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Reichspost. Nr. 308, Wien, 04.07.1914.

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Wien, Samstag Reichspost 4. Juli 1914 Nr. 308

[Spaltenumbruch]
Das Eingreifen des
Kaisers.

Heute nachmitttag wurde folgende Meldung aus-
gegeben:

"Auf Allerhöchste Anordnung Sr.
Majestät
des Kaisers werden aus Anlaß der
heutigen Ueberführung der Leichen des Erzherzogs
Franz Ferdinand und der Herzogin von Hohenberg die
verfügbaren Truppen der Garnison
Wien ausrücken.
Die Aufstellung wird vom
Kommandanten der 49. Infanterietruppendivision
FML. Kritek befehligt. Dem Leichenzug wird die
Ehrenbezeigung durch Schlagen des Generalmarsches
und durch Senken der Fahnen geleistet. Generalität,
die Stabs- und Oberoffiziere und Militärbeamten ver-
sammeln sich beim Westbahnhofe. Die Truppen stehen
in der Ringstraße und Mariahilferstraße bis zur
Königsklostergasse".

Ganz Wien danktes dem Kaiser, daß
er persönlich eingegriffen hat, um die schweren
Taktlosigkeiten der Hofbehörden
abzustellen,
die sich bei dieser Trauerfeierlichkeit.
ereignet haben. Die Hofbehörden haben diese Leichen-
feier mit einer Unsumme von groben Verstößen gegen
die Pietät begangen und die Entrüstung, die in der
ganzen Wiener Bevölkerung hinauf bis in die Kreise der
Generalität und der Geheimen Räte herrscht, ist namen-
los. Noch niemals hat Wien eine solche Würdelosigkeit,
eine solche Verletzung der Rücksichten, welche dem Kaiser-
hause und gar einem für Kaiser und Reich gefallenen
Erzherzog-Thronfolger gebühren, erlebt. Die Anteil-
nahme des Heeres an dem Leichenbegängnisse eines
Erzherzogs, der nächst dem Allerhöchsten Kriegsherrn
der oberste Chef war, und der als Soldat bei
Ausübung seiner militärischen Pflichten
gestorben ist, wurde bisher künstlich
verhindert.

Großen Unwillen erregte es auch, als die Hunderte
von Kränzen, die Zeugen der Liebe von unzähligen
Persönlichkeiten unseres öffentlichen Lebens, ja von
ganzen Völkern waren, heute nachmittag auf
gewöhnlichen Hoflastwagen
auf den
Westbahnhof geschafft wurden.




Der Kaiser.

Der Kaiser hat heute um 9 Uhr vormittags
den Obersthofmeister weiland des Herrn Erzherzogs
Franz Ferdinand Freiherrn v. Rumerskirch in
besonderer Audienz empfangen.

Um 10 Uhr erschien beim Kaiser Herr Erzherzog-
Thronfolger Karl Franz Josef in Privat-
audienz.




Die Beisetzung in Artstetten.
Die erzherzogliche Gruft.


Weitauf stehen die Torflügel der Gruft, die des
Schloßherrn harrt, der im ersten Morgengrauen mit
seiner Gemahlin in das Schloß wiederkehrt, um hier die
ewige Ruhe zu finden.

Im Jahre 1910 hat der hohe Verblichene die Gruft
für sich und seine Familie unterhalb der an das Schloß
angebauten Pfarr- und Schloßkirche anlegen lassen. Sie
liegt obertags und empfängt durch kleine Fenster in der
Höhe Tageslicht. Die Gruft ist nach den genauen Anord-
nungen des hoh em Verblichenen so angebracht worden, daß
sie des gruftartigen Charakters ganz entbehrt. Denn die
Kirche, in deren Unterbau die Gruft liegt, steht hoch oben
auf einem Plateau, zu welchem 36 Stufen führen, so daß
das nunmehr schwarz verhängte Gruftportal, das von
dem erzherzoglichen Wappen gekrönt ist, noch über dem
Niveau der Parkanlagen liegt. Dieses Portal ist ein stim-
mungsvolles Tor aus gelbem Sandstein, ein Alt-Tiroler
Friedhofstor, das der Erzherzog nach Artstetten bringen
ließ.

Das Innere der Gruft ist puritanisch einfach gehalten.
Die Wände sind glatt weiß, weiß auch und schmucklos der
Marmoraltar in der Nische. Dem Altar gegenüber im
Gewölbe stehen die beiden mit schwarzem Bahrtuch bedeckten
Katafalke, dazwischen ein kleiner silberner Sarg mit der
Leiche des vor drei Jahren totgeborenen Töchterchens
des Herrn Erzherzogs. Ueber den Katafalken in der Decke
ist der dreiteilige durchsichtige Gruftdeckel angebracht, der
sich in den Erdboden vor dem Altar der Kirche einfügt.
Auf Wunsch des Erzherzogs wird aber dieser Gruftdeckel
nie geöffnet werden. Links vor dem schwarz ausgeschlagenen
Eingangstor der Schloßkirche, die zugleich die Pfarrkirche
von Artstetten ist, steht an der Umfassungsmauer des
Gartens ein Rondeau aus Palmen, Lorbeer- und Buchs-
bäumen, Blumenarrangements der gleichen Art, nur durch
verschiedenfarbige Hortensien belebt, füllen alle Nischen im
Innern der Kirche und reiche Blumendekorationen ver-
kleiden die Wände zu beiden Seiten des Hauptaltars und
flankieren die beiden Seitenaltäre. Der Kirchenraum ist
ganz schwarz ausgeschlagen. Oratorium und Chor sind
gleichfalls schwarz verhängt und die Wände, an denen die
Altäre stehen, tragen das Kreuztuch. Schwarze Teppiche
sind über den Boden gebreitet und auch die Bänke im
Kirchenschiff sind in schwarzes Tuch gehüllt. Ueber dem
[Spaltenumbruch] Kirchenportale und im Innern in der Höhe des Chores
sind die Wappen des Erzherzogs und der Herzogin an-
gebracht. Silverne Kandelaber vor den Altären leuchten
aus dem Dunkel hervor.

Vor dem Hauptaltar stehen die Schaubetten. Hier
werden die beiden Särge um 3 Uhr 30 Minuten morgens
reponiert und um 11 Uhr vormittags erfolgt in Gegen-
wart der Mitglieder des Kaiserhauses und der Gefolge
die feierliche Einsegnung.

Im Laufe des heutigen Nachmittags brachten Auto-
mobile und Eisenbahnzüge eine unübersehbare Zahl von
Kranzen, die zum Teil in der Gruft niedergelegt, zum
Teil zu beiden Seiten des Weges von der Kirche zum
Grusteingange ausgebreitet werden. In Artstetten,
Großpöchlarn
und Kleinpöchlarn wehen
schwarze Fahnen von den Giebeln der Häuser und auch
auf der ganzen Westbahnstrecke sind die Häuser zu beiden
Seiten des Geleises mit Trauerfahnen geschmückt. Die
große Rollfähre, welche die Leichen von Pöchlarn über die
Donau, die hier breit und mächtig dahinfließt, an das
andere Ufer übersetzen wird, ist schwarz drapiert und
Trauerfahnen sind am Gitter angebracht.

