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Reichspost. Nr. 233, Wien, 12.10.1897.

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Wien, Dienstag 12. October 1897 Reichspost 233

[Spaltenumbruch]
* Spenden für die durch Hochwasser Betroffenen.

Beim k. k. n.-ö. Statthaltereipräsidium sind an Spenden für
die durch die Hochwasserkatastrophe betroffenen Bewohner
Niederösterreichs bis jetzt insgesammt 148.739 fl. 8 kr. ein-
gelangt.

* Luegerbund.

Die Ortsgruppe "Innere Stadt" des
Luegerbundes hält Montag, den 11. October, Abends 8 Uhr
im Saale der Restauration Johann Müller, 1. Bez.,
Nibelungengasse 9 (Ecke der Eschenbachgasse) ihre erste
ordentliche Vollversammlung ab, bei welcher Gelegenheit
GR. Dr. Porzer eine Ansprache halten wird. Für ge-
müthliche Unterhaltung ist nach Schluß des ernsten Theiles
gesorgt.

* Aus dem Landesschulrathe.

Der niederösterrei-
chische Landesschulrath hat in der letzten Sitzung nach-
folgende Präsentationen genehmigt: Johann Demel als
Lehrer und Schulleiter an der Volksschule in Langschläger-
wald; Alphons Faulhammer als Lehrer und Schulleiter
an der Volksschule in Wolfgers; Carl Weichselberger als
Oberlehrer an der Volksschule in Etsdorf; Josef Brait als
Lehrer und Schulleiter an der Volksschule in Heiligenblut;
Theresia Junger als Unterlehrerin an der Volksschule für
Mädchen in Krems; Johann Nedorost als Unterlehrer an
der Volksschule in Straß; Franz Matzke als Oberlehrer
an der Volksschule in Traunstein; Johann Wendl als
Oberlehrer an der Volksschule in Marbach am Walde;
Franz Klein als Lehrer und Schulleiter an der Volksschule
in Maiersch. Der Maria Kröhn und der Anna Petvaidic
wurde die Bewilligung zur Errichtung und Führung einer
Privat-Arbeitsschule in Wien, beziehungsweise in Wiener-
Neustadt, ertheilt.

* Bezirksschulrathswahlen.

Die am Samstag
stattgehabte Wahl in den Bezirksschulrath ist resultatlos
verlaufen, da keiner der Candidaten die absolute Ma-
jorität erhielt. Es findet deßhalb Samstag, den 23. d.,
eine neuerliche engere Wahl statt.

* Die Mörder des Ehepaares Adelmann
verhaftet.

Wir berichteten kürzlich über die Ermordung
eines Ehepaares in einer Ortschaft bei Budapest; nun
sind die Thäter, der Taglöhner Vella und seine
Geliebte Rosa Varga und noch eine dritte Person
verhaftet. Die Mörder verriethen sich selbst, indem sie
bei der Polizei die Anzeige machten, daß ihnen Wäsche-
stücke gestohlen wurden. Die Wäsche wurde zustande
gebracht, die Polizei fand aber in derselben das Mono-
gramm der Ermordeten, worauf die Mörder nach
kurzem Leugnen die That gestanden.

* Eine neue Suppen- und Thee-Anstalt.

Der
Verein zur Errichtung und Erhaltung der Ersten Wiener
Suppen- und Thee-Anstalt hat seiner Zeit beschlossen, zur
Feier des in das nächste Jahr fallenden Regierungs-Jubi-
läums des Kaisers drei Suppen- und Thee-Anstalten zu er-
richten. Die erste dieser Jubiläums-Anstalten wurde im ab-
gelaufenen Jahre im 5. Bezirke, Reinprechtsdorferstraße, er-
richtet. Am 9. d. M. wurde die zweite Jubiläums-Anstalt
im 12. Bezirke, Schönbrunnerstraße 32, eröffnet. Diese An-
stalt ist die neunte nunmehr vom Vereine eröffnete. Zum
feierlichen Eröffnungsacte hatten sich Statthaltereirath von
Sauer, Polizeirath Blaha, ferner mehrere Bezirks-
ausschüsse, der Präsident Herr Anton Graf etc. eingefunden.
Vereinspräsident Graf schilderte in seiner Eröffnungsrede die
segensreiche Thätigkeit des Vereines und schloß mit einem
Appell an die Versammlung, die neuerrichtete Anstalt zu
fördern.

* Kartenlegerin und Curpfuscherin.

Die 37jährige
Zeitungsausträgerin Beatrix Hoffer, Landstraße, Dresler-
gasse Nr. 5 wohnhaft, wurde Samstag vom Commissariate
Landstraße verhaftet und dem Landesgerichte eingeliefert.
Beatrix Hoffer fand seit mehreren Jahren darin einen
lukrativen Erwerb, daß sie aus Karten prophezeite, ohne
Licenz Effecten ausspielte, Effectenverkäufe vermittelte, den
Erlös für die verkauften Gegenstände jedoch gar nicht oder
nur zum Theile abführte. Insbesondere aber machte sich
die Hoffer an Dienstmädchen heran, indem sie sich anbot,
ihnen zur Beseitigung der Spuren begangener Fehltritte die
nöthigen Medicamente zu liefern. Sie verabfolgte that-
sächlich verschiedenen Frauenspersonen Flüssigkeiten und ließ
sich dafür 10 bis 15 fl., ja sogar 30 bis 50 fl. bezahlen.
Fälle solcher Art sind der Verhafteten bisher zwölf nach-
gewiesen worden. Zumeist hatte der sogenannte "Cur-
gebrauch", wie die Hoffer ihre Behandlung nannte, nur
den Erfolg, daß die "Patientinnen" von Unwohlsein
befallen wurden und die "Cur" selbst einstellten, ohne daß
es zu ernstlichen Folgen gekommen wäre. Die Handlungs-
weise der Hoffer qualificirte sich demgemäß mehr als
Schwindel, denn als Curpfuscherei. Bezeichnend ist jedoch,
daß Beatrix Hoffer, welche seit mehreren Jahren und bis
in die jüngste Zeit diese Art von Schwindel betrieb, so viele
Opfer finden konnte, die bereit waren, mit ihr das Ver-
brechen zu begehen. Die Zahl der Frauenspersonen, die die
Cur an sich anstellen lassen wollten, ist mit den oben
erwähnten zwölf Fällen keineswegs erschöpft.

* Vom Wetter.

Ausnahmsweise haben einmal die
Wetterpropheten recht gehabt, als sie der verzweifelnden
Menschheit am Samstag verkündeten, daß das Ende des
frühen Winters gekommen sei. Während schon gestern,
Sonntag, das Wetter zwar kühl aber wenigstens trocken
blieb, und es der Sonne, wenn auch nur auf Momente gelang,
am späten Nachmittag die Wolken zu durchbrechen, ließ sich
der heutige Tag als ein schöner, kühler Herbsttag an. Auch
der charakteristische Nebel am frühen Morgen fehlte nicht,
und wenn auch die Wärme der Luft bedeutend abgenommen
hat, ist es doch wenigstens erträglich geworden. Es ist noch
einmal gelungen, den Winter zu verscheuchen.

* Ein Gendarmeriechef als Selbstmörder.

In Zara hat sich der Commandant der Gendarmerie-
station in San Cassiano, Stanzer, er-
schossen. Aerger über eine von seinem Vorgesetzten er-
haltene Rüge ist das Motiv der That.

* Kleine Localchronik.

Sonntag Nachmittags um
1/23 Uhr übersiel der Taglöhner Anton Beztrucka,
Wieden, Paniglgasse Nr. 16 wohnhaft, in der Schönburg-
gasse seine Gattin Anna Beztrucka, 40 Jahre alt, und schlug
derart mit einem Stocke auf die Frau los, daß sie schwere
Verletzungen am Kopfe, auf der Schulter und am Rücken
erhielt. -- Der 20jährige Ziegeldeckergehilfe Johann Di-
wald
gerieth gestern Nachts in der Hildebrandgasse mit
[e]inem Manne in einen Streit. Derselbe versetzte ihm mit
[Spaltenumbruch] einem Taschenmesser Stichwunden an beiden Armen, sowie
am Nacken und verletzte ihn noch überdies am Kopfe. --
In einer Baumaterialienhütte, die behufs der Gasröhren-
legung in der Stallburggasse errichtet ist, explodirte Sonn-
tag Früh um 1/26 Uhr in Folge Schmelzens der Nieten
eine mit Ligroin gefüllte Lampe. Der in der Hütte an-
wesende Wächter Joseph Nowak, 24 Jahre alt, erlitt an
beiden Armen und im Gesichte schwere Brandwunden und
warf sich auf einen Sandhaufen, um die brennenden
Kleider zu löschen.

* Gefälschte Empfehlungsschreiben.

