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Reichspost. Nr. 105, Wien, 08.05.1894.

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105 Wien, Dienstag Reichspost. 8. Mai 1894.

[Spaltenumbruch]

fesseln. Wenn Lehrlinge politische Versammlungen ab-
halten, dürfen wir nicht ruhig zusehen, wie die rothe
Internationale ein frevelhaftes Spiel treibt mit den
Interessen der ehrlich arbeitenden und
vernünftig denkenden Arbeiter.

Redner erörterte den Zweck des Vereines: die Ver-
besserung der geistigen und der materiellen Lage der
Arbeiterinnen und Arbeiter, besprach die Streiks, welche
geradezu muthwillig inscenirt wurden, wie der Gas-
arbeiter- und Tischlerstreik etc., und den Arbeitern zum
größten Schaden gereichen. Den Tischlergehilfen wurde
eine wöchentliche Unterstützung von 5 fl. versprochen
und jetzt erhielten die Verheiratheten für 14 Tage 1 fl.
50 kr., die Ledigen 1 fl. und noch weniger. Gegen
eine Epidemie, welche gewiß schon lange genug wüthet,
von welcher Millionen Menschen ergriffen sind, an der
jährlich Tausende elend zu Grunde gehen, gegen diese
Epidemie "Sociales Elend" genannt, geschieht in unserer
vorsorglichen Zeit so viel wie gar nichts. Diese be-
rührt freilich den Wohlhabenden nicht, deßhalb ist es
erklärlich, daß es mit der Desinficirung gegen dieses
Uebel nicht so eilig vorwärts geht. Wollen wir, daß
unsere Lage verbessert wird, so müssen wir uns Ver-
einen anschließen und unser Recht gemeinsam fordern.
(Lebhafter Beifall.) Der nächste Redner, Herr Schach-
huber, sprach dann über die Undurchführbarkeit des
Achtstundentages in allen Branchen. Der Achtstunden-
tag ist eine Utopie und sogar international undurch-
führbar. Nach Schluß der Versammlung folgte eine
gemüthliche Unterhaltung.




Sociale Rundschau.

Das unstreitig wichtigste sociale Ereigniß der letzten
Woche ist die socialdemokratische Maifeier, das
"Weltfest", wie es recht mundvoll von den gewissen
papiernen Vertretern der rothen Internationale genannt
wird. Und die Herren haben alle Ursache, den Mund
recht voll zu nehmen nach Art derjenigen Leute, welche
ihre Sache nur dann an den Mann bringen können,
wenn sie mit großem Wortschwall den unsoliden Zu-
stand der Waare verdecken. So ganz besonders heuer,
wo überall eine starke Abnahme der Theilnehmerzahl
constatirt werden mußte. In Wien hat wohl das un-
günstige Wetter die Praterfeier beeinträchtigt, anderer-
seits nahmen jedoch in Folge der großen Ausstände
viele Arbeiter an der Demonstration Theil, die sonst
wohl derselben ferngeblieben wären. Gerade die Zu-
nahme der Streiks, die in letzter Zeit alle für die
Arbeitnehmer unglücklich ausgefallen sind, drückten den
Feiernden den Stempel des Ernstes auf, sie sind es
auch, welche die wirklichen Arbeiter stutzig gemacht
haben. Das Mißtrauen gegen die -- wie heute ja
schon jeder weiß -- jüdische Leitung der Partei breitet
sich in socialdemokratischen Kreisen immer mehr aus,
zumal die Arbeiter jetzt wenigstens schon so weit sehend
geworden sind, daß sie anfangen, sich Gedanken darüber
zu machen, weshalb denn die Streiks, in welche sie
von ihren "Führern" hinein gehetzt werden, immer zu
Gunsten der großcapitalistischen Unternehmer ausfallen.
Die "Führer" merken, daß der Unwille gegen sie wächst,
um so mehr nehmen sie den Mund voll, um die Welt,
in erster Linie die Arbeiterwelt selbst glauben zu
machen, daß das gesammte Proletariat noch hinter
ihnen stehe. Das ist zum großen Theil Flunkerei, und
die seit 1890 immer flauer werdende Betheiligung an
der Maifeier -- von allgemeiner Arbeitseinstellung
war heuer nirgends mehr die Rede -- wird zu einem
Mittel der Demüthigung für die "Führer" und
Berufshetzer werden.

Von den allerorts wieder angezettelten Streiks
abgesehen, herrscht die größte Unruhe unter den Berg-
arbeitern.
In Nordamerika feiern Hundert-
tausende, um eine Lohnherabsetzung von 25 Percent
rückgängig zu machen; in Frankreich hat der
Landescongreß, auf dem 70.000 Bergarbeiter vertreten
waren, einen allgemeinen Ausstand beschlossen, falls
das Parlament nicht den Achtstundentag beschließen
sollte; in Oesterreich ist auf dem letzten social-
demokratischen Parteitag in Wien bei der Resolution
über den Massenausstand zur Ertrotzung des allge-
meinen Stimmrechts auf besonderes Betreiben der gut
organisirten böhmischen Bergleute ein Zusatzantrag be-
schlossen worden, der den Achtstundentag bei den
Bergarbeitern als heute bereits erreichbar hinstellt und
eine Action der gesammten social-demokratischen Partei
für diese Forderung als nothwendig bezeichnet, in
dem Reviere Mährisch-Ostrau, welches 23.000 Berg-
leute beschäftigt, hat der Ausstand zur Erlangung des
Achtstundentages bereits begonnen; die Bergleute
von England und Wales sind aufgebracht,
daß ihre drei Hauptforderungen vom Einigungsrath
abgelehnt wurden: Festsetzung eines Mindestlohnes,
sowie eines Mindestpreises beim Verkauf von Kohlen
und Einsicht in die Geschäftsbücher der Eigenthümer;
die belgischen Bergarbeiter haben sich be-
kanntlich für Einführung des Mindestlohnes, Ver-
staatlichung der Bergwerke und für internationale Ver-
einbarungen behufs Einschränkung der Kohlenförderung
zur Verhinderung der Ueberzeugung ausgesprochen. --
In den Hauptforderungen sind also die
Bergleute aller Länder einig, und der fünfte inter-
nationale Bergarbeitercongreß, dessen Programm wir
in der vorwöchentlichen Rundschau mitgetheilt haben,
wird diese Uebereinstimmung wahrscheinlich dadurch be-
weisen, daß er einen allgemeinen Ausstand zur Er-
[Spaltenumbruch] zwingung des Achtstundentages beschließt, wobei ihm
natürlich das Vorgehen der englischen Regierung in
dieser Frage sehr zu statten kommt.

Bezüglich des Boycott hat das oberste Gericht
des Staates Ohio erkannt, daß derselbe ungesetzlich
und strafbar sei. Das Gericht erklärte, daß Leute,
über welche ein Boycott verhängt worden ist, einen
Schadenersatz von denjenigen zu fordern berechtigt sind,
welche die Urheber und Unterstützcr des Boycotts sind.
Sogar die Vertheilung oder Aussendung von Circu-
laren an die Mitglieder von Unions oder andere
Leute, in welchen auf einen Boycott lediglich aufmerk-
sam gemacht wird -- und dies findet zweifel-
los auch auf die Presse Anwendung
--
ist nunmehr in Ohio eine strafbare Handlung, und der
einfache Beweis, daß durch solche Circulare oder auf
andere Weise Mittheilung von einem Boycott gegen
die Firma gemacht wurde, ist genügend, um den Leuten,
welche geschädigt werden sollten, einen Schadenersatz
zu sichern, wenn sie die am Boycott Betheiligten ge-
richtlich belangen.

