Reichspost. Nr. 283, Wien, 10.12.1895.Wien, Dienstag Reichspost 10. December 1895 283 [Spaltenumbruch] Vorher wird jedoch das Wiener Terrain sondirt, und falls Graf Goluchowski nichts dawider einzuwenden hat, wird man bald wieder das Duett Terenyi-Banffy zu hören bekommen, das in der diplomatischen Welt bekanntlich seit dem Sturze Kalnoky's einen guten Klang hat." Faufare und Chamade. Casimir der Gerechte, womit wir nicht jenen Zwei dieser Vicekönige nun haben dem Grafen Aus einem ganz anderen Tone wird dem Inland. Wien, 9. December Oesterreich. Der russischen "Novoje Wremja" wird aus Wien Die Prager "Politik" brachte gestern einen Leit- Zur gewaltigen Kundgebung der Wiener Be- Die Tagesordnung war in allen Versammlungen Ueberall wurden die Anträge der Redner, kein "Das Hauptorgan der christlich-socialen Bewegung, Es gibt aber nichtsdestoweniger noch Unzufriedene. Bezüglich der Position des Statthalters Grafen Für die bevorstehenden Gemeindewahlen in Wie aus Lemberg berichtet wird, wurde der Ungarn. Laut Meldungen ungarischer Blätter wurden im Einem Budavester Blatte zu Folge sollen in der Ausland. Wien, 9. December. König Oscar ist gestern für die Aufrechthaltung Berlin, 7. December. Heute Mitternacht zog über London, 7. December. Reuters Office meldet aus Constantinotzel, 7. December. Die Botschafter Reichsrath. Abgeordnetenhaus. Sitzung am 9. December. Die vorliegenden Nothstands-Dringlichkeitsanträge Sodann wird in die Generaldebatte über den Staats- Abg. Dr. Strausky ergreift das Wort. Gemeindezeitung. Liberale "Wahlvorbereitungen". Wie wir bereits Versammlungen. Eine Versammlung in Zwittan. Wie mächtig die antiliberale Bewegung auch in der Wien, Dienſtag Reichspoſt 10. December 1895 283 [Spaltenumbruch] Vorher wird jedoch das Wiener Terrain ſondirt, und falls Graf Goluchowski nichts dawider einzuwenden hat, wird man bald wieder das Duett Terenyi-Banffy zu hören bekommen, das in der diplomatiſchen Welt bekanntlich ſeit dem Sturze Kalnoky’s einen guten Klang hat.“ Faufare und Chamade. Caſimir der Gerechte, womit wir nicht jenen Zwei dieſer Vicekönige nun haben dem Grafen Aus einem ganz anderen Tone wird dem Inland. Wien, 9. December Oeſterreich. Der ruſſiſchen „Novoje Wremja“ wird aus Wien Die Prager „Politik“ brachte geſtern einen Leit- Zur gewaltigen Kundgebung der Wiener Be- Die Tagesordnung war in allen Verſammlungen Ueberall wurden die Anträge der Redner, kein „Das Hauptorgan der chriſtlich-ſocialen Bewegung, Es gibt aber nichtsdeſtoweniger noch Unzufriedene. Bezüglich der Poſition des Statthalters Grafen Für die bevorſtehenden Gemeindewahlen in Wie aus Lemberg berichtet wird, wurde der Ungarn. Laut Meldungen ungariſcher Blätter wurden im Einem Budaveſter Blatte zu Folge ſollen in der Ausland. Wien, 9. December. König Oscar iſt geſtern für die Aufrechthaltung Berlin, 7. December. Heute Mitternacht zog über London, 7. December. Reuters Office meldet aus Conſtantinotzel, 7. December. Die Botſchafter Reichsrath. Abgeordnetenhaus. Sitzung am 9. December. Die vorliegenden Nothſtands-Dringlichkeitsanträge Sodann wird in die Generaldebatte über den Staats- Abg. Dr. Strausky ergreift das Wort. Gemeindezeitung. Liberale „Wahlvorbereitungen“. Wie wir bereits Verſammlungen. Eine Verſammlung in Zwittan. Wie mächtig die antiliberale Bewegung auch in der <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><pb facs="#f0002" n="2"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Wien, Dienſtag Reichspoſt 10. December 1895 283</hi></fw><lb/><cb/> Vorher wird jedoch das Wiener Terrain ſondirt,<lb/> und falls Graf <hi rendition="#g">Goluchowski</hi> nichts dawider<lb/> einzuwenden hat, wird man bald wieder das Duett<lb/><hi rendition="#g">Terenyi-Banffy</hi> zu hören bekommen, das in<lb/> der diplomatiſchen Welt bekanntlich ſeit dem Sturze<lb/> Kalnoky’s einen guten Klang hat.“</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Faufare und Chamade.</hi> </head><lb/> <p>Caſimir der Gerechte, womit wir nicht jenen<lb/> König Caſimir <hi rendition="#aq">II.</hi> von Polen meinen, der dieſen<lb/> ehrenvollen Beinamen führte, ſondern <hi rendition="#g">unſer</hi><lb/> Caſimir, der ſchon deshalb nicht der <hi rendition="#aq">„II.“</hi> ſein kann,<lb/> weil er der — Einzige iſt, alſo Caſimir der Ge-<lb/> rechte und Einzige hat ein Kreuz mit unſeren Statt-<lb/> haltern. Wie man weiß, iſt die Stellung der Statt-<lb/> halter in Oeſterreich in den letzten Jahren der Aera<lb/> Taafſe und in der Zeit des Coalitions-Miniſteriums<lb/> ziemlich verändert worden. Früher war der Statt-<lb/> halter der erſte <hi rendition="#g">Beamte</hi> des Landes, der gewiſſe<lb/> Ehrenrechte genoß, ſchließlich aber doch nur der erſte<lb/><hi rendition="#g">Beamte.