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Reichspost. Nr. 140, Wien, 21.06.1904.

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140 Wien, Dienstag Reichspost 21. Juni 1904

[Spaltenumbruch] In einigen Gemeinden des Aussiger Bezirkes sind
Beschlüsse gefaßt worden, durch welche die Unter-
sagung resp. Entfernung tschechischer Grabinschriften
auf den Friedhöfen verfügt wurde. Die Bezirks-
hauptmannschaft von Aussig hat, sobald sie von diesen
Beschlüssen Kenntnis erlangte, die Vollziehung der-
selben als den bestehenden Gesetzen zuwiderlaufend
untersagt.

Mähren.
Gegen die Schleppkleider.

Der Bezirksschulrat von Brünn hat dieser Tage
den Schulleitungen der ihm unterstehenden Mädchen-
schulen einen Erlaß zugesendet, in welchem es unter
anderem heißt: Es stehe der Behörde sonst wohl das
Recht, in Modesachen den Lehrpersonen Vorschriften
zu machen nicht zu, aber im Interesse der Schulhygiene
könne es der Bezirksschulrat nicht statthaft finden,
daß die Lehrerinnen in den Schulen Kleider mit
Schleppen tragen, da hiedurch die Staubentwicklung,
über die in den Schulen ohnedies soviel Klagen laut
werden, nur gefördert wird.

Der Mährisch-Schönberger Kapellen-
streit.

Die Gemeinde Mährisch-Schönberg hat im
Vorjahre den Altkatholiken die Barbara-Kapelle zur
Abhaltung ihres Rituals überlassen. Dagegen erhob
das katholische Pfarramt wiederholt Einspruch und
ließ seine Interessen von der Finanzprokuratur für
Mähren wahrnehmen. Vor dem Olmützer Kreis-
gerichte fand nun vorgestern die Verhandlung über die
Klage statt. Der Gerichtshof wies die Kage der
Finanzprokuratur ab mit der Begründung, daß die
Stiftung Barbara-Kirche nicht mehr existiere und des-
halb ein Kläger nicht vorhanden sei. Die Finanz-
prokuratur ist also bereits in drei Prozessen, welche
sie in Vertretung des katholischen Pfarramtes in
Mähr.-Schönberg respektive der Barbara-Kirche gegen
die Gemeinde Mähr.-Schönberg unternommen hat,
sachfällig geworden.

Ungarn.
Ein mysteriöses Verbrechen

wird uns aus Groß-Körös telegraphiert: Der
Gärtner Stefan Szikl gewahrte Samstag früh bei
seinem Erwachen, daß weder die Frau noch eines
der drei Kinder in der Stube waren. Entsetzt eilte
er in den Hof und fand die Brunnentüre offen. Als
er in den Brunnen schaute, erblickte er seine drei
Kinder als Leichen an der Oberfläche des Wassers
schwimmen. Von der Frau fehlte jede Spur. Erst
abends wurde sie in der Nachbargemeinde in einem
Graben bewußtlos aufgefunden. Sie konnt[e bi]sher
nicht verhört werden.

Leichenraub.

Man depeschiert uns aus Ka-
polnas:
Vor zwei Wochen starb hier der Wirt-
schaftsbeamte Dionys Ambrozovics. Aus der Ver-
lassenschaft war ein auf 20.000 Kronen lautendes
Sparkassebuch verschwunden. Bald darauf wurde das
Buch bei der Anstalt von einem gewissen Karl Barta
und dessen Frau gemeinsam präsentiert. Die einge-
leiteten Recherchen ergaben, da ihnen allein bekannt
war, daß sich das vermißte Sparkassebuch im Salon-
rock befand, mit welchem man den Toten bekleidet
hatte.

Zusammenstoß.

Aus Ofen-Pest wird
uns telegraphiert: Der Personenzug der Szent-Endreer
Vinzinalbahn fuhr infolge falscher Weichenstellung
heute vormittags auf das Schienengeleise der Staats-
bahn, wo mehrere Lastwagen standen. Es erfolgte
ein Zusammenstoß; die beiden Lokomotiven und sechs
Personenwagen wurden zertrümmert, ein Passagier
leicht verletzt.

Bienen als Verkehrshindernis.

Am
Samstag entstand in Ofen-Pest auf der Andrassy-
straße ein noch nie dagewesenes Verkehrshindernis.
Ein Bienenschwarm war dort eingedrungen und be-
helligte Passanten wie Fuhrwerke. Kein Kutscher,
der beiderseits daherkommenden Wagen wollte die
gefährliche Stelle passieren, wo die Bienen in Massen
schwärmten, daher entstand bald eine allgemeine
Stauung. Die Rosselenker wurden von den Passanten
obendrein noch verhöhnt. Ein Sicherheitsmann ver-
suchte nun den Bienen energisch auf den Leib zu
rücken und fuchtelte mit der blanken Waffe unter den
schwärmenden Bienen herum, um sie vom Platze zu
treiben. Wie vorauszusehen, warf sich nun der ganze
Schwarm auf das Auge des Gesetzes und jämmerlich
zerstochen mußte der Kühne das Feld räumen. Da
nahte endlich ein Straßenaufspritzer und richtete den
Schlauch gegen die erbitterten Bienen und das
Mittel half. Die Passage der Andrassystraße war
wieder frei.




Marianischer Pilgerzug.
Wien--Lourdes.


Gestern morgens fuhren wir von Lourdes
ab. Die Pilger sangen noch einige Lieder zu
Ehren der Gottesmutter. Mittags kamen wir
nach Toulouse, der Stadt, wo die Muttergottes
als Himmelskönigin dem hl. Antonius erschienen
sein soll. Leider konnten wir dem dortigen
Gotteshause keinen Besuch abstatten, sondern
konnten nur das Mittagessen rasch einnehmen.
Wir durchreisten nun jene Gegend, in welcher der
hl. Antonius seine große Wirksamkeit entfaltete.
In Carcassonne verspätete ein geistlicher Pilger
den Zug; als man es bemerkte, wurde der
Separatzug zum Stehen gebracht. Er hatte nun
[Spaltenumbruch] das Vergnügen, demselben nachzueilen und er-
reichte ihn atemlos. In Cette wurde zur Freude
aller wieder das Meer sichtbar. Es war gegen
Sonnenuntergang, was den Eindruck noch er-
höhte. Nach dem Abendessen begaben sich alle in
die Waggons zur Ruhe bis Lyon, wo die Morgen-
dämmerung sie aus dem Schlafe weckte.