Einen nicht unwichtigen socialpolitischen Gesetz-
entwurf hat das preußische Abgeordnetenhaus zu be-
rathen: das Rententionsrecht des Vermiethers.
Bisher hatte in Preußen der Vermiether das unbe-
schränkte Recht, für schuldigen Miethzins alle Sachen
des Miethers gewissermaßen als Pfand für den noch
schuldigen Zins zurückzuhalten. Der jetzt vorgelegte
Entwurf will das Rückbehaltungsrecht auf jene
Gegenstände beschränken, welche der Pfändung im
Schuldverfahren unterworfen sind; es dürfen daher die
nothwendigen Kleidungsstücke, das zur Ausübung des
Berufes dienende Handwerkszeug, studirten Männern
die Bibliothek, Aerzten die chirurgischen Werkzeuge
u. s. w. von den Vermiethern nicht mehr zurückbehalten
werden. Es ist der vorliegende Gesetzentwurf auf
Drängen von manchen Seiten eingebracht worden, und
es wurde stets darauf hingewiesen, daß das rücksichtslos
ausgeübte Retentionsrecht nicht nur in einem ungerechten
Verhältnisse zu den meistens durch wirthschaftliche Un-
glücksfälle bedingten Miethzinsschulden stehe, sondern
auch den Untergang zahlreicher kleinerer Existenzen
verursacht habe. Es ist leicht begreiflich, daß die Haus-
besitzer, die mit Steuern und Abgaben überall schwer
belastet sind, sich gegen diesen Gesetzentwurf auflehnen;
sie behaupten, daß sie jetzt ihre Risicoprämie und damit
den Preis kleinerer Wohnungen erhöhen mußten. nur
andererseits würde, wenn der Entwurf Gesetzeskraft
erlange, den ärmeren Leuten die "Befriedigung ihres
Wohnbedürfnisses" erschwert werden, d. h. die Haus-
besitzer wollen sich in Zukunft die "kleinen Miether"
fernhalten. Das wird ihnen für den Augenblick nicht
einmal als Drohung nützen, denn jedermann weiß,
daß die weitaus größte Anzahl der Miether zu den
"kleinen" gehört und daß das Leerstehen so vieler
Wohnungen die Hausherren jetzt schon zu Zugeständ-
nissen geneigt macht, und nicht nur in Preußen. Aber
angenommen, die Drohung der Hausbesitzer würde zur
That, so könnte aus diesem Gesetzentwurfe eine sociale
That ersprießen: es würde an die Gemeinden die
Pflicht herantreten, selbst für Wohnungen zu sorgen,
also selbst Communalwohnhäuser für die wenig bemit-
telte Klasse zu bauen, wobei uns jener mancherorts
verwirklichte Plan vorschwebt, billige klei[n]e Häuser zu
bauen, die allmählich in den Besitz der Miether, in
diesem Falle meistens der Arbeiter übergingen. Die
sociale Wichtigkeit solcher Bauten liegt für jeden offen,
der die Macht eigenen Besitzes kennen gelernt hat.




Gemeindezeitung.

Die gestrige öffentliche Sitzung des Gemeinde-
rathes verlief in ziemlich eintöniger Weise und die
Straßensäuberungsangelegenheit kam trotz des Gemeinde-
rathsbeschlusses vom 27. April, daß binnen acht Tagen
zu referiren sei, einfach nicht zur Berathung, weil 92
Gemeinderäthe anwesend waren und man dies zur Er-
ledigung von Geschäftsstücken mit qualificirter Majorität
benützte. Es wurde eine Reihe von kleineren Grund-
transactionen, unter anderem auch die anläßlich der
Alsbacheinwölbung ohne wesentliche Debatte genehmigt.
GR. Eigner interpellirte wegen der Vornahme der
Arbeiten bei der Einwölbung des Alsbaches und
GR. Maresch wegen Verzögerungen in der Abhal-
tung von Commiffionen für Wasserleitungsarbeiten in
den Häusern. Die öffentliche Sitzung schloß bereits um
[U+00BE]7 Uhr und nun begann die vertrauliche Sitzung.

Billige Gründe am Stefansplatz.

Jacob Rothberger, der von Herrschaften
abgelegte -- Kleider so gut zu verwerthen weiß, daß
er sich ein Haus nach dem anderen kaufen und bauen
kann, erbaut am Stefansplatz an Stelle des ange-
kauften Arthaberhauses ein neues Zinshaus, um so
dem alten "Steffel" seine alten Tage durch eine mög-
lichst christenreine Umgebung zu verschönern.
Die Baulinienbestimmung machte nun die Abtrennung
einer Grundfläche von 44·4 Quadratmeter an die Ge-
meinde nothwendig, wogegen Rothberger von dieser
eine Fläche von 134·27 Quadratmeter erwarb. Diese
letztere Fläche hat nach der Ansicht Unbefangener einigen
Werth, denn sie bildet die Ecke der Goldschmied-
gasse und des Stefansplatzes,
überdies ge-
winnt durch den Ankauf dieses bisherigen Straßen-
grundes auch die frühere Baustelle, welche winkelig
und schwerer zu verwerthen war, eine regelmäßige Form
[Spaltenumbruch] und eine Verlängerung der Front am S[te]fansplatz
um 7·27 Meter. Es fand auch eine administrative
Schätzung durch die Sachverständigen Neumeister und
Luttke statt, welche ergab, daß Rothberger bei jener
Grundtransaction noch den Betrag von 60.421 fl. 50 kr.
an die Gemeinde herauszubezahlen gehabt hätte. Roth-
berger wollte die Sache billiger, so billig, daß die an-
ständigen Leute in Wien, und es soll deren noch welche
geben, die Hände über dem Kopfe zusammenschlagen
-- vielleicht besser, sie schlügen sie wo anders hin.

Ex präsidio.

Um ungehindert den Bau beginnen zu können, er-
legte Rothberger nach Ablehnung des Schätzungsergeb-
nisses 136.000 Kronen Rente und suchte beim Landes-
gerichte den Beweis zum ewigen Gedächtnisse an und
erhielt überraschenderweise die zustimmende Erledigung
mit dem Bescheide vom 5. Mai 1893 Z. 37480, worin
zugleich die Tagfahrt für die Namhaftmachung der Sach-
verständigen auf den 18. Mai 1893 anberaumt wurde.
Dieser Bescheid wurde der Gemeinde am 13. Mai zu-
gestellt und vom Präsidium directe an den
Stadtanwalt
Dr. Schmidt geleitet, ohne
daß der Stadtrath oder das für diese An-
gelegenheit bestimmte Comite davon nur
Kenntniß erhielt.
Der Stadtanwalt wurde zu-
gleich angewiesen, einen Sachverständigen in der Per-
son des Gustav Schlierholz namhaft zu machen,
alles ex präsidio; der Schätzmann für Rothberger war
Johann Schieder. Die Anfangs Juni durchgeführte
Schätzung ergab das verblüffende Resultat
daß Rothberger
-- 428 fl. 22 kr. an die Ge-
meinde für beinahe
90 Quadratmeter Bau-
grund am Stephansplatz
zu bezahlen hätte.
Man höre und staune, am Stephansplatz, wo
tausende von Gulden jährlicher Miethe
für eine Gewölbsöffnung bezahlt werden,
soll die Gemeinde für einen Quadrat-
meter
Baugrund an der Straßenseite 4 fl.
61 kr. erhalten!
Das betreffende Haus,
zu dem aber
auch der Hof mit rückwärts ein-
gekeilten Tracten
gehörte, hat Rothberger
um
560.000 fl. zum Abbruche gekauft, es be-
trug daher der
durchschnittliche Preis per
Quadratmeter 1000 fl.!