Um 12 Uhr 37 Min. nachts trifft der Separatzug mit
den Leichen in der Station Großpöchlarn ein. Den
Zug begleiten Obersthofmeister Freiherr v. Rumers-
kirch,
Dienstkämmerer Rittmeister Graf Van der
Straten,
Dienstkämmerer Dr. Andreas Freiherr von
Morsey, Flügeladjutant Oberst Dr. Bardolff und
die Beamten des Obersthofmeisteramtes und des Sekre-
tariates des verblichenen Erzherzogs sowie das erzherzog-
lich Kammerpersonal. Die Särge verbleiben bis 2 Uhr
30 Minuten im Waggon, zu welcher Stunde ihre Ueber-
führung nach dem Schlosse erfolgt.




Das Ideal der Liebe.
Dem Andenken der Herzogin von Hohenberg.

Von einer Dame der Wiener hohen
Gesellschaft
erhalten wir folgende Zeilen:

In einem englischen Buche steht etwas so wahres:
daß es mit der Liebe wie mit den Gespenstern sei; "so
viele reden davon, so wenige haben sie gesehen."

Und in diesen so schicksalsschweren Tagen muß ich
immer an diese Worte denken, denn wahrlich unter diese
Wenigen, die die Liebe gesehen, gehört die verewigte
Herzogin von Hohenberg. Sie hat durch ihren Helden-
tod bewiesen, daß sie die höchste Liebe gekannt, daß sie
für den Gegenstand ihrer Liebe ihre Leben geben wollte.

In den Tagen des Glanzes ist es ein Leichtes, an
der Seite eines Mannes zu sein, dem eine hohe
Stellung, Ruhm und äußere Pracht verliehen, das trifft
eine jede Frau, aber im Tode bei ihm auszuharren
und der Gefahr lächelnd entgegenzusehen, wenn diese
nur mit ihm geteilt werden kann, das
ist ein Zeichen der Auserwählung,
und wenige werden ihr auf jene Schmerzenshöhe dieses
schrecklichen 28. Juni folgen können.

Das ist das Ideal einer Liebe, so zu sterben, wenn
auch von ferne vor ihrem erlöschenden Blicke ihr liebes
Kleeblatt, ihr rosenumranktes Konopischt, das viele, was
sie hätte noch leisten können, wenn das alles vor ihr
geistiges Auge -- trat das Glück, mit ihm sterben
zu können,
schien ihr doch das Allerhöchste.

Sie war sein guter Engel und wird es auch vom
Himmel aus für die drei Waisen bleiben, für die heute
ganz Oesterreich heißes Mitleid fühlt.




Kaiser Wilhelm an unsere
Marine.
Das Beileidstelegramm des Kaisers.

Kaiser Wilhelm hat an den Marinekomman-
danten Admiral Haus nachstehende Depesche gerichtet:

"Nehmen Sie als Vertreter der kaiserlichen und
königlichen Marine den Ausdruck meines ganz
besonderen Beileides
entgegen anläßlich des
jähen Hinscheidens Ihres Erzherzog-Admirals. Ich weiß,
wie sein Herz für die Flotte schlug
und wie er für sie gewirkt hat. Ich
habe aber auch die Zuversicht, daß sein Geist
weiterleben
wird in den Offizieren und Mann-
schaften der österreichisch-ungarischen Marine. Mit
mir trauert meine Flotte,
in deren
Mitte ich mich befinde und welche morgen den Trauer-
salut feuern soll für den fürstlichen Admiral, der auch
ihr Freund war.




Der Dank des Marinekommandanten.


Auf das Beileidstelegramm Kaiser Wilhelms
ist folgendes Antworttelegramm des Admirals Haus
eingegangen:

"Niedergeschmettert von der Tragik des Schicksals
sind uns die gnädigen Worte der Teilnahme, die Eure
Majestät an mich zu richten die Gnade hatten, ein
wahrer Trost und ein Ansporn zu
weiterer Arbeit.
Genehmigen Eure Majestät
meinen und der kaiserlichen und königlichen Kriegs-
marine tief ergebensten Dank und die Bitte, anzu-
befehlen, daß Eurer Majestät mittrauernder stolzer
Flotte unser innigster, kameradschaft-
licher Dank
bekanntgegeben werde."




[Spaltenumbruch]
Die Armeetrauer.

Das Kriegsministerium hat folgenden Erlaß heraus-
gegeben: "Auf Allerhöchsten Befehl hat die Hoftrauer
für weiland Seine k. u. k. Hoheit den durchlauchtigsten
Herrn Erzherzog Frauz Ferdinand von Oesterreich-Este
als Armeetrauer zu gelten und sind in den
ersten Wochen an den Fahnen (Standarten) nnd an den
Festungs-(Kasernen-)flaggen Trauerflore zu be-
festigen. Die Wachen haben ohne Musiken auf-
zuziehen. Das Spielen der Musiken bei dienstlichen An-
lässen hat während dieser Zeit zu unterbleiben; ebenso
haben keine Platzmusiken stattzufinden. Außerdienstliche
Verwendungen der Musiken an Unterhaltungsorten
sind von Sonntag den 5. Juli an gestattet."




Trauerkundgebungen.
Die Trauersitzung der Christlichsozialen
Vereinigung.

Ein Ereignis bewegt das Reich, wie es von größere[r]
Bedeutung nicht gedacht werden kann. Beide Häuser des
Reichsrates müssen sich damit begnügen, durch ihre
Präsidenten ihre Beileidskundgebungen schriftlich an den
Ministerpräsidenten zu richten. Von den Parteien des
Abgeordnetenhauses hat man nur vernommen, daß der
Obmann des Polenklubs Dr. Leo aus Krakau eine
postalische Kundgebung an den Ministerpräsidenten sandte.
Der Obmann des Deutschen Nationalverbandes hat
persönlich beim Ministerpräsidenten vorgesprochen. Die
einzige Christlichsoziale Partei hat eine würdige und
eindrucksvolle Trauerkundgebung veranstaltet, sie hat
den Anforderungen genügt, die bei einer solchen
Gelegenheit an eine reichs- und dynastietreue Partei ge-
stellt werden können. Es ist ein Symptom der augen-
blicklichen Zerfahrenheit unseres politischen Lebens, daß
die christlichsoziale Partei mit ihrem löb-
lichen Beispiele allein dasteht und daß keine zweite
Partei gleich ihr getan hat, was Pflicht jeder parla-
mentarischen Gruppe gewesen wäre.

Um so wohltuender wirkt es, daß die christlichsoziale
Vereinigung heute vormittag zu einer Trauerkundgebung
zusammentrat. Den Vorsitz führte der geschäftsführende
Obmann Rienößl, der die zahlreichen, in Trauer-
kleidung erschienenen Abgeordneten sowie das Herren-
hausmitglied Minister a. D. Dr. v. Wittek begrüßte
und sodann folgende Ansprache hielt:

"Meine hochverehrten Herren!