Die
gestrigen Morgenblätter enthielten eine Nachricht, wo-
nach sich ein Schwindler mit gesälschten Empfehlungs-
schreiben des Hofballmusik-Directors S[t]rauß zum
Grafen Thun-Salm und zu Baron Roth-
schild
begeben habe, und dort Unterstützungsbeträge
herauslocken wollte. Durch den Umstand, daß die Be-
treffenden dem Musikdirector Summen für den jungen
Mann übersandten, kam der Schwindel auf. Wie die
Polizeidirection mittheilt, handelte es sich jedoch bei der
Affaire nicht um den Hofballmusikdirector Eduard
Strauß, sondern um den vormaligen Hofballmusik-
director Johann Strauß.

* Jubiläum der Firma Simens und Halske.

Die Firma Simens und Halske begeht morgen
Dienstag das fünfzigjährige Jubiläum ihres Bestandes.
Sie wurde 1847 mit drei Drehbänken und kaum zehn
Arbeitern begründet. Heute sind in ihren Werkstätten
etwa 300 Techniker mit 5000 Arbeitern beschäftigt.

* Auswandererelend.

Auf dem Nordwestbahnhofe
wurde Sonntag Abends der Bauer Thomas Kleckner,
dessen Gattin Elisabeth Kleckner, deren beide Kinder,
die Bäuerin Elisabeth Fellinger mit drei Kindern,
der Bauer Johann Froh, der Bauer Andreas Stein-
bauer,
dessen Gattin Justine mit zwei Kindern ange-
halten, weil sie durch Vermittlung eines Reisebureau im
Begriffe waren, nach Amerika auszuwandern. Elisabeth
Kleckner ist im Augenblicke der Anhaltung in Folge eines
Schlaganfalles zusammengestürzt und nach wenigen Minuten
gestorben.

* Verwundeter Deutschmeister.

Heute Nachts wurde
nächst der ehemaligen St. Marxerlinie der Infanterist des
Regimentes Hoch- und Deutschmeister Nr. 4 Nicolaus
Zawadowicz von fünf Burschen, mit denen er in
einen Streit gerathen war, mißhandelt und schwer verletzt.
Er wurde in das Garnisonsspital Nr. 2 gebracht.

* Vom falschen Erzherzog.

Reichsdeutsche Blätter
bringen jetzt ausführliche Berichte über die noch vielfach
dunkle Affaire, die wir unseren Lesern nicht vorenthalten
wollen. Behrend wurde in den letzten Tagen bekanntlich auch
wegen Betrug und Unterschlagung angeklagt. Die "Hann.
Tages-Nachr." machen nun noch folgende weitere Mit-
theilungen über die Erzherzogsgeschichte: "Nach proto-
kollarischen Aussagen ihres Bruders Franz Husmann hat
Behrend sich dem Fräulein 1896 brieflich genähert, ihr Auf-
sätze, Gedichte etc., die er als seine eigenen ausgab, geschickt.
Er spiegelte ihr vor, unter dem Pseudonym "Baron von
Roberts" zu schreiben, mißbrauchte also den Namen eines
vor Kurzem verstorbenen bekannten Schriftstellers und hatte
sogar die Kühnheit, ihr einige von dessen Werken mit einer
Widmung zu schenken. Ferner deutete er an, unter aller-
lei fremden Namen leben zu müssen, weil er von hoher
Geburt sei und mit regierenden Häusern in Verbindung
stehe. Auch behauptete er, er sei im Auftrage des österreichischen
Kaiserhofes zu den Festlichkeiten in London befohlen worden,
schickte ihr Briefe und Karten, angeblich aus London, die aber in
Lüttich oder an einem anderen Orte zur Post gegeben waren,
was Frl. Husmann nicht gemerkt hat. Auf diese Weise wußte
er um sich einen geheimnisvollen Nimbus zu verbreiten,
Maria glaubte an ihn und verlobte sich heimlich mit ihm.
Wenn Behrend, was öfters vorkam, längere Zeit abwesend
blieb, schrieb er angeblich von Rom, Nizza, London. Blida etc.
aus, legte Illustrationen und Karten bei; die Sendungen
trugen aber, was Maria wiederum nicht merkte, die Post-
stempel Lüttich, Spaa und Ostende, auch Essen und Düssel-
dorf. So theilte er Frl. Maria mit, er habe auf höchsten
Befehl einer Massenhinrichtung in Blida beiwohnen müssen,
legte eine Momentaufnahme derselben bei mit der Be-
zeichnung, wo er gestanden mit seinem schwarzen Diener
Bob. Als weiteres Mittel, seine Zwecke zu erreichen, schenkte
Behrend seiner Braut kolorirte und nicht kolorirte Ab-
bildungen von sich. Zuweilen trug er auch Uniform unter
Civilüberzieher. Er machte belgische Wasserstempel nach, be-
diente sich geheimnißvoller Siegelabdrücke, die er in seinen
Correspondenzen anbrachte, alles, um den Schein zu er-
wecken, sie kämen von hoher Stelle. Er stellte ihr einen ge-
heimnißvollen Schein aus, welcher sie in allen Lagen ihres
Lebens schützen und ihr Hülfe angedeihen lassen solle.
Telegramme, an Maria adressirt, zeigten die Ankunft
oder das Ausbleiben "Seiner Hoheit" an; er unterzeichnete:
"Graf Löwenfeld, Graf Hoßlieger". Ein von Behrend her-
rührender Zettel vom 11. Mai 1896 trägt die Unterschrift:
"your faithful german prince Emil." Auch drückte er sich
verächtlich über andere Verwandte aus. Als sie auf einem
"befohlenen" Stelldichein nicht erschien, bedrohte er sie und
ihre Familie mit Vernichtung, wenn sie nochmals ausbliebe.
Gegen Mitte August d. J. trafen sich die beiden in Spaa.
Dort scheint auch der Fluchtplan festgestellt worden zu sein.
Daß Behrend neben seinem Verhältniß zu Maria Husmann
auch noch andere Liebesverhältnisse unterhielt, sei noch
nebenbei erwähnt. Behrend hat sich von Maria Husmann
schon seit Januar d. J. 1000 Mark geliehen. Zu diesem
Darlehen hatte Bertha 850 Mark beigesteuert. In einem
Berichte schreibt er, daß zur Zeit noch Verhältnisse
vorlägen, welche die Rückgabe dieses Darlehens "un-
thunlich" machen. Dagegen solle sie für die Flucht Alles,
was sie besitze, mitnehmen, namentlich das baare Geld,
welches sie flüssig machen solle. Das Geld sei nöthig,
um nach geschehener Trauung zwei Jahre "weltabgeschieden"
leben zu können. Soweit die am 1. d. M. zu Protokoll ge-
gebenen Aussagen von Franz Husmann und einem Ver-
wandten. Fräulein Maria Husmann erklärte nachträglich,
daß obige Darstellung in allen Theilen richtig sei. Behrend
gab ihr 1896 zu verstehen, er sei von hoher Geburt und
stehe mit hohen regierenden Häusern in Verbindung. Sie
habe bis vor Kurzem die feste Ueberzeugung gehabt, den
Erzherzog Franz Ferdinand von Oesterreich vor sich zu
haben, trotzdem er ihr gegenüber nie betont habe, daß er
[Spaltenumbruch] derselbe sei. Im November (20.) 1896 habe er ihr einen
Zettel gegeben, der mit Erzherzog d. E. unterschrieben war.
Im Jänner 1897 habe Behrend sie gebeten, ihm 1000 M.
zu geben, "für die er ihr etwas kaufen und Freude bereiten
wollte". Daraufhin habe sie ihm das Geld gegeben, was sie
sonst nicht getran hätte. Er schenkte ihr zwei Bilder, die an-
geblich seine Schlösser Dinant bei Lüttich und Liebenau in
Schlesien darstellten. Er gab auchan, in Schloß Kalkum bei
Düsseldorf zu wohnen. Soweit obige Aussage der Familie
Husmann. Maria Husmann scheint demnach ein ganz merk-
würdig veranlagtes Mädchen zu sein.

* Christliche Zeitungen in den Gasthäusern
Tirols.

