Reichspost. Nr. 284, Wien, 14.12.1898.284 Wien, Mittwoch Reichspost 14. December 1898 [Spaltenumbruch] auch mit der Thronfolge zusammen, da der neue Ras von Tigre der Nachfolger Menelik's sein wird. London, 13. December. Der bekannte Anatom Lemberg, 13. December. Der Kaiser spendete Aus den Kronländern. Steiermark. Graz. (Eine conservative Ver- "Der Katholischconservative Volksverein von Preding Soweit der Bericht. Daß die Katholische Tirol. Brixen. (Vonder landwirthschaft- Böhmen. Prag. (Makler- und Ausgleichs- [Spaltenumbruch] Prag. (Allerlei vom Tage.) Dem greisen f. Teplitzer Bezirk. Im Voranschlage der Parlamentarisches. Der Ausgleichsausschuß brachte gestern die Debatte Abg. Menger brachte die Interpellation des Abgeord- 284 Wien, Mittwoch Reichspoſt 14. December 1898 [Spaltenumbruch] auch mit der Thronfolge zuſammen, da der neue Ras von Tigre der Nachfolger Menelik’s ſein wird. London, 13. December. Der bekannte Anatom Lemberg, 13. December. Der Kaiſer ſpendete Aus den Kronländern. Steiermark. Graz. (Eine conſervative Ver- „Der Katholiſchconſervative Volksverein von Preding Soweit der Bericht. Daß die Katholiſche Tirol. Brixen. (Vonder landwirthſchaft- Böhmen. Prag. (Makler- und Ausgleichs- [Spaltenumbruch] Prag. (Allerlei vom Tage.) Dem greiſen f. Teplitzer Bezirk. Im Voranſchlage der Parlamentariſches. Der Ausgleichsausſchuß brachte geſtern die Debatte Abg. Menger brachte die Interpellation des Abgeord- <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><pb facs="#f0005" n="5"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">284 Wien, Mittwoch Reichspoſt 14. December 1898</hi></fw><lb/><cb/> auch mit der <hi rendition="#g">Thronfolge</hi> zuſammen, da der<lb/> neue Ras von Tigre der Nachfolger Menelik’s ſein<lb/> wird.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 13. December.</dateline> <p>Der bekannte Anatom<lb/> und Arzt der Königin Victoria, William <hi rendition="#g">Jenner</hi><lb/> iſt geſtorben.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#b">Lemberg,</hi> 13. December.</dateline> <p>Der Kaiſer ſpendete<lb/> für die Abbrändler in Dzieduszyce-Wielkie 2000 fl.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jVarious" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Aus den Kronländern.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Steiermark.</hi> </head><lb/> <head> <hi rendition="#b">Graz.</hi> </head> <p><hi rendition="#g">(Eine conſervative Ver-<lb/> ſammlung in Preding.)</hi> Das „Grazer Volks-<lb/> blatt“ bringt gegenüber den Berichten der Grazer und<lb/> Wiener Blätter über die Predinger Verſammlung<lb/> folgende Richtigſtellung:</p><lb/> <p>„Der Katholiſchconſervative Volksverein von Preding<lb/> hielt geſtern, Sonntag Vormittags ſeine Generalver-<lb/> ſammlung ab, zu welcher auch der Herr Abg. <hi rendition="#g">Kurz</hi> ein-<lb/> geladen war. Zugleich war auch Herr Baron <hi rendition="#g">Rokitansky</hi><lb/> mit einer großen Anzahl von Bauernbündlern erſchienen.<lb/> Abg. Kurz erſtattete ſeinen Rechenſchaftsbericht, wobei er auf<lb/> Sprachenverordnungen und Ausgleich ꝛc. zu ſprechen kam<lb/> und die Katholiſche Volkspartei gegen die gemachten Vor-<lb/> würfe in Schutz nahm. Auf einen Zwiſchenruf des Barons<lb/> Rokitansky konnte der Herr Abg. Kurz erklären, daß der<lb/> Club der Katholiſchen Volkspartei bis heute noch keinen<lb/> Beſchluß gefaßt hat, für den Ausgleich zu ſtimmen. Nach<lb/> Herrn Kurz hielt der hochwürdige Herr Pfarrer<lb/> eine Kaiſerjubiläums-Anſprache, die mit einem<lb/> dreifachen „Hoch“ auf Se. Majeſtät ſchloß. Zum Beweis<lb/> der patriotiſchen Geſinnung forderte er die Verſammelten<lb/> auf, ein Vaterunſer für Se. Majeſtät zu beten, was auch<lb/> geſchah, worauf die Verſammlung geſchloſſen wurde, ohne<lb/> daß Baron Rokitansky das Wort erhielt. Auf das hin<lb/> brach ein ohrenbetäubendes Geſchrei der Bündler los,<lb/> während ſich die Vereinsmitglieder entfernten. Rokitansky<lb/> blieb mit ſeinen Getreuen zurück, trotz § 22 des Verſamm-<lb/> lungsgeſetzes. Gegenüber dem unwahren Berichte der<lb/> „Tagespoſt“ ſei conſtatirt, daß Herr Kurz dem Baron Roki-<lb/> tansky nicht zuſagte, er werde ſprechen können, da Herr<lb/> Kurz zu einer ſolchen Zuſage, weil ſelbſt Gaſt, kein Recht<lb/> hatte, und nach § 14 des Verſammlungsgeſetzes überhaupt<lb/> Rokitansky das Wort zu ergreifen <hi rendition="#g">nicht</hi> berechtigt war.“</p><lb/> <p>Soweit der Bericht. Daß die Katholiſche<lb/><hi rendition="#g">Volkspartei</hi> bis heute noch keinen Beſchluß<lb/> gefaßt hat, für den Ausgleich zu ſtimmen, glauben wir<lb/> dem Abgeordneten <hi rendition="#g">Kurz</hi> gerne. Aber wir fürchten,<lb/> daß das, was nicht iſt, noch werden kann, zumal<lb/> gegenwärtig die Vertreter dieſer Partei im Ausgleichs-<lb/> ausſchuſſe bisher ſtets für die unveränderte Annahme<lb/> der Regierungsvorlage geſtimmt und ſich nur mit un-<lb/> gefährlichen Reſolutionen begnügt haben.