Wie Ihnen allen bekannt ist, haben Se. k. k. Hoheit Herr
Erzherzog Franz Ferdinand von Oesterreich-Este und höchst-
dessen Gemahlin Frau Herzogin Sofie von Hohenberg in der
bosnischen Landeshauptstadt durch Mörderhand den Tod ge-
funden. Ein namenloses fluchwürdiges Verbrechen hat uns des
allernächsten Thronagnaten, der starken Zukunftshoffnung des
Reiches beraubt. In solch ernster Stunde ist es unser aller
Herzensbedürfnis der innigsten Trauer und dem
tiefsten Abscheu über die ruchlose Tat
von Sarajevo
Ausdruck zu verleihen. Zu dem ganzen
Komplex der hochpolitischen Fragen Stellung zu nehmen,
deren Höhepunkt der Fürstenmord des 28. Juni 1914
darstellt, dazu wird und muß sich in einem späteren
Zeitpunkt, zu passenderer Stunde Gelegenheit er-
geben. Nur das eine sei schon heute gesagt: Es muß festgestellt
werden, daß das große mächtige Oesterreich Jahre hindurch
gegenüber dem provozierenden Auftreten gewisser Elemente
kleiner unbedeutender Nachbarstaaten an der Südgrenze unserer
Monarchie weitestgehende Nachsicht geübt hat, daß
aber diese zurückhaltende Politik nicht nur kein Ver-
ständnis
gefunden, sondern im Gegenteil ein stetes An-
schwellen provozierender radikaler Strömungen dort zur Folge
gehabt hat. Nur so konnte es zu dieser unseligen Bluttat
kommen, durch welche unser edler Thronfolger, der Stolz und
die Hoffnung Oesterreichs, und seine hochsinnige Gemahlin
dahingerafft wurden. Unser Herzensbedürfnis aber ist
es heute, unserem vielgeliebten und vielgeprüsten
Monarchen, dem nach Bekanntwerden des fluchwür-
digen Attentats unsere ersten Gedanken gegolten haben,
unsere herzinnige Anteilnahme an dem schweren Schicksals-
schlage zum Ausdruck zu bringen. Wir gedenken aber in diesem
ernsten Augenblick auch mit Wehmut der armen ver-
lassenen Waisen,
die ihre liebenden und fürsorglichen
Eltern auf schreckliche Weise verloren haben, und empfehlen sie
dem Schutze des Allmächtigen. Aus der Tiefe des Herzens
dringen in diesen Tagen die Gebete zum Himmel, Gott der
Allmächtige verleihe Sr. Majestät unserem allergnädigsten
Kaiser und Herrn Trost und Stärke in diesen schweren
Stunden der Prüfung und schütze unser innigstgeliebtes
Vaterland! Dies ist der Ausruck unserer innigsten
Gefühle und der heißeste Wunsch der gesamten Partei, die
stets an dem Bestande an der Größe und Bedeutung des
Reiches festgehalten hat und festhalten wird und die im Glück
und Unglück nach wie vor unerschütterlich zu dem angestammten
Kaiserhause steht.

Sie haben sich zum Zeichen der Trauer von den Sitzen
erhoben, ich bin Ihrer Zustimmung gewiß, wenn diese Kund-
gebung dem Protokolle der Sitzung einverleibt wird. Sie
gestatten aber auch, daß ich diese Enunziation an Seine
Exzellenz den Herrn Ministerpräsidenten Karl Grafen
Stürgkh mit der Bitte übermittle, sie an die Stufen des
Allerhöchsten Thrones zu leiten.

Die Mitglieder des christlichsozialen Reichsratsklubs
hörten die Ansprache des Obmannes unter lautloser
Stille an; die Trauerkundgebung fand mit den Schluß-
worten des Abg. Rienößl ihr Ende.




Trauersitzung im Oesterreichischen
Flottenverein.

Der Vorstand des Oesterreichischen Flottenvereines
hielt gestern eine Trauersitzung ab, welche der Präsident
Alfred Prinz Liechtenstein mit folgender An-
sprache eröffnete:

Meine Herren!

Ein furchtbares, erschütterndes Geschehnis führt uns in
Schmerz und Trauer zusammen. Am 28. Juni vernahmen
Oesterreich-Ungarns Völker die gräßliche Kunde: Erzherzog
Franz Ferdinand ist in treuer, mannhafter Pflicht-
erfüllung als aufrechter, tapferer Soldat
von
ruchloser Mörderhand dahingerafft worden; an seiner Seite fiel

Wien, Samstag Reichspoſt 4. Juli 1914 Nr. 308

[Spaltenumbruch]
Das Eingreifen des
Kaiſers.

Heute nachmitttag wurde folgende Meldung aus-
gegeben:

„Auf Allerhöchſte Anordnung Sr.
Majeſtät
des Kaiſers werden aus Anlaß der
heutigen Ueberführung der Leichen des Erzherzogs
Franz Ferdinand und der Herzogin von Hohenberg die
verfügbaren Truppen der Garniſon
Wien ausrücken.
Die Aufſtellung wird vom
Kommandanten der 49. Infanterietruppendiviſion
FML. Kritek befehligt. Dem Leichenzug wird die
Ehrenbezeigung durch Schlagen des Generalmarſches
und durch Senken der Fahnen geleiſtet. Generalität,
die Stabs- und Oberoffiziere und Militärbeamten ver-
ſammeln ſich beim Weſtbahnhofe. Die Truppen ſtehen
in der Ringſtraße und Mariahilferſtraße bis zur
Königskloſtergaſſe“.

Ganz Wien danktes dem Kaiſer, daß
er perſönlich eingegriffen hat, um die ſchweren
Taktloſigkeiten der Hofbehörden
abzuſtellen,
die ſich bei dieſer Trauerfeierlichkeit.
ereignet haben. Die Hofbehörden haben dieſe Leichen-
feier mit einer Unſumme von groben Verſtößen gegen
die Pietät begangen und die Entrüſtung, die in der
ganzen Wiener Bevölkerung hinauf bis in die Kreiſe der
Generalität und der Geheimen Räte herrſcht, iſt namen-
los. Noch niemals hat Wien eine ſolche Würdeloſigkeit,
eine ſolche Verletzung der Rückſichten, welche dem Kaiſer-
hauſe und gar einem für Kaiſer und Reich gefallenen
Erzherzog-Thronfolger gebühren, erlebt. Die Anteil-
nahme des Heeres an dem Leichenbegängniſſe eines
Erzherzogs, der nächſt dem Allerhöchſten Kriegsherrn
der oberſte Chef war, und der als Soldat bei
Ausübung ſeiner militäriſchen Pflichten
geſtorben iſt, wurde bisher künſtlich
verhindert.

Großen Unwillen erregte es auch, als die Hunderte
von Kränzen, die Zeugen der Liebe von unzähligen
Perſönlichkeiten unſeres öffentlichen Lebens, ja von
ganzen Völkern waren, heute nachmittag auf
gewöhnlichen Hoflaſtwagen
auf den
Weſtbahnhof geſchafft wurden.




Der Kaiſer.

Der Kaiſer hat heute um 9 Uhr vormittags
den Oberſthofmeiſter weiland des Herrn Erzherzogs
Franz Ferdinand Freiherrn v. Rumerskirch in
beſonderer Audienz empfangen.

Um 10 Uhr erſchien beim Kaiſer Herr Erzherzog-
Thronfolger Karl Franz Joſef in Privat-
audienz.