Es gibt noch "Richter" in Wien.

Auf Grund von gepflogenen Ausgleichsverhand-
lungen erklärte sich Rothberger endlich bereit 23.653 fl.
zu bezahlen, welchen Ausgleich in der gestrigen
vertraulichen Sitzung Stadtrath Billing
als Referent zur Annahme empfahl. Vertraulich
wollte man solche Dinge behandeln und vielleicht in
gewisser Beziehung mit Recht, denn es mag da
manche Punkte geben, die gar sehr
das Licht zu scheuen hatten.
Gemeinderath
Steiner beantragte daher vor Beginn der Be-
rathung die Angelegenheit in öffentlicher
Sitzung
zu behandeln. Die Mehrheit lehnte
dies unter den lauten und stürmischen Kundgebungen
der Entrüstung seitens der Opposition ab. Auch der
Anregung Dr Luegers, zu constatiren, ob 92 Ge-
meinderäthe im Sinne der Bestimmungen des Statutes
für Grundverkäufe anwesend seien, wurde nicht statt-
gegeben. In der Debatte vermochte selbst der liberale
GR. Haßfurther seiner -- Verwunderung über
einen solchen unerhörten Vorgang nicht hinreichend
Worte zu geben, worauf Dr. Lueger neuerdings
auf Behandlung in öffentlicher Sitzung dringt, damit
daß Volk wisse, wie man die Gemeinde behandelt.
Unerhört sei es, daß der Bescheid des Landesgerichtes
dem Stadtrathe nicht zur Vorberathung zugewiesen
wurde, und nicht weniger unerhört, daß auch die be-
treffende Eingabe nicht diesem, sondern nur dem Re-
ferenten vorgelegt wurde. Geradezu empörend sei das
Gutachten der Sachverständigen, deren einen die Ge-
meinde namhaft gemacht habe, und noch bedauerlicher
sei die Behandlung der Angelegenheit in vertraulicher
Sitzung, doch werde die Sache in allen
Versammlungen besprochen werden, damit die
öffentliche Moral Richter in dieser
Sache werde.
GR. Jedliczka schließt sich
den Ausführungen Dr. Luegers in kräftigen ver-
nichtenden Worten an. Sehr interessant war die
Rede des Vicebürgermeister gebliebenen Dr. Richter,
der für den Ausgleichsantrag sprach, obwohl er das
Verblüffende des Sachverständigenbefundes zugab. Auf
die Frage Dr. Lueger's, wer denn eigentlich von
den damals das Präsidium bildenden drei Personen,
Prix, Richter und Grübl jene ex präsidio Amts-
handlung mit Umgehung der berufenen Körperschaften
zu verantworten habe, darauf gab Richter keine
Antwort. Bei der sprichwörtlichen Genauigkeit Richter's
in Gewissenssachen sind wir fest überzeugt, daß er nur
den Namen eines seiner beiden Collegen zu ver-
schweigen hatte, denn sich selbst hätte er offen und
wahr gewiß genannt. Ja, es gibt noch "Richter" in
Wi[e]n!

Doch noch öffentlich.

Die Ausführungen der Oppositionsredner hatten
schließlich selbst bei einem Theile der Liberalen die
Ueberzeugung wach gerufen, daß solche Dinge nicht
bei verschlossenen Thüren behandelt werden dürfen,
und der Antrag auf Berathung der Angelegenheit in
öffentlicher Sitzung, welchen GR. Bärtl nochmals
stellte, wurde nunmehr angenommen. Unter der Mi-
norität, welche gegen die Oeffentlichkeit

105 Wien, Dienſtag Reichspoſt. 8. Mai 1894.

[Spaltenumbruch]

feſſeln. Wenn Lehrlinge politiſche Verſammlungen ab-
halten, dürfen wir nicht ruhig zuſehen, wie die rothe
Internationale ein frevelhaftes Spiel treibt mit den
Intereſſen der ehrlich arbeitenden und
vernünftig denkenden Arbeiter.

Redner erörterte den Zweck des Vereines: die Ver-
beſſerung der geiſtigen und der materiellen Lage der
Arbeiterinnen und Arbeiter, beſprach die Streiks, welche
geradezu muthwillig inſcenirt wurden, wie der Gas-
arbeiter- und Tiſchlerſtreik ꝛc., und den Arbeitern zum
größten Schaden gereichen. Den Tiſchlergehilfen wurde
eine wöchentliche Unterſtützung von 5 fl. verſprochen
und jetzt erhielten die Verheiratheten für 14 Tage 1 fl.
50 kr., die Ledigen 1 fl. und noch weniger. Gegen
eine Epidemie, welche gewiß ſchon lange genug wüthet,
von welcher Millionen Menſchen ergriffen ſind, an der
jährlich Tauſende elend zu Grunde gehen, gegen dieſe
Epidemie „Sociales Elend“ genannt, geſchieht in unſerer
vorſorglichen Zeit ſo viel wie gar nichts. Dieſe be-
rührt freilich den Wohlhabenden nicht, deßhalb iſt es
erklärlich, daß es mit der Desinficirung gegen dieſes
Uebel nicht ſo eilig vorwärts geht. Wollen wir, daß
unſere Lage verbeſſert wird, ſo müſſen wir uns Ver-
einen anſchließen und unſer Recht gemeinſam fordern.
(Lebhafter Beifall.) Der nächſte Redner, Herr Schach-
huber, ſprach dann über die Undurchführbarkeit des
Achtſtundentages in allen Branchen. Der Achtſtunden-
tag iſt eine Utopie und ſogar international undurch-
führbar. Nach Schluß der Verſammlung folgte eine
gemüthliche Unterhaltung.




Sociale Rundſchau.