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Tirol.</hi> </head><lb/> <head> <hi rendition="#b">Brixen.</hi> </head> <p><hi rendition="#g">(Vonder landwirthſchaft-<lb/> lichen Bezirksgenoſſenſchaft.)</hi> Im<lb/> Saale zum „goldenen Adler“ wurde Freitag, 9. De-<lb/> cember, eine ſehr zahlreich beſuchte Vollverſammlung<lb/> der landwirthſchaftlichen Bezirksgenoſſenſchaft abgehalten,<lb/> an der auch der Reichsraths-Abgeordnete Dr. Schöpfer<lb/> und der Landtags-Abgeordnete Schraffl aus Sillian<lb/> theilnahmen. Im Ganzen dürften 200 Theilnehmer<lb/> geweſen ſein. Leider war der Obmann, Landtags-<lb/> Abgeordneter Dr. v. Guggenberg, durch Unwohlſein<lb/> verhindert (den Vorſitz führte dafür ſein Bruder, das<lb/> Ausſchußmitglied General v. Guggenberg), was diesmal<lb/> umſomehr bedauert wurde, weil gerade er jenen Gegen-<lb/> ſtand auf die Tagesordnung brachte und perſönlich<lb/> vertreten wollte, der den hieſigen Landwirthen dieſe<lb/> Verſammlung als ſo wichtig erſcheinen ließ. Es<lb/> handelte ſich nämlich um eine <hi rendition="#g">gründliche</hi><lb/> Reorganiſirung der Genoſſenſchaft. Der Antrag<lb/> gieng dahin, daß ſich die Mitglieder in den einzelnen<lb/> Gemeinden und Seitenthälern zu <hi rendition="#g">Ortsgenoſſen-<lb/> ſchaften</hi> vereinigen und dieſe zuſammen den „Ver-<lb/> band der Bezirksgenoſſenſchaft“ bilden ſollten. Ein<lb/> weiterer Antrag gieng dahin, daß die Bauern einen<lb/> weiteren, energiſchen Schritt in der Selbſthilfe thun<lb/> und <hi rendition="#g">Erwerbs- und Wirthſchafts-<lb/> genoſſenſchaften</hi> gründen ſollten. Nach dem<lb/> Referate, welches hierüber General von Guggenberg<lb/> erſtattete, ſprachen zu dieſer Angelegenheit die Abgeordneten<lb/><hi rendition="#g">Schoepfer</hi> und <hi rendition="#g">Schraffl.</hi> Der Erſtere zeigte,<lb/> welchen Aufſchwung das perſönliche Intereſſe der<lb/> Bauern am genoſſenſchaftlichen Wirken erhalten würde,<lb/> wenn in den einzelnen Gemeinden Brennpunkte des-<lb/> ſelben wären; er verwies auch darauf, daß der<lb/> Tiroler Landtag wiederholt ſchon für die Berufs-<lb/> organiſation des Bauernſtandes die Ortsgenoſſen-<lb/> ſchaften als die unterſten Elemente verlangt habe.<lb/> Betreffs der Erwerbs- und Wirthſchaftsgenoſſenſchaften<lb/> wurde auf die Erfolge in Niederöſterreich, und be-<lb/> ſonders in der Schweiz. hingewieſen und die raſtloſe<lb/> Thätigkeit des Villacher Stadtcaplans <hi rendition="#g">Walcher</hi><lb/> erwähnt. Herr <hi rendition="#g">Schraffl</hi> empfahl beſonders, auch<lb/> den <hi rendition="#g">Rechtsſchutz</hi> in die geplanten Vereine aufzu-<lb/> nehmen. Die Anträge wurden einſtimmig angenommen<lb/> und der Ausſchuß damit betraut, die Ausführung in<lb/> die Hand zu nehmen. In kleineren Cirkeln äußerten<lb/> viele Theilnehmer ihre Ueberzeugung, daß die Bauern<lb/> mit Freuden mitthun und auch in kleineren Orts-<lb/> verſammlungen viel eher an Debatten durch perſönliche<lb/> Meinungsäußerungen ſich betheiligen würden. Wir<lb/> wünſchen der Genoſſenſchaft in ihrem Vorhaben viel<lb/> Glück und raſche Arbeit.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Böhmen.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Prag.</hi> </head> <p><hi rendition="#g">(Makler- und Ausgleichs-<lb/> gerüchte.)</hi> Von Zeit zu Zeit werden immer wieder<lb/> Meldungen in verſchiedene Blätter lancirt, welche neue<lb/><cb/> Verhandlungen zwiſchen Vertretern der Jungczechen und<lb/> der Deutſchen in Böhmen behufs Erzielung einer<lb/> Verſtändigung in Ausſicht ſtellen. In jüngſter Zeit<lb/> wurden ausdrücklich Vertreter der alpenländiſchen<lb/> „Katholiſchen Volkspartei“ als Makler für die Ein-<lb/> leitung „unverbindlicher Beſprechungen“ dieſer Art<lb/> zwiſchen Vertretern des Jungczechenclubs einerſeits und<lb/> der deutſchfortſchrittlichen und der deutſchvolklichen Partei<lb/> andererſeits bezeichnet. Wer bei der jetzigen politiſchen<lb/> Lage eine ſolche Maklerrolle von Mitgliedern der<lb/> „Katholiſchen Volkspartei“ gegenüber den Deutſchen<lb/> Böhmens ernſt nimmt oder gar für erfolgreich hält,<lb/> wie es ein deutſch-antiſemitiſches Blatt thatſächlich thut,<lb/> der kennt die Verhältniſſe und Stimmungen in Böhmen<lb/> nicht oder führt abſichtlich irre. Nachdem der im Jahre<lb/> 1890 unter der Garantie des Miniſteriums Taaffe<lb/> zwiſchen Czechen, Deutſchen und Hochadel feierlich ge-<lb/> ſchloſſene Ausgleichspakt binnen wenigen Monaten von<lb/> Czechen und Adel ſchnöde gebrochen und vor dem<lb/> Vollzuge ſelbſt von der damaligen Regierung<lb/> einfach im Stiche gelaſſen worden iſt, haben<lb/> die Deutſchen Böhmens um ſo mehr für<lb/> neue Ausgleichs-Conferenzen mit bloßem <hi rendition="#g">Privat</hi>-<lb/> Charakter jedes Vertrauen verloren. Willkür-Acte ſind<lb/> nicht mehr Pacte, ſondern etwas ganz Anderes. Die<lb/> Deutſchen Böhmens wiſſen, daß ſie, zumal