Der "Augsb. Postztg." schreibt Jemand aus
Tirol über die massenhafte Verbreitung der Judenpresse
einen bemerkenswerthen Brief, den wir im nachfolgenden
reproduciren: Der Fremdenbesuch, den Tirol im letzten
Sommer wieder erhielt, war auch in diesem Jahre
sehr bedeutend. Das ist auch vollkommen begreiflich,
Tirol ist das Land alpiner Schönheit und biederen
Volksthums. Dem ungeachtet muß heute aus dem
schönen Lande eine laute und ernste Klage ertönen,
und zwar gilt dieselbe der erschreckend großen Ver-
breitung der liberalen und socialdemokratischen Presse
in den Gasthäusern jenes Landes, das durch seine
Glaubenstreue und edle Vaterlandsliebe berühmt ge-
worden ist. Es ist eine überaus beklagenswerthe, ja sehr
befremdende Erscheinung, daß man in dem Lande eines
Hofer fast durchwegs, ja sogar in den Gasthöfen der
entlegensten Thäler, eine Presse entdeckt, welche mit den
altehrwürdigen Traditionen des Landes in unver-
söhnlichem Widerspruche steht. Wir haben im
letzten Sommer einen großen Theil des
Landes bereist und dabei zahlreiche Gasthöfe besucht,
wir erinnern uns aber nicht, auch nur ein einziges
Gasthaus entdeckt zu haben, welches nicht durch das
Aufliegen religionsfeindlicher antichristlicher Blätter sich
selbst gebrandmarkt hätte. Solche Blätter finden sich
aber auch in Gasthöfen, deren Besitzer als gutgesinnte
Tiroler gelten, und über deren Eingang sich nicht selten
ein schönes religiöses Bild erhebt. Wir haben zu dieser
höchst traurigen Erscheinung die uns längst bekannt
war, lang geschwiegen, wir finden es aber nunmehr an
der Zeit, im Sinne vieler Katholiken, welche mit den
schönsten Erwartungen das liebe Tirolerland Jahr für
Jahr besuchen, hierüber offen und unverhohlen unser
Befremden auszusprechen. Vielleicht wirkt die Stimme,
welche im Auslande ertönt, mehr, als Mahn- und
Warnungsruf innerhalb der Tirolerberge. So viel uns
bekannt ist, waren es gerade die Wirthe Tirols, die
zur glorreichen Erhebung des Landes am Beginne
dieses Jahrhunderts sehr viel beigetragen haben. Die
vielberühmten Tirolernamen: Andreas Hofer, Tharer-
wirth, Kronenwirth von Hall, Peter Mayr an der
Maar sind glänzende Wirthsnamen, sie ehren und
schmücken die schönsten Blätter der Landesge-
schichte. Sollten nun die Wirthe von heute die
Lorbeeren ihrer Vorfahren zerpflücken, sollten die
Tiroler Wirthe am Abende des für Tirol glorreichen
Jahrhunderts jenes Land dem Feinde ausliefern, für
welches ihre uneigennützigen Standesgenossen in den
Jahren 1805 und 1809 todesmuthig gekämpft und
ruhmvoll gesiegt haben! Wir dächten, auch heute noch
könnten wenigstens die alttirolisch gesinnten Wirthe sich
fest aneinander schließen, und sie könnten die gemein-
same Parole ausgeben: "Um keinen Preis eine
religionsseindliche Zeitung". Das wäre neu erwachen-
des Tirolerthum, den gottlosen Fremden müßte es
imponiren, die christlich gesinnten sommerlichen Ein-
wanderer würden aber um so lieber Tirol besuchen
und manchen Gasthof betreten, den sie bisher nie oder
nur ungern zu ihrem Aufenthalte erwählten. Wer
sich aber auf die schlechte Presse durchaus capricirt,
soll sie selbst bestellen und selbst halten, und christliche
Zeitungen gibt es heute im In- und Auslande nach
reicher Auswahl. Möge unsere ernste, aber auch best-
gemeinte Klage in den Tirolerbergen kräftigen Wider-
hall finden, möge Tirol in Tirol nicht verloren
gehen durch religionsfeindliche Blätter und jüdischen
Geschäftssinn.

* Ein Schlaukopf.

In einer ostschweizerischen
Gemeinde wurde ein Bürger anläßlich der Steuer-
revision etwas höher geschraubt. Darüber ergrimmt,
äußerte er sich u. A. öffentlich: "D' Hälfte vo de
Gemeinderäth sind Narre." Das ließ sich natürlich die
gestrenge Obrigkeit nicht gefallen, stellte den Sünder
zur Rede und verlangte, daß er die bösen Worte zurück-
nehme. Er that es auch mit den Worten: "D' Hälfte
vo de Gemeinderöt sind kei' Narre."

* Wetter.

Vorwiegend heiter und trocken, Morgen-
nebel, Nachts sehr kühl.




Kirche, Staat und Schule.
-- Aufruf.

Das Werk des heil. Franciscus
Regis für die Ehen der Armen wird von den Armen
aller Nationen der Wienerstadt so sehr in
Anspruch genommen, daß bis zum heutigen Datum
3230 Correspondenzen und nicht weniger als 720
recommandirte Sendungen nach Ungarn nöthig waren,
um den Armen zur Eheschließung und Legitimation
ihrer Kinder zu helfen. Die Casse des Werkes ist total
erschöpft. Hilfe ist dringend nothwendig Möge dieser
Bittruf nicht überhört werden! Spenden übernimmt
Herr Johan Leb, Cassier, 1. Bez., Wollzeile [2]



P. S. Christliche Blätter werden um Nachdruck
gebeten.


Wien, Dienſtag 12. October 1897 Reichspoſt 233

[Spaltenumbruch]
* Spenden für die durch Hochwaſſer Betroffenen.

Beim k. k. n.-ö. Statthaltereipräſidium ſind an Spenden für
die durch die Hochwaſſerkataſtrophe betroffenen Bewohner
Niederöſterreichs bis jetzt insgeſammt 148.739 fl. 8 kr. ein-
gelangt.

* Luegerbund.

Die Ortsgruppe „Innere Stadt“ des
Luegerbundes hält Montag, den 11. October, Abends 8 Uhr
im Saale der Reſtauration Johann Müller, 1. Bez.,
Nibelungengaſſe 9 (Ecke der Eſchenbachgaſſe) ihre erſte
ordentliche Vollverſammlung ab, bei welcher Gelegenheit
GR. Dr. Porzer eine Anſprache halten wird. Für ge-
müthliche Unterhaltung iſt nach Schluß des ernſten Theiles
geſorgt.

* Aus dem Landesſchulrathe.

Der niederöſterrei-
chiſche Landesſchulrath hat in der letzten Sitzung nach-
folgende Präſentationen genehmigt: Johann Demel als
Lehrer und Schulleiter an der Volksſchule in Langſchläger-
wald; Alphons Faulhammer als Lehrer und Schulleiter
an der Volksſchule in Wolfgers; Carl Weichſelberger als
Oberlehrer an der Volksſchule in Etsdorf; Joſef Brait als
Lehrer und Schulleiter an der Volksſchule in Heiligenblut;
Thereſia Junger als Unterlehrerin an der Volksſchule für
Mädchen in Krems; Johann Nedoroſt als Unterlehrer an
der Volksſchule in Straß; Franz Matzke als Oberlehrer
an der Volksſchule in Traunſtein; Johann Wendl als
Oberlehrer an der Volksſchule in Marbach am Walde;
Franz Klein als Lehrer und Schulleiter an der Volksſchule
in Maierſch. Der Maria Kröhn und der Anna Petvaidic
wurde die Bewilligung zur Errichtung und Führung einer
Privat-Arbeitsſchule in Wien, beziehungsweiſe in Wiener-
Neuſtadt, ertheilt.

* Bezirksſchulrathswahlen.

Die am Samſtag
ſtattgehabte Wahl in den Bezirksſchulrath iſt reſultatlos
verlaufen, da keiner der Candidaten die abſolute Ma-
jorität erhielt. Es findet deßhalb Samſtag, den 23. d.,
eine neuerliche engere Wahl ſtatt.

* Die Mörder des Ehepaares Adelmann
verhaftet.

Wir berichteten kürzlich über die Ermordung
eines Ehepaares in einer Ortſchaft bei Budapeſt; nun
ſind die Thäter, der Taglöhner Vella und ſeine
Geliebte Roſa Varga und noch eine dritte Perſon
verhaftet. Die Mörder verriethen ſich ſelbſt, indem ſie
bei der Polizei die Anzeige machten, daß ihnen Wäſche-
ſtücke geſtohlen wurden. Die Wäſche wurde zuſtande
gebracht, die Polizei fand aber in derſelben das Mono-
gramm der Ermordeten, worauf die Mörder nach
kurzem Leugnen die That geſtanden.

* Eine neue Suppen- und Thee-Anſtalt.