</hi> Jetzt iſt das vielfach anders. An Stelle<lb/> der <hi rendition="#g">Beamten</hi> ſind die <hi rendition="#g">„Vicekönige“</hi> ge-<lb/> treten. Jeder derartige Vicekönig hat „ſein“ Land<lb/> in General-Entrepriſe übernommen und macht dort<lb/> ſo ziemlich, was er will und kann. Jedenfalls macht<lb/> er Politik auf eigene Fauſt. Ein ſolcher Vicekönig<lb/> war Graf <hi rendition="#g">Badeni</hi> ſelbſt in Galizien, ein ſolcher<lb/> in Graf <hi rendition="#g">Thun</hi> iſt Böhmen, iſt Graf <hi rendition="#g">Kiel-<lb/> mansegg</hi> in Niederröſterreich, Herr v. <hi rendition="#g">Rinal-<lb/> dini</hi> im Küſtenlande.</p><lb/> <p>Zwei dieſer Vicekönige nun haben dem Grafen<lb/> Badeni große Verlegenheiten zugezogen. Graf <hi rendition="#g">Kiel-<lb/> mansegg</hi> hat ihm die „Wiener Frage“ einge-<lb/> brockt. Graf <hi rendition="#g">Thun</hi> hat ihm die ſchwere Niederlage<lb/> bei den Landtagswahlen in Böhmen auf den Hals<lb/> geladen. Es iſt nun intereſſant zu ſehen, wie ſich<lb/> Caſimir der Gerechte zu dieſen verſchiedenen Statt-<lb/> haltern verſchieden ſtellt. Den Grafen <hi rendition="#g">Kielmans-<lb/> egg</hi> behandelt er geradezu unbarmherzig. Er hat<lb/> ihn in der Wiener Frage desavouirt, er hat ihn nun-<lb/> mehr zum drittenmale in der Frage des Beamten-<lb/> erlaſſes desavouirt. Das letzte Desaveu iſt ſo ſchroff,<lb/> daß man eigentlich annehmen ſollte, es werde dem<lb/> Grafen Kielmansegg als etwas zu ſtarker Tabak er-<lb/> ſcheinen und er werde um ſeine Entlaſſung bitten.</p><lb/> <p>Aus einem ganz anderen Tone wird dem<lb/> Grafen <hi rendition="#g">Thun</hi> gegenüber geblaſen. — Graf<lb/><hi rendition="#g">Kielmansegg</hi> iſt ein ſimpler, hinauf-<lb/> avancirter Beamter, und da er Proteſtant, Ausländer<lb/> und mit einer Ausländerin verheiratet iſt, hat er<lb/> keinerlei beſondere Verbindungen oder Stützen in der<lb/> öſterreichiſchen Geſellſchaft. Anders liegen die Dinge<lb/> beim Grafen <hi rendition="#g">Thun.</hi> Er iſt reich, er iſt vornehm<lb/> von Herkunſtk viel vornehmer als Graf Badeni,<lb/> durch ſeine Heirat mit einer Prtnzeſſin <hi rendition="#g">Schwarzen-<lb/> berg</hi> gehört er der Elite der europäiſchen Ge-<lb/> ſellſchaft an. Mit ſolchen Leuten bindet Caſimir der<lb/> Gerechte nicht gerne an. Die Römer hatten eine<lb/> Redensart, die beſagt, daß man die Unterworfenen<lb/> ſchonen und die Stolzen vernichten müſſe. Caſimir<lb/> der Einzige huldigt den entgegengeſetzten Maxmen.<lb/> Er iſt unerbittlich und ſchonungslos gegen die<lb/> Schwachen, aber ſehr verträglich mit Solchen, von<lb/> denen er glaubt, daß ſie ſich eventuell als ſtärker er-<lb/> weiſen könnten, wie er ſelbſt. So zieht er denn dem<lb/> Grafen <hi rendition="#g">Thun</hi> gegenüber ganz andere Saiten<lb/> auf, als gegenüber dem Grafen <hi rendition="#g">Kielmansegg.</hi><lb/> Er läßt ihm durch das „Fremdenblatt“ zwar<lb/> einen väterlichen Verweis in dem Sinne ertheilen, daß<lb/> der Herr Vicekönig künftighin nicht mehr auf eigene<lb/> Fauſt Politik machen könne, aber er vermeidet alles<lb/> was den Grafen <hi rendition="#g">Thun</hi> verletzen oder brüskiren<lb/> könnte. Der Situation würde es entſprechen, daß<lb/> Graf <hi rendition="#g">Thun</hi> zurücktritt und zwar aus Rückſicht auf<lb/> die Jungczechen, die für die Dauer nur, zu gewinnen<lb/> ſind, wenn man den Ausnahms-Starhalter opfert.<lb/> Graf <hi rendition="#g">Badeni</hi> weiß das Gewiß auch, aber er hat<lb/> nicht den Muth an den Grafen <hi rendition="#g">Thun</hi> zu rühren,<lb/> weil er ſich nicht ſtark genug fühlt mit dem<lb/> böhmiſchen Hochadel zu brechen. Gegen den Grafen<lb/><hi rendition="#g">Kielmannsegg</hi> läßt er eine Fanfare ertönen,<lb/> vor dem Grafen <hi rendition="#g">Thun</hi> ſchlägt er Chamade. Klug<lb/> mag das ſein, nur iſt es nicht „eiſern“ und auch von<lb/> der „Führung“ läßt ſich dabei wenig ſehen.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Inland.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#g">Wien,</hi> 9. December</dateline><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Oeſterreich.</hi> </head><lb/> <p>Der ruſſiſchen „Novoje Wremja“ wird aus Wien<lb/> berichtet, daß es dem Grafen <hi rendition="#g">Badeni</hi> gelungen<lb/> iſt, die <hi rendition="#b">czechiſche Oppoſition</hi> zu ſpalten und daß<lb/> es ihm mit Hilfe verſchiedener Verſprechungen auch<lb/> gelingen wird, <hi rendition="#g">alle</hi> Czechen für ſich zu gewinnen.<lb/> Auf die Anregung des Miniſterpräſidenten ſoll in<lb/><hi rendition="#g">Wien</hi> vom Neujahr ab ein Journal „Die ſlaviſche<lb/> Poſt“ herausgegeben werden, welches zur Aufgabe<lb/> haben ſoll, die öſterreichiſchen Slaven zu überzeugen,<lb/> daß ſie eine Beſſerung ihrer politiſchen Lage nur dann<lb/> zu erwarten haben, wenn ſie ſich der <hi rendition="#g">polniſchen<lb/> Führung</hi> überlaſſen.