von dem<lb/> jetzigen Syſtem, das ihnen die Schlinge der Badeni’ſchen<lb/> Sprachenverordnungen mit allen Conſequenzen daraus<lb/> um den Hals geworfen hat und dieſe immer mehr zu-<lb/> zuziehen trachtet, an eine rückſichtsloſe nationalpolitiſche<lb/> Gegnerſchaft ſchutzlos preisgegeben ſind, obwohl ſie 2½<lb/> Millionen Köpfe zählen, das ſteuerkräftigſte Element und<lb/> ſeit Jahrhunderten die verläſſigſte Stütze Oeſterreichs<lb/> ſind. Im böhmiſchen Landtage ſind die 70 Vertreter<lb/> der Deutſchen des Landes gegenüber den 96 national-<lb/> czechiſchen und den 76 bevorrechteten Adels- und Groß-<lb/> grundbeſitz-Abgeordneten ſo machtlos, daß ſie aus<lb/> eigener Machtvollkommenheit nicht einmal einen Ver-<lb/> treter in die Commiſſionen, in den Landesausſchuß<lb/> oder in die Landesanſtalten wählen können, ſondern<lb/> dabei auf die Gnade des Feud ladels angewieſen<lb/> bleiben. Ein Landesgeſetz zu ihrer Sicherung, das<lb/> nationale Curien mit dem Wahl- und Vetorechte<lb/> aufrichtet, wird ihnen von der jungczechiſchen<lb/> und feudalen Majorität übermüthig verweigert.<lb/> Die Deutſchen ſollen ſich erſt durch ihre Zuſtimmung<lb/> zum czechiſchen Nationalſtaate definitiv von den übrigen<lb/> deutſchen Stammesgenoſſen Oſterreichs losſcheiden und<lb/> als dauernd bedeutungsloſe Minorität ſich auf Gnade<lb/> oder Ungnade dem Jungczechenthum und ſeinem<lb/> Bundesgenoſſen ausliefern, bevor ſie auch nur das primitivſte<lb/> Selbſtbeſtimmungsrecht im Landtage bewilligt er-<lb/> halten. Das nennt man von feudaler und jungczechiſcher<lb/> Seite „nationalen Ausgleich“ für die 2½ Millionen<lb/> Deutſchen Böhmens. Dazu lud die Adelscurie ſchon in<lb/> der letzten böhmiſchen Landtagsſeſſion durch den Grafen<lb/> Boucquoy die 70 deutſchen Landtags-Abgeordneten ein.<lb/> Natürlich erfolglos! Man fordert damit ja nur<lb/> Unterwerfung unter die nationalczechiſchen Dictate, nicht<lb/> aber einen ehrenvollen Ausgleich. Man hat mit den<lb/> verfaſſungswidrigen Badeni’ſchen Sprachen-Ordonnanzen<lb/> übermüthig den Ton der Grundſtimmung feſtgelegt. Da<lb/> werden ſchließlich nicht Ausgleichs-Befprechungen,<lb/> ſondern Momente anderer Art entſcheiden. An ehrliche<lb/> Ausgleichs-Conferenzen glauben die Deutſchen ſeit dem<lb/> ſchmählichen Wortbruche des Adels und der darüber<lb/> zu Grunde gegangenen Altczechen des Taaffe’ſchen<lb/> Ausgleichs vom Jahre 1890 nicht mehr. <hi rendition="#g">Für</hi> den-<lb/> ſelben haben bis heute die Deutſchen Böhmens allein<lb/> ihr Wort gehalten, das damals alle Compaciscenten<lb/> feierlich verpfändet haben. Solche Thatſachen der<lb/> Geſchichte laſſen ſich nicht mehr auswiſchen. Was<lb/> wollen angeſichts deſſen die Vertreter der „Katholiſchen<lb/> Volkspartei“ als <hi rendition="#g">Makler</hi> in dem deutſch-czechiſchen<lb/> Zwieſpalte, die nach allgemeiner Ueberzeugung und<lb/> nach parlamentariſcher Conſtatirung Dr. Lueger’s die<lb/><hi rendition="#g">Schuld</hi> ſind an der Fortdauer der jetzigen ver-<lb/> worrenen Lage in Oeſterreich, die Schuld an der<lb/> Preisgebung der Deutſchen, und die jene kleinen<lb/> deutſchen Fürſten nachgeahmt haben, welche ſeinerzeit um<lb/> kleiner Vortheile willen Deutſchlands Freiheit an den<lb/> Eroberer Napoleon <hi rendition="#aq">I.</hi> preisgaben, indem ſie ihm bei<lb/> der Niederwerfung Bundesgenoſſen wurden. Die<lb/> „Politik“ hat darum wohl Recht, wenn ſie neue<lb/> private Ausgleichsverhandlungen, die behufs Annäherung<lb/> zwiſchen Deutſchen und Czechen Böhmens im nächſten<lb/> böhmiſchen Landtage ſtattfinden ſollen, über-<lb/> haupt bezweifelt und als ausſichtslos behandelt.<lb/> Die bezüglichen Erfahrungen der letzten Land-<lb/> tags-Seſſion und andere Thatſachen ſprechen<lb/> deutlich genug. Zudem verbittert ſich die Stim-<lb/> mung in Deutſchböhmen wegen der ſchonungsloſen Auf-<lb/> rechthaltung der unwürdigen Lage von Tag zu Tag<lb/> mehr, ſo daß der Eintritt der deutſchen Abgeordneten<lb/> in den böhmiſchen Landtag für Ende December immer<lb/> zweifelhafter wird. Der Prager Landtag hat damit alle<lb/> Ausſicht, Rumpflandtag für die Czechen und die Ver-<lb/> treter des ſtaatsrechtlichen Adels zu werden, nachdem<lb/> bekanntlich der deutſche verfaſſungskreue Adel als Mi-<lb/> norität durch das Liſtenwahlſyſtem ohnehin längſt aus-<lb/> geſchloſſen iſt. Damit wäre die Bedeutung des böhmiſchen<lb/> Landtages, in welchem 2½ Millionen Deutſche durch<lb/> den Zwang der unwürdigen Verhältniſſe <hi rendition="#g">nicht</hi> ver-<lb/> treten wären, auf ein precäres Niviau hinabgedrückt. Es<lb/> iſt bedauerlich, daß es in Böhmen ſo ſteht, aber die<lb/> Deutſchen ſind nicht im Stande, dieſe Zuſtände zu<lb/> ändern. Sie wehren ſich nur gegen das ihnen auf-<lb/> gelaſtete Unrecht.</p><lb/> <cb/> </div> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Prag.</hi> </head> <p><hi rendition="#g">(Allerlei vom Tage.)