Der
Verein zur Errichtung und Erhaltung der Erſten Wiener
Suppen- und Thee-Anſtalt hat ſeiner Zeit beſchloſſen, zur
Feier des in das nächſte Jahr fallenden Regierungs-Jubi-
läums des Kaiſers drei Suppen- und Thee-Anſtalten zu er-
richten. Die erſte dieſer Jubiläums-Anſtalten wurde im ab-
gelaufenen Jahre im 5. Bezirke, Reinprechtsdorferſtraße, er-
richtet. Am 9. d. M. wurde die zweite Jubiläums-Anſtalt
im 12. Bezirke, Schönbrunnerſtraße 32, eröffnet. Dieſe An-
ſtalt iſt die neunte nunmehr vom Vereine eröffnete. Zum
feierlichen Eröffnungsacte hatten ſich Statthaltereirath von
Sauer, Polizeirath Blaha, ferner mehrere Bezirks-
ausſchüſſe, der Präſident Herr Anton Graf ꝛc. eingefunden.
Vereinspräſident Graf ſchilderte in ſeiner Eröffnungsrede die
ſegensreiche Thätigkeit des Vereines und ſchloß mit einem
Appell an die Verſammlung, die neuerrichtete Anſtalt zu
fördern.

* Kartenlegerin und Curpfuſcherin.

Die 37jährige
Zeitungsausträgerin Beatrix Hoffer, Landſtraße, Dresler-
gaſſe Nr. 5 wohnhaft, wurde Samſtag vom Commiſſariate
Landſtraße verhaftet und dem Landesgerichte eingeliefert.
Beatrix Hoffer fand ſeit mehreren Jahren darin einen
lukrativen Erwerb, daß ſie aus Karten prophezeite, ohne
Licenz Effecten ausſpielte, Effectenverkäufe vermittelte, den
Erlös für die verkauften Gegenſtände jedoch gar nicht oder
nur zum Theile abführte. Insbeſondere aber machte ſich
die Hoffer an Dienſtmädchen heran, indem ſie ſich anbot,
ihnen zur Beſeitigung der Spuren begangener Fehltritte die
nöthigen Medicamente zu liefern. Sie verabfolgte that-
ſächlich verſchiedenen Frauensperſonen Flüſſigkeiten und ließ
ſich dafür 10 bis 15 fl., ja ſogar 30 bis 50 fl. bezahlen.
Fälle ſolcher Art ſind der Verhafteten bisher zwölf nach-
gewieſen worden. Zumeiſt hatte der ſogenannte „Cur-
gebrauch“, wie die Hoffer ihre Behandlung nannte, nur
den Erfolg, daß die „Patientinnen“ von Unwohlſein
befallen wurden und die „Cur“ ſelbſt einſtellten, ohne daß
es zu ernſtlichen Folgen gekommen wäre. Die Handlungs-
weiſe der Hoffer qualificirte ſich demgemäß mehr als
Schwindel, denn als Curpfuſcherei. Bezeichnend iſt jedoch,
daß Beatrix Hoffer, welche ſeit mehreren Jahren und bis
in die jüngſte Zeit dieſe Art von Schwindel betrieb, ſo viele
Opfer finden konnte, die bereit waren, mit ihr das Ver-
brechen zu begehen. Die Zahl der Frauensperſonen, die die
Cur an ſich anſtellen laſſen wollten, iſt mit den oben
erwähnten zwölf Fällen keineswegs erſchöpft.

* Vom Wetter.

Ausnahmsweiſe haben einmal die
Wetterpropheten recht gehabt, als ſie der verzweifelnden
Menſchheit am Samſtag verkündeten, daß das Ende des
frühen Winters gekommen ſei. Während ſchon geſtern,
Sonntag, das Wetter zwar kühl aber wenigſtens trocken
blieb, und es der Sonne, wenn auch nur auf Momente gelang,
am ſpäten Nachmittag die Wolken zu durchbrechen, ließ ſich
der heutige Tag als ein ſchöner, kühler Herbſttag an. Auch
der charakteriſtiſche Nebel am frühen Morgen fehlte nicht,
und wenn auch die Wärme der Luft bedeutend abgenommen
hat, iſt es doch wenigſtens erträglich geworden. Es iſt noch
einmal gelungen, den Winter zu verſcheuchen.

* Ein Gendarmeriechef als Selbſtmörder.

In Zara hat ſich der Commandant der Gendarmerie-
ſtation in San Caſſiano, Stanzer, er-
ſchoſſen. Aerger über eine von ſeinem Vorgeſetzten er-
haltene Rüge iſt das Motiv der That.

* Kleine Localchronik.

Sonntag Nachmittags um
½3 Uhr überſiel der Taglöhner Anton Beztrucka,
Wieden, Paniglgaſſe Nr. 16 wohnhaft, in der Schönburg-
gaſſe ſeine Gattin Anna Beztrucka, 40 Jahre alt, und ſchlug
derart mit einem Stocke auf die Frau los, daß ſie ſchwere
Verletzungen am Kopfe, auf der Schulter und am Rücken
erhielt. — Der 20jährige Ziegeldeckergehilfe Johann Di-
wald
gerieth geſtern Nachts in der Hildebrandgaſſe mit
[e]inem Manne in einen Streit. Derſelbe verſetzte ihm mit
[Spaltenumbruch] einem Taſchenmeſſer Stichwunden an beiden Armen, ſowie
am Nacken und verletzte ihn noch überdies am Kopfe. —
In einer Baumaterialienhütte, die behufs der Gasröhren-
legung in der Stallburggaſſe errichtet iſt, explodirte Sonn-
tag Früh um ½6 Uhr in Folge Schmelzens der Nieten
eine mit Ligroin gefüllte Lampe. Der in der Hütte an-
weſende Wächter Joſeph Nowak, 24 Jahre alt, erlitt an
beiden Armen und im Geſichte ſchwere Brandwunden und
warf ſich auf einen Sandhaufen, um die brennenden
Kleider zu löſchen.

* Gefälſchte Empfehlungsſchreiben.

Die
geſtrigen Morgenblätter enthielten eine Nachricht, wo-
nach ſich ein Schwindler mit geſälſchten Empfehlungs-
ſchreiben des Hofballmuſik-Directors S[t]rauß zum
Grafen Thun-Salm und zu Baron Roth-
ſchild
begeben habe, und dort Unterſtützungsbeträge
herauslocken wollte. Durch den Umſtand, daß die Be-
treffenden dem Muſikdirector Summen für den jungen
Mann überſandten, kam der Schwindel auf. Wie die
Polizeidirection mittheilt, handelte es ſich jedoch bei der
Affaire nicht um den Hofballmuſikdirector Eduard
Strauß, ſondern um den vormaligen Hofballmuſik-
director Johann Strauß.

* Jubiläum der Firma Simens und Halske.

Die Firma Simens und Halske begeht morgen
Dienſtag das fünfzigjährige Jubiläum ihres Beſtandes.
Sie wurde 1847 mit drei Drehbänken und kaum zehn
Arbeitern begründet. Heute ſind in ihren Werkſtätten
etwa 300 Techniker mit 5000 Arbeitern beſchäftigt.

* Auswandererelend.

Auf dem Nordweſtbahnhofe
wurde Sonntag Abends der Bauer Thomas Kleckner,
deſſen Gattin Eliſabeth Kleckner, deren beide Kinder,
die Bäuerin Eliſabeth Fellinger mit drei Kindern,
der Bauer Johann Froh, der Bauer Andreas Stein-
bauer,
deſſen Gattin Juſtine mit zwei Kindern ange-
halten, weil ſie durch Vermittlung eines Reiſebureau im
Begriffe waren, nach Amerika auszuwandern. Eliſabeth
Kleckner iſt im Augenblicke der Anhaltung in Folge eines
Schlaganfalles zuſammengeſtürzt und nach wenigen Minuten
geſtorben.

* Verwundeter Deutſchmeiſter.

Heute Nachts wurde
nächſt der ehemaligen St. Marxerlinie der Infanteriſt des
Regimentes Hoch- und Deutſchmeiſter Nr. 4 Nicolaus
Zawadowicz von fünf Burſchen, mit denen er in
einen Streit gerathen war, mißhandelt und ſchwer verletzt.
Er wurde in das Garniſonsſpital Nr. 2 gebracht.

* Vom falſchen Erzherzog.