Die Beiſetzung in Artſtetten.
Die erzherzogliche Gruft.


Weitauf ſtehen die Torflügel der Gruft, die des
Schloßherrn harrt, der im erſten Morgengrauen mit
ſeiner Gemahlin in das Schloß wiederkehrt, um hier die
ewige Ruhe zu finden.

Im Jahre 1910 hat der hohe Verblichene die Gruft
für ſich und ſeine Familie unterhalb der an das Schloß
angebauten Pfarr- und Schloßkirche anlegen laſſen. Sie
liegt obertags und empfängt durch kleine Fenſter in der
Höhe Tageslicht. Die Gruft iſt nach den genauen Anord-
nungen des hoh em Verblichenen ſo angebracht worden, daß
ſie des gruftartigen Charakters ganz entbehrt. Denn die
Kirche, in deren Unterbau die Gruft liegt, ſteht hoch oben
auf einem Plateau, zu welchem 36 Stufen führen, ſo daß
das nunmehr ſchwarz verhängte Gruftportal, das von
dem erzherzoglichen Wappen gekrönt iſt, noch über dem
Niveau der Parkanlagen liegt. Dieſes Portal iſt ein ſtim-
mungsvolles Tor aus gelbem Sandſtein, ein Alt-Tiroler
Friedhofstor, das der Erzherzog nach Artſtetten bringen
ließ.

Das Innere der Gruft iſt puritaniſch einfach gehalten.
Die Wände ſind glatt weiß, weiß auch und ſchmucklos der
Marmoraltar in der Niſche. Dem Altar gegenüber im
Gewölbe ſtehen die beiden mit ſchwarzem Bahrtuch bedeckten
Katafalke, dazwiſchen ein kleiner ſilberner Sarg mit der
Leiche des vor drei Jahren totgeborenen Töchterchens
des Herrn Erzherzogs. Ueber den Katafalken in der Decke
iſt der dreiteilige durchſichtige Gruftdeckel angebracht, der
ſich in den Erdboden vor dem Altar der Kirche einfügt.
Auf Wunſch des Erzherzogs wird aber dieſer Gruftdeckel
nie geöffnet werden. Links vor dem ſchwarz ausgeſchlagenen
Eingangstor der Schloßkirche, die zugleich die Pfarrkirche
von Artſtetten iſt, ſteht an der Umfaſſungsmauer des
Gartens ein Rondeau aus Palmen, Lorbeer- und Buchs-
bäumen, Blumenarrangements der gleichen Art, nur durch
verſchiedenfarbige Hortenſien belebt, füllen alle Niſchen im
Innern der Kirche und reiche Blumendekorationen ver-
kleiden die Wände zu beiden Seiten des Hauptaltars und
flankieren die beiden Seitenaltäre. Der Kirchenraum iſt
ganz ſchwarz ausgeſchlagen. Oratorium und Chor ſind
gleichfalls ſchwarz verhängt und die Wände, an denen die
Altäre ſtehen, tragen das Kreuztuch. Schwarze Teppiche
ſind über den Boden gebreitet und auch die Bänke im
Kirchenſchiff ſind in ſchwarzes Tuch gehüllt. Ueber dem
[Spaltenumbruch] Kirchenportale und im Innern in der Höhe des Chores
ſind die Wappen des Erzherzogs und der Herzogin an-
gebracht. Silverne Kandelaber vor den Altären leuchten
aus dem Dunkel hervor.

Vor dem Hauptaltar ſtehen die Schaubetten. Hier
werden die beiden Särge um 3 Uhr 30 Minuten morgens
reponiert und um 11 Uhr vormittags erfolgt in Gegen-
wart der Mitglieder des Kaiſerhauſes und der Gefolge
die feierliche Einſegnung.

Im Laufe des heutigen Nachmittags brachten Auto-
mobile und Eiſenbahnzüge eine unüberſehbare Zahl von
Kranzen, die zum Teil in der Gruft niedergelegt, zum
Teil zu beiden Seiten des Weges von der Kirche zum
Gruſteingange ausgebreitet werden. In Artſtetten,
Großpöchlarn
und Kleinpöchlarn wehen
ſchwarze Fahnen von den Giebeln der Häuſer und auch
auf der ganzen Weſtbahnſtrecke ſind die Häuſer zu beiden
Seiten des Geleiſes mit Trauerfahnen geſchmückt. Die
große Rollfähre, welche die Leichen von Pöchlarn über die
Donau, die hier breit und mächtig dahinfließt, an das
andere Ufer überſetzen wird, iſt ſchwarz drapiert und
Trauerfahnen ſind am Gitter angebracht.

Um 12 Uhr 37 Min. nachts trifft der Separatzug mit
den Leichen in der Station Großpöchlarn ein. Den
Zug begleiten Oberſthofmeiſter Freiherr v. Rumers-
kirch,
Dienſtkämmerer Rittmeiſter Graf Van der
Straten,
Dienſtkämmerer Dr. Andreas Freiherr von
Morſey, Flügeladjutant Oberſt Dr. Bardolff und
die Beamten des Oberſthofmeiſteramtes und des Sekre-
tariates des verblichenen Erzherzogs ſowie das erzherzog-
lich Kammerperſonal. Die Särge verbleiben bis 2 Uhr
30 Minuten im Waggon, zu welcher Stunde ihre Ueber-
führung nach dem Schloſſe erfolgt.




Das Ideal der Liebe.
Dem Andenken der Herzogin von Hohenberg.

Von einer Dame der Wiener hohen
Geſellſchaft
erhalten wir folgende Zeilen:

In einem engliſchen Buche ſteht etwas ſo wahres:
daß es mit der Liebe wie mit den Geſpenſtern ſei; „ſo
viele reden davon, ſo wenige haben ſie geſehen.“

Und in dieſen ſo ſchickſalsſchweren Tagen muß ich
immer an dieſe Worte denken, denn wahrlich unter dieſe
Wenigen, die die Liebe geſehen, gehört die verewigte
Herzogin von Hohenberg. Sie hat durch ihren Helden-
tod bewieſen, daß ſie die höchſte Liebe gekannt, daß ſie
für den Gegenſtand ihrer Liebe ihre Leben geben wollte.

In den Tagen des Glanzes iſt es ein Leichtes, an
der Seite eines Mannes zu ſein, dem eine hohe
Stellung, Ruhm und äußere Pracht verliehen, das trifft
eine jede Frau, aber im Tode bei ihm auszuharren
und der Gefahr lächelnd entgegenzuſehen, wenn dieſe
nur mit ihm geteilt werden kann, das
iſt ein Zeichen der Auserwählung,
und wenige werden ihr auf jene Schmerzenshöhe dieſes
ſchrecklichen 28. Juni folgen können.

Das iſt das Ideal einer Liebe, ſo zu ſterben, wenn
auch von ferne vor ihrem erlöſchenden Blicke ihr liebes
Kleeblatt, ihr roſenumranktes Konopiſcht, das viele, was
ſie hätte noch leiſten können, wenn das alles vor ihr
geiſtiges Auge — trat das Glück, mit ihm ſterben
zu können,
ſchien ihr doch das Allerhöchſte.