Wir grüßten nochmals unsere liebe Frau
de la Fourviere in Liedern und Gebeten. Wir
durchreisten sodann eine landschaftlich reizend schöne
Gegend, bis der Zug in Paray le Monial um
7 Uhr früh anlangte. Hier begaben sich die Pilger
in die Quartiere, um sich zu erfrischen. Die
Waggons, die in Frankreich uns beigestellt wurden,
waren nämlich recht unbequem. Um 1/29 Uhr hielt
Herr Pfarrer Mechtler-Wien eine erhebende Pre-
digt über das heiligste Herz Jesu in jener Kapelle,
wo dasselbe sich der sel. Margarete Alacoque
geoffenbart hatte. Nach der hl. Messe, bei welcher
mit großer Begeisterung an dieser denkwürdigen
Stätte das Lied "Dem Herzen Jesu singe" und
das Bundeslied gesungen wurde, besichtigten die
Pilger den Sarkophag der Seligen in der Kapelle,
die schöne Basilika und das Städtchen. Der
Generalvikar von Moulins führte uns
in liebenswürdigster Weise in das sehr
interessante eucharistische Museum, sodann
zum Grabe des Beichtvaters der Seligen,
des P. Colombiere, dann weiter in einer schattigen
Platanenallee zur Kapelle de Bois, zeigte uns
dort den Haselnußstrauch, wo der Seligen der
Heiland erschienen war. Hierauf führte er uns
noch in den herrlichen Garten der Kapläne der
Basilika, wo ein neues Heiligtum zu Ehren des
heil. Herzens erbaut wird. Um 6 Uhr abends
predigte Herr Pfarrer Karl Burtscher. Beim Segen
wurde die Herz Jesu-Litanei gebetet, das Bundes-
lied und das Te Deum gesungen. Diese Andacht
wurde in der Basilika gehalten, da die Erschei-
nungskapelle recht klein ist. Am Morgen des
17. Juni hielt Herr Pfarrer Eisterer noch eine
kurze Ansprache in der Kapelle und die heilige
Messe, worauf wir uns von diesem lieblichen
Heiligtum trennen mußten. Um 7 Uhr führte
uns der Separatzug nach Zürich weiter.





Fräulein Maria Manhart aus Maissau,
N.-Oe., welche als Kranke den Pilgerzug mit-
machte -- sie war schon etliche Jahre krank --
starb in Lourdes am 14. Juni. Die Mutter be-
gleitete die Tochter, deren Wunsch es war, in
Lourdes zu sterben. Sie kam ganz wohl in
Lourdes an und starb ziemlich plötzlich. Der
Leichnam wird nach Maissau überführt. -- Um
12 Uhr nachts langte der Pilgerzug in Zürich
an. Es war ein äußerst heißer Tag, der
17. Juni. Heute fand in der Liebfrauenkirche
der Gottesdienst statt. Die Predigt hielt
Kooperator J. G. Bernhard aus Urfahr, die Pilger-
messe Dechant Grünert aus Böhm.-Zlatnik. Die
Pilger fuhren auf den Züricher See hinaus und
besichtigten die Sehenswürdigkeiten der schönen
Limatstadt. Abends 8 Uhr fuhren dieselben nach
Innsbruck ab, wo sich die geschlossene Heimreise
auflöste, nachdem in der Hofkirche der Dankgottes-
dienst stattgefunden hatte. Die meisten Pilger
kommen in Wien am 20. Juni 5 Uhr früh oder
3 Uhr 50 Minuten nachmittags an. Ein herz-
liches Vergelt's Gott dem rührigen Komitee und
dem trefflichen technischen Leiter Herrn Bolla für
die äußerst gelungene Pilgerfahrt!




Telegramme.
Automobilverkehr in Steiermark.

Der Statthalter hat eine
Verordnung erlassen, in welcher provisorisch die Be-
stimmungen bezüglich des Fahrens mit Automobil-
wagen und Motorrädern auf steirischen Straßen ge-
troffen sind.

Streik-Exzesse.

Gestern kam es hier
zwischen den streikenden und den arbeitswilligen
Bäckergehilfen zu einem Zusammenstoße, wobei
auch Schüsse gewechselt wurden. Zwei Personen
wurden verwundet, mehrere verhaftet.

Eine Folge der Vergiftungsaffäre.

Eine offizielle
Kundmachung verbietet die Einfuhr und den Ge-
brauch von Kakodylnatron und Zyankali. Das
Verbot ist auf den Vergiftungsplan des Schwieger-
sohnes des Sultans, Kemal Pascha, zurückzu-
führen.


[Spaltenumbruch]
Die Gesandtschaft des Sultans an
den Kaiser.

Heute um 7 Uhr 20 Minuten abends trifft
aus Konstantinopel mit der Staatsbahn die
besondere türkische Gesandtschaft hier ein, die Sultan
Abdul Hamid an den Kaiser entsendet, um ihm
den Orden Hanedani-Ali-Osman zu überreichen. Die
Deputation, die aus dem Chef des militärischen
Hofstaates des Sultans Marschall Schakir Pascha,
dem Divisionsgeneral erster Klasse Rahmi Pascha
und dem Adjutanten Major Nedjib Bay besteht,
wird im Michaelertrakt der Hofburg als Gäste des
Kaisers Absteigequartier nehmen. Der k. u. k. General-
major von Sprecher und Hauptmann von
Hranilovic sind der türkischen Spezialmission zu-
geteilt. Die Ueberreichung des Ordens an den Kaiser
erfolgt Dienstag den 21. d. M.




Die Balkan-Wirren.
Der Patriarch beim Großvezier.

Vorgestern hat der
ökumenische Patriarch persönliche Schritte beim Groß-
vezier wegen Vergewaltigung der griechischen Be-
völkerung Mazedoniens durch bulgarische Komitatschis
gemacht, wobei er auf die in der jüngsten Zeit im
Bezirke Florina verübten Mordtaten hinwies und
erklärte, daß das Patriarchat gezwungen werde, eine
diesbezügliche Denkschrift direkt dem Sultan zu
unterbreiten. Der Großvezier erwiderte, dies sei
nicht nötig, die Lage in Mazedonien beruhige sich
und er hoffe, daß die Ausschreitungen demnächst ihr
Ende finden werden. Bezüglich der kutzowalachischen
Frage erklärte der Großvezier, die Haltung des
Patriarchats bereite der Pforte Schwierigkeiten.