Reichsdeutſche Blätter
bringen jetzt ausführliche Berichte über die noch vielfach
dunkle Affaire, die wir unſeren Leſern nicht vorenthalten
wollen. Behrend wurde in den letzten Tagen bekanntlich auch
wegen Betrug und Unterſchlagung angeklagt. Die „Hann.
Tages-Nachr.“ machen nun noch folgende weitere Mit-
theilungen über die Erzherzogsgeſchichte: „Nach proto-
kollariſchen Ausſagen ihres Bruders Franz Husmann hat
Behrend ſich dem Fräulein 1896 brieflich genähert, ihr Auf-
ſätze, Gedichte ꝛc., die er als ſeine eigenen ausgab, geſchickt.
Er ſpiegelte ihr vor, unter dem Pſeudonym „Baron von
Roberts“ zu ſchreiben, mißbrauchte alſo den Namen eines
vor Kurzem verſtorbenen bekannten Schriftſtellers und hatte
ſogar die Kühnheit, ihr einige von deſſen Werken mit einer
Widmung zu ſchenken. Ferner deutete er an, unter aller-
lei fremden Namen leben zu müſſen, weil er von hoher
Geburt ſei und mit regierenden Häuſern in Verbindung
ſtehe. Auch behauptete er, er ſei im Auftrage des öſterreichiſchen
Kaiſerhofes zu den Feſtlichkeiten in London befohlen worden,
ſchickte ihr Briefe und Karten, angeblich aus London, die aber in
Lüttich oder an einem anderen Orte zur Poſt gegeben waren,
was Frl. Husmann nicht gemerkt hat. Auf dieſe Weiſe wußte
er um ſich einen geheimnisvollen Nimbus zu verbreiten,
Maria glaubte an ihn und verlobte ſich heimlich mit ihm.
Wenn Behrend, was öfters vorkam, längere Zeit abweſend
blieb, ſchrieb er angeblich von Rom, Nizza, London. Blida ꝛc.
aus, legte Illuſtrationen und Karten bei; die Sendungen
trugen aber, was Maria wiederum nicht merkte, die Poſt-
ſtempel Lüttich, Spaa und Oſtende, auch Eſſen und Düſſel-
dorf. So theilte er Frl. Maria mit, er habe auf höchſten
Befehl einer Maſſenhinrichtung in Blida beiwohnen müſſen,
legte eine Momentaufnahme derſelben bei mit der Be-
zeichnung, wo er geſtanden mit ſeinem ſchwarzen Diener
Bob. Als weiteres Mittel, ſeine Zwecke zu erreichen, ſchenkte
Behrend ſeiner Braut kolorirte und nicht kolorirte Ab-
bildungen von ſich. Zuweilen trug er auch Uniform unter
Civilüberzieher. Er machte belgiſche Waſſerſtempel nach, be-
diente ſich geheimnißvoller Siegelabdrücke, die er in ſeinen
Correſpondenzen anbrachte, alles, um den Schein zu er-
wecken, ſie kämen von hoher Stelle. Er ſtellte ihr einen ge-
heimnißvollen Schein aus, welcher ſie in allen Lagen ihres
Lebens ſchützen und ihr Hülfe angedeihen laſſen ſolle.
Telegramme, an Maria adreſſirt, zeigten die Ankunft
oder das Ausbleiben „Seiner Hoheit“ an; er unterzeichnete:
„Graf Löwenfeld, Graf Hoßlieger“. Ein von Behrend her-
rührender Zettel vom 11. Mai 1896 trägt die Unterſchrift:
«your faithful german prince Emil.» Auch drückte er ſich
verächtlich über andere Verwandte aus. Als ſie auf einem
„befohlenen“ Stelldichein nicht erſchien, bedrohte er ſie und
ihre Familie mit Vernichtung, wenn ſie nochmals ausbliebe.
Gegen Mitte Auguſt d. J. trafen ſich die beiden in Spaa.
Dort ſcheint auch der Fluchtplan feſtgeſtellt worden zu ſein.
Daß Behrend neben ſeinem Verhältniß zu Maria Husmann
auch noch andere Liebesverhältniſſe unterhielt, ſei noch
nebenbei erwähnt. Behrend hat ſich von Maria Husmann
ſchon ſeit Januar d. J. 1000 Mark geliehen. Zu dieſem
Darlehen hatte Bertha 850 Mark beigeſteuert. In einem
Berichte ſchreibt er, daß zur Zeit noch Verhältniſſe
vorlägen, welche die Rückgabe dieſes Darlehens „un-
thunlich“ machen. Dagegen ſolle ſie für die Flucht Alles,
was ſie beſitze, mitnehmen, namentlich das baare Geld,
welches ſie flüſſig machen ſolle. Das Geld ſei nöthig,
um nach geſchehener Trauung zwei Jahre „weltabgeſchieden“
leben zu können. Soweit die am 1. d. M. zu Protokoll ge-
gebenen Ausſagen von Franz Husmann und einem Ver-
wandten. Fräulein Maria Husmann erklärte nachträglich,
daß obige Darſtellung in allen Theilen richtig ſei. Behrend
gab ihr 1896 zu verſtehen, er ſei von hoher Geburt und
ſtehe mit hohen regierenden Häuſern in Verbindung. Sie
habe bis vor Kurzem die feſte Ueberzeugung gehabt, den
Erzherzog Franz Ferdinand von Oeſterreich vor ſich zu
haben, trotzdem er ihr gegenüber nie betont habe, daß er
[Spaltenumbruch] derſelbe ſei. Im November (20.) 1896 habe er ihr einen
Zettel gegeben, der mit Erzherzog d. E. unterſchrieben war.
Im Jänner 1897 habe Behrend ſie gebeten, ihm 1000 M.
zu geben, „für die er ihr etwas kaufen und Freude bereiten
wollte“. Daraufhin habe ſie ihm das Geld gegeben, was ſie
ſonſt nicht getran hätte. Er ſchenkte ihr zwei Bilder, die an-
geblich ſeine Schlöſſer Dinant bei Lüttich und Liebenau in
Schleſien darſtellten. Er gab auchan, in Schloß Kalkum bei
Düſſeldorf zu wohnen. Soweit obige Ausſage der Familie
Husmann. Maria Husmann ſcheint demnach ein ganz merk-
würdig veranlagtes Mädchen zu ſein.

* Chriſtliche Zeitungen in den Gaſthäuſern
Tirols.

Der „Augsb. Poſtztg.“ ſchreibt Jemand aus
Tirol über die maſſenhafte Verbreitung der Judenpreſſe
einen bemerkenswerthen Brief, den wir im nachfolgenden
reproduciren: Der Fremdenbeſuch, den Tirol im letzten
Sommer wieder erhielt, war auch in dieſem Jahre
ſehr bedeutend. Das iſt auch vollkommen begreiflich,
Tirol iſt das Land alpiner Schönheit und biederen
Volksthums. Dem ungeachtet muß heute aus dem
ſchönen Lande eine laute und ernſte Klage ertönen,
und zwar gilt dieſelbe der erſchreckend großen Ver-
breitung der liberalen und ſocialdemokratiſchen Preſſe
in den Gaſthäuſern jenes Landes, das durch ſeine
Glaubenstreue und edle Vaterlandsliebe berühmt ge-
worden iſt. Es iſt eine überaus beklagenswerthe, ja ſehr
befremdende Erſcheinung, daß man in dem Lande eines
Hofer faſt durchwegs, ja ſogar in den Gaſthöfen der
entlegenſten Thäler, eine Preſſe entdeckt, welche mit den
altehrwürdigen Traditionen des Landes in unver-
ſöhnlichem Widerſpruche ſteht. Wir haben im
letzten Sommer einen großen Theil des
Landes bereiſt und dabei zahlreiche Gaſthöfe beſucht,
wir erinnern uns aber nicht, auch nur ein einziges
Gaſthaus entdeckt zu haben, welches nicht durch das
Aufliegen religionsfeindlicher antichriſtlicher Blätter ſich
ſelbſt gebrandmarkt hätte. Solche Blätter finden ſich
aber auch in Gaſthöfen, deren Beſitzer als gutgeſinnte
Tiroler gelten, und über deren Eingang ſich nicht ſelten
ein ſchönes religiöſes Bild erhebt. Wir haben zu dieſer
höchſt traurigen Erſcheinung die uns längſt bekannt
war, lang geſchwiegen, wir finden es aber nunmehr an
der Zeit, im Sinne vieler Katholiken, welche mit den
ſchönſten Erwartungen das liebe Tirolerland Jahr für
Jahr beſuchen, hierüber offen und unverhohlen unſer
Befremden auszuſprechen. Vielleicht wirkt die Stimme,
welche im Auslande ertönt, mehr, als Mahn- und
Warnungsruf innerhalb der Tirolerberge. So viel uns
bekannt iſt, waren es gerade die Wirthe Tirols, die
zur glorreichen Erhebung des Landes am Beginne
dieſes Jahrhunderts ſehr viel beigetragen haben. Die
vielberühmten Tirolernamen: Andreas Hofer, Tharer-
wirth, Kronenwirth von Hall, Peter Mayr an der
Maar ſind glänzende Wirthsnamen, ſie ehren und
ſchmücken die ſchönſten Blätter der Landesge-
ſchichte. Sollten nun die Wirthe von heute die
Lorbeeren ihrer Vorfahren zerpflücken, ſollten die
Tiroler Wirthe am Abende des für Tirol glorreichen
Jahrhunderts jenes Land dem Feinde ausliefern, für
welches ihre uneigennützigen Standesgenoſſen in den
Jahren 1805 und 1809 todesmuthig gekämpft und
ruhmvoll geſiegt haben! Wir dächten, auch heute noch
könnten wenigſtens die alttiroliſch geſinnten Wirthe ſich
feſt aneinander ſchließen, und ſie könnten die gemein-
ſame Parole ausgeben: „Um keinen Preis eine
religionsſeindliche Zeitung“. Das wäre neu erwachen-
des Tirolerthum, den gottloſen Fremden müßte es
imponiren, die chriſtlich geſinnten ſommerlichen Ein-
wanderer würden aber um ſo lieber Tirol beſuchen
und manchen Gaſthof betreten, den ſie bisher nie oder
nur ungern zu ihrem Aufenthalte erwählten. Wer
ſich aber auf die ſchlechte Preſſe durchaus capricirt,
ſoll ſie ſelbſt beſtellen und ſelbſt halten, und chriſtliche
Zeitungen gibt es heute im In- und Auslande nach
reicher Auswahl. Möge unſere ernſte, aber auch beſt-
gemeinte Klage in den Tirolerbergen kräftigen Wider-
hall finden, möge Tirol in Tirol nicht verloren
gehen durch religionsfeindliche Blätter und jüdiſchen
Geſchäftsſinn.