Das unſtreitig wichtigſte ſociale Ereigniß der letzten
Woche iſt die ſocialdemokratiſche Maifeier, das
„Weltfeſt“, wie es recht mundvoll von den gewiſſen
papiernen Vertretern der rothen Internationale genannt
wird. Und die Herren haben alle Urſache, den Mund
recht voll zu nehmen nach Art derjenigen Leute, welche
ihre Sache nur dann an den Mann bringen können,
wenn ſie mit großem Wortſchwall den unſoliden Zu-
ſtand der Waare verdecken. So ganz beſonders heuer,
wo überall eine ſtarke Abnahme der Theilnehmerzahl
conſtatirt werden mußte. In Wien hat wohl das un-
günſtige Wetter die Praterfeier beeinträchtigt, anderer-
ſeits nahmen jedoch in Folge der großen Ausſtände
viele Arbeiter an der Demonſtration Theil, die ſonſt
wohl derſelben ferngeblieben wären. Gerade die Zu-
nahme der Streiks, die in letzter Zeit alle für die
Arbeitnehmer unglücklich ausgefallen ſind, drückten den
Feiernden den Stempel des Ernſtes auf, ſie ſind es
auch, welche die wirklichen Arbeiter ſtutzig gemacht
haben. Das Mißtrauen gegen die — wie heute ja
ſchon jeder weiß — jüdiſche Leitung der Partei breitet
ſich in ſocialdemokratiſchen Kreiſen immer mehr aus,
zumal die Arbeiter jetzt wenigſtens ſchon ſo weit ſehend
geworden ſind, daß ſie anfangen, ſich Gedanken darüber
zu machen, weshalb denn die Streiks, in welche ſie
von ihren „Führern“ hinein gehetzt werden, immer zu
Gunſten der großcapitaliſtiſchen Unternehmer ausfallen.
Die „Führer“ merken, daß der Unwille gegen ſie wächſt,
um ſo mehr nehmen ſie den Mund voll, um die Welt,
in erſter Linie die Arbeiterwelt ſelbſt glauben zu
machen, daß das geſammte Proletariat noch hinter
ihnen ſtehe. Das iſt zum großen Theil Flunkerei, und
die ſeit 1890 immer flauer werdende Betheiligung an
der Maifeier — von allgemeiner Arbeitseinſtellung
war heuer nirgends mehr die Rede — wird zu einem
Mittel der Demüthigung für die „Führer“ und
Berufshetzer werden.

Von den allerorts wieder angezettelten Streiks
abgeſehen, herrſcht die größte Unruhe unter den Berg-
arbeitern.
In Nordamerika feiern Hundert-
tauſende, um eine Lohnherabſetzung von 25 Percent
rückgängig zu machen; in Frankreich hat der
Landescongreß, auf dem 70.000 Bergarbeiter vertreten
waren, einen allgemeinen Ausſtand beſchloſſen, falls
das Parlament nicht den Achtſtundentag beſchließen
ſollte; in Oeſterreich iſt auf dem letzten ſocial-
demokratiſchen Parteitag in Wien bei der Reſolution
über den Maſſenausſtand zur Ertrotzung des allge-
meinen Stimmrechts auf beſonderes Betreiben der gut
organiſirten böhmiſchen Bergleute ein Zuſatzantrag be-
ſchloſſen worden, der den Achtſtundentag bei den
Bergarbeitern als heute bereits erreichbar hinſtellt und
eine Action der geſammten ſocial-demokratiſchen Partei
für dieſe Forderung als nothwendig bezeichnet, in
dem Reviere Mähriſch-Oſtrau, welches 23.000 Berg-
leute beſchäftigt, hat der Ausſtand zur Erlangung des
Achtſtundentages bereits begonnen; die Bergleute
von England und Wales ſind aufgebracht,
daß ihre drei Hauptforderungen vom Einigungsrath
abgelehnt wurden: Feſtſetzung eines Mindeſtlohnes,
ſowie eines Mindeſtpreiſes beim Verkauf von Kohlen
und Einſicht in die Geſchäftsbücher der Eigenthümer;
die belgiſchen Bergarbeiter haben ſich be-
kanntlich für Einführung des Mindeſtlohnes, Ver-
ſtaatlichung der Bergwerke und für internationale Ver-
einbarungen behufs Einſchränkung der Kohlenförderung
zur Verhinderung der Ueberzeugung ausgeſprochen. —
In den Hauptforderungen ſind alſo die
Bergleute aller Länder einig, und der fünfte inter-
nationale Bergarbeitercongreß, deſſen Programm wir
in der vorwöchentlichen Rundſchau mitgetheilt haben,
wird dieſe Uebereinſtimmung wahrſcheinlich dadurch be-
weiſen, daß er einen allgemeinen Ausſtand zur Er-
[Spaltenumbruch] zwingung des Achtſtundentages beſchließt, wobei ihm
natürlich das Vorgehen der engliſchen Regierung in
dieſer Frage ſehr zu ſtatten kommt.

Bezüglich des Boycott hat das oberſte Gericht
des Staates Ohio erkannt, daß derſelbe ungeſetzlich
und ſtrafbar ſei. Das Gericht erklärte, daß Leute,
über welche ein Boycott verhängt worden iſt, einen
Schadenerſatz von denjenigen zu fordern berechtigt ſind,
welche die Urheber und Unterſtützcr des Boycotts ſind.
Sogar die Vertheilung oder Ausſendung von Circu-
laren an die Mitglieder von Unions oder andere
Leute, in welchen auf einen Boycott lediglich aufmerk-
ſam gemacht wird — und dies findet zweifel-
los auch auf die Preſſe Anwendung

iſt nunmehr in Ohio eine ſtrafbare Handlung, und der
einfache Beweis, daß durch ſolche Circulare oder auf
andere Weiſe Mittheilung von einem Boycott gegen
die Firma gemacht wurde, iſt genügend, um den Leuten,
welche geſchädigt werden ſollten, einen Schadenerſatz
zu ſichern, wenn ſie die am Boycott Betheiligten ge-
richtlich belangen.

Einen nicht unwichtigen ſocialpolitiſchen Geſetz-
entwurf hat das preußiſche Abgeordnetenhaus zu be-
rathen: das Rententionsrecht des Vermiethers.
Bisher hatte in Preußen der Vermiether das unbe-
ſchränkte Recht, für ſchuldigen Miethzins alle Sachen
des Miethers gewiſſermaßen als Pfand für den noch
ſchuldigen Zins zurückzuhalten. Der jetzt vorgelegte
Entwurf will das Rückbehaltungsrecht auf jene
Gegenſtände beſchränken, welche der Pfändung im
Schuldverfahren unterworfen ſind; es dürfen daher die
nothwendigen Kleidungsſtücke, das zur Ausübung des
Berufes dienende Handwerkszeug, ſtudirten Männern
die Bibliothek, Aerzten die chirurgiſchen Werkzeuge
u. ſ. w. von den Vermiethern nicht mehr zurückbehalten
werden. Es iſt der vorliegende Geſetzentwurf auf
Drängen von manchen Seiten eingebracht worden, und
es wurde ſtets darauf hingewieſen, daß das rückſichtslos
ausgeübte Retentionsrecht nicht nur in einem ungerechten
Verhältniſſe zu den meiſtens durch wirthſchaftliche Un-
glücksfälle bedingten Miethzinsſchulden ſtehe, ſondern
auch den Untergang zahlreicher kleinerer Exiſtenzen
verurſacht habe. Es iſt leicht begreiflich, daß die Haus-
beſitzer, die mit Steuern und Abgaben überall ſchwer
belaſtet ſind, ſich gegen dieſen Geſetzentwurf auflehnen;
ſie behaupten, daß ſie jetzt ihre Riſicoprämie und damit
den Preis kleinerer Wohnungen erhöhen mußten. nur
andererſeits würde, wenn der Entwurf Geſetzeskraft
erlange, den ärmeren Leuten die „Befriedigung ihres
Wohnbedürfniſſes“ erſchwert werden, d. h. die Haus-
beſitzer wollen ſich in Zukunft die „kleinen Miether“
fernhalten. Das wird ihnen für den Augenblick nicht
einmal als Drohung nützen, denn jedermann weiß,
daß die weitaus größte Anzahl der Miether zu den
„kleinen“ gehört und daß das Leerſtehen ſo vieler
Wohnungen die Hausherren jetzt ſchon zu Zugeſtänd-
niſſen geneigt macht, und nicht nur in Preußen. Aber
angenommen, die Drohung der Hausbeſitzer würde zur
That, ſo könnte aus dieſem Geſetzentwurfe eine ſociale
That erſprießen: es würde an die Gemeinden die
Pflicht herantreten, ſelbſt für Wohnungen zu ſorgen,
alſo ſelbſt Communalwohnhäuſer für die wenig bemit-
telte Klaſſe zu bauen, wobei uns jener mancherorts
verwirklichte Plan vorſchwebt, billige klei[n]e Häuſer zu
bauen, die allmählich in den Beſitz der Miether, in
dieſem Falle meiſtens der Arbeiter übergingen. Die
ſociale Wichtigkeit ſolcher Bauten liegt für jeden offen,
der die Macht eigenen Beſitzes kennen gelernt hat.