</p><lb/> <p>Die Prager „Politik“ brachte geſtern einen Leit-<lb/> artikel, in welchem ſie die Jungczechen zur Führer-<lb/> ſchaft in dem Kampfe für die Wahrung der Intereſſen<lb/> Oeſterreichs anläßlich der Erneuerung des <hi rendition="#b">Aus-<lb/> gleiches</hi> mit <hi rendition="#b">Ungarn</hi> auffordert, mit der Begründung,<lb/><cb/> daß Dr. <hi rendition="#g">Lueger,</hi> der zuerſt die Fahne in dieſem<lb/> Kampfe entfaltete, zu ſehr durch die Wiener Frage<lb/> präoccupirt ſei. Da iſt die „Politik“ nicht gut<lb/> informirt, denn gerade bei der ſich entwickelnden<lb/> großen Volksbewegung gegen die Präponderanz<lb/> und die Uebergriffe Ungarns iſt Dr. Lueger der<lb/> natürliche Führer und die Wiener Frage wird ihn<lb/> nicht abhalten, ſeine bewährte Kraft in die Dienſte<lb/> dieſer wahrhaft öſterreichiſch-patriotiſchen Bewegung zu<lb/> ſtellen. Man wird jeden Bundesgenoſſen bei dieſem<lb/> Kampfe mit Freuden begrüßen, aber <hi rendition="#g">den</hi> Mann bei<lb/> Seite ſchieben zu wollen, den man gewiſſermaſſen als<lb/> Opfer dem transleithaniſchen Wärwolf hinwerfen wollte,<lb/> das wäre einfach unverſtändig, ja eine Gefahr für die<lb/> gute Sache. Die <hi rendition="#g">chriſtliche Bevölkerung</hi><lb/> nicht blos Wiens, ſondern ebenſo der Kronländer hat<lb/> in dieſer Frage bereits Stellung genommen, ſie <hi rendition="#g">will</hi><lb/> den braven Patrioten an ihrer Spitze ſehen und er<lb/> wird ſie in dieſem Kampfe zum Siege führen.</p><lb/> <p>Zur gewaltigen Kundgebung der Wiener Be-<lb/> völkerung gegen die <hi rendition="#b">jüdiſch-liberale Preſſe</hi> vom<lb/> 59. v. M. ſchreibt <hi rendition="#aq">»Le Bien du Peuple«</hi> (Lüttich)<lb/> vom 4. d. „Am Abend des 29. v. M. fanden<lb/> 19 Wählerverſammlungen ſtatt. Ueberall folgte eine<lb/> große Volksmenge geſpannt den Ausführungen der<lb/> chriſtlich-ſocialen Redner.</p><lb/> <p>Die Tagesordnung war in allen Verſammlungen<lb/> die gleiche: Proteſt gegen die Nichtbeſtätigung des ge-<lb/> wählten Bürgermeiſters Dr. Lueger und Organiſirung<lb/> eines unerbittlichen Kampfes gegen den mächtigſten<lb/> Feind des chriſtlichen Volkes, die jüdiſch-liberale Preſſe.<lb/> Dieſer Kampf wurde in allen Verſammlungen ein-<lb/> ſtimmig beſchloſſen.</p><lb/> <p>Ueberall wurden die Anträge der Redner, kein<lb/> einziges jüdiſch-liberales Blatt durch Abonniren, Leſen,<lb/> oder durch Inſertion zu unterſtützen, mit lebhaftem<lb/> Beifall ſeitens der enormen Zahl der Theilnehmer<lb/> angenommen. „Krieg der feindlichen, Schutz und För-<lb/> derung der chriſtlichen Preſſe!“ Das iſt ein ausge-<lb/> zeichneter taktiſcher Anfang einer wahrſcheinlich ſehr<lb/> bewegten Wahlperiode. Auch der „Reichspoſt“ gedenkt<lb/> das Blatt im Weiteren:</p><lb/> <p>„Das Hauptorgan der chriſtlich-ſocialen Bewegung,<lb/> die vor kaum zwei Jahren gegründete „Reichspoſt“<lb/> ſieht ſich gezwungen, ihr Format zu vergrößern, ſich<lb/> in größeren, entſprechenderen Räumen zu inſtalliren,<lb/> und mit Hilfe vollkommenerer Maſchinen zwei Mal<lb/> des Tages zu erſcheinen. Dieſe unaufhörlichen Fort-<lb/> ſchritte beweiſen den Fortſchritt des chriſtlichen Ge-<lb/> dankens.</p><lb/> <p>Es gibt aber nichtsdeſtoweniger noch Unzufriedene.<lb/> Katholiſche Organe, deren Vergangenheit ſehr ver-<lb/> dienſtlich iſt, beklagen ſich, voll ſcheeler Eiferſucht, über<lb/> die junge chriſtlich-ſociale Partei. Wenig nur fehlt,<lb/> und ſie würden mit ihr ſtrenger ins Gericht gehen,<lb/> als gegen die hartgeſottenſten Liberalen. Hoffen wir,<lb/> daß die Erbitterung der Alten nachläßt, ohne Boden-<lb/> ſatz zurückzulaſſen!</p><lb/> <p>Bezüglich der Poſition des Statthalters Grafen<lb/> Franz <hi rendition="#b">Thun</hi> in Prag bemerken die „Nar. Liſty“,<lb/> das Verbleiben desſelben auf dem böhmiſchen Statt-<lb/> halterpoſten nach Eröffnung des neuen Landtages<lb/> würde das <hi rendition="#g">Fehlſchlagen der ganzen<lb/> Politik Badeni’s bedeuten.</hi> </p><lb/> <p>Für die bevorſtehenden <hi rendition="#b">Gemeindewahlen in<lb/> Brünn</hi> haben auch die Czechen 15 Candidaten nomi-<lb/> nirt. In dem Wahlaufrufe wird geſagt, die Czechen<lb/> wollen Brünn nicht etwa ſlaviſiren, ſondern nur die<lb/> ſtricte Gleichberechtigung in Schule und Gemeindeamt<lb/> durchſetzen. Uebrigens ſind die czechiſchen Candidaten<lb/> nur als Zählcandidaten aufgeſtellt.</p><lb/> <p>Wie aus <hi rendition="#b">Lemberg</hi> berichtet wird, wurde der<lb/> Prälat <hi rendition="#g">Weber</hi> der dortigen Erzdiöceſe zum Biſchof<lb/> von <hi rendition="#g">Temnos</hi> präconiſirt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Ungarn.</hi> </head><lb/> <p>Laut Meldungen ungariſcher Blätter wurden im<lb/><hi rendition="#b">Trencſiner</hi> Comitat faſt ſämmtliche Comitats-<lb/> ausſchußwahlen, wo die Volkspartei geſiegt hat,<lb/> annullirt, hingegen ſämmtliche liberale Ausſchuß-<lb/> mitglieder approbirt, obwohl z. B. in Staßko das<lb/> Wahlreſultat gar nicht verkündet war, nachdem die<lb/> Liberalen ſelbſt jene Wahl als mißlungen bezeichnen<lb/> mußten. Echt judenliberal.