* Ein Schlaukopf.

In einer oſtſchweizeriſchen
Gemeinde wurde ein Bürger anläßlich der Steuer-
reviſion etwas höher geſchraubt. Darüber ergrimmt,
äußerte er ſich u. A. öffentlich: „D’ Hälfte vo de
Gemeinderäth ſind Narre.“ Das ließ ſich natürlich die
geſtrenge Obrigkeit nicht gefallen, ſtellte den Sünder
zur Rede und verlangte, daß er die böſen Worte zurück-
nehme. Er that es auch mit den Worten: „D’ Hälfte
vo de Gemeinderöt ſind kei’ Narre.“

* Wetter.

Vorwiegend heiter und trocken, Morgen-
nebel, Nachts ſehr kühl.




Kirche, Staat und Schule.
Aufruf.

Das Werk des heil. Franciscus
Regis für die Ehen der Armen wird von den Armen
aller Nationen der Wienerſtadt ſo ſehr in
Anſpruch genommen, daß bis zum heutigen Datum
3230 Correſpondenzen und nicht weniger als 720
recommandirte Sendungen nach Ungarn nöthig waren,
um den Armen zur Eheſchließung und Legitimation
ihrer Kinder zu helfen. Die Caſſe des Werkes iſt total
erſchöpft. Hilfe iſt dringend nothwendig Möge dieſer
Bittruf nicht überhört werden! Spenden übernimmt
Herr Johan Leb, Caſſier, 1. Bez., Wollzeile [2]