Gemeindezeitung.

Die geſtrige öffentliche Sitzung des Gemeinde-
rathes verlief in ziemlich eintöniger Weiſe und die
Straßenſäuberungsangelegenheit kam trotz des Gemeinde-
rathsbeſchluſſes vom 27. April, daß binnen acht Tagen
zu referiren ſei, einfach nicht zur Berathung, weil 92
Gemeinderäthe anweſend waren und man dies zur Er-
ledigung von Geſchäftsſtücken mit qualificirter Majorität
benützte. Es wurde eine Reihe von kleineren Grund-
transactionen, unter anderem auch die anläßlich der
Alsbacheinwölbung ohne weſentliche Debatte genehmigt.
GR. Eigner interpellirte wegen der Vornahme der
Arbeiten bei der Einwölbung des Alsbaches und
GR. Mareſch wegen Verzögerungen in der Abhal-
tung von Commiffionen für Waſſerleitungsarbeiten in
den Häuſern. Die öffentliche Sitzung ſchloß bereits um
[U+00BE]7 Uhr und nun begann die vertrauliche Sitzung.

Billige Gründe am Stefansplatz.

Jacob Rothberger, der von Herrſchaften
abgelegte — Kleider ſo gut zu verwerthen weiß, daß
er ſich ein Haus nach dem anderen kaufen und bauen
kann, erbaut am Stefansplatz an Stelle des ange-
kauften Arthaberhauſes ein neues Zinshaus, um ſo
dem alten „Steffel“ ſeine alten Tage durch eine mög-
lichſt chriſtenreine Umgebung zu verſchönern.
Die Baulinienbeſtimmung machte nun die Abtrennung
einer Grundfläche von 44·4 Quadratmeter an die Ge-
meinde nothwendig, wogegen Rothberger von dieſer
eine Fläche von 134·27 Quadratmeter erwarb. Dieſe
letztere Fläche hat nach der Anſicht Unbefangener einigen
Werth, denn ſie bildet die Ecke der Goldſchmied-
gaſſe und des Stefansplatzes,
überdies ge-
winnt durch den Ankauf dieſes bisherigen Straßen-
grundes auch die frühere Bauſtelle, welche winkelig
und ſchwerer zu verwerthen war, eine regelmäßige Form
[Spaltenumbruch] und eine Verlängerung der Front am S[te]fansplatz
um 7·27 Meter. Es fand auch eine adminiſtrative
Schätzung durch die Sachverſtändigen Neumeiſter und
Luttke ſtatt, welche ergab, daß Rothberger bei jener
Grundtransaction noch den Betrag von 60.421 fl. 50 kr.
an die Gemeinde herauszubezahlen gehabt hätte. Roth-
berger wollte die Sache billiger, ſo billig, daß die an-
ſtändigen Leute in Wien, und es ſoll deren noch welche
geben, die Hände über dem Kopfe zuſammenſchlagen
— vielleicht beſſer, ſie ſchlügen ſie wo anders hin.

Ex präsidio.

Um ungehindert den Bau beginnen zu können, er-
legte Rothberger nach Ablehnung des Schätzungsergeb-
niſſes 136.000 Kronen Rente und ſuchte beim Landes-
gerichte den Beweis zum ewigen Gedächtniſſe an und
erhielt überraſchenderweiſe die zuſtimmende Erledigung
mit dem Beſcheide vom 5. Mai 1893 Z. 37480, worin
zugleich die Tagfahrt für die Namhaftmachung der Sach-
verſtändigen auf den 18. Mai 1893 anberaumt wurde.
Dieſer Beſcheid wurde der Gemeinde am 13. Mai zu-
geſtellt und vom Präſidium directe an den
Stadtanwalt
Dr. Schmidt geleitet, ohne
daß der Stadtrath oder das für dieſe An-
gelegenheit beſtimmte Comité davon nur
Kenntniß erhielt.
Der Stadtanwalt wurde zu-
gleich angewieſen, einen Sachverſtändigen in der Per-
ſon des Guſtav Schlierholz namhaft zu machen,
alles ex präsidio; der Schätzmann für Rothberger war
Johann Schieder. Die Anfangs Juni durchgeführte
Schätzung ergab das verblüffende Reſultat
daß Rothberger
— 428 fl. 22 kr. an die Ge-
meinde für beinahe
90 Quadratmeter Bau-
grund am Stephansplatz
zu bezahlen hätte.
Man höre und ſtaune, am Stephansplatz, wo
tauſende von Gulden jährlicher Miethe
für eine Gewölbsöffnung bezahlt werden,
ſoll die Gemeinde für einen Quadrat-
meter
Baugrund an der Straßenſeite 4 fl.
61 kr. erhalten!
Das betreffende Haus,
zu dem aber
auch der Hof mit rückwärts ein-
gekeilten Tracten
gehörte, hat Rothberger
um
560.000 fl. zum Abbruche gekauft, es be-
trug daher der
durchſchnittliche Preis per
Quadratmeter 1000 fl.!

Es gibt noch „Richter“ in Wien.