</p><lb/> <p>Einem Budaveſter Blatte zu Folge ſollen in der<lb/> nächſten Zeit (um Neujahr) mehrere ungariſche <hi rendition="#b">Honved-<lb/> Generale</hi> penſionirt, reſpective durch Generale der<lb/> gemeinſamen Armee erſetzt werden. Der FML. Zoltan<lb/> wurde bereits durch den croatiſchen Brigadier Klo-<lb/> bucar erſetzt, der zugleich zum Generalinſpector der<lb/> Honvedcavalerie ernannt wurde, Die FML. Graf<lb/> Schlippenbach und Wojnarovich werden gleichfalls<lb/> penſionirt und durch die Generale Gaudernak und<lb/> Szakonyi erſetzt. Von ſieben Diſtrictscommandanten<lb/> werden fünf penſionirt und zwar die FML. Pokay,<lb/> Janky, Say, Hild und Jelenſek und wegen der be-<lb/> kannten Szemencz-Affaire ſoll auch der G. d. C. Fo-<lb/> rimyak den blauen Bogen bekommen.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Ausland.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#g">Wien,</hi> 9. December.</dateline><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">König Oscar</hi> </head> <p>iſt geſtern für die Aufrechthaltung<lb/> der ſkandinaviſchen Union perſönlich mit einer Rede<lb/> an die Mitglieder des Unioncomites eingetreten. Das<lb/> Ziel dieſes Comites müſſe, ſo ſagte der König, die<lb/> Zuſammenhaltung der Union ſein, es ſei ja auch vom<lb/><cb/> gemeinſamen König einberufen worden. Die Beſtim-<lb/> mung der Unionsverfaſſung, daß die beiden Reiche<lb/> unter Einem Könige vereint ſein ſollen, beſchränke<lb/> thatſächlich die Souveränität ſowie die erforderliche<lb/> Selbſtſtändigkeit der einzelnen Reiche auf gewiſſen<lb/> Gebieten; darin liege aber gar nicht eine Herabſetzung<lb/> für die einzelnen Reiche und auch die Gleichberechtigung<lb/> der Bevölkerung werde dabei nicht vermindert. Das<lb/> Uebereinkommen ſei ja <hi rendition="#g">freiwillig</hi> ſchon im<lb/> Jahre 1814 abgeſchloſſen und ſpäter <hi rendition="#g">geſetzlich</hi><lb/> feſtgeſtellt worden. „Mögen nur nicht die im voraus<lb/> gefaßten Meinungen Jemanden hindern, ſeine Billigung<lb/> vernünftigen Löſungen zu geben. Mögen nur nicht<lb/> Gedanken an eine Oberhoheit oder eine Scheidung der<lb/> Herrſchaft aufkommen, zum Schaden der Union. Möge<lb/> Ihre Arbeit zu Vorſchlägen von klaren Verfaſſungs-<lb/> Beſtimmungen führen, die ein glückliches Leben fördernkönnen.“</p> </div> </div> </div><lb/> <div type="jWeatherReports" n="1"> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Berlin,</hi> 7. December.</dateline> <p>Heute Mitternacht zog über<lb/> Berlin ein <hi rendition="#g">heftiges Gewitter</hi> unter den grellſten<lb/> Blitzen und heftigen Donnerſchlägen weg, gleichzeitig tratſtarker Schneefall ein.</p> </div> </div> </div><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 7. December.</dateline> <p>Reuters Office meldet aus<lb/><hi rendition="#g">Conſtantinopel, Said Paſcha</hi> ſei Mittwoch<lb/> Abends in Begleitung ſeines 12jährigen Sohnes bei dem<lb/> engliſchen Botſchafter Sir Ph. Currie erſchienen und habe<lb/> denſelben um ein Aſyl gebeten, das ihm ſofort gewährt<lb/> wurde Der Sultan ſoll verſucht haben, Said Paſcha zur<lb/> Wiederübernahme des Großvezierates und zum Bezuge der<lb/> in dem Chalet des Yildigparkes gelegenen Wohnung<lb/> Midhats Paſcha zu bewegen. Said Paſcha ver-<lb/> weigerte beides, gewiß aus ernſten Beweagründen.<lb/> Man glaubt, daß dieſes Ereigniß zu einem <hi rendition="#g">Wende-<lb/> punkte in der Geſchichte der Türkei<lb/> werden könnte.</hi> Der Sultan habe dann verſucht,<lb/> durch Tewfik Paſcha und ſpäter durch den engliſchen Bot-<lb/> ſchafter Said Paſcha unter Schutzverſprechungen zur Rück-<lb/> kehr in ſeine Wohnung zu bewegen. Sir Currie lehnte<lb/> jede Einmiſchung ab. Said Paſcha fürchtet wohl nicht mit<lb/> Unrecht für ſein Leben, denn der Sultan hält ihn für das<lb/> Haupt der revolutionären Bewegung.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Conſtantinotzel,</hi> 7. December.</dateline> <p>Die <hi rendition="#g">Botſchafter</hi><lb/> ſind heute bei dem franzöſiſchen Botſchafter Cambon zu<lb/> einer <hi rendition="#g">Berathung</hi> der Lage zuſammengetreten.</p> </div> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Reichsrath.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Abgeordnetenhaus.</hi><lb/> <hi rendition="#g">Sitzung am 9. December.</hi> </head><lb/> <p>Die vorliegenden Nothſtands-Dringlichkeitsanträge<lb/> werden der Regierung zur Einleitung von Erhebungen,<lb/> eventuell zur Inanſpruchnahme eines Credits wegen Ver-<lb/> hinderung des Nothſtandes abgetreten und hierauf das<lb/> Berginſpectorengeſetz in dritter Leſung angenommen.</p><lb/> <p>Sodann wird in die Generaldebatte über den Staats-<lb/> voranſchlag und das Finanzgeſetz pro 1896 eingegangen.</p><lb/> <p>Abg. Dr. <hi rendition="#b">Strausky</hi> ergreift das Wort.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jLocal" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Gemeindezeitung.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Liberale „Wahlvorbereitungen“.