P. S. Chriſtliche Blätter werden um Nachdruck
gebeten.


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&#x017F;ätze, Gedichte &#xA75B;c., die er als &#x017F;eine eigenen ausgab, ge&#x017F;chickt.<lb/>
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Widmung zu &#x017F;chenken. Ferner deutete er an, unter aller-<lb/>
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Im Jänner 1897 habe Behrend &#x017F;ie gebeten, ihm 1000 M.<lb/>
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Tirol i&#x017F;t das Land alpiner Schönheit und biederen<lb/>
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[4/0004] Wien, Dienſtag 12. October 1897 Reichspoſt 233 * Spenden für die durch Hochwaſſer Betroffenen. Beim k. k. n.-ö. Statthaltereipräſidium ſind an Spenden für die durch die Hochwaſſerkataſtrophe betroffenen Bewohner Niederöſterreichs bis jetzt insgeſammt 148.739 fl. 8 kr. ein- gelangt. * Luegerbund. Die Ortsgruppe „Innere Stadt“ des Luegerbundes hält Montag, den 11. October, Abends 8 Uhr im Saale der Reſtauration Johann Müller, 1. Bez., Nibelungengaſſe 9 (Ecke der Eſchenbachgaſſe) ihre erſte ordentliche Vollverſammlung ab, bei welcher Gelegenheit GR. Dr. Porzer eine Anſprache halten wird. Für ge- müthliche Unterhaltung iſt nach Schluß des ernſten Theiles geſorgt. * Aus dem Landesſchulrathe. Der niederöſterrei- chiſche Landesſchulrath hat in der letzten Sitzung nach- folgende Präſentationen genehmigt: Johann Demel als Lehrer und Schulleiter an der Volksſchule in Langſchläger- wald; Alphons Faulhammer als Lehrer und Schulleiter an der Volksſchule in Wolfgers; Carl Weichſelberger als Oberlehrer an der Volksſchule in Etsdorf; Joſef Brait als Lehrer und Schulleiter an der Volksſchule in Heiligenblut; Thereſia Junger als Unterlehrerin an der Volksſchule für Mädchen in Krems; Johann Nedoroſt als Unterlehrer an der Volksſchule in Straß; Franz Matzke als Oberlehrer an der Volksſchule in Traunſtein; Johann Wendl als Oberlehrer an der Volksſchule in Marbach am Walde; Franz Klein als Lehrer und Schulleiter an der Volksſchule in Maierſch. Der Maria Kröhn und der Anna Petvaidic wurde die Bewilligung zur Errichtung und Führung einer Privat-Arbeitsſchule in Wien, beziehungsweiſe in Wiener- Neuſtadt, ertheilt. * Bezirksſchulrathswahlen. Die am Samſtag ſtattgehabte Wahl in den Bezirksſchulrath iſt reſultatlos verlaufen, da keiner der Candidaten die abſolute Ma- jorität erhielt. Es findet deßhalb Samſtag, den 23. d., eine neuerliche engere Wahl ſtatt. * Die Mörder des Ehepaares Adelmann verhaftet. Wir berichteten kürzlich über die Ermordung eines Ehepaares in einer Ortſchaft bei Budapeſt; nun ſind die Thäter, der Taglöhner Vella und ſeine Geliebte Roſa Varga und noch eine dritte Perſon verhaftet. Die Mörder verriethen ſich ſelbſt, indem ſie bei der Polizei die Anzeige machten, daß ihnen Wäſche- ſtücke geſtohlen wurden. Die Wäſche wurde zuſtande gebracht, die Polizei fand aber in derſelben das Mono- gramm der Ermordeten, worauf die Mörder nach kurzem Leugnen die That geſtanden. * Eine neue Suppen- und Thee-Anſtalt. Der Verein zur Errichtung und Erhaltung der Erſten Wiener Suppen- und Thee-Anſtalt hat ſeiner Zeit beſchloſſen, zur Feier des in das nächſte Jahr fallenden Regierungs-Jubi- läums des Kaiſers drei Suppen- und Thee-Anſtalten zu er- richten. Die erſte dieſer Jubiläums-Anſtalten wurde im ab- gelaufenen Jahre im 5. Bezirke, Reinprechtsdorferſtraße, er- richtet. Am 9. d. M. wurde die zweite Jubiläums-Anſtalt im 12. Bezirke, Schönbrunnerſtraße 32, eröffnet. Dieſe An- ſtalt iſt die neunte nunmehr vom Vereine eröffnete. Zum feierlichen Eröffnungsacte hatten ſich Statthaltereirath von Sauer, Polizeirath Blaha, ferner mehrere Bezirks- ausſchüſſe, der Präſident Herr Anton Graf ꝛc. eingefunden. Vereinspräſident Graf ſchilderte in ſeiner Eröffnungsrede die ſegensreiche Thätigkeit des Vereines und ſchloß mit einem Appell an die Verſammlung, die neuerrichtete Anſtalt zu fördern. * Kartenlegerin und Curpfuſcherin. Die 37jährige Zeitungsausträgerin Beatrix Hoffer, Landſtraße, Dresler- gaſſe Nr. 5 wohnhaft, wurde Samſtag vom Commiſſariate Landſtraße verhaftet und dem Landesgerichte eingeliefert. Beatrix Hoffer fand ſeit mehreren Jahren darin einen lukrativen Erwerb, daß ſie aus Karten prophezeite, ohne Licenz Effecten ausſpielte, Effectenverkäufe vermittelte, den Erlös für die verkauften Gegenſtände jedoch gar nicht oder nur zum Theile abführte. Insbeſondere aber machte ſich die Hoffer an Dienſtmädchen heran, indem ſie ſich anbot, ihnen zur Beſeitigung der Spuren begangener Fehltritte die nöthigen Medicamente zu liefern. Sie verabfolgte that- ſächlich verſchiedenen Frauensperſonen Flüſſigkeiten und ließ ſich dafür 10 bis 15 fl., ja ſogar 30 bis 50 fl. bezahlen. Fälle ſolcher Art ſind der Verhafteten bisher zwölf nach- gewieſen worden. Zumeiſt hatte der ſogenannte „Cur- gebrauch“, wie die Hoffer ihre Behandlung nannte, nur den Erfolg, daß die „Patientinnen“ von Unwohlſein befallen wurden und die „Cur“ ſelbſt einſtellten, ohne daß es zu ernſtlichen Folgen gekommen wäre. Die Handlungs- weiſe der Hoffer qualificirte ſich demgemäß mehr als Schwindel, denn als Curpfuſcherei. Bezeichnend iſt jedoch, daß Beatrix Hoffer, welche ſeit mehreren Jahren und bis in die jüngſte Zeit dieſe Art von Schwindel betrieb, ſo viele Opfer finden konnte, die bereit waren, mit ihr das Ver- brechen zu begehen. Die Zahl der Frauensperſonen, die die Cur an ſich anſtellen laſſen wollten, iſt mit den oben erwähnten zwölf Fällen keineswegs erſchöpft. * Vom Wetter. Ausnahmsweiſe haben einmal die Wetterpropheten recht gehabt, als ſie der verzweifelnden Menſchheit am Samſtag verkündeten, daß das Ende des frühen Winters gekommen ſei. Während ſchon geſtern, Sonntag, das Wetter zwar kühl aber wenigſtens trocken blieb, und es der Sonne, wenn auch nur auf Momente gelang, am ſpäten Nachmittag die Wolken zu durchbrechen, ließ ſich der heutige Tag als ein ſchöner, kühler Herbſttag an. Auch der charakteriſtiſche Nebel am frühen Morgen fehlte nicht, und wenn auch die Wärme der Luft bedeutend abgenommen hat, iſt es doch wenigſtens erträglich geworden. Es iſt noch einmal gelungen, den Winter zu verſcheuchen. * Ein Gendarmeriechef als Selbſtmörder. In Zara hat ſich der Commandant der Gendarmerie- ſtation in San Caſſiano, Stanzer, er- ſchoſſen. Aerger über eine von ſeinem Vorgeſetzten er- haltene Rüge iſt das Motiv der That. * Kleine Localchronik. Sonntag Nachmittags um ½3 Uhr überſiel der Taglöhner Anton Beztrucka, Wieden, Paniglgaſſe Nr. 16 wohnhaft, in der Schönburg- gaſſe ſeine Gattin Anna Beztrucka, 40 Jahre alt, und ſchlug derart mit einem Stocke auf die Frau los, daß ſie ſchwere Verletzungen am Kopfe, auf der Schulter und am Rücken erhielt. — Der 20jährige Ziegeldeckergehilfe Johann Di- wald gerieth geſtern Nachts in der Hildebrandgaſſe mit einem Manne in einen Streit. Derſelbe verſetzte ihm mit einem Taſchenmeſſer Stichwunden an beiden Armen, ſowie am Nacken und verletzte ihn noch überdies am Kopfe. — In einer Baumaterialienhütte, die behufs der Gasröhren- legung in der Stallburggaſſe errichtet iſt, explodirte Sonn- tag Früh um ½6 Uhr in Folge Schmelzens der Nieten eine mit Ligroin gefüllte Lampe. Der in der Hütte an- weſende Wächter Joſeph Nowak, 24 Jahre alt, erlitt an beiden Armen und im Geſichte ſchwere Brandwunden und warf ſich auf einen Sandhaufen, um die brennenden Kleider zu löſchen. * Gefälſchte Empfehlungsſchreiben. Die geſtrigen Morgenblätter enthielten eine Nachricht, wo- nach ſich ein Schwindler mit geſälſchten Empfehlungs- ſchreiben des Hofballmuſik-Directors Strauß zum Grafen Thun-Salm und zu Baron Roth- ſchild begeben habe, und dort Unterſtützungsbeträge herauslocken wollte. Durch den Umſtand, daß die Be- treffenden dem Muſikdirector Summen für den jungen Mann überſandten, kam der Schwindel auf. Wie die Polizeidirection mittheilt, handelte es ſich jedoch bei der Affaire nicht um den Hofballmuſikdirector Eduard Strauß, ſondern um den vormaligen Hofballmuſik- director Johann Strauß. * Jubiläum der Firma Simens und Halske. Die Firma Simens und Halske begeht morgen Dienſtag das fünfzigjährige Jubiläum ihres Beſtandes. Sie wurde 1847 mit drei Drehbänken und kaum zehn Arbeitern begründet. Heute ſind in ihren Werkſtätten etwa 300 Techniker mit 5000 Arbeitern beſchäftigt. * Auswandererelend. Auf dem Nordweſtbahnhofe wurde Sonntag Abends der Bauer Thomas Kleckner, deſſen Gattin Eliſabeth Kleckner, deren beide Kinder, die Bäuerin Eliſabeth Fellinger mit drei Kindern, der Bauer Johann Froh, der Bauer Andreas Stein- bauer, deſſen Gattin Juſtine mit zwei Kindern ange- halten, weil ſie durch Vermittlung eines Reiſebureau im Begriffe waren, nach Amerika auszuwandern. Eliſabeth Kleckner iſt im Augenblicke der Anhaltung in Folge eines Schlaganfalles zuſammengeſtürzt und nach wenigen Minuten geſtorben. * Verwundeter Deutſchmeiſter. Heute Nachts wurde nächſt der ehemaligen St. Marxerlinie der Infanteriſt des Regimentes Hoch- und Deutſchmeiſter Nr. 4 Nicolaus Zawadowicz von fünf Burſchen, mit denen er in einen Streit gerathen war, mißhandelt und ſchwer verletzt. Er wurde in das Garniſonsſpital Nr. 2 gebracht. * Vom falſchen Erzherzog. Reichsdeutſche Blätter bringen jetzt ausführliche Berichte über die noch vielfach dunkle Affaire, die wir unſeren Leſern nicht vorenthalten wollen. Behrend wurde in den letzten Tagen bekanntlich auch wegen Betrug und Unterſchlagung angeklagt. Die „Hann. Tages-Nachr.