Der Patriarch antwortete, das Patriarchat könne die
kutzowalachische Bevölkerung, die seit Jahrhunderten
im Schoße der Mutterkirche verharre, nicht auslän-
dischen Organen ausliefern, welche mit Geldmitteln
politische Ziele verfolgen. Die Pforte bereite sich
selbst Schwierigkeiten durch die Unterstützung der
rumänischen Aspirationen. Das Patriarchat könne,
ohne den Kirchenkanon zu verletzen, nicht anders
handeln.

Eine kutzowalachische Kirche geschlossen.

Der Kaimakam
von Ochrida, Vilajet Monastir, hat infolge von
Streitigkeiten zwischen den Patriarchisten und den
nationalistischen Kutzowalachen die Weisung erteilt,
die kutzowalachische Kirche zu schließen.

Das griechisch-mazedonische Komitee.

[Meldung der Agence
Havas.] Das griechisch-mazedonische Komitee hat
sich heute konstituiert. In einer erlassenen Prokla-
mation erklärt das Komitee, daß es den in Maze-
donien lebenden Griechen Hilfe bringen werde, und
fügt hinzu, daß von nun an kein an einem Griechen
in Mazedonien verübter Mord ungerächt bleiben
werde.

Das armenische und mazedonische Komitee.

In maßgebenden diplomatischen Kreisen wird
erklärt, die letzten Meldungen über die Lage im
Sandschak Musch enthaltenen detaillierten Angaben
müssen erst durch die gemeinschaftlichen persönlichen
Erhebungen der dort befindlichen Konsuln Rußlands,
Englands und Frankreichs genau kontrolliert werden.
Die Darstellung der Ausschreitungen und der Situa-
tion werde erwiesenermaßen von armenischer und ar-
menophiler Seite vielfach übertrieben. Verschiedene
Anzeichen lassen auch vermuten, daß das arme-
nische Komitee mit dem mazedonischen
Komitee in Verbindung getreten
und
eine beiderseitige Aktion vielleicht vereinbart
worden sei. Von türkischer Seite werden
vertraulich gewisse Ausschreitungen zuge-
standen, wobei ausgeführt wird, daß dieselben durch
die revolutionäre Bewegung des armenischen Komitees
sowie durch vielfache Gräueltaten armenischer Banden
provoziert worden seien. Die hiedurch erbitterten
Kurden hätten sich nicht im Zaume halten lassen und
größere Revanche genommen. Infolge der neuerlichen
Vorstellungen dreier Botschafter scheinen in der letzten
Zeit die allerstrengsten Befehle ergangen zu sein und
scheinen derzeit Ruhe und Ordnung zu herrschen.

Das Jahresbudget für die Reform-
Gendarmerie.

Das Arrangement
zwischen dem Finanzministerium und der Ottomani-
schen Bank bezüglich des garantierten Jahresbudgets
von 250.000 Pfund für die mazedonische Reform-
Gendarmerie, welches den Einnahme- und Ausgabe-
dienst mit dieser Summe festsetzt, wurde erst gestern
definitiv unterzeichnet. Die Pforte hat sofort den
Botschaften der Entente-Mächte eine Abschrift des
sechs Artikel enthaltenden Arrangements zugeschickt.
Dasselbe wahrt der Eisenbahn die Vorrechte auf die
für die Kilometergarantien verpfändeten Zehente.




140 Wien, Dienstag Reichspoſt 21. Juni 1904

[Spaltenumbruch] In einigen Gemeinden des Auſſiger Bezirkes ſind
Beſchlüſſe gefaßt worden, durch welche die Unter-
ſagung reſp. Entfernung tſchechiſcher Grabinſchriften
auf den Friedhöfen verfügt wurde. Die Bezirks-
hauptmannſchaft von Auſſig hat, ſobald ſie von dieſen
Beſchlüſſen Kenntnis erlangte, die Vollziehung der-
ſelben als den beſtehenden Geſetzen zuwiderlaufend
unterſagt.

Mähren.
Gegen die Schleppkleider.

Der Bezirksſchulrat von Brünn hat dieſer Tage
den Schulleitungen der ihm unterſtehenden Mädchen-
ſchulen einen Erlaß zugeſendet, in welchem es unter
anderem heißt: Es ſtehe der Behörde ſonſt wohl das
Recht, in Modeſachen den Lehrperſonen Vorſchriften
zu machen nicht zu, aber im Intereſſe der Schulhygiene
könne es der Bezirksſchulrat nicht ſtatthaft finden,
daß die Lehrerinnen in den Schulen Kleider mit
Schleppen tragen, da hiedurch die Staubentwicklung,
über die in den Schulen ohnedies ſoviel Klagen laut
werden, nur gefördert wird.

Der Mähriſch-Schönberger Kapellen-
ſtreit.

Die Gemeinde Mähriſch-Schönberg hat im
Vorjahre den Altkatholiken die Barbara-Kapelle zur
Abhaltung ihres Rituals überlaſſen. Dagegen erhob
das katholiſche Pfarramt wiederholt Einſpruch und
ließ ſeine Intereſſen von der Finanzprokuratur für
Mähren wahrnehmen. Vor dem Olmützer Kreis-
gerichte fand nun vorgeſtern die Verhandlung über die
Klage ſtatt. Der Gerichtshof wies die Kage der
Finanzprokuratur ab mit der Begründung, daß die
Stiftung Barbara-Kirche nicht mehr exiſtiere und des-
halb ein Kläger nicht vorhanden ſei. Die Finanz-
prokuratur iſt alſo bereits in drei Prozeſſen, welche
ſie in Vertretung des katholiſchen Pfarramtes in
Mähr.-Schönberg reſpektive der Barbara-Kirche gegen
die Gemeinde Mähr.-Schönberg unternommen hat,
ſachfällig geworden.