</hi> </head> <p>Wie wir bereits<lb/> gemeldet haben, hat ſich der deutſch-fortſchrittliche Verein<lb/> Hietzing, von wo ſo triumpfirend die Wiedereroberung<lb/> Wiens proclamirt wurde, über Rücktritt des Obmannes<lb/> Dr. <hi rendition="#g">Seidler</hi> aufgelöſt und iſt die liberale Partei im<lb/> 13. Bezirke ohne Führung. Für die Auflöſung lagen viele<lb/> Gründe vor, erſtens die Unpopularität, überhaupt der rapide<lb/> Schwund der Mitglieder, und <hi rendition="#aq">last not least</hi> der ungemeine<lb/> Terrorismus der Parteigrößen. Männner wie Dr. <hi rendition="#g">Seidler,</hi><lb/> geweſener Stadtrath von <hi rendition="#g">Götz,</hi> der durchgefallene Can-<lb/> didat Wenzel <hi rendition="#g">Richter</hi> der Antiſemitenfreſſer <hi rendition="#g">Lang-<lb/> ſteiner</hi> und zuletzt Salomon <hi rendition="#g">Beer</hi> haben in der Be-<lb/> völkerung jeden Anklang verloren; dazu kam noch, man<lb/> ſollte es nicht glauben, der Mangel an Kleingeld. Das bei-<lb/> ſpielloſe Fiasco der letzten Wahlcampagne wirkte wie be-<lb/> täubend und der Reſt iſt eine Flucht wie ſie nur Liberale<lb/> zu Stande bringen. Die gemachten Verſuche, den Verein<lb/> zuſammen zu leimen, mißlangen vollſtändig. Er ruhe in<lb/> Frieden!</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jLocal" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Verſammlungen.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Eine Verſammlung in Zwittan.</hi> </head><lb/> <p>Wie mächtig die antiliberale Bewegung auch in der<lb/> Provinz aufflammt, dafür iſt die geſtern in der nord-<lb/> mähriſchen Stadt Zwittau abgehaltene geradezu großartige<lb/> Verſammlung ein ſprechender Beweis. Dieſelbe wurde als<lb/> freie Verſammlung von einem Bürgercomite einberufen<lb/> und fand im größten Local der Stadt, dem ſtädtiſchen<lb/> Schützenſaale, ſtatt. Von den ſtädtiſchen Sicherheitsorganen<lb/> wurde eine Zählung der Theilnehmer vorgenommen. Wohl-<lb/> gezählte 1268 Perſonen füllten den Saal, der bis aufs<lb/> letzte Plätzchen beſetzt war. Die ſpäter kommenden vielen<lb/> Hunderte mußten unverrichteter Dinge abziehen. Nach der<lb/> Begrüßung durch den Eröffner, dem hochw. Herrn <hi rendition="#b">Schinzel,</hi><lb/> wurde das Präſidium der Verſammlung gewählt und<lb/> der Eröffner mit dem Vorſitze betraut. Zum erſten<lb/> Punkte der Tagesordnung, „Die Lage der Kleingewerbe-<lb/> treibenden, der Bauern und Arbeiter und die großen<lb/> ſocialen Fragen der Gegenwart“, ergriff Herr Julius<lb/><hi rendition="#b">Axmann</hi> aus Wien das Wort und ſchilderte eingehend die<lb/> Sünden, welche der Liberalismus an dieſen Ständen be-<lb/> gangen und denen die Hauptſchuld an dem rapiden Verfalle<lb/> des Mittelſtandes zufällt. Hierauf beſprach der Redner die<lb/> Ziele der ſocialdemokratiſchen Partei, die er einer ver-<lb/> nichtenden Kritik unterzog, und ſchloß mit der ausführlichen<lb/> Darſtellung des chriſtlich-ſocialen Programmes. Minuten-<lb/> langer Beiſall folgte dieſen Ausführungen. Und obwohl<lb/> zahlreiche Anhänger der Socialdemokratie und einige<lb/> notoriſche Liberale in der Verſammlung anweſend waren,<lb/> meldete ſich doch Niemand zur Erwiderung zum Worte,<lb/> obwohl der Vorſitzende mehrmals eine diesbezügliche Auf-<lb/> forderung ergehen ließ. — Nun betrat, ſtürmiſch begrüßt,<lb/> Herr Reichsraths-Abgeordneter Dr. <hi rendition="#b">Geßmann</hi> die Redner-<lb/> tribüne, um über die gegenwärtige politiſche Lage zu<lb/> ſprechen. Er ſchilderte die Thätigkeit des jetzigen Abge-<lb/> ordnetenhauſes auf wirthſchaftlichem Gebiete, wie für die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2/0002]
Wien, Dienſtag Reichspoſt 10. December 1895 283
Vorher wird jedoch das Wiener Terrain ſondirt,
und falls Graf Goluchowski nichts dawider
einzuwenden hat, wird man bald wieder das Duett
Terenyi-Banffy zu hören bekommen, das in
der diplomatiſchen Welt bekanntlich ſeit dem Sturze
Kalnoky’s einen guten Klang hat.“
Faufare und Chamade.
Caſimir der Gerechte, womit wir nicht jenen
König Caſimir II. von Polen meinen, der dieſen
ehrenvollen Beinamen führte, ſondern unſer
Caſimir, der ſchon deshalb nicht der „II.“ ſein kann,
weil er der — Einzige iſt, alſo Caſimir der Ge-
rechte und Einzige hat ein Kreuz mit unſeren Statt-
haltern. Wie man weiß, iſt die Stellung der Statt-
halter in Oeſterreich in den letzten Jahren der Aera
Taafſe und in der Zeit des Coalitions-Miniſteriums
ziemlich verändert worden. Früher war der Statt-
halter der erſte Beamte des Landes, der gewiſſe
Ehrenrechte genoß, ſchließlich aber doch nur der erſte
Beamte. Jetzt iſt das vielfach anders. An Stelle
der Beamten ſind die „Vicekönige“ ge-
treten. Jeder derartige Vicekönig hat „ſein“ Land
in General-Entrepriſe übernommen und macht dort
ſo ziemlich, was er will und kann. Jedenfalls macht
er Politik auf eigene Fauſt. Ein ſolcher Vicekönig
war Graf Badeni ſelbſt in Galizien, ein ſolcher
in Graf Thun iſt Böhmen, iſt Graf Kiel-
mansegg in Niederröſterreich, Herr v. Rinal-
dini im Küſtenlande.