</hi> Dem greiſen<lb/> Dr. Rieger hat die Prager Stadtvertretung zu ſeinem<lb/> 80jährigen Geburtstage durch Bürgermeiſter Dr. Podlipny<lb/> die goldene Medaille der Stadt und eine Adreſſe überreichen<lb/> laſſen, worin Rieger’s Verdienſte um die czechiſche Nation<lb/> gefeiert werden. Dr. Rieger gedachte in ſeiner Dankrede<lb/> ſeiner politiſchen Freunde und Mitarbeiter, empfahl der<lb/> Nation Ausdauer im Kampfe und befürwortete gleichzeitig<lb/> eine Verſtändigung mit den Deutſchen. — Bei der feierlichen<lb/> Inanguration des neuen Rectors der deutſchen Carl<lb/> Ferdinands-Univerſität, des Theologie-Profeſſors Dr. Kurz,<lb/> hielt Prorector Dr. Ulbrich eine Anſprache, die ſich zu einer<lb/> Rückſchau geſtaltete auf das letzte Jahr, auf die Befehdung<lb/> der deutſchen Hochſchule und der deutſchen Studenten in dieſem<lb/> Zeitraume, wie ſie namentlich der national-czechiſchen Straßen-<lb/> Aufruhr im December 1897 und die daran ſich knüpfenden<lb/> Ereigniſſe brachten. Dieſe Vorkommniſſe zwangen den<lb/> Univerſitäts-Senat, durch Deputationen an den Miniſter-<lb/> präſidenten zweimal den Schutz des Regierung für die<lb/> Univerſität und für die Rechte der deutſchen Studirenden<lb/> anzurufen. Prorector Dr. Ulbrich dankte dann den Studenten<lb/> für ihre in der kritiſchen Zeit ſtets bewieſene tadelloſe<lb/> Haltung und empfahl ihnen auch weiterhin treues Feſthalten<lb/> an der deutſchen <hi rendition="#aq">Alma Mater,</hi> dieſer erſten, älteſten und<lb/> gefeiertſten Hochſchule des deutſchen Volkes. Die deutſche<lb/> Carolo-Ferdinandea-Univerſität vollendete am 7. April 1898<lb/> das 550. Jahr ihres Beſtandes. — Am 9. d. M. celebrirte<lb/> Prinz Karl von Schönburg-Hartenſtein, Benedictiner des<lb/> Stiftes Emaus in Prag, als neugeweihter Prieſter in der<lb/> Emauſer-Kloſterkirche ſein erſtes hl. Meßopfer, bei welcher<lb/> Feier der Hochadel Böhmens durch eine Anzahl von Mit-<lb/> gliedern vertreten war. — In der Sitzung des „Deutſchen<lb/> landwirtſchaftlichen Centralverbandes für Böhmen“,<lb/> die hier am 11. d. M. abgehalten wurde, verlangten die<lb/> Vertreter der Städte Teplitz und Leitmeritz die Verlegung<lb/> der Verbandsleitung von Prag weg in eine Stadt Nord-<lb/> böhmens, da die nationalczechiſchen Angriffe gegen das Ge-<lb/> bäude des Centralverbandes, das nicht einmal eine deutſche<lb/> Aufſchrift trage, dies empfehlen. Sie fanden aber ſtarken<lb/> Widerſpruch bei dem Vorſitzenden und beſonders den Dele-<lb/> girten Weſtböhmens, welche das Verlaſſen der Landeshaupt-<lb/> ſtadt als Feigheit und falſche Taktik behandelten, weil<lb/> damit nur abermals eine feſte Poſition der Deutſchen in<lb/> Prag geopfert würde. Damit erklärten ſich bei der Ab-<lb/> ſtimmung alle Delegirten einverſtanden, und ſo bleibt Prag<lb/> weiterhin der Sitz der Centralleitung. — Der Haſenberg<lb/> bei Klappai in der Nähe von Leitmeritz, ein 400 Meter<lb/> hoher Baſaltkegel, deſſen Fundament auf waſſerdurch-<lb/> fluthetem Letten ruht, iſt abermals in gefährliche Rntſchung<lb/> gekommen und bedroht nun die letzten Reſte des Dorfes<lb/> Klappai mit Vernichtung. Die Berglehne iſt ſeit<lb/> 11. December d. J. wieder ſtark zerriſſen, und die<lb/> Erdmaſſen haben ſich in ſüdweſtlicher Richtung erſchreckend<lb/> in Bewegung geſetzt. Im Frühling dieſes Jahres<lb/> brach die erſte Kataſtrophe dieſer Art herein und ver-<lb/> nichtete damals binnen wenigen Stunden 40 Häuſer vom<lb/> Klappai, die meiſt zur Gänze und unter donnerndem<lb/> Getöſe der Erdbrüche in plötzlich aufgähnende Erdſchlünde<lb/> ſanken. Jetzt hört man wiederum das unterirdiſche Waſſer-<lb/> rauſchen und dumpfe Getöſe des zuſammenbrechenden Erd-<lb/> innern aus dem Berge, deſſen Baſaltmaſſen in die aus-<lb/> gewaſchenen Erdlöcher hinabſtürzen, und deſſen loſes<lb/> Material ſich ſeitlich abtrennt und zu Thale wandert.<lb/> Die Dorfbewohner von Klappai flüchten entſetzt, und die<lb/> Behörden treffen alle möglichen Sicherungs- und Rettungs-<lb/> vorkehrungen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#aq">f.</hi> <hi rendition="#b">Teplitzer Bezirk.</hi> </head> <p>Im Voranſchlage der<lb/> Stadtgemeinde Teplitz-Schönau ſeien folgenden Poſten<lb/> unter Anderen hervorgehoben: Gehalt des Bürger-<lb/> meiſters 3600 fl., Subvention der confeſſionellen evan-<lb/> geliſchen Schule 350 fl.; Gehalte und Erforderniſſe<lb/> der iſraelitiſchen Privatvolksſchule 1405 fl.; deutſcher<lb/> Nationalfonds 1000 fl. Die Activcapitalien der Stadt<lb/> betragen 501.586 fl., die Paſſivcapitalien aber<lb/> 2,818.034 fl. — Im Teplitzer Pläner wurde ein hoch-<lb/> intereſſanter paläontologiſcher Fund gemacht. Es iſt<lb/> das Skelett eines Sauriers aus der Claſſe <hi rendition="#aq">Polyptichodon<lb/> interruptus.