Auf Grund von gepflogenen Ausgleichsverhand-
lungen erklärte ſich Rothberger endlich bereit 23.653 fl.
zu bezahlen, welchen Ausgleich in der geſtrigen
vertraulichen Sitzung Stadtrath Billing
als Referent zur Annahme empfahl. Vertraulich
wollte man ſolche Dinge behandeln und vielleicht in
gewiſſer Beziehung mit Recht, denn es mag da
manche Punkte geben, die gar ſehr
das Licht zu ſcheuen hatten.
Gemeinderath
Steiner beantragte daher vor Beginn der Be-
rathung die Angelegenheit in öffentlicher
Sitzung
zu behandeln. Die Mehrheit lehnte
dies unter den lauten und ſtürmiſchen Kundgebungen
der Entrüſtung ſeitens der Oppoſition ab. Auch der
Anregung Dr Luegers, zu conſtatiren, ob 92 Ge-
meinderäthe im Sinne der Beſtimmungen des Statutes
für Grundverkäufe anweſend ſeien, wurde nicht ſtatt-
gegeben. In der Debatte vermochte ſelbſt der liberale
GR. Haßfurther ſeiner — Verwunderung über
einen ſolchen unerhörten Vorgang nicht hinreichend
Worte zu geben, worauf Dr. Lueger neuerdings
auf Behandlung in öffentlicher Sitzung dringt, damit
daß Volk wiſſe, wie man die Gemeinde behandelt.
Unerhört ſei es, daß der Beſcheid des Landesgerichtes
dem Stadtrathe nicht zur Vorberathung zugewieſen
wurde, und nicht weniger unerhört, daß auch die be-
treffende Eingabe nicht dieſem, ſondern nur dem Re-
ferenten vorgelegt wurde. Geradezu empörend ſei das
Gutachten der Sachverſtändigen, deren einen die Ge-
meinde namhaft gemacht habe, und noch bedauerlicher
ſei die Behandlung der Angelegenheit in vertraulicher
Sitzung, doch werde die Sache in allen
Verſammlungen beſprochen werden, damit die
öffentliche Moral Richter in dieſer
Sache werde.
GR. Jedliczka ſchließt ſich
den Ausführungen Dr. Luegers in kräftigen ver-
nichtenden Worten an. Sehr intereſſant war die
Rede des Vicebürgermeiſter gebliebenen Dr. Richter,
der für den Ausgleichsantrag ſprach, obwohl er das
Verblüffende des Sachverſtändigenbefundes zugab. Auf
die Frage Dr. Lueger’s, wer denn eigentlich von
den damals das Präſidium bildenden drei Perſonen,
Prix, Richter und Grübl jene ex präsidio Amts-
handlung mit Umgehung der berufenen Körperſchaften
zu verantworten habe, darauf gab Richter keine
Antwort. Bei der ſprichwörtlichen Genauigkeit Richter’s
in Gewiſſensſachen ſind wir feſt überzeugt, daß er nur
den Namen eines ſeiner beiden Collegen zu ver-
ſchweigen hatte, denn ſich ſelbſt hätte er offen und
wahr gewiß genannt. Ja, es gibt noch „Richter“ in
Wi[e]n!

Doch noch öffentlich.

Die Ausführungen der Oppoſitionsredner hatten
ſchließlich ſelbſt bei einem Theile der Liberalen die
Ueberzeugung wach gerufen, daß ſolche Dinge nicht
bei verſchloſſenen Thüren behandelt werden dürfen,
und der Antrag auf Berathung der Angelegenheit in
öffentlicher Sitzung, welchen GR. Bärtl nochmals
ſtellte, wurde nunmehr angenommen. Unter der Mi-
norität, welche gegen die Oeffentlichkeit