Ungarn.
Ein myſteriöſes Verbrechen

wird uns aus Groß-Körös telegraphiert: Der
Gärtner Stefan Szikl gewahrte Samstag früh bei
ſeinem Erwachen, daß weder die Frau noch eines
der drei Kinder in der Stube waren. Entſetzt eilte
er in den Hof und fand die Brunnentüre offen. Als
er in den Brunnen ſchaute, erblickte er ſeine drei
Kinder als Leichen an der Oberfläche des Waſſers
ſchwimmen. Von der Frau fehlte jede Spur. Erſt
abends wurde ſie in der Nachbargemeinde in einem
Graben bewußtlos aufgefunden. Sie konnt[e bi]sher
nicht verhört werden.

Leichenraub.

Man depeſchiert uns aus Ka-
polnas:
Vor zwei Wochen ſtarb hier der Wirt-
ſchaftsbeamte Dionys Ambrozovics. Aus der Ver-
laſſenſchaft war ein auf 20.000 Kronen lautendes
Sparkaſſebuch verſchwunden. Bald darauf wurde das
Buch bei der Anſtalt von einem gewiſſen Karl Barta
und deſſen Frau gemeinſam präſentiert. Die einge-
leiteten Recherchen ergaben, da ihnen allein bekannt
war, daß ſich das vermißte Sparkaſſebuch im Salon-
rock befand, mit welchem man den Toten bekleidet
hatte.

Zuſammenſtoß.

Aus Ofen-Peſt wird
uns telegraphiert: Der Perſonenzug der Szent-Endreer
Vinzinalbahn fuhr infolge falſcher Weichenſtellung
heute vormittags auf das Schienengeleiſe der Staats-
bahn, wo mehrere Laſtwagen ſtanden. Es erfolgte
ein Zuſammenſtoß; die beiden Lokomotiven und ſechs
Perſonenwagen wurden zertrümmert, ein Paſſagier
leicht verletzt.

Bienen als Verkehrshindernis.

Am
Samstag entſtand in Ofen-Peſt auf der Andraſſy-
ſtraße ein noch nie dageweſenes Verkehrshindernis.
Ein Bienenſchwarm war dort eingedrungen und be-
helligte Paſſanten wie Fuhrwerke. Kein Kutſcher,
der beiderſeits daherkommenden Wagen wollte die
gefährliche Stelle paſſieren, wo die Bienen in Maſſen
ſchwärmten, daher entſtand bald eine allgemeine
Stauung. Die Roſſelenker wurden von den Paſſanten
obendrein noch verhöhnt. Ein Sicherheitsmann ver-
ſuchte nun den Bienen energiſch auf den Leib zu
rücken und fuchtelte mit der blanken Waffe unter den
ſchwärmenden Bienen herum, um ſie vom Platze zu
treiben. Wie vorauszuſehen, warf ſich nun der ganze
Schwarm auf das Auge des Geſetzes und jämmerlich
zerſtochen mußte der Kühne das Feld räumen. Da
nahte endlich ein Straßenaufſpritzer und richtete den
Schlauch gegen die erbitterten Bienen und das
Mittel half. Die Paſſage der Andraſſyſtraße war
wieder frei.




Marianiſcher Pilgerzug.
Wien—Lourdes.


Geſtern morgens fuhren wir von Lourdes
ab. Die Pilger ſangen noch einige Lieder zu
Ehren der Gottesmutter. Mittags kamen wir
nach Toulouſe, der Stadt, wo die Muttergottes
als Himmelskönigin dem hl. Antonius erſchienen
ſein ſoll. Leider konnten wir dem dortigen
Gotteshauſe keinen Beſuch abſtatten, ſondern
konnten nur das Mittageſſen raſch einnehmen.
Wir durchreiſten nun jene Gegend, in welcher der
hl. Antonius ſeine große Wirkſamkeit entfaltete.
In Carcaſſonne verſpätete ein geiſtlicher Pilger
den Zug; als man es bemerkte, wurde der
Separatzug zum Stehen gebracht. Er hatte nun
[Spaltenumbruch] das Vergnügen, demſelben nachzueilen und er-
reichte ihn atemlos. In Cette wurde zur Freude
aller wieder das Meer ſichtbar. Es war gegen
Sonnenuntergang, was den Eindruck noch er-
höhte. Nach dem Abendeſſen begaben ſich alle in
die Waggons zur Ruhe bis Lyon, wo die Morgen-
dämmerung ſie aus dem Schlafe weckte.

Wir grüßten nochmals unſere liebe Frau
de la Fourvière in Liedern und Gebeten. Wir
durchreiſten ſodann eine landſchaftlich reizend ſchöne
Gegend, bis der Zug in Paray le Monial um
7 Uhr früh anlangte. Hier begaben ſich die Pilger
in die Quartiere, um ſich zu erfriſchen. Die
Waggons, die in Frankreich uns beigeſtellt wurden,
waren nämlich recht unbequem. Um ½9 Uhr hielt
Herr Pfarrer Mechtler-Wien eine erhebende Pre-
digt über das heiligſte Herz Jeſu in jener Kapelle,
wo dasſelbe ſich der ſel. Margarete Alacoque
geoffenbart hatte. Nach der hl. Meſſe, bei welcher
mit großer Begeiſterung an dieſer denkwürdigen
Stätte das Lied „Dem Herzen Jeſu ſinge“ und
das Bundeslied geſungen wurde, beſichtigten die
Pilger den Sarkophag der Seligen in der Kapelle,
die ſchöne Baſilika und das Städtchen. Der
Generalvikar von Moulins führte uns
in liebenswürdigſter Weiſe in das ſehr
intereſſante euchariſtiſche Muſeum, ſodann
zum Grabe des Beichtvaters der Seligen,
des P. Colombière, dann weiter in einer ſchattigen
Platanenallee zur Kapelle de Bois, zeigte uns
dort den Haſelnußſtrauch, wo der Seligen der
Heiland erſchienen war. Hierauf führte er uns
noch in den herrlichen Garten der Kapläne der
Baſilika, wo ein neues Heiligtum zu Ehren des
heil. Herzens erbaut wird. Um 6 Uhr abends
predigte Herr Pfarrer Karl Burtſcher. Beim Segen
wurde die Herz Jeſu-Litanei gebetet, das Bundes-
lied und das Te Deum geſungen. Dieſe Andacht
wurde in der Baſilika gehalten, da die Erſchei-
nungskapelle recht klein iſt. Am Morgen des
17. Juni hielt Herr Pfarrer Eiſterer noch eine
kurze Anſprache in der Kapelle und die heilige
Meſſe, worauf wir uns von dieſem lieblichen
Heiligtum trennen mußten. Um 7 Uhr führte
uns der Separatzug nach Zürich weiter.