Zwei dieſer Vicekönige nun haben dem Grafen
Badeni große Verlegenheiten zugezogen. Graf Kiel-
mansegg hat ihm die „Wiener Frage“ einge-
brockt. Graf Thun hat ihm die ſchwere Niederlage
bei den Landtagswahlen in Böhmen auf den Hals
geladen. Es iſt nun intereſſant zu ſehen, wie ſich
Caſimir der Gerechte zu dieſen verſchiedenen Statt-
haltern verſchieden ſtellt. Den Grafen Kielmans-
egg behandelt er geradezu unbarmherzig. Er hat
ihn in der Wiener Frage desavouirt, er hat ihn nun-
mehr zum drittenmale in der Frage des Beamten-
erlaſſes desavouirt. Das letzte Desaveu iſt ſo ſchroff,
daß man eigentlich annehmen ſollte, es werde dem
Grafen Kielmansegg als etwas zu ſtarker Tabak er-
ſcheinen und er werde um ſeine Entlaſſung bitten.
Aus einem ganz anderen Tone wird dem
Grafen Thun gegenüber geblaſen. — Graf
Kielmansegg iſt ein ſimpler, hinauf-
avancirter Beamter, und da er Proteſtant, Ausländer
und mit einer Ausländerin verheiratet iſt, hat er
keinerlei beſondere Verbindungen oder Stützen in der
öſterreichiſchen Geſellſchaft. Anders liegen die Dinge
beim Grafen Thun. Er iſt reich, er iſt vornehm
von Herkunſtk viel vornehmer als Graf Badeni,
durch ſeine Heirat mit einer Prtnzeſſin Schwarzen-
berg gehört er der Elite der europäiſchen Ge-
ſellſchaft an. Mit ſolchen Leuten bindet Caſimir der
Gerechte nicht gerne an. Die Römer hatten eine
Redensart, die beſagt, daß man die Unterworfenen
ſchonen und die Stolzen vernichten müſſe. Caſimir
der Einzige huldigt den entgegengeſetzten Maxmen.
Er iſt unerbittlich und ſchonungslos gegen die
Schwachen, aber ſehr verträglich mit Solchen, von
denen er glaubt, daß ſie ſich eventuell als ſtärker er-
weiſen könnten, wie er ſelbſt. So zieht er denn dem
Grafen Thun gegenüber ganz andere Saiten
auf, als gegenüber dem Grafen Kielmansegg.
Er läßt ihm durch das „Fremdenblatt“ zwar
einen väterlichen Verweis in dem Sinne ertheilen, daß
der Herr Vicekönig künftighin nicht mehr auf eigene
Fauſt Politik machen könne, aber er vermeidet alles
was den Grafen Thun verletzen oder brüskiren
könnte. Der Situation würde es entſprechen, daß
Graf Thun zurücktritt und zwar aus Rückſicht auf
die Jungczechen, die für die Dauer nur, zu gewinnen
ſind, wenn man den Ausnahms-Starhalter opfert.
Graf Badeni weiß das Gewiß auch, aber er hat
nicht den Muth an den Grafen Thun zu rühren,
weil er ſich nicht ſtark genug fühlt mit dem
böhmiſchen Hochadel zu brechen. Gegen den Grafen
Kielmannsegg läßt er eine Fanfare ertönen,
vor dem Grafen Thun ſchlägt er Chamade. Klug
mag das ſein, nur iſt es nicht „eiſern“ und auch von
der „Führung“ läßt ſich dabei wenig ſehen.
Inland.
Wien, 9. December
Oeſterreich.
Der ruſſiſchen „Novoje Wremja“ wird aus Wien
berichtet, daß es dem Grafen Badeni gelungen
iſt, die czechiſche Oppoſition zu ſpalten und daß
es ihm mit Hilfe verſchiedener Verſprechungen auch
gelingen wird, alle Czechen für ſich zu gewinnen.
Auf die Anregung des Miniſterpräſidenten ſoll in
Wien vom Neujahr ab ein Journal „Die ſlaviſche
Poſt“ herausgegeben werden, welches zur Aufgabe
haben ſoll, die öſterreichiſchen Slaven zu überzeugen,
daß ſie eine Beſſerung ihrer politiſchen Lage nur dann
zu erwarten haben, wenn ſie ſich der polniſchen
Führung überlaſſen.
Die Prager „Politik“ brachte geſtern einen Leit-
artikel, in welchem ſie die Jungczechen zur Führer-
ſchaft in dem Kampfe für die Wahrung der Intereſſen
Oeſterreichs anläßlich der Erneuerung des Aus-
gleiches mit Ungarn auffordert, mit der Begründung,
daß Dr. Lueger, der zuerſt die Fahne in dieſem
Kampfe entfaltete, zu ſehr durch die Wiener Frage
präoccupirt ſei. Da iſt die „Politik“ nicht gut
informirt, denn gerade bei der ſich entwickelnden
großen Volksbewegung gegen die Präponderanz
und die Uebergriffe Ungarns iſt Dr. Lueger der
natürliche Führer und die Wiener Frage wird ihn
nicht abhalten, ſeine bewährte Kraft in die Dienſte
dieſer wahrhaft öſterreichiſch-patriotiſchen Bewegung zu
ſtellen. Man wird jeden Bundesgenoſſen bei dieſem
Kampfe mit Freuden begrüßen, aber den Mann bei
Seite ſchieben zu wollen, den man gewiſſermaſſen als
Opfer dem transleithaniſchen Wärwolf hinwerfen wollte,
das wäre einfach unverſtändig, ja eine Gefahr für die
gute Sache. Die chriſtliche Bevölkerung
nicht blos Wiens, ſondern ebenſo der Kronländer hat
in dieſer Frage bereits Stellung genommen, ſie will
den braven Patrioten an ihrer Spitze ſehen und er
wird ſie in dieſem Kampfe zum Siege führen.