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[5/0005] 105 Wien, Dienſtag Reichspoſt. 8. Mai 1894. feſſeln. Wenn Lehrlinge politiſche Verſammlungen ab- halten, dürfen wir nicht ruhig zuſehen, wie die rothe Internationale ein frevelhaftes Spiel treibt mit den Intereſſen der ehrlich arbeitenden und vernünftig denkenden Arbeiter. Redner erörterte den Zweck des Vereines: die Ver- beſſerung der geiſtigen und der materiellen Lage der Arbeiterinnen und Arbeiter, beſprach die Streiks, welche geradezu muthwillig inſcenirt wurden, wie der Gas- arbeiter- und Tiſchlerſtreik ꝛc., und den Arbeitern zum größten Schaden gereichen. Den Tiſchlergehilfen wurde eine wöchentliche Unterſtützung von 5 fl. verſprochen und jetzt erhielten die Verheiratheten für 14 Tage 1 fl. 50 kr., die Ledigen 1 fl. und noch weniger. Gegen eine Epidemie, welche gewiß ſchon lange genug wüthet, von welcher Millionen Menſchen ergriffen ſind, an der jährlich Tauſende elend zu Grunde gehen, gegen dieſe Epidemie „Sociales Elend“ genannt, geſchieht in unſerer vorſorglichen Zeit ſo viel wie gar nichts. Dieſe be- rührt freilich den Wohlhabenden nicht, deßhalb iſt es erklärlich, daß es mit der Desinficirung gegen dieſes Uebel nicht ſo eilig vorwärts geht. Wollen wir, daß unſere Lage verbeſſert wird, ſo müſſen wir uns Ver- einen anſchließen und unſer Recht gemeinſam fordern. (Lebhafter Beifall.) Der nächſte Redner, Herr Schach- huber, ſprach dann über die Undurchführbarkeit des Achtſtundentages in allen Branchen. Der Achtſtunden- tag iſt eine Utopie und ſogar international undurch- führbar. Nach Schluß der Verſammlung folgte eine gemüthliche Unterhaltung. Sociale Rundſchau. Das unſtreitig wichtigſte ſociale Ereigniß der letzten Woche iſt die ſocialdemokratiſche Maifeier, das „Weltfeſt“, wie es recht mundvoll von den gewiſſen papiernen Vertretern der rothen Internationale genannt wird. Und die Herren haben alle Urſache, den Mund recht voll zu nehmen nach Art derjenigen Leute, welche ihre Sache nur dann an den Mann bringen können, wenn ſie mit großem Wortſchwall den unſoliden Zu- ſtand der Waare verdecken. So ganz beſonders heuer, wo überall eine ſtarke Abnahme der Theilnehmerzahl conſtatirt werden mußte. In Wien hat wohl das un- günſtige Wetter die Praterfeier beeinträchtigt, anderer- ſeits nahmen jedoch in Folge der großen Ausſtände viele Arbeiter an der Demonſtration Theil, die ſonſt wohl derſelben ferngeblieben wären. Gerade die Zu- nahme der Streiks, die in letzter Zeit alle für die Arbeitnehmer unglücklich ausgefallen ſind, drückten den Feiernden den Stempel des Ernſtes auf, ſie ſind es auch, welche die wirklichen Arbeiter ſtutzig gemacht haben. Das Mißtrauen gegen die — wie heute ja ſchon jeder weiß — jüdiſche Leitung der Partei breitet ſich in ſocialdemokratiſchen Kreiſen immer mehr aus, zumal die Arbeiter jetzt wenigſtens ſchon ſo weit ſehend geworden ſind, daß ſie anfangen, ſich Gedanken darüber zu machen, weshalb denn die Streiks, in welche ſie von ihren „Führern“ hinein gehetzt werden, immer zu Gunſten der großcapitaliſtiſchen Unternehmer ausfallen. Die „Führer“ merken, daß der Unwille gegen ſie wächſt, um ſo mehr nehmen ſie den Mund voll, um die Welt, in erſter Linie die Arbeiterwelt ſelbſt glauben zu machen, daß das geſammte Proletariat noch hinter ihnen ſtehe. Das iſt zum großen Theil Flunkerei, und die ſeit 1890 immer flauer werdende Betheiligung an der Maifeier — von allgemeiner Arbeitseinſtellung war heuer nirgends mehr die Rede — wird zu einem Mittel der Demüthigung für die „Führer“ und Berufshetzer werden. Von den allerorts wieder angezettelten Streiks abgeſehen, herrſcht die größte Unruhe unter den Berg- arbeitern. In Nordamerika feiern Hundert- tauſende, um eine Lohnherabſetzung von 25 Percent rückgängig zu machen; in Frankreich hat der Landescongreß, auf dem 70.000 Bergarbeiter vertreten waren, einen allgemeinen Ausſtand beſchloſſen, falls das Parlament nicht den Achtſtundentag beſchließen ſollte; in Oeſterreich iſt auf dem letzten ſocial- demokratiſchen Parteitag in Wien bei der Reſolution über den Maſſenausſtand zur Ertrotzung des allge- meinen Stimmrechts auf beſonderes Betreiben der gut organiſirten böhmiſchen Bergleute ein Zuſatzantrag be- ſchloſſen worden, der den Achtſtundentag bei den Bergarbeitern als heute bereits erreichbar hinſtellt und eine Action der geſammten ſocial-demokratiſchen Partei für dieſe Forderung als nothwendig bezeichnet, in dem Reviere Mähriſch-Oſtrau, welches 23.000 Berg- leute beſchäftigt, hat der Ausſtand zur Erlangung des Achtſtundentages bereits begonnen; die Bergleute von England und Wales ſind aufgebracht, daß ihre drei Hauptforderungen vom Einigungsrath abgelehnt wurden: Feſtſetzung eines Mindeſtlohnes, ſowie eines Mindeſtpreiſes beim Verkauf von Kohlen und Einſicht in die Geſchäftsbücher der Eigenthümer; die belgiſchen Bergarbeiter haben ſich be- kanntlich für Einführung des Mindeſtlohnes, Ver- ſtaatlichung der Bergwerke und für internationale Ver- einbarungen behufs Einſchränkung der Kohlenförderung zur Verhinderung der Ueberzeugung ausgeſprochen. — In den Hauptforderungen ſind alſo die Bergleute aller Länder einig, und der fünfte inter- nationale Bergarbeitercongreß, deſſen Programm wir in der vorwöchentlichen Rundſchau mitgetheilt haben, wird dieſe Uebereinſtimmung wahrſcheinlich dadurch be- weiſen, daß er einen allgemeinen Ausſtand zur Er- zwingung des Achtſtundentages beſchließt, wobei ihm natürlich das Vorgehen der engliſchen Regierung in dieſer Frage ſehr zu ſtatten kommt. Bezüglich des Boycott hat das oberſte Gericht des Staates Ohio erkannt, daß derſelbe ungeſetzlich und ſtrafbar ſei. Das Gericht erklärte, daß Leute, über welche ein Boycott verhängt worden iſt, einen Schadenerſatz von denjenigen zu fordern berechtigt ſind, welche die Urheber und Unterſtützcr des Boycotts ſind. Sogar die Vertheilung oder Ausſendung von Circu- laren an die Mitglieder von Unions oder andere Leute, in welchen auf einen Boycott lediglich aufmerk- ſam gemacht wird — und dies findet zweifel- los auch auf die Preſſe Anwendung — iſt nunmehr in Ohio eine ſtrafbare Handlung, und der einfache Beweis, daß durch ſolche Circulare oder auf andere Weiſe Mittheilung von einem Boycott gegen die Firma gemacht wurde, iſt genügend, um den Leuten, welche geſchädigt werden ſollten, einen Schadenerſatz zu ſichern, wenn ſie die am Boycott Betheiligten ge- richtlich belangen. Einen nicht unwichtigen ſocialpolitiſchen Geſetz- entwurf hat das preußiſche Abgeordnetenhaus zu be- rathen: das Rententionsrecht des Vermiethers. Bisher hatte in Preußen der Vermiether das unbe- ſchränkte Recht, für ſchuldigen Miethzins alle Sachen des Miethers gewiſſermaßen als Pfand für den noch ſchuldigen Zins zurückzuhalten. Der jetzt vorgelegte Entwurf will das Rückbehaltungsrecht auf jene Gegenſtände beſchränken, welche der Pfändung im Schuldverfahren unterworfen ſind; es dürfen daher die nothwendigen Kleidungsſtücke, das zur Ausübung des Berufes dienende Handwerkszeug, ſtudirten Männern die Bibliothek, Aerzten die chirurgiſchen Werkzeuge u. ſ. w. von den Vermiethern nicht mehr zurückbehalten werden. Es iſt der vorliegende Geſetzentwurf auf Drängen von manchen Seiten eingebracht worden, und es wurde ſtets darauf hingewieſen, daß das rückſichtslos ausgeübte Retentionsrecht nicht nur in einem ungerechten Verhältniſſe zu den meiſtens durch wirthſchaftliche Un- glücksfälle bedingten Miethzinsſchulden ſtehe, ſondern auch den Untergang zahlreicher kleinerer Exiſtenzen verurſacht habe. Es iſt leicht begreiflich, daß die Haus- beſitzer, die mit Steuern und Abgaben überall ſchwer belaſtet ſind, ſich gegen dieſen Geſetzentwurf auflehnen; ſie behaupten, daß ſie jetzt ihre Riſicoprämie und damit den Preis kleinerer Wohnungen erhöhen mußten. nur andererſeits würde, wenn der Entwurf Geſetzeskraft