Fräulein Maria Manhart aus Maiſſau,
N.-Oe., welche als Kranke den Pilgerzug mit-
machte — ſie war ſchon etliche Jahre krank —
ſtarb in Lourdes am 14. Juni. Die Mutter be-
gleitete die Tochter, deren Wunſch es war, in
Lourdes zu ſterben. Sie kam ganz wohl in
Lourdes an und ſtarb ziemlich plötzlich. Der
Leichnam wird nach Maiſſau überführt. — Um
12 Uhr nachts langte der Pilgerzug in Zürich
an. Es war ein äußerſt heißer Tag, der
17. Juni. Heute fand in der Liebfrauenkirche
der Gottesdienſt ſtatt. Die Predigt hielt
Kooperator J. G. Bernhard aus Urfahr, die Pilger-
meſſe Dechant Grünert aus Böhm.-Zlatnik. Die
Pilger fuhren auf den Züricher See hinaus und
beſichtigten die Sehenswürdigkeiten der ſchönen
Limatſtadt. Abends 8 Uhr fuhren dieſelben nach
Innsbruck ab, wo ſich die geſchloſſene Heimreiſe
auflöſte, nachdem in der Hofkirche der Dankgottes-
dienſt ſtattgefunden hatte. Die meiſten Pilger
kommen in Wien am 20. Juni 5 Uhr früh oder
3 Uhr 50 Minuten nachmittags an. Ein herz-
liches Vergelt’s Gott dem rührigen Komitee und
dem trefflichen techniſchen Leiter Herrn Bolla für
die äußerſt gelungene Pilgerfahrt!




Telegramme.
Automobilverkehr in Steiermark.

Der Statthalter hat eine
Verordnung erlaſſen, in welcher proviſoriſch die Be-
ſtimmungen bezüglich des Fahrens mit Automobil-
wagen und Motorrädern auf ſteiriſchen Straßen ge-
troffen ſind.

Streik-Exzeſſe.

Geſtern kam es hier
zwiſchen den ſtreikenden und den arbeitswilligen
Bäckergehilfen zu einem Zuſammenſtoße, wobei
auch Schüſſe gewechſelt wurden. Zwei Perſonen
wurden verwundet, mehrere verhaftet.

Eine Folge der Vergiftungsaffäre.

Eine offizielle
Kundmachung verbietet die Einfuhr und den Ge-
brauch von Kakodylnatron und Zyankali. Das
Verbot iſt auf den Vergiftungsplan des Schwieger-
ſohnes des Sultans, Kemal Paſcha, zurückzu-
führen.


[Spaltenumbruch]
Die Geſandtſchaft des Sultans an
den Kaiſer.

Heute um 7 Uhr 20 Minuten abends trifft
aus Konſtantinopel mit der Staatsbahn die
beſondere türkiſche Geſandtſchaft hier ein, die Sultan
Abdul Hamid an den Kaiſer entſendet, um ihm
den Orden Hanedani-Ali-Osman zu überreichen. Die
Deputation, die aus dem Chef des militäriſchen
Hofſtaates des Sultans Marſchall Schakir Paſcha,
dem Diviſionsgeneral erſter Klaſſe Rahmi Paſcha
und dem Adjutanten Major Nedjib Bay beſteht,
wird im Michaelertrakt der Hofburg als Gäſte des
Kaiſers Abſteigequartier nehmen. Der k. u. k. General-
major von Sprecher und Hauptmann von
Hranilovic ſind der türkiſchen Spezialmiſſion zu-
geteilt. Die Ueberreichung des Ordens an den Kaiſer
erfolgt Dienstag den 21. d. M.




Die Balkan-Wirren.
Der Patriarch beim Großvezier.

Vorgeſtern hat der
ökumeniſche Patriarch perſönliche Schritte beim Groß-
vezier wegen Vergewaltigung der griechiſchen Be-
völkerung Mazedoniens durch bulgariſche Komitatſchis
gemacht, wobei er auf die in der jüngſten Zeit im
Bezirke Florina verübten Mordtaten hinwies und
erklärte, daß das Patriarchat gezwungen werde, eine
diesbezügliche Denkſchrift direkt dem Sultan zu
unterbreiten. Der Großvezier erwiderte, dies ſei
nicht nötig, die Lage in Mazedonien beruhige ſich
und er hoffe, daß die Ausſchreitungen demnächſt ihr
Ende finden werden. Bezüglich der kutzowalachiſchen
Frage erklärte der Großvezier, die Haltung des
Patriarchats bereite der Pforte Schwierigkeiten.

Der Patriarch antwortete, das Patriarchat könne die
kutzowalachiſche Bevölkerung, die ſeit Jahrhunderten
im Schoße der Mutterkirche verharre, nicht auslän-
diſchen Organen ausliefern, welche mit Geldmitteln
politiſche Ziele verfolgen. Die Pforte bereite ſich
ſelbſt Schwierigkeiten durch die Unterſtützung der
rumäniſchen Aſpirationen. Das Patriarchat könne,
ohne den Kirchenkanon zu verletzen, nicht anders
handeln.

Eine kutzowalachiſche Kirche geſchloſſen.

Der Kaimakam
von Ochrida, Vilajet Monaſtir, hat infolge von
Streitigkeiten zwiſchen den Patriarchiſten und den
nationaliſtiſchen Kutzowalachen die Weiſung erteilt,
die kutzowalachiſche Kirche zu ſchließen.

Das griechiſch-mazedoniſche Komitee.

[Meldung der Agence
Havas.] Das griechiſch-mazedoniſche Komitee hat
ſich heute konſtituiert. In einer erlaſſenen Prokla-
mation erklärt das Komitee, daß es den in Maze-
donien lebenden Griechen Hilfe bringen werde, und
fügt hinzu, daß von nun an kein an einem Griechen
in Mazedonien verübter Mord ungerächt bleiben
werde.

Das armeniſche und mazedoniſche Komitee.