Zur gewaltigen Kundgebung der Wiener Be-
völkerung gegen die jüdiſch-liberale Preſſe vom
59. v. M. ſchreibt »Le Bien du Peuple« (Lüttich)
vom 4. d. „Am Abend des 29. v. M. fanden
19 Wählerverſammlungen ſtatt. Ueberall folgte eine
große Volksmenge geſpannt den Ausführungen der
chriſtlich-ſocialen Redner.
Die Tagesordnung war in allen Verſammlungen
die gleiche: Proteſt gegen die Nichtbeſtätigung des ge-
wählten Bürgermeiſters Dr. Lueger und Organiſirung
eines unerbittlichen Kampfes gegen den mächtigſten
Feind des chriſtlichen Volkes, die jüdiſch-liberale Preſſe.
Dieſer Kampf wurde in allen Verſammlungen ein-
ſtimmig beſchloſſen.
Ueberall wurden die Anträge der Redner, kein
einziges jüdiſch-liberales Blatt durch Abonniren, Leſen,
oder durch Inſertion zu unterſtützen, mit lebhaftem
Beifall ſeitens der enormen Zahl der Theilnehmer
angenommen. „Krieg der feindlichen, Schutz und För-
derung der chriſtlichen Preſſe!“ Das iſt ein ausge-
zeichneter taktiſcher Anfang einer wahrſcheinlich ſehr
bewegten Wahlperiode. Auch der „Reichspoſt“ gedenkt
das Blatt im Weiteren:
„Das Hauptorgan der chriſtlich-ſocialen Bewegung,
die vor kaum zwei Jahren gegründete „Reichspoſt“
ſieht ſich gezwungen, ihr Format zu vergrößern, ſich
in größeren, entſprechenderen Räumen zu inſtalliren,
und mit Hilfe vollkommenerer Maſchinen zwei Mal
des Tages zu erſcheinen. Dieſe unaufhörlichen Fort-
ſchritte beweiſen den Fortſchritt des chriſtlichen Ge-
dankens.
Es gibt aber nichtsdeſtoweniger noch Unzufriedene.
Katholiſche Organe, deren Vergangenheit ſehr ver-
dienſtlich iſt, beklagen ſich, voll ſcheeler Eiferſucht, über
die junge chriſtlich-ſociale Partei. Wenig nur fehlt,
und ſie würden mit ihr ſtrenger ins Gericht gehen,
als gegen die hartgeſottenſten Liberalen. Hoffen wir,
daß die Erbitterung der Alten nachläßt, ohne Boden-
ſatz zurückzulaſſen!
Bezüglich der Poſition des Statthalters Grafen
Franz Thun in Prag bemerken die „Nar. Liſty“,
das Verbleiben desſelben auf dem böhmiſchen Statt-
halterpoſten nach Eröffnung des neuen Landtages
würde das Fehlſchlagen der ganzen
Politik Badeni’s bedeuten.
Für die bevorſtehenden Gemeindewahlen in
Brünn haben auch die Czechen 15 Candidaten nomi-
nirt. In dem Wahlaufrufe wird geſagt, die Czechen
wollen Brünn nicht etwa ſlaviſiren, ſondern nur die
ſtricte Gleichberechtigung in Schule und Gemeindeamt
durchſetzen. Uebrigens ſind die czechiſchen Candidaten
nur als Zählcandidaten aufgeſtellt.
Wie aus Lemberg berichtet wird, wurde der
Prälat Weber der dortigen Erzdiöceſe zum Biſchof
von Temnos präconiſirt.
Ungarn.
Laut Meldungen ungariſcher Blätter wurden im
Trencſiner Comitat faſt ſämmtliche Comitats-
ausſchußwahlen, wo die Volkspartei geſiegt hat,
annullirt, hingegen ſämmtliche liberale Ausſchuß-
mitglieder approbirt, obwohl z. B. in Staßko das
Wahlreſultat gar nicht verkündet war, nachdem die
Liberalen ſelbſt jene Wahl als mißlungen bezeichnen
mußten. Echt judenliberal.
Einem Budaveſter Blatte zu Folge ſollen in der
nächſten Zeit (um Neujahr) mehrere ungariſche Honved-
Generale penſionirt, reſpective durch Generale der
gemeinſamen Armee erſetzt werden. Der FML. Zoltan
wurde bereits durch den croatiſchen Brigadier Klo-
bucar erſetzt, der zugleich zum Generalinſpector der
Honvedcavalerie ernannt wurde, Die FML. Graf
Schlippenbach und Wojnarovich werden gleichfalls
penſionirt und durch die Generale Gaudernak und
Szakonyi erſetzt. Von ſieben Diſtrictscommandanten
werden fünf penſionirt und zwar die FML. Pokay,
Janky, Say, Hild und Jelenſek und wegen der be-
kannten Szemencz-Affaire ſoll auch der G. d. C. Fo-
rimyak den blauen Bogen bekommen.
Ausland.
Wien, 9. December.
König Oscar iſt geſtern für die Aufrechthaltung
der ſkandinaviſchen Union perſönlich mit einer Rede
an die Mitglieder des Unioncomites eingetreten. Das
Ziel dieſes Comites müſſe, ſo ſagte der König, die
Zuſammenhaltung der Union ſein, es ſei ja auch vom
gemeinſamen König einberufen worden. Die Beſtim-
mung der Unionsverfaſſung, daß die beiden Reiche
unter Einem Könige vereint ſein ſollen, beſchränke
thatſächlich die Souveränität ſowie die erforderliche
Selbſtſtändigkeit der einzelnen Reiche auf gewiſſen
Gebieten; darin liege aber gar nicht eine Herabſetzung
für die einzelnen Reiche und auch die Gleichberechtigung
der Bevölkerung werde dabei nicht vermindert. Das
Uebereinkommen ſei ja freiwillig ſchon im
Jahre 1814 abgeſchloſſen und ſpäter geſetzlich
feſtgeſtellt worden. „Mögen nur nicht die im voraus
gefaßten Meinungen Jemanden hindern, ſeine Billigung
vernünftigen Löſungen zu geben. Mögen nur nicht
Gedanken an eine Oberhoheit oder eine Scheidung der
Herrſchaft aufkommen, zum Schaden der Union. Möge
Ihre Arbeit zu Vorſchlägen von klaren Verfaſſungs-
Beſtimmungen führen, die ein glückliches Leben fördernkönnen.“
Berlin, 7. December. Heute Mitternacht zog über
Berlin ein heftiges Gewitter unter den grellſten
Blitzen und heftigen Donnerſchlägen weg, gleichzeitig tratſtarker Schneefall ein.
