes, wir ſind Nichts. Ich will nicht unterſuchen und konſtatieren, daß den oder jenen die Schuld treffe, Oeſterreich oder die Oeſterreicher, das Auswärtige Amt oder einen anderen. Aber die Schuld iſt da, die Schuld, daß man von allen Seiten, von Nordoſten und Südoſten im Beſonderen zu drohen wagt, die Schuld, daß Feinde ſpottend höhnen, Freunde witzeln. Ränkeſpinnen hinter glatten Worten, Friedeſäuſeln hinter gezogenen Geſchützen, rechts ein teilnehmender Händedruck, links die verborgene Knute; das auf der einen Seite. Und auf der anderen, offener, blutiger Hohn, ge- boren aus blutgewohnter Megäre. Genug der empiriſchen Betrachtung. Alle Staaten Europas, die von der Kriſe der letzten Kriegsjahre be- troffen waren, die mehr und minder engagiert, ſogar die direkt Beteiligten, Sieger und Beſiegte, ſind daran, ſich gründlich zu erholen. Nur Oeſterreich krankt weiter in unabſehbare Fernen. Noch immer ſind viele Fabrikstore ganz geſchloſſen, zu den Textil-, Glas- und Maſchinen- fabriken wandern noch immer viel, viel weniger ſchaf- fende, erwerbende Männer als in ſonſtigen, gerade auch nicht roſigen Zeiten, Tauſende unſchuldiger Kinder hungern. Noch immer ſteigen die Inſolvenznachrichten, gute alte Häuſer beben vor dem Morgen, ſchwächere, die auch vielverheißend waren, ſtraucheln, fallen. Wie ein Alp liegt’s allen auf der Bruſt, dem In- duſtriellen, dem Arbeiter, dem Kaufmann, dem Kon- ſumenten. Zwei Fragen ſind’s, die ſich da alle Oeſterreicher ſtellen: Warum — wie lange noch? Geht nur hinaus, ihr alle, die ihr’s nicht glauben könnt: Oeſterreicher ſind es, die die Zuſtände nicht länger ertragen wollen, Oeſterreicher aller Parteien. Laßt euch nicht beirren durch Zeitungsſtimmen, die Stimmung täuſchen wollen, fragt alle, auch den Armen, den Ar- beiter: warum — wie lange noch? iſt ſeine Antwort! Warum? — Weil Oeſterreich das nächſte Opfer der Heimtücke und Hinterliſt ſein ſoll. Und der Feind iſt nicht zu verachten. An Meucheln und Morden ge- wohnt, durch häufige Uebung vertraut mit dieſem Me- tier, holt er ſchon zum Stoße aus. Ein Oeſterreicher iſt gefallen, in dem man den Beſten wähnte, die Stütze. Die Beraubten, die Schwächeren ſollen folgen. Oeſterreich trauert und ſchweigt. Ein Oeſterreicher iſt gefallen — Millionen Oeſterreicher ſtehen auf, treten für den Einen in die Schanze. Warum? — Weil Oeſterreich verſchwinden ſoll, weil die ſchweren Zeiten, die noch ſchwereren Zeiten voll Greuel in der Luft liegen, darum will der Alp nicht weichen, bleibt weiter Handel und Wandel unterbunden, Not und Sorge der Oeſterreicher Gaſt. Wie lange noch? — Das fragen Tauſende und Abertauſende ſeit ſechs Jahren. Die Teilnahme Dänemarks. (Drahtbericht der „Reichspoſt“.) Kopenhagen, 3. Juli. Zu dem heute für den ermordeten Erzherzog und ſeine Gemahlin abgehaltenen Pontifikal- requiem, zelebriert vom apoſtoliſchen Vikar, Biſchof von Euken, erſchienen: Der König, die königlichen Prinzen Harald, Waldemar, Axel und Erik, ſowie Prinz Georg von Griechenland. Die Fürſtlichkeiten wurden am Portal der Kirche vom öſterreichiſch-ungariſchen Geſchäftsträger Legationsrat Frei- herrn von Franz mit dem Perſonal der Geſandtſchaft und des Konſulats, ſowie dem Admiral von Bardenfleth als Vertreter der Königin-Witwe empfangen. In der wunderbar ſchwarzdrapierten und mit Blumen und Pflanzen geſchmückten Kirche waren ferner in großer Uniform erſchienen: der Miniſter des Aeußern v. Scavenius, die oberſten Staats- und Hof- funktionäre, das ganze diplomatiſche Korps und die öſterreichiſch-ungariſche Kolonie. Am Schluſſe der kirch- lichen Feier wurde die Volkshymne geſpielt, welche von der anweſenden Trauergemeinde ſtehend an- gehört wurde und allſeits die tiefſte Ergriffenheit hervor- rief. — Der König war bereits am Tage nach dem ruchloſen Attentat perſönlich beim Geſchäfts- träger Freiherrn v. Franz erſchienen, um demſelben ſeine tiefempfundene Teilnahme auszudrücken.

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 308, Wien, 04.07.1914, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost308_1914/5>, abgerufen am 22.12.2024.