erlange, den ärmeren Leuten die „Befriedigung ihres Wohnbedürfniſſes“ erſchwert werden, d. h. die Haus- beſitzer wollen ſich in Zukunft die „kleinen Miether“ fernhalten. Das wird ihnen für den Augenblick nicht einmal als Drohung nützen, denn jedermann weiß, daß die weitaus größte Anzahl der Miether zu den „kleinen“ gehört und daß das Leerſtehen ſo vieler Wohnungen die Hausherren jetzt ſchon zu Zugeſtänd- niſſen geneigt macht, und nicht nur in Preußen. Aber angenommen, die Drohung der Hausbeſitzer würde zur That, ſo könnte aus dieſem Geſetzentwurfe eine ſociale That erſprießen: es würde an die Gemeinden die Pflicht herantreten, ſelbſt für Wohnungen zu ſorgen, alſo ſelbſt Communalwohnhäuſer für die wenig bemit- telte Klaſſe zu bauen, wobei uns jener mancherorts verwirklichte Plan vorſchwebt, billige kleine Häuſer zu bauen, die allmählich in den Beſitz der Miether, in dieſem Falle meiſtens der Arbeiter übergingen. Die ſociale Wichtigkeit ſolcher Bauten liegt für jeden offen, der die Macht eigenen Beſitzes kennen gelernt hat. Gemeindezeitung. Die geſtrige öffentliche Sitzung des Gemeinde- rathes verlief in ziemlich eintöniger Weiſe und die Straßenſäuberungsangelegenheit kam trotz des Gemeinde- rathsbeſchluſſes vom 27. April, daß binnen acht Tagen zu referiren ſei, einfach nicht zur Berathung, weil 92 Gemeinderäthe anweſend waren und man dies zur Er- ledigung von Geſchäftsſtücken mit qualificirter Majorität benützte. Es wurde eine Reihe von kleineren Grund- transactionen, unter anderem auch die anläßlich der Alsbacheinwölbung ohne weſentliche Debatte genehmigt. GR. Eigner interpellirte wegen der Vornahme der Arbeiten bei der Einwölbung des Alsbaches und GR. Mareſch wegen Verzögerungen in der Abhal- tung von Commiffionen für Waſſerleitungsarbeiten in den Häuſern. Die öffentliche Sitzung ſchloß bereits um U+00BE7 Uhr und nun begann die vertrauliche Sitzung. Billige Gründe am Stefansplatz. Jacob Rothberger, der von Herrſchaften abgelegte — Kleider ſo gut zu verwerthen weiß, daß er ſich ein Haus nach dem anderen kaufen und bauen kann, erbaut am Stefansplatz an Stelle des ange- kauften Arthaberhauſes ein neues Zinshaus, um ſo dem alten „Steffel“ ſeine alten Tage durch eine mög- lichſt chriſtenreine Umgebung zu verſchönern. Die Baulinienbeſtimmung machte nun die Abtrennung einer Grundfläche von 44·4 Quadratmeter an die Ge- meinde nothwendig, wogegen Rothberger von dieſer eine Fläche von 134·27 Quadratmeter erwarb. Dieſe letztere Fläche hat nach der Anſicht Unbefangener einigen Werth, denn ſie bildet die Ecke der Goldſchmied- gaſſe und des Stefansplatzes, überdies ge- winnt durch den Ankauf dieſes bisherigen Straßen- grundes auch die frühere Bauſtelle, welche winkelig und ſchwerer zu verwerthen war, eine regelmäßige Form und eine Verlängerung der Front am Stefansplatz um 7·27 Meter. Es fand auch eine adminiſtrative Schätzung durch die Sachverſtändigen Neumeiſter und Luttke ſtatt, welche ergab, daß Rothberger bei jener Grundtransaction noch den Betrag von 60.421 fl. 50 kr. an die Gemeinde herauszubezahlen gehabt hätte. Roth- berger wollte die Sache billiger, ſo billig, daß die an- ſtändigen Leute in Wien, und es ſoll deren noch welche geben, die Hände über dem Kopfe zuſammenſchlagen — vielleicht beſſer, ſie ſchlügen ſie wo anders hin. Ex präsidio. Um ungehindert den Bau beginnen zu können, er- legte Rothberger nach Ablehnung des Schätzungsergeb- niſſes 136.000 Kronen Rente und ſuchte beim Landes- gerichte den Beweis zum ewigen Gedächtniſſe an und erhielt überraſchenderweiſe die zuſtimmende Erledigung mit dem Beſcheide vom 5. Mai 1893 Z. 37480, worin zugleich die Tagfahrt für die Namhaftmachung der Sach- verſtändigen auf den 18. Mai 1893 anberaumt wurde. Dieſer Beſcheid wurde der Gemeinde am 13. Mai zu- geſtellt und vom Präſidium directe an den Stadtanwalt Dr. Schmidt geleitet, ohne daß der Stadtrath oder das für dieſe An- gelegenheit beſtimmte Comité davon nur Kenntniß erhielt. Der Stadtanwalt wurde zu- gleich angewieſen, einen Sachverſtändigen in der Per- ſon des Guſtav Schlierholz namhaft zu machen, alles ex präsidio; der Schätzmann für Rothberger war Johann Schieder. Die Anfangs Juni durchgeführte Schätzung ergab das verblüffende Reſultat daß Rothberger — 428 fl. 22 kr. an die Ge- meinde für beinahe 90 Quadratmeter Bau- grund am Stephansplatz zu bezahlen hätte. Man höre und ſtaune, am Stephansplatz, wo tauſende von Gulden jährlicher Miethe für eine Gewölbsöffnung bezahlt werden, ſoll die Gemeinde für einen Quadrat- meter Baugrund an der Straßenſeite 4 fl. 61 kr. erhalten! Das betreffende Haus, zu dem aber auch der Hof mit rückwärts ein- gekeilten Tracten gehörte, hat Rothberger um 560.000 fl. zum Abbruche gekauft, es be- trug daher der durchſchnittliche Preis per Quadratmeter 1000 fl.! Es gibt noch „Richter“ in Wien. Auf Grund von gepflogenen Ausgleichsverhand- lungen erklärte ſich Rothberger endlich bereit 23.653 fl. zu bezahlen, welchen Ausgleich in der geſtrigen vertraulichen Sitzung Stadtrath Billing als Referent zur Annahme empfahl. Vertraulich wollte man ſolche Dinge behandeln und vielleicht in gewiſſer Beziehung mit Recht, denn es mag da manche Punkte geben, die gar ſehr das Licht zu ſcheuen hatten. Gemeinderath Steiner beantragte daher vor Beginn der Be- rathung die Angelegenheit in öffentlicher Sitzung zu behandeln. Die Mehrheit lehnte dies unter den lauten und ſtürmiſchen Kundgebungen der Entrüſtung ſeitens der Oppoſition ab. Auch der Anregung Dr Luegers, zu conſtatiren, ob 92 Ge- meinderäthe im Sinne der Beſtimmungen des Statutes für Grundverkäufe anweſend ſeien, wurde nicht ſtatt- gegeben. In der Debatte vermochte ſelbſt der liberale GR. Haßfurther ſeiner — Verwunderung über einen ſolchen unerhörten Vorgang nicht hinreichend Worte zu geben, worauf Dr. Lueger neuerdings auf Behandlung in öffentlicher Sitzung dringt, damit daß Volk wiſſe, wie man die Gemeinde behandelt. Unerhört ſei es, daß der Beſcheid des Landesgerichtes dem Stadtrathe nicht zur Vorberathung zugewieſen wurde, und nicht weniger unerhört, daß auch die be- treffende Eingabe nicht dieſem, ſondern nur dem Re- ferenten vorgelegt wurde. Geradezu empörend ſei das Gutachten der Sachverſtändigen, deren einen die Ge- meinde namhaft gemacht habe, und noch bedauerlicher ſei die Behandlung der Angelegenheit in vertraulicher Sitzung, doch werde die Sache in allen Verſammlungen beſprochen werden, damit die öffentliche Moral Richter in dieſer Sache werde. GR. Jedliczka ſchließt ſich den Ausführungen Dr. Luegers in kräftigen ver- nichtenden Worten an. Sehr intereſſant war die Rede des Vicebürgermeiſter gebliebenen Dr. Richter, der für den Ausgleichsantrag ſprach, obwohl er das Verblüffende des Sachverſtändigenbefundes zugab. Auf die Frage Dr. Lueger’s, wer denn eigentlich von den damals das Präſidium bildenden drei Perſonen, Prix, Richter und Grübl jene ex präsidio Amts- handlung mit Umgehung der berufenen Körperſchaften zu verantworten habe, darauf gab Richter keine Antwort. Bei der ſprichwörtlichen Genauigkeit Richter’s in Gewiſſensſachen ſind wir feſt überzeugt, daß er nur den Namen eines ſeiner beiden Collegen zu ver- ſchweigen hatte, denn ſich ſelbſt hätte er offen und wahr gewiß genannt. Ja, es gibt noch „Richter“ in Wien! Doch noch öffentlich. Die Ausführungen der Oppoſitionsredner hatten ſchließlich ſelbſt bei einem Theile der Liberalen die Ueberzeugung wach gerufen, daß ſolche Dinge nicht bei verſchloſſenen Thüren behandelt werden dürfen, und der Antrag auf Berathung der Angelegenheit in öffentlicher Sitzung, welchen GR. Bärtl nochmals ſtellte, wurde nunmehr angenommen. Unter der Mi- norität, welche gegen die Oeffentlichkeit

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 105, Wien, 08.05.1894, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost105_1894/5>, abgerufen am 24.11.2024.