</hi> Das Thier muß eine rieſige Länge be-<lb/> ſeſſen haben. Der Fund kam in das Wohnhaus des<lb/> Herrn Faßl nach Teplitz, wo derſelbe ein Privatmuſeum<lb/> gegründet hat. Im vergangenen Herbſte hat derſelbe<lb/> Herr 42 heidniſche Wohnſtätten und Gräber im<lb/> Teplitzer Bezirke ausgegraben. — Der Antheil des<lb/> Staates am Reingewinn der Auſſig-Teplitzer Bahn<lb/> wird im Voranſchlage für das Jahr 1899 mit<lb/> 600.000 fl. berechnet. — Dr. Baß in Mariaſchein<lb/> hat ſeine Stelle als Bruderladenarzt am 1. d., nieder-<lb/> gelegt, während dieſelbe Fuction Dr. Gans in Turn<lb/> vom 1. Jänner 1899 nicht mehr ausüben wird. Die<lb/> Bruderladen bieten den jüdiſchen Aerzten kein gutes<lb/> Geſchäft, weswegen dieſe Bruderladen gerne chriſtlichen<lb/> Aerzten überlaſſen werden.</p> </div> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Parlamentariſches.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Der Ausgleichsausſchuß</hi> </head> <p>brachte geſtern die Debatte<lb/> über den Tiroler Getreidelandesaufſchlag zu Ende. Wir be-<lb/> richten an anderer Stelle über die Abſtimmung. Es wurde<lb/> dann <hi rendition="#g">Art.</hi> <hi rendition="#aq">XIII</hi> Beſtimmungen über das metriſche Maß-<lb/> und Gewichtsſyſtem, Beſtimmungen über den Feingehalt der<lb/> Gold- und Silberwaaren und deren Ueberwachung in Be-<lb/> rathung gezogen und nach kurzer Debatte unverändert an-<lb/> genommen. Bei <hi rendition="#g">Art.</hi> <hi rendition="#aq">XIV</hi> (<hi rendition="#g">Gleichſtellung der<lb/> Handels- und Gewerbetreibenden</hi> des<lb/> anderen Ländergebietes mit den Einheimiſchen) wünſcht<lb/> Abg. <hi rendition="#b">Mauthner</hi> eine Gleichſtellung der öſterreichiſchen und<lb/> ungariſchen Intereſſenten bei den <hi rendition="#g">öffentlichen<lb/> Lieferungen.</hi> Die ungariſche Regierung iſt bei allen<lb/> ihren Lieferungen beſtrebt, dieſelben nur an <hi rendition="#g">ungariſche</hi><lb/> Staatsangehörige zu vergeben, und übt auch in dieſem<lb/> Sinne einen Druck auf die autonomen Behörden und auf<lb/> die Privaten in Ungarn aus.</p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Menger</hi> brachte die Interpellation des Abgeord-<lb/> neten Rutovski zur Sprache, daß der deutſche Kaiſer bei<lb/> ſeinem Aufenthalte in Beyrut dem dortigen Honorarconſul,<lb/> der auch die <hi rendition="#g">Intereſſen öſterreichiſcher<lb/> Firmen</hi> vertreten habe, dies <hi rendition="#g">verwieſen</hi> habe, und<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [5/0005]
284 Wien, Mittwoch Reichspoſt 14. December 1898
auch mit der Thronfolge zuſammen, da der
neue Ras von Tigre der Nachfolger Menelik’s ſein
wird.
London, 13. December. Der bekannte Anatom
und Arzt der Königin Victoria, William Jenner
iſt geſtorben.
Lemberg, 13. December. Der Kaiſer ſpendete
für die Abbrändler in Dzieduszyce-Wielkie 2000 fl.
Aus den Kronländern.
Steiermark.
Graz. (Eine conſervative Ver-
ſammlung in Preding.) Das „Grazer Volks-
blatt“ bringt gegenüber den Berichten der Grazer und
Wiener Blätter über die Predinger Verſammlung
folgende Richtigſtellung:
„Der Katholiſchconſervative Volksverein von Preding
hielt geſtern, Sonntag Vormittags ſeine Generalver-
ſammlung ab, zu welcher auch der Herr Abg. Kurz ein-
geladen war. Zugleich war auch Herr Baron Rokitansky
mit einer großen Anzahl von Bauernbündlern erſchienen.
Abg. Kurz erſtattete ſeinen Rechenſchaftsbericht, wobei er auf
Sprachenverordnungen und Ausgleich ꝛc. zu ſprechen kam
und die Katholiſche Volkspartei gegen die gemachten Vor-
würfe in Schutz nahm. Auf einen Zwiſchenruf des Barons
Rokitansky konnte der Herr Abg. Kurz erklären, daß der
Club der Katholiſchen Volkspartei bis heute noch keinen
Beſchluß gefaßt hat, für den Ausgleich zu ſtimmen. Nach
Herrn Kurz hielt der hochwürdige Herr Pfarrer
eine Kaiſerjubiläums-Anſprache, die mit einem
dreifachen „Hoch“ auf Se. Majeſtät ſchloß. Zum Beweis
der patriotiſchen Geſinnung forderte er die Verſammelten
auf, ein Vaterunſer für Se. Majeſtät zu beten, was auch
geſchah, worauf die Verſammlung geſchloſſen wurde, ohne
daß Baron Rokitansky das Wort erhielt. Auf das hin
brach ein ohrenbetäubendes Geſchrei der Bündler los,
während ſich die Vereinsmitglieder entfernten. Rokitansky
blieb mit ſeinen Getreuen zurück, trotz § 22 des Verſamm-
lungsgeſetzes. Gegenüber dem unwahren Berichte der
„Tagespoſt“ ſei conſtatirt, daß Herr Kurz dem Baron Roki-
tansky nicht zuſagte, er werde ſprechen können, da Herr
Kurz zu einer ſolchen Zuſage, weil ſelbſt Gaſt, kein Recht
hatte, und nach § 14 des Verſammlungsgeſetzes überhaupt
Rokitansky das Wort zu ergreifen nicht berechtigt war.“
Soweit der Bericht. Daß die Katholiſche
Volkspartei bis heute noch keinen Beſchluß
gefaßt hat, für den Ausgleich zu ſtimmen, glauben wir
dem Abgeordneten Kurz gerne. Aber wir fürchten,
daß das, was nicht iſt, noch werden kann, zumal
gegenwärtig die Vertreter dieſer Partei im Ausgleichs-
ausſchuſſe bisher ſtets für die unveränderte Annahme
der Regierungsvorlage geſtimmt und ſich nur mit un-
gefährlichen Reſolutionen begnügt haben.