London, 7. December. Reuters Office meldet aus
Conſtantinopel, Said Paſcha ſei Mittwoch
Abends in Begleitung ſeines 12jährigen Sohnes bei dem
engliſchen Botſchafter Sir Ph. Currie erſchienen und habe
denſelben um ein Aſyl gebeten, das ihm ſofort gewährt
wurde Der Sultan ſoll verſucht haben, Said Paſcha zur
Wiederübernahme des Großvezierates und zum Bezuge der
in dem Chalet des Yildigparkes gelegenen Wohnung
Midhats Paſcha zu bewegen. Said Paſcha ver-
weigerte beides, gewiß aus ernſten Beweagründen.
Man glaubt, daß dieſes Ereigniß zu einem Wende-
punkte in der Geſchichte der Türkei
werden könnte. Der Sultan habe dann verſucht,
durch Tewfik Paſcha und ſpäter durch den engliſchen Bot-
ſchafter Said Paſcha unter Schutzverſprechungen zur Rück-
kehr in ſeine Wohnung zu bewegen. Sir Currie lehnte
jede Einmiſchung ab. Said Paſcha fürchtet wohl nicht mit
Unrecht für ſein Leben, denn der Sultan hält ihn für das
Haupt der revolutionären Bewegung.
Conſtantinotzel, 7. December. Die Botſchafter
ſind heute bei dem franzöſiſchen Botſchafter Cambon zu
einer Berathung der Lage zuſammengetreten.
Reichsrath.
Abgeordnetenhaus.
Sitzung am 9. December.
Die vorliegenden Nothſtands-Dringlichkeitsanträge
werden der Regierung zur Einleitung von Erhebungen,
eventuell zur Inanſpruchnahme eines Credits wegen Ver-
hinderung des Nothſtandes abgetreten und hierauf das
Berginſpectorengeſetz in dritter Leſung angenommen.
Sodann wird in die Generaldebatte über den Staats-
voranſchlag und das Finanzgeſetz pro 1896 eingegangen.
Abg. Dr. Strausky ergreift das Wort.
Gemeindezeitung.
Liberale „Wahlvorbereitungen“. Wie wir bereits
gemeldet haben, hat ſich der deutſch-fortſchrittliche Verein
Hietzing, von wo ſo triumpfirend die Wiedereroberung
Wiens proclamirt wurde, über Rücktritt des Obmannes
Dr. Seidler aufgelöſt und iſt die liberale Partei im
13. Bezirke ohne Führung. Für die Auflöſung lagen viele
Gründe vor, erſtens die Unpopularität, überhaupt der rapide
Schwund der Mitglieder, und last not least der ungemeine
Terrorismus der Parteigrößen. Männner wie Dr. Seidler,
geweſener Stadtrath von Götz, der durchgefallene Can-
didat Wenzel Richter der Antiſemitenfreſſer Lang-
ſteiner und zuletzt Salomon Beer haben in der Be-
völkerung jeden Anklang verloren; dazu kam noch, man
ſollte es nicht glauben, der Mangel an Kleingeld. Das bei-
ſpielloſe Fiasco der letzten Wahlcampagne wirkte wie be-
täubend und der Reſt iſt eine Flucht wie ſie nur Liberale
zu Stande bringen. Die gemachten Verſuche, den Verein
zuſammen zu leimen, mißlangen vollſtändig. Er ruhe in
Frieden!
Verſammlungen.
Eine Verſammlung in Zwittan.
Wie mächtig die antiliberale Bewegung auch in der
Provinz aufflammt, dafür iſt die geſtern in der nord-
mähriſchen Stadt Zwittau abgehaltene geradezu großartige
Verſammlung ein ſprechender Beweis. Dieſelbe wurde als
freie Verſammlung von einem Bürgercomite einberufen
und fand im größten Local der Stadt, dem ſtädtiſchen
Schützenſaale, ſtatt. Von den ſtädtiſchen Sicherheitsorganen
wurde eine Zählung der Theilnehmer vorgenommen. Wohl-
gezählte 1268 Perſonen füllten den Saal, der bis aufs
letzte Plätzchen beſetzt war. Die ſpäter kommenden vielen
Hunderte mußten unverrichteter Dinge abziehen. Nach der
Begrüßung durch den Eröffner, dem hochw. Herrn Schinzel,
wurde das Präſidium der Verſammlung gewählt und
der Eröffner mit dem Vorſitze betraut. Zum erſten
Punkte der Tagesordnung, „Die Lage der Kleingewerbe-
treibenden, der Bauern und Arbeiter und die großen
ſocialen Fragen der Gegenwart“, ergriff Herr Julius
Axmann aus Wien das Wort und ſchilderte eingehend die
Sünden, welche der Liberalismus an dieſen Ständen be-
gangen und denen die Hauptſchuld an dem rapiden Verfalle
des Mittelſtandes zufällt. Hierauf beſprach der Redner die
Ziele der ſocialdemokratiſchen Partei, die er einer ver-
nichtenden Kritik unterzog, und ſchloß mit der ausführlichen
Darſtellung des chriſtlich-ſocialen Programmes. Minuten-
langer Beiſall folgte dieſen Ausführungen. Und obwohl
zahlreiche Anhänger der Socialdemokratie und einige
notoriſche Liberale in der Verſammlung anweſend waren,
meldete ſich doch Niemand zur Erwiderung zum Worte,
obwohl der Vorſitzende mehrmals eine diesbezügliche Auf-
forderung ergehen ließ. — Nun betrat, ſtürmiſch begrüßt,
Herr Reichsraths-Abgeordneter Dr. Geßmann die Redner-
tribüne, um über die gegenwärtige politiſche Lage zu
ſprechen. Er ſchilderte die Thätigkeit des jetzigen Abge-
ordnetenhauſes auf wirthſchaftlichem Gebiete, wie für die
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