Sie war ſein guter Engel und wird es auch vom
Himmel aus für die drei Waiſen bleiben, für die heute
ganz Oeſterreich heißes Mitleid fühlt.




Kaiſer Wilhelm an unſere
Marine.
Das Beileidstelegramm des Kaiſers.

Kaiſer Wilhelm hat an den Marinekomman-
danten Admiral Haus nachſtehende Depeſche gerichtet:

„Nehmen Sie als Vertreter der kaiſerlichen und
königlichen Marine den Ausdruck meines ganz
beſonderen Beileides
entgegen anläßlich des
jähen Hinſcheidens Ihres Erzherzog-Admirals. Ich weiß,
wie ſein Herz für die Flotte ſchlug
und wie er für ſie gewirkt hat. Ich
habe aber auch die Zuverſicht, daß ſein Geiſt
weiterleben
wird in den Offizieren und Mann-
ſchaften der öſterreichiſch-ungariſchen Marine. Mit
mir trauert meine Flotte,
in deren
Mitte ich mich befinde und welche morgen den Trauer-
ſalut feuern ſoll für den fürſtlichen Admiral, der auch
ihr Freund war.




Der Dank des Marinekommandanten.


Auf das Beileidstelegramm Kaiſer Wilhelms
iſt folgendes Antworttelegramm des Admirals Haus
eingegangen:

„Niedergeſchmettert von der Tragik des Schickſals
ſind uns die gnädigen Worte der Teilnahme, die Eure
Majeſtät an mich zu richten die Gnade hatten, ein
wahrer Troſt und ein Anſporn zu
weiterer Arbeit.
Genehmigen Eure Majeſtät
meinen und der kaiſerlichen und königlichen Kriegs-
marine tief ergebenſten Dank und die Bitte, anzu-
befehlen, daß Eurer Majeſtät mittrauernder ſtolzer
Flotte unſer innigſter, kameradſchaft-
licher Dank
bekanntgegeben werde.“




[Spaltenumbruch]
Die Armeetrauer.

Das Kriegsminiſterium hat folgenden Erlaß heraus-
gegeben: „Auf Allerhöchſten Befehl hat die Hoftrauer
für weiland Seine k. u. k. Hoheit den durchlauchtigſten
Herrn Erzherzog Frauz Ferdinand von Oeſterreich-Eſte
als Armeetrauer zu gelten und ſind in den
erſten Wochen an den Fahnen (Standarten) nnd an den
Feſtungs-(Kaſernen-)flaggen Trauerflore zu be-
feſtigen. Die Wachen haben ohne Muſiken auf-
zuziehen. Das Spielen der Muſiken bei dienſtlichen An-
läſſen hat während dieſer Zeit zu unterbleiben; ebenſo
haben keine Platzmuſiken ſtattzufinden. Außerdienſtliche
Verwendungen der Muſiken an Unterhaltungsorten
ſind von Sonntag den 5. Juli an geſtattet.“




Trauerkundgebungen.
Die Trauerſitzung der Chriſtlichſozialen
Vereinigung.

Ein Ereignis bewegt das Reich, wie es von größere[r]
Bedeutung nicht gedacht werden kann. Beide Häuſer des
Reichsrates müſſen ſich damit begnügen, durch ihre
Präſidenten ihre Beileidskundgebungen ſchriftlich an den
Miniſterpräſidenten zu richten. Von den Parteien des
Abgeordnetenhauſes hat man nur vernommen, daß der
Obmann des Polenklubs Dr. Leo aus Krakau eine
poſtaliſche Kundgebung an den Miniſterpräſidenten ſandte.
Der Obmann des Deutſchen Nationalverbandes hat
perſönlich beim Miniſterpräſidenten vorgeſprochen. Die
einzige Chriſtlichſoziale Partei hat eine würdige und
eindrucksvolle Trauerkundgebung veranſtaltet, ſie hat
den Anforderungen genügt, die bei einer ſolchen
Gelegenheit an eine reichs- und dynaſtietreue Partei ge-
ſtellt werden können. Es iſt ein Symptom der augen-
blicklichen Zerfahrenheit unſeres politiſchen Lebens, daß
die chriſtlichſoziale Partei mit ihrem löb-
lichen Beiſpiele allein daſteht und daß keine zweite
Partei gleich ihr getan hat, was Pflicht jeder parla-
mentariſchen Gruppe geweſen wäre.

Um ſo wohltuender wirkt es, daß die chriſtlichſoziale
Vereinigung heute vormittag zu einer Trauerkundgebung
zuſammentrat. Den Vorſitz führte der geſchäftsführende
Obmann Rienößl, der die zahlreichen, in Trauer-
kleidung erſchienenen Abgeordneten ſowie das Herren-
hausmitglied Miniſter a. D. Dr. v. Wittek begrüßte
und ſodann folgende Anſprache hielt:

„Meine hochverehrten Herren!

Wie Ihnen allen bekannt iſt, haben Se. k. k. Hoheit Herr
Erzherzog Franz Ferdinand von Oeſterreich-Eſte und höchſt-
deſſen Gemahlin Frau Herzogin Sofie von Hohenberg in der
bosniſchen Landeshauptſtadt durch Mörderhand den Tod ge-
funden. Ein namenloſes fluchwürdiges Verbrechen hat uns des
allernächſten Thronagnaten, der ſtarken Zukunftshoffnung des
Reiches beraubt. In ſolch ernſter Stunde iſt es unſer aller
Herzensbedürfnis der innigſten Trauer und dem
tiefſten Abſcheu über die ruchloſe Tat
von Sarajevo
Ausdruck zu verleihen. Zu dem ganzen
Komplex der hochpolitiſchen Fragen Stellung zu nehmen,
deren Höhepunkt der Fürſtenmord des 28. Juni 1914
darſtellt, dazu wird und muß ſich in einem ſpäteren
Zeitpunkt, zu paſſenderer Stunde Gelegenheit er-
geben. Nur das eine ſei ſchon heute geſagt: Es muß feſtgeſtellt
werden, daß das große mächtige Oeſterreich Jahre hindurch
gegenüber dem provozierenden Auftreten gewiſſer Elemente
kleiner unbedeutender Nachbarſtaaten an der Südgrenze unſerer
Monarchie weiteſtgehende Nachſicht geübt hat, daß
aber dieſe zurückhaltende Politik nicht nur kein Ver-
ſtändnis
gefunden, ſondern im Gegenteil ein ſtetes An-
ſchwellen provozierender radikaler Strömungen dort zur Folge
gehabt hat. Nur ſo konnte es zu dieſer unſeligen Bluttat
kommen, durch welche unſer edler Thronfolger, der Stolz und
die Hoffnung Oeſterreichs, und ſeine hochſinnige Gemahlin
dahingerafft wurden. Unſer Herzensbedürfnis aber iſt
es heute, unſerem vielgeliebten und vielgeprüſten
Monarchen, dem nach Bekanntwerden des fluchwür-
digen Attentats unſere erſten Gedanken gegolten haben,
unſere herzinnige Anteilnahme an dem ſchweren Schickſals-
ſchlage zum Ausdruck zu bringen. Wir gedenken aber in dieſem
ernſten Augenblick auch mit Wehmut der armen ver-
laſſenen Waiſen,
die ihre liebenden und fürſorglichen
Eltern auf ſchreckliche Weiſe verloren haben, und empfehlen ſie
dem Schutze des Allmächtigen. Aus der Tiefe des Herzens
dringen in dieſen Tagen die Gebete zum Himmel, Gott der
Allmächtige verleihe Sr. Majeſtät unſerem allergnädigſten
Kaiſer und Herrn Troſt und Stärke in dieſen ſchweren
Stunden der Prüfung und ſchütze unſer innigſtgeliebtes
Vaterland! Dies iſt der Ausruck unſerer innigſten
Gefühle und der heißeſte Wunſch der geſamten Partei, die
ſtets an dem Beſtande an der Größe und Bedeutung des
Reiches feſtgehalten hat und feſthalten wird und die im Glück
und Unglück nach wie vor unerſchütterlich zu dem angeſtammten
Kaiſerhauſe ſteht.