Tirol.
Brixen. (Vonder landwirthſchaft-
lichen Bezirksgenoſſenſchaft.) Im
Saale zum „goldenen Adler“ wurde Freitag, 9. De-
cember, eine ſehr zahlreich beſuchte Vollverſammlung
der landwirthſchaftlichen Bezirksgenoſſenſchaft abgehalten,
an der auch der Reichsraths-Abgeordnete Dr. Schöpfer
und der Landtags-Abgeordnete Schraffl aus Sillian
theilnahmen. Im Ganzen dürften 200 Theilnehmer
geweſen ſein. Leider war der Obmann, Landtags-
Abgeordneter Dr. v. Guggenberg, durch Unwohlſein
verhindert (den Vorſitz führte dafür ſein Bruder, das
Ausſchußmitglied General v. Guggenberg), was diesmal
umſomehr bedauert wurde, weil gerade er jenen Gegen-
ſtand auf die Tagesordnung brachte und perſönlich
vertreten wollte, der den hieſigen Landwirthen dieſe
Verſammlung als ſo wichtig erſcheinen ließ. Es
handelte ſich nämlich um eine gründliche
Reorganiſirung der Genoſſenſchaft. Der Antrag
gieng dahin, daß ſich die Mitglieder in den einzelnen
Gemeinden und Seitenthälern zu Ortsgenoſſen-
ſchaften vereinigen und dieſe zuſammen den „Ver-
band der Bezirksgenoſſenſchaft“ bilden ſollten. Ein
weiterer Antrag gieng dahin, daß die Bauern einen
weiteren, energiſchen Schritt in der Selbſthilfe thun
und Erwerbs- und Wirthſchafts-
genoſſenſchaften gründen ſollten. Nach dem
Referate, welches hierüber General von Guggenberg
erſtattete, ſprachen zu dieſer Angelegenheit die Abgeordneten
Schoepfer und Schraffl. Der Erſtere zeigte,
welchen Aufſchwung das perſönliche Intereſſe der
Bauern am genoſſenſchaftlichen Wirken erhalten würde,
wenn in den einzelnen Gemeinden Brennpunkte des-
ſelben wären; er verwies auch darauf, daß der
Tiroler Landtag wiederholt ſchon für die Berufs-
organiſation des Bauernſtandes die Ortsgenoſſen-
ſchaften als die unterſten Elemente verlangt habe.
Betreffs der Erwerbs- und Wirthſchaftsgenoſſenſchaften
wurde auf die Erfolge in Niederöſterreich, und be-
ſonders in der Schweiz. hingewieſen und die raſtloſe
Thätigkeit des Villacher Stadtcaplans Walcher
erwähnt. Herr Schraffl empfahl beſonders, auch
den Rechtsſchutz in die geplanten Vereine aufzu-
nehmen. Die Anträge wurden einſtimmig angenommen
und der Ausſchuß damit betraut, die Ausführung in
die Hand zu nehmen. In kleineren Cirkeln äußerten
viele Theilnehmer ihre Ueberzeugung, daß die Bauern
mit Freuden mitthun und auch in kleineren Orts-
verſammlungen viel eher an Debatten durch perſönliche
Meinungsäußerungen ſich betheiligen würden. Wir
wünſchen der Genoſſenſchaft in ihrem Vorhaben viel
Glück und raſche Arbeit.
Böhmen.
Prag. (Makler- und Ausgleichs-
gerüchte.) Von Zeit zu Zeit werden immer wieder
Meldungen in verſchiedene Blätter lancirt, welche neue
Verhandlungen zwiſchen Vertretern der Jungczechen und
der Deutſchen in Böhmen behufs Erzielung einer
Verſtändigung in Ausſicht ſtellen. In jüngſter Zeit
wurden ausdrücklich Vertreter der alpenländiſchen
„Katholiſchen Volkspartei“ als Makler für die Ein-
leitung „unverbindlicher Beſprechungen“ dieſer Art
zwiſchen Vertretern des Jungczechenclubs einerſeits und
der deutſchfortſchrittlichen und der deutſchvolklichen Partei
andererſeits bezeichnet. Wer bei der jetzigen politiſchen
Lage eine ſolche Maklerrolle von Mitgliedern der
„Katholiſchen Volkspartei“ gegenüber den Deutſchen
Böhmens ernſt nimmt oder gar für erfolgreich hält,
wie es ein deutſch-antiſemitiſches Blatt thatſächlich thut,
der kennt die Verhältniſſe und Stimmungen in Böhmen
nicht oder führt abſichtlich irre. Nachdem der im Jahre
1890 unter der Garantie des Miniſteriums Taaffe
zwiſchen Czechen, Deutſchen und Hochadel feierlich ge-
ſchloſſene Ausgleichspakt binnen wenigen Monaten von
Czechen und Adel ſchnöde gebrochen und vor dem
Vollzuge ſelbſt von der damaligen Regierung
einfach im Stiche gelaſſen worden iſt, haben
die Deutſchen Böhmens um ſo mehr für
neue Ausgleichs-Conferenzen mit bloßem Privat-
Charakter jedes Vertrauen verloren. Willkür-Acte ſind
nicht mehr Pacte, ſondern etwas ganz Anderes. Die
Deutſchen Böhmens wiſſen, daß ſie, zumal von dem
jetzigen Syſtem, das ihnen die Schlinge der Badeni’ſchen
Sprachenverordnungen mit allen Conſequenzen daraus
um den Hals geworfen hat und dieſe immer mehr zu-
zuziehen trachtet, an eine rückſichtsloſe nationalpolitiſche
Gegnerſchaft ſchutzlos preisgegeben ſind, obwohl ſie 2½
Millionen Köpfe zählen, das ſteuerkräftigſte Element und
ſeit Jahrhunderten die verläſſigſte Stütze Oeſterreichs
ſind. Im böhmiſchen Landtage ſind die 70 Vertreter
der Deutſchen des Landes gegenüber den 96 national-
czechiſchen und den 76 bevorrechteten Adels- und Groß-
grundbeſitz-Abgeordneten ſo machtlos, daß ſie aus
eigener Machtvollkommenheit nicht einmal einen Ver-
treter in die Commiſſionen, in den Landesausſchuß
oder in die Landesanſtalten wählen können, ſondern
dabei auf die Gnade des Feud ladels angewieſen
bleiben. Ein Landesgeſetz zu ihrer Sicherung, das
nationale Curien mit dem Wahl- und Vetorechte
aufrichtet, wird ihnen von der jungczechiſchen
und feudalen Majorität übermüthig verweigert.