In maßgebenden diplomatiſchen Kreiſen wird
erklärt, die letzten Meldungen über die Lage im
Sandſchak Muſch enthaltenen detaillierten Angaben
müſſen erſt durch die gemeinſchaftlichen perſönlichen
Erhebungen der dort befindlichen Konſuln Rußlands,
Englands und Frankreichs genau kontrolliert werden.
Die Darſtellung der Ausſchreitungen und der Situa-
tion werde erwieſenermaßen von armeniſcher und ar-
menophiler Seite vielfach übertrieben. Verſchiedene
Anzeichen laſſen auch vermuten, daß das arme-
niſche Komitee mit dem mazedoniſchen
Komitee in Verbindung getreten
und
eine beiderſeitige Aktion vielleicht vereinbart
worden ſei. Von türkiſcher Seite werden
vertraulich gewiſſe Ausſchreitungen zuge-
ſtanden, wobei ausgeführt wird, daß dieſelben durch
die revolutionäre Bewegung des armeniſchen Komitees
ſowie durch vielfache Gräueltaten armeniſcher Banden
provoziert worden ſeien. Die hiedurch erbitterten
Kurden hätten ſich nicht im Zaume halten laſſen und
größere Revanche genommen. Infolge der neuerlichen
Vorſtellungen dreier Botſchafter ſcheinen in der letzten
Zeit die allerſtrengſten Befehle ergangen zu ſein und
ſcheinen derzeit Ruhe und Ordnung zu herrſchen.

Das Jahresbudget für die Reform-
Gendarmerie.

Das Arrangement
zwiſchen dem Finanzminiſterium und der Ottomani-
ſchen Bank bezüglich des garantierten Jahresbudgets
von 250.000 Pfund für die mazedoniſche Reform-
Gendarmerie, welches den Einnahme- und Ausgabe-
dienſt mit dieſer Summe feſtſetzt, wurde erſt geſtern
definitiv unterzeichnet. Die Pforte hat ſofort den
Botſchaften der Entente-Mächte eine Abſchrift des
ſechs Artikel enthaltenden Arrangements zugeſchickt.
Dasſelbe wahrt der Eiſenbahn die Vorrechte auf die
für die Kilometergarantien verpfändeten Zehente.