“ machen nun noch folgende weitere Mit- theilungen über die Erzherzogsgeſchichte: „Nach proto- kollariſchen Ausſagen ihres Bruders Franz Husmann hat Behrend ſich dem Fräulein 1896 brieflich genähert, ihr Auf- ſätze, Gedichte ꝛc., die er als ſeine eigenen ausgab, geſchickt. Er ſpiegelte ihr vor, unter dem Pſeudonym „Baron von Roberts“ zu ſchreiben, mißbrauchte alſo den Namen eines vor Kurzem verſtorbenen bekannten Schriftſtellers und hatte ſogar die Kühnheit, ihr einige von deſſen Werken mit einer Widmung zu ſchenken. Ferner deutete er an, unter aller- lei fremden Namen leben zu müſſen, weil er von hoher Geburt ſei und mit regierenden Häuſern in Verbindung ſtehe. Auch behauptete er, er ſei im Auftrage des öſterreichiſchen Kaiſerhofes zu den Feſtlichkeiten in London befohlen worden, ſchickte ihr Briefe und Karten, angeblich aus London, die aber in Lüttich oder an einem anderen Orte zur Poſt gegeben waren, was Frl. Husmann nicht gemerkt hat. Auf dieſe Weiſe wußte er um ſich einen geheimnisvollen Nimbus zu verbreiten, Maria glaubte an ihn und verlobte ſich heimlich mit ihm. Wenn Behrend, was öfters vorkam, längere Zeit abweſend blieb, ſchrieb er angeblich von Rom, Nizza, London. Blida ꝛc. aus, legte Illuſtrationen und Karten bei; die Sendungen trugen aber, was Maria wiederum nicht merkte, die Poſt- ſtempel Lüttich, Spaa und Oſtende, auch Eſſen und Düſſel- dorf. So theilte er Frl. Maria mit, er habe auf höchſten Befehl einer Maſſenhinrichtung in Blida beiwohnen müſſen, legte eine Momentaufnahme derſelben bei mit der Be- zeichnung, wo er geſtanden mit ſeinem ſchwarzen Diener Bob. Als weiteres Mittel, ſeine Zwecke zu erreichen, ſchenkte Behrend ſeiner Braut kolorirte und nicht kolorirte Ab- bildungen von ſich. Zuweilen trug er auch Uniform unter Civilüberzieher. Er machte belgiſche Waſſerſtempel nach, be- diente ſich geheimnißvoller Siegelabdrücke, die er in ſeinen Correſpondenzen anbrachte, alles, um den Schein zu er- wecken, ſie kämen von hoher Stelle. Er ſtellte ihr einen ge- heimnißvollen Schein aus, welcher ſie in allen Lagen ihres Lebens ſchützen und ihr Hülfe angedeihen laſſen ſolle. Telegramme, an Maria adreſſirt, zeigten die Ankunft oder das Ausbleiben „Seiner Hoheit“ an; er unterzeichnete: „Graf Löwenfeld, Graf Hoßlieger“. Ein von Behrend her- rührender Zettel vom 11. Mai 1896 trägt die Unterſchrift: «your faithful german prince Emil.» Auch drückte er ſich verächtlich über andere Verwandte aus. Als ſie auf einem „befohlenen“ Stelldichein nicht erſchien, bedrohte er ſie und ihre Familie mit Vernichtung, wenn ſie nochmals ausbliebe. Gegen Mitte Auguſt d. J. trafen ſich die beiden in Spaa. Dort ſcheint auch der Fluchtplan feſtgeſtellt worden zu ſein. Daß Behrend neben ſeinem Verhältniß zu Maria Husmann auch noch andere Liebesverhältniſſe unterhielt, ſei noch nebenbei erwähnt. Behrend hat ſich von Maria Husmann ſchon ſeit Januar d. J. 1000 Mark geliehen. Zu dieſem Darlehen hatte Bertha 850 Mark beigeſteuert. In einem Berichte ſchreibt er, daß zur Zeit noch Verhältniſſe vorlägen, welche die Rückgabe dieſes Darlehens „un- thunlich“ machen. Dagegen ſolle ſie für die Flucht Alles, was ſie beſitze, mitnehmen, namentlich das baare Geld, welches ſie flüſſig machen ſolle. Das Geld ſei nöthig, um nach geſchehener Trauung zwei Jahre „weltabgeſchieden“ leben zu können. Soweit die am 1. d. M. zu Protokoll ge- gebenen Ausſagen von Franz Husmann und einem Ver- wandten. Fräulein Maria Husmann erklärte nachträglich, daß obige Darſtellung in allen Theilen richtig ſei. Behrend gab ihr 1896 zu verſtehen, er ſei von hoher Geburt und ſtehe mit hohen regierenden Häuſern in Verbindung. Sie habe bis vor Kurzem die feſte Ueberzeugung gehabt, den Erzherzog Franz Ferdinand von Oeſterreich vor ſich zu haben, trotzdem er ihr gegenüber nie betont habe, daß er derſelbe ſei. Im November (20.) 1896 habe er ihr einen Zettel gegeben, der mit Erzherzog d. E. unterſchrieben war. Im Jänner 1897 habe Behrend ſie gebeten, ihm 1000 M. zu geben, „für die er ihr etwas kaufen und Freude bereiten wollte“. Daraufhin habe ſie ihm das Geld gegeben, was ſie ſonſt nicht getran hätte. Er ſchenkte ihr zwei Bilder, die an- geblich ſeine Schlöſſer Dinant bei Lüttich und Liebenau in Schleſien darſtellten. Er gab auchan, in Schloß Kalkum bei Düſſeldorf zu wohnen. Soweit obige Ausſage der Familie Husmann. Maria Husmann ſcheint demnach ein ganz merk- würdig veranlagtes Mädchen zu ſein. * Chriſtliche Zeitungen in den Gaſthäuſern Tirols. Der „Augsb. Poſtztg.“ ſchreibt Jemand aus Tirol über die maſſenhafte Verbreitung der Judenpreſſe einen bemerkenswerthen Brief, den wir im nachfolgenden reproduciren: Der Fremdenbeſuch, den Tirol im letzten Sommer wieder erhielt, war auch in dieſem Jahre ſehr bedeutend. Das iſt auch vollkommen begreiflich, Tirol iſt das Land alpiner Schönheit und biederen Volksthums. Dem ungeachtet muß heute aus dem ſchönen Lande eine laute und ernſte Klage ertönen, und zwar gilt dieſelbe der erſchreckend großen Ver- breitung der liberalen und ſocialdemokratiſchen Preſſe in den Gaſthäuſern jenes Landes, das durch ſeine Glaubenstreue und edle Vaterlandsliebe berühmt ge- worden iſt. Es iſt eine überaus beklagenswerthe, ja ſehr befremdende Erſcheinung, daß man in dem Lande eines Hofer faſt durchwegs, ja ſogar in den Gaſthöfen der entlegenſten Thäler, eine Preſſe entdeckt, welche mit den altehrwürdigen Traditionen des Landes in unver- ſöhnlichem Widerſpruche ſteht. Wir haben im letzten Sommer einen großen Theil des Landes bereiſt und dabei zahlreiche Gaſthöfe beſucht, wir erinnern uns aber nicht, auch nur ein einziges Gaſthaus entdeckt zu haben, welches nicht durch das Aufliegen religionsfeindlicher antichriſtlicher Blätter ſich ſelbſt gebrandmarkt hätte. Solche Blätter finden ſich aber auch in Gaſthöfen, deren Beſitzer als gutgeſinnte Tiroler gelten, und über deren Eingang ſich nicht ſelten ein ſchönes religiöſes Bild erhebt. Wir haben zu dieſer höchſt traurigen Erſcheinung die uns längſt bekannt war, lang geſchwiegen, wir finden es aber nunmehr an der Zeit, im Sinne vieler Katholiken, welche mit den ſchönſten Erwartungen das liebe Tirolerland Jahr für Jahr beſuchen, hierüber offen und unverhohlen unſer Befremden auszuſprechen. Vielleicht wirkt die Stimme, welche im Auslande ertönt, mehr, als Mahn- und Warnungsruf innerhalb der Tirolerberge. So viel uns bekannt iſt, waren es gerade die Wirthe Tirols, die zur glorreichen Erhebung des Landes am Beginne dieſes Jahrhunderts ſehr viel beigetragen haben. Die vielberühmten Tirolernamen: Andreas Hofer, Tharer- wirth, Kronenwirth von Hall, Peter Mayr an der Maar ſind glänzende Wirthsnamen, ſie ehren und ſchmücken die ſchönſten Blätter der Landesge- ſchichte. Sollten nun die Wirthe von heute die Lorbeeren ihrer Vorfahren zerpflücken, ſollten die Tiroler Wirthe am Abende des für Tirol glorreichen Jahrhunderts jenes Land dem Feinde ausliefern, für welches ihre uneigennützigen Standesgenoſſen in den Jahren 1805 und 1809 todesmuthig gekämpft und ruhmvoll geſiegt haben! Wir dächten, auch heute noch könnten wenigſtens die alttiroliſch geſinnten Wirthe ſich feſt aneinander ſchließen, und ſie könnten die gemein- ſame Parole ausgeben: „Um keinen Preis eine religionsſeindliche Zeitung“. Das wäre neu erwachen- des Tirolerthum, den gottloſen Fremden müßte es imponiren, die chriſtlich geſinnten ſommerlichen Ein- wanderer würden aber um ſo lieber Tirol beſuchen und manchen Gaſthof betreten, den ſie bisher nie oder nur ungern zu ihrem Aufenthalte erwählten. Wer ſich aber auf die ſchlechte Preſſe durchaus capricirt, ſoll ſie ſelbſt beſtellen und ſelbſt halten, und chriſtliche Zeitungen gibt es heute im In- und Auslande nach reicher Auswahl. Möge unſere ernſte, aber auch beſt- gemeinte Klage in den Tirolerbergen kräftigen Wider- hall finden, möge Tirol in Tirol nicht verloren gehen durch religionsfeindliche Blätter und jüdiſchen Geſchäftsſinn. * Ein Schlaukopf. In einer oſtſchweizeriſchen Gemeinde wurde ein Bürger anläßlich der Steuer- reviſion etwas höher geſchraubt. Darüber ergrimmt, äußerte er ſich u. A. öffentlich: „D’ Hälfte vo de Gemeinderäth ſind Narre.“ Das ließ ſich natürlich die geſtrenge Obrigkeit nicht gefallen, ſtellte den Sünder zur Rede und verlangte, daß er die böſen Worte zurück- nehme. Er that es auch mit den Worten: „D’ Hälfte vo de Gemeinderöt ſind kei’ Narre.“ * Wetter. Vorwiegend heiter und trocken, Morgen- nebel, Nachts ſehr kühl. Kirche, Staat und Schule. — Aufruf. Das Werk des heil. Franciscus Regis für die Ehen der Armen wird von den Armen aller Nationen der Wienerſtadt ſo ſehr in Anſpruch genommen, daß bis zum heutigen Datum 3230 Correſpondenzen und nicht weniger als 720 recommandirte Sendungen nach Ungarn nöthig waren, um den Armen zur Eheſchließung und Legitimation ihrer Kinder zu helfen. Die Caſſe des Werkes iſt total erſchöpft. Hilfe iſt dringend nothwendig Möge dieſer Bittruf nicht überhört werden! Spenden übernimmt Herr Johan Leb, Caſſier, 1. Bez., Wollzeile 2 Wien, den 7. October 1897. Die Vorſtehung. P. S. Chriſtliche Blätter werden um Nachdruck gebeten.

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 233, Wien, 12.10.1897, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost233_1897/4>, abgerufen am 28.03.2024.