Die Deutſchen ſollen ſich erſt durch ihre Zuſtimmung
zum czechiſchen Nationalſtaate definitiv von den übrigen
deutſchen Stammesgenoſſen Oſterreichs losſcheiden und
als dauernd bedeutungsloſe Minorität ſich auf Gnade
oder Ungnade dem Jungczechenthum und ſeinem
Bundesgenoſſen ausliefern, bevor ſie auch nur das primitivſte
Selbſtbeſtimmungsrecht im Landtage bewilligt er-
halten. Das nennt man von feudaler und jungczechiſcher
Seite „nationalen Ausgleich“ für die 2½ Millionen
Deutſchen Böhmens. Dazu lud die Adelscurie ſchon in
der letzten böhmiſchen Landtagsſeſſion durch den Grafen
Boucquoy die 70 deutſchen Landtags-Abgeordneten ein.
Natürlich erfolglos! Man fordert damit ja nur
Unterwerfung unter die nationalczechiſchen Dictate, nicht
aber einen ehrenvollen Ausgleich. Man hat mit den
verfaſſungswidrigen Badeni’ſchen Sprachen-Ordonnanzen
übermüthig den Ton der Grundſtimmung feſtgelegt. Da
werden ſchließlich nicht Ausgleichs-Befprechungen,
ſondern Momente anderer Art entſcheiden. An ehrliche
Ausgleichs-Conferenzen glauben die Deutſchen ſeit dem
ſchmählichen Wortbruche des Adels und der darüber
zu Grunde gegangenen Altczechen des Taaffe’ſchen
Ausgleichs vom Jahre 1890 nicht mehr. Für den-
ſelben haben bis heute die Deutſchen Böhmens allein
ihr Wort gehalten, das damals alle Compaciscenten
feierlich verpfändet haben. Solche Thatſachen der
Geſchichte laſſen ſich nicht mehr auswiſchen. Was
wollen angeſichts deſſen die Vertreter der „Katholiſchen
Volkspartei“ als Makler in dem deutſch-czechiſchen
Zwieſpalte, die nach allgemeiner Ueberzeugung und
nach parlamentariſcher Conſtatirung Dr. Lueger’s die
Schuld ſind an der Fortdauer der jetzigen ver-
worrenen Lage in Oeſterreich, die Schuld an der
Preisgebung der Deutſchen, und die jene kleinen
deutſchen Fürſten nachgeahmt haben, welche ſeinerzeit um
kleiner Vortheile willen Deutſchlands Freiheit an den
Eroberer Napoleon I. preisgaben, indem ſie ihm bei
der Niederwerfung Bundesgenoſſen wurden. Die
„Politik“ hat darum wohl Recht, wenn ſie neue
private Ausgleichsverhandlungen, die behufs Annäherung
zwiſchen Deutſchen und Czechen Böhmens im nächſten
böhmiſchen Landtage ſtattfinden ſollen, über-
haupt bezweifelt und als ausſichtslos behandelt.
Die bezüglichen Erfahrungen der letzten Land-
tags-Seſſion und andere Thatſachen ſprechen
deutlich genug. Zudem verbittert ſich die Stim-
mung in Deutſchböhmen wegen der ſchonungsloſen Auf-
rechthaltung der unwürdigen Lage von Tag zu Tag
mehr, ſo daß der Eintritt der deutſchen Abgeordneten
in den böhmiſchen Landtag für Ende December immer
zweifelhafter wird. Der Prager Landtag hat damit alle
Ausſicht, Rumpflandtag für die Czechen und die Ver-
treter des ſtaatsrechtlichen Adels zu werden, nachdem
bekanntlich der deutſche verfaſſungskreue Adel als Mi-
norität durch das Liſtenwahlſyſtem ohnehin längſt aus-
geſchloſſen iſt. Damit wäre die Bedeutung des böhmiſchen
Landtages, in welchem 2½ Millionen Deutſche durch
den Zwang der unwürdigen Verhältniſſe nicht ver-
treten wären, auf ein precäres Niviau hinabgedrückt. Es
iſt bedauerlich, daß es in Böhmen ſo ſteht, aber die
Deutſchen ſind nicht im Stande, dieſe Zuſtände zu
ändern. Sie wehren ſich nur gegen das ihnen auf-
gelaſtete Unrecht.