Sie haben ſich zum Zeichen der Trauer von den Sitzen
erhoben, ich bin Ihrer Zuſtimmung gewiß, wenn dieſe Kund-
gebung dem Protokolle der Sitzung einverleibt wird. Sie
geſtatten aber auch, daß ich dieſe Enunziation an Seine
Exzellenz den Herrn Miniſterpräſidenten Karl Grafen
Stürgkh mit der Bitte übermittle, ſie an die Stufen des
Allerhöchſten Thrones zu leiten.

Die Mitglieder des chriſtlichſozialen Reichsratsklubs
hörten die Anſprache des Obmannes unter lautloſer
Stille an; die Trauerkundgebung fand mit den Schluß-
worten des Abg. Rienößl ihr Ende.




Trauerſitzung im Oeſterreichiſchen
Flottenverein.

Der Vorſtand des Oeſterreichiſchen Flottenvereines
hielt geſtern eine Trauerſitzung ab, welche der Präſident
Alfred Prinz Liechtenſtein mit folgender An-
ſprache eröffnete:

Meine Herren!

Ein furchtbares, erſchütterndes Geſchehnis führt uns in
Schmerz und Trauer zuſammen. Am 28. Juni vernahmen
Oeſterreich-Ungarns Völker die gräßliche Kunde: Erzherzog
Franz Ferdinand iſt in treuer, mannhafter Pflicht-
erfüllung als aufrechter, tapferer Soldat
von
ruchloſer Mörderhand dahingerafft worden; an ſeiner Seite fiel