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[5/0005] 140 Wien, Dienstag Reichspoſt 21. Juni 1904 In einigen Gemeinden des Auſſiger Bezirkes ſind Beſchlüſſe gefaßt worden, durch welche die Unter- ſagung reſp. Entfernung tſchechiſcher Grabinſchriften auf den Friedhöfen verfügt wurde. Die Bezirks- hauptmannſchaft von Auſſig hat, ſobald ſie von dieſen Beſchlüſſen Kenntnis erlangte, die Vollziehung der- ſelben als den beſtehenden Geſetzen zuwiderlaufend unterſagt. Mähren. Gegen die Schleppkleider. Der Bezirksſchulrat von Brünn hat dieſer Tage den Schulleitungen der ihm unterſtehenden Mädchen- ſchulen einen Erlaß zugeſendet, in welchem es unter anderem heißt: Es ſtehe der Behörde ſonſt wohl das Recht, in Modeſachen den Lehrperſonen Vorſchriften zu machen nicht zu, aber im Intereſſe der Schulhygiene könne es der Bezirksſchulrat nicht ſtatthaft finden, daß die Lehrerinnen in den Schulen Kleider mit Schleppen tragen, da hiedurch die Staubentwicklung, über die in den Schulen ohnedies ſoviel Klagen laut werden, nur gefördert wird. Der Mähriſch-Schönberger Kapellen- ſtreit. Die Gemeinde Mähriſch-Schönberg hat im Vorjahre den Altkatholiken die Barbara-Kapelle zur Abhaltung ihres Rituals überlaſſen. Dagegen erhob das katholiſche Pfarramt wiederholt Einſpruch und ließ ſeine Intereſſen von der Finanzprokuratur für Mähren wahrnehmen. Vor dem Olmützer Kreis- gerichte fand nun vorgeſtern die Verhandlung über die Klage ſtatt. Der Gerichtshof wies die Kage der Finanzprokuratur ab mit der Begründung, daß die Stiftung Barbara-Kirche nicht mehr exiſtiere und des- halb ein Kläger nicht vorhanden ſei. Die Finanz- prokuratur iſt alſo bereits in drei Prozeſſen, welche ſie in Vertretung des katholiſchen Pfarramtes in Mähr.-Schönberg reſpektive der Barbara-Kirche gegen die Gemeinde Mähr.-Schönberg unternommen hat, ſachfällig geworden. Ungarn. Ein myſteriöſes Verbrechen wird uns aus Groß-Körös telegraphiert: Der Gärtner Stefan Szikl gewahrte Samstag früh bei ſeinem Erwachen, daß weder die Frau noch eines der drei Kinder in der Stube waren. Entſetzt eilte er in den Hof und fand die Brunnentüre offen. Als er in den Brunnen ſchaute, erblickte er ſeine drei Kinder als Leichen an der Oberfläche des Waſſers ſchwimmen. Von der Frau fehlte jede Spur. Erſt abends wurde ſie in der Nachbargemeinde in einem Graben bewußtlos aufgefunden. Sie konnte bisher nicht verhört werden. Leichenraub. Man depeſchiert uns aus Ka- polnas: Vor zwei Wochen ſtarb hier der Wirt- ſchaftsbeamte Dionys Ambrozovics. Aus der Ver- laſſenſchaft war ein auf 20.000 Kronen lautendes Sparkaſſebuch verſchwunden. Bald darauf wurde das Buch bei der Anſtalt von einem gewiſſen Karl Barta und deſſen Frau gemeinſam präſentiert. Die einge- leiteten Recherchen ergaben, da ihnen allein bekannt war, daß ſich das vermißte Sparkaſſebuch im Salon- rock befand, mit welchem man den Toten bekleidet hatte. Zuſammenſtoß. Aus Ofen-Peſt wird uns telegraphiert: Der Perſonenzug der Szent-Endreer Vinzinalbahn fuhr infolge falſcher Weichenſtellung heute vormittags auf das Schienengeleiſe der Staats- bahn, wo mehrere Laſtwagen ſtanden. Es erfolgte ein Zuſammenſtoß; die beiden Lokomotiven und ſechs Perſonenwagen wurden zertrümmert, ein Paſſagier leicht verletzt. Bienen als Verkehrshindernis. Am Samstag entſtand in Ofen-Peſt auf der Andraſſy- ſtraße ein noch nie dageweſenes Verkehrshindernis. Ein Bienenſchwarm war dort eingedrungen und be- helligte Paſſanten wie Fuhrwerke. Kein Kutſcher, der beiderſeits daherkommenden Wagen wollte die gefährliche Stelle paſſieren, wo die Bienen in Maſſen ſchwärmten, daher entſtand bald eine allgemeine Stauung. Die Roſſelenker wurden von den Paſſanten obendrein noch verhöhnt. Ein Sicherheitsmann ver- ſuchte nun den Bienen energiſch auf den Leib zu rücken und fuchtelte mit der blanken Waffe unter den ſchwärmenden Bienen herum, um ſie vom Platze zu treiben. Wie vorauszuſehen, warf ſich nun der ganze Schwarm auf das Auge des Geſetzes und jämmerlich zerſtochen mußte der Kühne das Feld räumen. Da nahte endlich ein Straßenaufſpritzer und richtete den Schlauch gegen die erbitterten Bienen und das Mittel half. Die Paſſage der Andraſſyſtraße war wieder frei. Marianiſcher Pilgerzug. Wien—Lourdes. Paray le Monial, 16. Juni 1904. Geſtern morgens fuhren wir von Lourdes ab. Die Pilger ſangen noch einige Lieder zu Ehren der Gottesmutter. Mittags kamen wir nach Toulouſe, der Stadt, wo die Muttergottes als Himmelskönigin dem hl. Antonius erſchienen ſein ſoll. Leider konnten wir dem dortigen Gotteshauſe keinen Beſuch abſtatten, ſondern konnten nur das Mittageſſen raſch einnehmen. Wir durchreiſten nun jene Gegend, in welcher der hl. Antonius ſeine große Wirkſamkeit entfaltete. In Carcaſſonne verſpätete ein geiſtlicher Pilger den Zug; als man es bemerkte, wurde der Separatzug zum Stehen gebracht. Er hatte nun das Vergnügen, demſelben nachzueilen und er- reichte ihn atemlos. In Cette wurde zur Freude aller wieder das Meer ſichtbar. Es war gegen Sonnenuntergang, was den Eindruck noch er- höhte. Nach dem Abendeſſen begaben ſich alle in die Waggons zur Ruhe bis Lyon, wo die Morgen- dämmerung ſie aus dem Schlafe weckte. Wir grüßten nochmals unſere liebe Frau de la Fourvière in Liedern und Gebeten. Wir durchreiſten ſodann eine landſchaftlich reizend ſchöne Gegend, bis der Zug in Paray le Monial um 7 Uhr früh anlangte. Hier begaben ſich die Pilger in die Quartiere, um ſich zu erfriſchen. Die Waggons, die in Frankreich uns beigeſtellt wurden, waren nämlich recht unbequem. Um ½9 Uhr hielt Herr Pfarrer Mechtler-Wien eine erhebende Pre- digt über das heiligſte Herz Jeſu in jener Kapelle, wo dasſelbe ſich der ſel. Margarete Alacoque geoffenbart hatte. Nach der hl. Meſſe, bei welcher mit großer Begeiſterung an dieſer denkwürdigen Stätte das Lied „Dem Herzen Jeſu ſinge“ und das Bundeslied geſungen wurde, beſichtigten die Pilger den Sarkophag der Seligen in der Kapelle, die ſchöne Baſilika und das Städtchen. Der Generalvikar von Moulins führte uns in liebenswürdigſter Weiſe in das ſehr intereſſante euchariſtiſche Muſeum, ſodann zum Grabe des Beichtvaters der Seligen, des P. Colombière, dann weiter in einer ſchattigen Platanenallee zur Kapelle de Bois, zeigte uns dort den Haſelnußſtrauch, wo der Seligen der Heiland erſchienen war. Hierauf führte er uns noch in den herrlichen Garten der Kapläne der Baſilika, wo ein neues Heiligtum zu Ehren des heil. Herzens erbaut wird. Um 6 Uhr abends predigte Herr Pfarrer Karl Burtſcher. Beim Segen wurde die Herz Jeſu-Litanei gebetet, das Bundes- lied und das Te Deum geſungen. Dieſe Andacht wurde in der Baſilika gehalten, da die Erſchei- nungskapelle recht klein iſt. Am Morgen des 17. Juni hielt Herr Pfarrer Eiſterer noch eine kurze Anſprache in der Kapelle und die heilige Meſſe, worauf wir uns von dieſem lieblichen Heiligtum trennen mußten. Um 7 Uhr führte uns der Separatzug nach Zürich weiter. Zürich, 18. Juni. Fräulein Maria Manhart aus Maiſſau, N.