Prag. (Allerlei vom Tage.) Dem greiſen
Dr. Rieger hat die Prager Stadtvertretung zu ſeinem
80jährigen Geburtstage durch Bürgermeiſter Dr. Podlipny
die goldene Medaille der Stadt und eine Adreſſe überreichen
laſſen, worin Rieger’s Verdienſte um die czechiſche Nation
gefeiert werden. Dr. Rieger gedachte in ſeiner Dankrede
ſeiner politiſchen Freunde und Mitarbeiter, empfahl der
Nation Ausdauer im Kampfe und befürwortete gleichzeitig
eine Verſtändigung mit den Deutſchen. — Bei der feierlichen
Inanguration des neuen Rectors der deutſchen Carl
Ferdinands-Univerſität, des Theologie-Profeſſors Dr. Kurz,
hielt Prorector Dr. Ulbrich eine Anſprache, die ſich zu einer
Rückſchau geſtaltete auf das letzte Jahr, auf die Befehdung
der deutſchen Hochſchule und der deutſchen Studenten in dieſem
Zeitraume, wie ſie namentlich der national-czechiſchen Straßen-
Aufruhr im December 1897 und die daran ſich knüpfenden
Ereigniſſe brachten. Dieſe Vorkommniſſe zwangen den
Univerſitäts-Senat, durch Deputationen an den Miniſter-
präſidenten zweimal den Schutz des Regierung für die
Univerſität und für die Rechte der deutſchen Studirenden
anzurufen. Prorector Dr. Ulbrich dankte dann den Studenten
für ihre in der kritiſchen Zeit ſtets bewieſene tadelloſe
Haltung und empfahl ihnen auch weiterhin treues Feſthalten
an der deutſchen Alma Mater, dieſer erſten, älteſten und
gefeiertſten Hochſchule des deutſchen Volkes. Die deutſche
Carolo-Ferdinandea-Univerſität vollendete am 7. April 1898
das 550. Jahr ihres Beſtandes. — Am 9. d. M. celebrirte
Prinz Karl von Schönburg-Hartenſtein, Benedictiner des
Stiftes Emaus in Prag, als neugeweihter Prieſter in der
Emauſer-Kloſterkirche ſein erſtes hl. Meßopfer, bei welcher
Feier der Hochadel Böhmens durch eine Anzahl von Mit-
gliedern vertreten war. — In der Sitzung des „Deutſchen
landwirtſchaftlichen Centralverbandes für Böhmen“,
die hier am 11. d. M. abgehalten wurde, verlangten die
Vertreter der Städte Teplitz und Leitmeritz die Verlegung
der Verbandsleitung von Prag weg in eine Stadt Nord-
böhmens, da die nationalczechiſchen Angriffe gegen das Ge-
bäude des Centralverbandes, das nicht einmal eine deutſche
Aufſchrift trage, dies empfehlen. Sie fanden aber ſtarken
Widerſpruch bei dem Vorſitzenden und beſonders den Dele-
girten Weſtböhmens, welche das Verlaſſen der Landeshaupt-
ſtadt als Feigheit und falſche Taktik behandelten, weil
damit nur abermals eine feſte Poſition der Deutſchen in
Prag geopfert würde. Damit erklärten ſich bei der Ab-
ſtimmung alle Delegirten einverſtanden, und ſo bleibt Prag
weiterhin der Sitz der Centralleitung. — Der Haſenberg
bei Klappai in der Nähe von Leitmeritz, ein 400 Meter
hoher Baſaltkegel, deſſen Fundament auf waſſerdurch-
fluthetem Letten ruht, iſt abermals in gefährliche Rntſchung
gekommen und bedroht nun die letzten Reſte des Dorfes
Klappai mit Vernichtung. Die Berglehne iſt ſeit
11. December d. J. wieder ſtark zerriſſen, und die
Erdmaſſen haben ſich in ſüdweſtlicher Richtung erſchreckend
in Bewegung geſetzt. Im Frühling dieſes Jahres
brach die erſte Kataſtrophe dieſer Art herein und ver-
nichtete damals binnen wenigen Stunden 40 Häuſer vom
Klappai, die meiſt zur Gänze und unter donnerndem
Getöſe der Erdbrüche in plötzlich aufgähnende Erdſchlünde
ſanken. Jetzt hört man wiederum das unterirdiſche Waſſer-
rauſchen und dumpfe Getöſe des zuſammenbrechenden Erd-
innern aus dem Berge, deſſen Baſaltmaſſen in die aus-
gewaſchenen Erdlöcher hinabſtürzen, und deſſen loſes
Material ſich ſeitlich abtrennt und zu Thale wandert.
Die Dorfbewohner von Klappai flüchten entſetzt, und die
Behörden treffen alle möglichen Sicherungs- und Rettungs-
vorkehrungen.
f. Teplitzer Bezirk. Im Voranſchlage der
Stadtgemeinde Teplitz-Schönau ſeien folgenden Poſten
unter Anderen hervorgehoben: Gehalt des Bürger-
meiſters 3600 fl., Subvention der confeſſionellen evan-
geliſchen Schule 350 fl.; Gehalte und Erforderniſſe
der iſraelitiſchen Privatvolksſchule 1405 fl.; deutſcher
Nationalfonds 1000 fl. Die Activcapitalien der Stadt
betragen 501.586 fl., die Paſſivcapitalien aber
2,818.034 fl. — Im Teplitzer Pläner wurde ein hoch-
intereſſanter paläontologiſcher Fund gemacht. Es iſt
das Skelett eines Sauriers aus der Claſſe Polyptichodon
interruptus. Das Thier muß eine rieſige Länge be-
ſeſſen haben. Der Fund kam in das Wohnhaus des
Herrn Faßl nach Teplitz, wo derſelbe ein Privatmuſeum
gegründet hat. Im vergangenen Herbſte hat derſelbe
Herr 42 heidniſche Wohnſtätten und Gräber im
Teplitzer Bezirke ausgegraben. — Der Antheil des
Staates am Reingewinn der Auſſig-Teplitzer Bahn
wird im Voranſchlage für das Jahr 1899 mit
600.000 fl. berechnet. — Dr. Baß in Mariaſchein
hat ſeine Stelle als Bruderladenarzt am 1. d., nieder-
gelegt, während dieſelbe Fuction Dr. Gans in Turn
vom 1. Jänner 1899 nicht mehr ausüben wird. Die
Bruderladen bieten den jüdiſchen Aerzten kein gutes
Geſchäft, weswegen dieſe Bruderladen gerne chriſtlichen
Aerzten überlaſſen werden.
Parlamentariſches.
Der Ausgleichsausſchuß brachte geſtern die Debatte
über den Tiroler Getreidelandesaufſchlag zu Ende. Wir be-
richten an anderer Stelle über die Abſtimmung. Es wurde
dann Art. XIII Beſtimmungen über das metriſche Maß-
und Gewichtsſyſtem, Beſtimmungen über den Feingehalt der
Gold- und Silberwaaren und deren Ueberwachung in Be-
rathung gezogen und nach kurzer Debatte unverändert an-
genommen. Bei Art. XIV (Gleichſtellung der
Handels- und Gewerbetreibenden des
anderen Ländergebietes mit den Einheimiſchen) wünſcht
Abg. Mauthner eine Gleichſtellung der öſterreichiſchen und
ungariſchen Intereſſenten bei den öffentlichen
Lieferungen. Die ungariſche Regierung iſt bei allen
ihren Lieferungen beſtrebt, dieſelben nur an ungariſche
Staatsangehörige zu vergeben, und übt auch in dieſem
Sinne einen Druck auf die autonomen Behörden und auf
die Privaten in Ungarn aus.
Abg. Menger brachte die Interpellation des Abgeord-
neten Rutovski zur Sprache, daß der deutſche Kaiſer bei
ſeinem Aufenthalte in Beyrut dem dortigen Honorarconſul,
der auch die Intereſſen öſterreichiſcher
Firmen vertreten habe, dies verwieſen habe, und
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