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[4/0004] Wien, Samstag Reichspoſt 4. Juli 1914 Nr. 308 Das Eingreifen des Kaiſers. Heute nachmitttag wurde folgende Meldung aus- gegeben: „Auf Allerhöchſte Anordnung Sr. Majeſtät des Kaiſers werden aus Anlaß der heutigen Ueberführung der Leichen des Erzherzogs Franz Ferdinand und der Herzogin von Hohenberg die verfügbaren Truppen der Garniſon Wien ausrücken. Die Aufſtellung wird vom Kommandanten der 49. Infanterietruppendiviſion FML. Kritek befehligt. Dem Leichenzug wird die Ehrenbezeigung durch Schlagen des Generalmarſches und durch Senken der Fahnen geleiſtet. Generalität, die Stabs- und Oberoffiziere und Militärbeamten ver- ſammeln ſich beim Weſtbahnhofe. Die Truppen ſtehen in der Ringſtraße und Mariahilferſtraße bis zur Königskloſtergaſſe“. Ganz Wien danktes dem Kaiſer, daß er perſönlich eingegriffen hat, um die ſchweren Taktloſigkeiten der Hofbehörden abzuſtellen, die ſich bei dieſer Trauerfeierlichkeit. ereignet haben. Die Hofbehörden haben dieſe Leichen- feier mit einer Unſumme von groben Verſtößen gegen die Pietät begangen und die Entrüſtung, die in der ganzen Wiener Bevölkerung hinauf bis in die Kreiſe der Generalität und der Geheimen Räte herrſcht, iſt namen- los. Noch niemals hat Wien eine ſolche Würdeloſigkeit, eine ſolche Verletzung der Rückſichten, welche dem Kaiſer- hauſe und gar einem für Kaiſer und Reich gefallenen Erzherzog-Thronfolger gebühren, erlebt. Die Anteil- nahme des Heeres an dem Leichenbegängniſſe eines Erzherzogs, der nächſt dem Allerhöchſten Kriegsherrn der oberſte Chef war, und der als Soldat bei Ausübung ſeiner militäriſchen Pflichten geſtorben iſt, wurde bisher künſtlich verhindert. Großen Unwillen erregte es auch, als die Hunderte von Kränzen, die Zeugen der Liebe von unzähligen Perſönlichkeiten unſeres öffentlichen Lebens, ja von ganzen Völkern waren, heute nachmittag auf gewöhnlichen Hoflaſtwagen auf den Weſtbahnhof geſchafft wurden. Der Kaiſer. Der Kaiſer hat heute um 9 Uhr vormittags den Oberſthofmeiſter weiland des Herrn Erzherzogs Franz Ferdinand Freiherrn v. Rumerskirch in beſonderer Audienz empfangen. Um 10 Uhr erſchien beim Kaiſer Herr Erzherzog- Thronfolger Karl Franz Joſef in Privat- audienz. Die Beiſetzung in Artſtetten. Die erzherzogliche Gruft. Artſtetten, 3. Juli. Weitauf ſtehen die Torflügel der Gruft, die des Schloßherrn harrt, der im erſten Morgengrauen mit ſeiner Gemahlin in das Schloß wiederkehrt, um hier die ewige Ruhe zu finden. Im Jahre 1910 hat der hohe Verblichene die Gruft für ſich und ſeine Familie unterhalb der an das Schloß angebauten Pfarr- und Schloßkirche anlegen laſſen. Sie liegt obertags und empfängt durch kleine Fenſter in der Höhe Tageslicht. Die Gruft iſt nach den genauen Anord- nungen des hoh em Verblichenen ſo angebracht worden, daß ſie des gruftartigen Charakters ganz entbehrt. Denn die Kirche, in deren Unterbau die Gruft liegt, ſteht hoch oben auf einem Plateau, zu welchem 36 Stufen führen, ſo daß das nunmehr ſchwarz verhängte Gruftportal, das von dem erzherzoglichen Wappen gekrönt iſt, noch über dem Niveau der Parkanlagen liegt. Dieſes Portal iſt ein ſtim- mungsvolles Tor aus gelbem Sandſtein, ein Alt-Tiroler Friedhofstor, das der Erzherzog nach Artſtetten bringen ließ. Das Innere der Gruft iſt puritaniſch einfach gehalten. Die Wände ſind glatt weiß, weiß auch und ſchmucklos der Marmoraltar in der Niſche. Dem Altar gegenüber im Gewölbe ſtehen die beiden mit ſchwarzem Bahrtuch bedeckten Katafalke, dazwiſchen ein kleiner ſilberner Sarg mit der Leiche des vor drei Jahren totgeborenen Töchterchens des Herrn Erzherzogs. Ueber den Katafalken in der Decke iſt der dreiteilige durchſichtige Gruftdeckel angebracht, der ſich in den Erdboden vor dem Altar der Kirche einfügt. Auf Wunſch des Erzherzogs wird aber dieſer Gruftdeckel nie geöffnet werden. Links vor dem ſchwarz ausgeſchlagenen Eingangstor der Schloßkirche, die zugleich die Pfarrkirche von Artſtetten iſt, ſteht an der Umfaſſungsmauer des Gartens ein Rondeau aus Palmen, Lorbeer- und Buchs- bäumen, Blumenarrangements der gleichen Art, nur durch verſchiedenfarbige Hortenſien belebt, füllen alle Niſchen im Innern der Kirche und reiche Blumendekorationen ver- kleiden die Wände zu beiden Seiten des Hauptaltars und flankieren die beiden Seitenaltäre. Der Kirchenraum iſt ganz ſchwarz ausgeſchlagen. Oratorium und Chor ſind gleichfalls ſchwarz verhängt und die Wände, an denen die Altäre ſtehen, tragen das Kreuztuch. Schwarze Teppiche ſind über den Boden gebreitet und auch die Bänke im Kirchenſchiff ſind in ſchwarzes Tuch gehüllt. Ueber dem Kirchenportale und im Innern in der Höhe des Chores ſind die Wappen des Erzherzogs und der Herzogin an- gebracht. Silverne Kandelaber vor den Altären leuchten aus dem Dunkel hervor. Vor dem Hauptaltar ſtehen die Schaubetten. Hier werden die beiden Särge um 3 Uhr 30 Minuten morgens reponiert und um 11 Uhr vormittags erfolgt in Gegen- wart der Mitglieder des Kaiſerhauſes und der Gefolge die feierliche Einſegnung. Im Laufe des heutigen Nachmittags brachten Auto- mobile und Eiſenbahnzüge eine unüberſehbare Zahl von Kranzen, die zum Teil in der Gruft niedergelegt, zum Teil zu beiden Seiten des Weges von der Kirche zum Gruſteingange ausgebreitet werden. In Artſtetten, Großpöchlarn und Kleinpöchlarn wehen ſchwarze Fahnen von den Giebeln der Häuſer und auch auf der ganzen Weſtbahnſtrecke ſind die Häuſer zu beiden Seiten des Geleiſes mit Trauerfahnen geſchmückt. Die große Rollfähre, welche die Leichen von Pöchlarn über die Donau, die hier breit und mächtig dahinfließt, an das andere Ufer überſetzen wird, iſt ſchwarz drapiert und Trauerfahnen ſind am Gitter angebracht. Um 12 Uhr 37 Min. nachts trifft der Separatzug mit den Leichen in der Station Großpöchlarn ein. Den Zug begleiten Oberſthofmeiſter Freiherr v. Rumers- kirch, Dienſtkämmerer Rittmeiſter Graf Van der Straten, Dienſtkämmerer Dr. Andreas Freiherr von Morſey, Flügeladjutant Oberſt Dr. Bardolff und die Beamten des Oberſthofmeiſteramtes und des Sekre- tariates des verblichenen Erzherzogs ſowie das erzherzog- lich Kammerperſonal. Die Särge verbleiben bis 2 Uhr 30 Minuten im Waggon, zu welcher Stunde ihre Ueber- führung nach dem Schloſſe erfolgt. Das Ideal der Liebe. Dem Andenken der Herzogin von Hohenberg. Von einer Dame der Wiener hohen Geſellſchaft erhalten wir folgende Zeilen: In einem engliſchen Buche ſteht etwas ſo wahres: daß es mit der Liebe wie mit den Geſpenſtern ſei; „ſo viele reden davon, ſo wenige haben ſie geſehen.“ Und in dieſen ſo ſchickſalsſchweren Tagen muß ich immer an dieſe Worte denken, denn wahrlich unter dieſe Wenigen, die die Liebe geſehen, gehört die verewigte Herzogin von Hohenberg. Sie hat durch ihren Helden- tod bewieſen, daß ſie die höchſte Liebe gekannt, daß ſie für den Gegenſtand ihrer Liebe ihre Leben geben wollte. In den Tagen des Glanzes iſt es ein Leichtes, an der Seite eines Mannes zu ſein, dem eine hohe Stellung, Ruhm und äußere Pracht verliehen, das trifft eine jede Frau, aber im Tode bei ihm auszuharren und der Gefahr lächelnd entgegenzuſehen, wenn dieſe nur mit ihm geteilt werden kann, das iſt ein Zeichen der Auserwählung, und wenige werden ihr auf jene Schmerzenshöhe dieſes ſchrecklichen 28. Juni folgen können. Das iſt das Ideal einer Liebe, ſo zu ſterben, wenn auch von ferne vor ihrem erlöſchenden Blicke ihr liebes Kleeblatt, ihr roſenumranktes Konopiſcht, das viele, was ſie hätte noch leiſten können, wenn das alles vor ihr geiſtiges Auge — trat das Glück, mit ihm ſterben zu können, ſchien ihr doch das Allerhöchſte. Sie war ſein guter Engel und wird es auch vom Himmel aus für die drei Waiſen bleiben, für die heute ganz Oeſterreich heißes Mitleid fühlt. Kaiſer Wilhelm an unſere Marine. Das Beileidstelegramm des Kaiſers. Kaiſer Wilhelm hat an den Marinekomman- danten Admiral Haus nachſtehende Depeſche gerichtet: „Nehmen Sie als Vertreter der kaiſerlichen und königlichen Marine den Ausdruck meines ganz beſonderen Beileides entgegen anläßlich des jähen Hinſcheidens Ihres Erzherzog-Admirals. Ich weiß, wie ſein Herz für die Flotte ſchlug und wie er für ſie gewirkt hat. Ich habe aber auch die Zuverſicht, daß ſein Geiſt weiterleben wird in den Offizieren und Mann- ſchaften der öſterreichiſch-ungariſchen Marine. Mit mir trauert meine Flotte, in deren Mitte ich mich befinde und welche morgen den Trauer- ſalut feuern ſoll für den fürſtlichen Admiral, der auch ihr Freund war. Wilhelm I. R.