-Oe., welche als Kranke den Pilgerzug mit- machte — ſie war ſchon etliche Jahre krank — ſtarb in Lourdes am 14. Juni. Die Mutter be- gleitete die Tochter, deren Wunſch es war, in Lourdes zu ſterben. Sie kam ganz wohl in Lourdes an und ſtarb ziemlich plötzlich. Der Leichnam wird nach Maiſſau überführt. — Um 12 Uhr nachts langte der Pilgerzug in Zürich an. Es war ein äußerſt heißer Tag, der 17. Juni. Heute fand in der Liebfrauenkirche der Gottesdienſt ſtatt. Die Predigt hielt Kooperator J. G. Bernhard aus Urfahr, die Pilger- meſſe Dechant Grünert aus Böhm.-Zlatnik. Die Pilger fuhren auf den Züricher See hinaus und beſichtigten die Sehenswürdigkeiten der ſchönen Limatſtadt. Abends 8 Uhr fuhren dieſelben nach Innsbruck ab, wo ſich die geſchloſſene Heimreiſe auflöſte, nachdem in der Hofkirche der Dankgottes- dienſt ſtattgefunden hatte. Die meiſten Pilger kommen in Wien am 20. Juni 5 Uhr früh oder 3 Uhr 50 Minuten nachmittags an. Ein herz- liches Vergelt’s Gott dem rührigen Komitee und dem trefflichen techniſchen Leiter Herrn Bolla für die äußerſt gelungene Pilgerfahrt! Telegramme. Automobilverkehr in Steiermark. Graz, 20. Juni. Der Statthalter hat eine Verordnung erlaſſen, in welcher proviſoriſch die Be- ſtimmungen bezüglich des Fahrens mit Automobil- wagen und Motorrädern auf ſteiriſchen Straßen ge- troffen ſind. Streik-Exzeſſe. Bilbao, 20. Juni. Geſtern kam es hier zwiſchen den ſtreikenden und den arbeitswilligen Bäckergehilfen zu einem Zuſammenſtoße, wobei auch Schüſſe gewechſelt wurden. Zwei Perſonen wurden verwundet, mehrere verhaftet. Eine Folge der Vergiftungsaffäre. Konſtantinopel, 19. Juni. Eine offizielle Kundmachung verbietet die Einfuhr und den Ge- brauch von Kakodylnatron und Zyankali. Das Verbot iſt auf den Vergiftungsplan des Schwieger- ſohnes des Sultans, Kemal Paſcha, zurückzu- führen. Die Geſandtſchaft des Sultans an den Kaiſer. Heute um 7 Uhr 20 Minuten abends trifft aus Konſtantinopel mit der Staatsbahn die beſondere türkiſche Geſandtſchaft hier ein, die Sultan Abdul Hamid an den Kaiſer entſendet, um ihm den Orden Hanedani-Ali-Osman zu überreichen. Die Deputation, die aus dem Chef des militäriſchen Hofſtaates des Sultans Marſchall Schakir Paſcha, dem Diviſionsgeneral erſter Klaſſe Rahmi Paſcha und dem Adjutanten Major Nedjib Bay beſteht, wird im Michaelertrakt der Hofburg als Gäſte des Kaiſers Abſteigequartier nehmen. Der k. u. k. General- major von Sprecher und Hauptmann von Hranilovic ſind der türkiſchen Spezialmiſſion zu- geteilt. Die Ueberreichung des Ordens an den Kaiſer erfolgt Dienstag den 21. d. M. Die Balkan-Wirren. Der Patriarch beim Großvezier. Konſtantinopel, 19. Juni. Vorgeſtern hat der ökumeniſche Patriarch perſönliche Schritte beim Groß- vezier wegen Vergewaltigung der griechiſchen Be- völkerung Mazedoniens durch bulgariſche Komitatſchis gemacht, wobei er auf die in der jüngſten Zeit im Bezirke Florina verübten Mordtaten hinwies und erklärte, daß das Patriarchat gezwungen werde, eine diesbezügliche Denkſchrift direkt dem Sultan zu unterbreiten. Der Großvezier erwiderte, dies ſei nicht nötig, die Lage in Mazedonien beruhige ſich und er hoffe, daß die Ausſchreitungen demnächſt ihr Ende finden werden. Bezüglich der kutzowalachiſchen Frage erklärte der Großvezier, die Haltung des Patriarchats bereite der Pforte Schwierigkeiten. Der Patriarch antwortete, das Patriarchat könne die kutzowalachiſche Bevölkerung, die ſeit Jahrhunderten im Schoße der Mutterkirche verharre, nicht auslän- diſchen Organen ausliefern, welche mit Geldmitteln politiſche Ziele verfolgen. Die Pforte bereite ſich ſelbſt Schwierigkeiten durch die Unterſtützung der rumäniſchen Aſpirationen. Das Patriarchat könne, ohne den Kirchenkanon zu verletzen, nicht anders handeln. Eine kutzowalachiſche Kirche geſchloſſen. Konſtantinopel, 19. Juni. Der Kaimakam von Ochrida, Vilajet Monaſtir, hat infolge von Streitigkeiten zwiſchen den Patriarchiſten und den nationaliſtiſchen Kutzowalachen die Weiſung erteilt, die kutzowalachiſche Kirche zu ſchließen. Das griechiſch-mazedoniſche Komitee. Athen, 19. Juni. [Meldung der Agence Havas.] Das griechiſch-mazedoniſche Komitee hat ſich heute konſtituiert. In einer erlaſſenen Prokla- mation erklärt das Komitee, daß es den in Maze- donien lebenden Griechen Hilfe bringen werde, und fügt hinzu, daß von nun an kein an einem Griechen in Mazedonien verübter Mord ungerächt bleiben werde. Das armeniſche und mazedoniſche Komitee. In maßgebenden diplomatiſchen Kreiſen wird erklärt, die letzten Meldungen über die Lage im Sandſchak Muſch enthaltenen detaillierten Angaben müſſen erſt durch die gemeinſchaftlichen perſönlichen Erhebungen der dort befindlichen Konſuln Rußlands, Englands und Frankreichs genau kontrolliert werden. Die Darſtellung der Ausſchreitungen und der Situa- tion werde erwieſenermaßen von armeniſcher und ar- menophiler Seite vielfach übertrieben. Verſchiedene Anzeichen laſſen auch vermuten, daß das arme- niſche Komitee mit dem mazedoniſchen Komitee in Verbindung getreten und eine beiderſeitige Aktion vielleicht vereinbart worden ſei. Von türkiſcher Seite werden vertraulich gewiſſe Ausſchreitungen zuge- ſtanden, wobei ausgeführt wird, daß dieſelben durch die revolutionäre Bewegung des armeniſchen Komitees ſowie durch vielfache Gräueltaten armeniſcher Banden provoziert worden ſeien. Die hiedurch erbitterten Kurden hätten ſich nicht im Zaume halten laſſen und größere Revanche genommen. Infolge der neuerlichen Vorſtellungen dreier Botſchafter ſcheinen in der letzten Zeit die allerſtrengſten Befehle ergangen zu ſein und ſcheinen derzeit Ruhe und Ordnung zu herrſchen. Das Jahresbudget für die Reform- Gendarmerie. Konſtantinopel, 19. Juni. Das Arrangement zwiſchen dem Finanzminiſterium und der Ottomani- ſchen Bank bezüglich des garantierten Jahresbudgets von 250.000 Pfund für die mazedoniſche Reform- Gendarmerie, welches den Einnahme- und Ausgabe- dienſt mit dieſer Summe feſtſetzt, wurde erſt geſtern definitiv unterzeichnet. Die Pforte hat ſofort den Botſchaften der Entente-Mächte eine Abſchrift des ſechs Artikel enthaltenden Arrangements zugeſchickt. Dasſelbe wahrt der Eiſenbahn die Vorrechte auf die für die Kilometergarantien verpfändeten Zehente.

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 140, Wien, 21.06.1904, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost140_1904/5>, abgerufen am 26.04.2024.