“ Der Dank des Marinekommandanten. Berlin, 3. Juli. Auf das Beileidstelegramm Kaiſer Wilhelms iſt folgendes Antworttelegramm des Admirals Haus eingegangen: „Niedergeſchmettert von der Tragik des Schickſals ſind uns die gnädigen Worte der Teilnahme, die Eure Majeſtät an mich zu richten die Gnade hatten, ein wahrer Troſt und ein Anſporn zu weiterer Arbeit. Genehmigen Eure Majeſtät meinen und der kaiſerlichen und königlichen Kriegs- marine tief ergebenſten Dank und die Bitte, anzu- befehlen, daß Eurer Majeſtät mittrauernder ſtolzer Flotte unſer innigſter, kameradſchaft- licher Dank bekanntgegeben werde.“ Die Armeetrauer. Das Kriegsminiſterium hat folgenden Erlaß heraus- gegeben: „Auf Allerhöchſten Befehl hat die Hoftrauer für weiland Seine k. u. k. Hoheit den durchlauchtigſten Herrn Erzherzog Frauz Ferdinand von Oeſterreich-Eſte als Armeetrauer zu gelten und ſind in den erſten Wochen an den Fahnen (Standarten) nnd an den Feſtungs-(Kaſernen-)flaggen Trauerflore zu be- feſtigen. Die Wachen haben ohne Muſiken auf- zuziehen. Das Spielen der Muſiken bei dienſtlichen An- läſſen hat während dieſer Zeit zu unterbleiben; ebenſo haben keine Platzmuſiken ſtattzufinden. Außerdienſtliche Verwendungen der Muſiken an Unterhaltungsorten ſind von Sonntag den 5. Juli an geſtattet.“ Trauerkundgebungen. Die Trauerſitzung der Chriſtlichſozialen Vereinigung. Ein Ereignis bewegt das Reich, wie es von größerer Bedeutung nicht gedacht werden kann. Beide Häuſer des Reichsrates müſſen ſich damit begnügen, durch ihre Präſidenten ihre Beileidskundgebungen ſchriftlich an den Miniſterpräſidenten zu richten. Von den Parteien des Abgeordnetenhauſes hat man nur vernommen, daß der Obmann des Polenklubs Dr. Leo aus Krakau eine poſtaliſche Kundgebung an den Miniſterpräſidenten ſandte. Der Obmann des Deutſchen Nationalverbandes hat perſönlich beim Miniſterpräſidenten vorgeſprochen. Die einzige Chriſtlichſoziale Partei hat eine würdige und eindrucksvolle Trauerkundgebung veranſtaltet, ſie hat den Anforderungen genügt, die bei einer ſolchen Gelegenheit an eine reichs- und dynaſtietreue Partei ge- ſtellt werden können. Es iſt ein Symptom der augen- blicklichen Zerfahrenheit unſeres politiſchen Lebens, daß die chriſtlichſoziale Partei mit ihrem löb- lichen Beiſpiele allein daſteht und daß keine zweite Partei gleich ihr getan hat, was Pflicht jeder parla- mentariſchen Gruppe geweſen wäre. Um ſo wohltuender wirkt es, daß die chriſtlichſoziale Vereinigung heute vormittag zu einer Trauerkundgebung zuſammentrat. Den Vorſitz führte der geſchäftsführende Obmann Rienößl, der die zahlreichen, in Trauer- kleidung erſchienenen Abgeordneten ſowie das Herren- hausmitglied Miniſter a. D. Dr. v. Wittek begrüßte und ſodann folgende Anſprache hielt: „Meine hochverehrten Herren! Wie Ihnen allen bekannt iſt, haben Se. k. k. Hoheit Herr Erzherzog Franz Ferdinand von Oeſterreich-Eſte und höchſt- deſſen Gemahlin Frau Herzogin Sofie von Hohenberg in der bosniſchen Landeshauptſtadt durch Mörderhand den Tod ge- funden. Ein namenloſes fluchwürdiges Verbrechen hat uns des allernächſten Thronagnaten, der ſtarken Zukunftshoffnung des Reiches beraubt. In ſolch ernſter Stunde iſt es unſer aller Herzensbedürfnis der innigſten Trauer und dem tiefſten Abſcheu über die ruchloſe Tat von Sarajevo Ausdruck zu verleihen. Zu dem ganzen Komplex der hochpolitiſchen Fragen Stellung zu nehmen, deren Höhepunkt der Fürſtenmord des 28. Juni 1914 darſtellt, dazu wird und muß ſich in einem ſpäteren Zeitpunkt, zu paſſenderer Stunde Gelegenheit er- geben. Nur das eine ſei ſchon heute geſagt: Es muß feſtgeſtellt werden, daß das große mächtige Oeſterreich Jahre hindurch gegenüber dem provozierenden Auftreten gewiſſer Elemente kleiner unbedeutender Nachbarſtaaten an der Südgrenze unſerer Monarchie weiteſtgehende Nachſicht geübt hat, daß aber dieſe zurückhaltende Politik nicht nur kein Ver- ſtändnis gefunden, ſondern im Gegenteil ein ſtetes An- ſchwellen provozierender radikaler Strömungen dort zur Folge gehabt hat. Nur ſo konnte es zu dieſer unſeligen Bluttat kommen, durch welche unſer edler Thronfolger, der Stolz und die Hoffnung Oeſterreichs, und ſeine hochſinnige Gemahlin dahingerafft wurden. Unſer Herzensbedürfnis aber iſt es heute, unſerem vielgeliebten und vielgeprüſten Monarchen, dem nach Bekanntwerden des fluchwür- digen Attentats unſere erſten Gedanken gegolten haben, unſere herzinnige Anteilnahme an dem ſchweren Schickſals- ſchlage zum Ausdruck zu bringen. Wir gedenken aber in dieſem ernſten Augenblick auch mit Wehmut der armen ver- laſſenen Waiſen, die ihre liebenden und fürſorglichen Eltern auf ſchreckliche Weiſe verloren haben, und empfehlen ſie dem Schutze des Allmächtigen. Aus der Tiefe des Herzens dringen in dieſen Tagen die Gebete zum Himmel, Gott der Allmächtige verleihe Sr. Majeſtät unſerem allergnädigſten Kaiſer und Herrn Troſt und Stärke in dieſen ſchweren Stunden der Prüfung und ſchütze unſer innigſtgeliebtes Vaterland! Dies iſt der Ausruck unſerer innigſten Gefühle und der heißeſte Wunſch der geſamten Partei, die ſtets an dem Beſtande an der Größe und Bedeutung des Reiches feſtgehalten hat und feſthalten wird und die im Glück und Unglück nach wie vor unerſchütterlich zu dem angeſtammten Kaiſerhauſe ſteht. Sie haben ſich zum Zeichen der Trauer von den Sitzen erhoben, ich bin Ihrer Zuſtimmung gewiß, wenn dieſe Kund- gebung dem Protokolle der Sitzung einverleibt wird. Sie geſtatten aber auch, daß ich dieſe Enunziation an Seine Exzellenz den Herrn Miniſterpräſidenten Karl Grafen Stürgkh mit der Bitte übermittle, ſie an die Stufen des Allerhöchſten Thrones zu leiten. Die Mitglieder des chriſtlichſozialen Reichsratsklubs hörten die Anſprache des Obmannes unter lautloſer Stille an; die Trauerkundgebung fand mit den Schluß- worten des Abg. Rienößl ihr Ende. Trauerſitzung im Oeſterreichiſchen Flottenverein. Der Vorſtand des Oeſterreichiſchen Flottenvereines hielt geſtern eine Trauerſitzung ab, welche der Präſident Alfred Prinz Liechtenſtein mit folgender An- ſprache eröffnete: Meine Herren! Ein furchtbares, erſchütterndes Geſchehnis führt uns in Schmerz und Trauer zuſammen. Am 28. Juni vernahmen Oeſterreich-Ungarns Völker die gräßliche Kunde: Erzherzog Franz Ferdinand iſt in treuer, mannhafter Pflicht- erfüllung als aufrechter, tapferer Soldat von ruchloſer Mörderhand dahingerafft worden; an ſeiner Seite fiel

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 308, Wien, 04.07.1914, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost308_1914/4>, abgerufen am 22.12.2024.