Reichspost. Nr. 6, Wien, 08.01.1895.Wien, Dienstag Reichspost 8. Jänner 1895 6 [Spaltenumbruch] Ein Interview bei Dr. Laurenz Müllner. Rector Dr. Laurenz Müllner hat sich gestern einem "Ich bedaure es tief, daß von Seite der katholischen Bevor wir die einzelnen Auslassungen des Rectors "Es sind zwei Strömungen, welche das geistige Leben Nun macht sich freilich Rector Müllner nichts Freilich sollten wir uns über Rector Müllner [Spaltenumbruch] nicht glauben und er lief zum "Modehund" hin, ihm Ami betrachtete Dackel und wollte, ihn ignorirend, Nun kam die semmelfarbige Miß langsam ge- Miß musterte die Gesellschaft und da sie lauter Währenddem ist Dackel zurückgekehrt zu seiner Ge- "Ach, hörr's mir auf mit die Dummheiten!" be- "Hm" brummte Caro ruhig vor sich hin -- "ich [Spaltenumbruch] verstellt waren? Und haben dieselben bei dem geist- Selbst das "Grazer Volksblatt" läßt es unent- Schließlich noch eins: es wurde darauf hingew[i]esen, Das Judenthum an der Wiener Universitat. Vor einiger Zeit, also wo man keine Ahnung Die ehrwürdige "alma mater" wurde in eine Unter den Lehrern der medicinischen Facultät sehen Damit die Analogie der Börse eine Und von wo stammt diese Demoralisation des Was sehen zum Beispiele die jungen Mediciner Wien, Dienſtag Reichspoſt 8. Jänner 1895 6 [Spaltenumbruch] Ein Interview bei Dr. Laurenz Müllner. Rector Dr. Laurenz Müllner hat ſich geſtern einem „Ich bedaure es tief, daß von Seite der katholiſchen Bevor wir die einzelnen Auslaſſungen des Rectors „Es ſind zwei Strömungen, welche das geiſtige Leben Nun macht ſich freilich Rector Müllner nichts Freilich ſollten wir uns über Rector Müllner [Spaltenumbruch] nicht glauben und er lief zum „Modehund“ hin, ihm Ami betrachtete Dackel und wollte, ihn ignorirend, Nun kam die ſemmelfarbige Miß langſam ge- Miß muſterte die Geſellſchaft und da ſie lauter Währenddem iſt Dackel zurückgekehrt zu ſeiner Ge- „Ach, hörr’s mir auf mit die Dummheiten!“ be- „Hm“ brummte Caro ruhig vor ſich hin — „ich [Spaltenumbruch] verſtellt waren? Und haben dieſelben bei dem geiſt- Selbſt das „Grazer Volksblatt“ läßt es unent- Schließlich noch eins: es wurde darauf hingew[i]eſen, Das Judenthum an der Wiener Univerſitat. Vor einiger Zeit, alſo wo man keine Ahnung Die ehrwürdige »alma mater« wurde in eine Unter den Lehrern der mediciniſchen Facultät ſehen Damit die Analogie der Börſe eine Und von wo ſtammt dieſe Demoraliſation des Was ſehen zum Beiſpiele die jungen Mediciner <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0002" n="2"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Wien, Dienſtag Reichspoſt 8. Jänner 1895 6</hi> </fw><lb/> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div xml:id="interview1" next="#interview2" type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Ein Interview bei Dr. Laurenz Müllner.</hi> </head><lb/> <p>Rector Dr. Laurenz Müllner hat ſich geſtern einem<lb/> Redacteur der „Neuen Freien Preſſe“ zur Verfügung<lb/> geſtellt und nach den Mittheilungen dieſes Blattes<lb/> folgendes geſagt:</p><lb/> <p>„Ich bedaure es tief, daß von Seite der katholiſchen<lb/> Kirche nicht ſchon längſt gegen dieſes grelle Unweſen Stel-<lb/> lung genommen wurde. <hi rendition="#g">Hier hätten manche Bi-<lb/> ſchöfe Gelegenheit gehabt, ihre wahrhaft<lb/> chriſtliche Geſinnung zu bethätigen.</hi> Ich habe“<lb/> — fuhr Prof. Müllner — „wiewohl ich mich niemals mit<lb/> Politik befaſſe, nur aus dem einfachen Grunde geſprochen,<lb/> weil ich dies nicht mehr länger anhören konnte. Traurig<lb/> genug, daß nicht ſchon früher berufene Leute den Muth<lb/> gehabt haben, ſolche Angriffe abzuwehren. Ich wußte nicht,<lb/> daß der Landtagsabgeordnete Gregorig Pfaidler von Beruf<lb/> iſt. Wie kann ſich nun, frage ich, ein Pfaidler erlauben,<lb/> an Männern der Wiſſenſchaft und an einer Univerſität<lb/> Kritik zu üben? Es war meine Pflicht, meine abweſenden<lb/> Collegen zu vertheidigen, und ich habe nur als katholiſcher<lb/> Prieſter geſprochen. In meiner Jugend hatte ich in Nikols-<lb/> burg, woſelbſt ich das Gymnaſium beſuchte, vollauf Gelegen-<lb/> heit, den Charakter der Juden konnen zu lernen. Von<lb/> dieſem Tage an habe ich mir bis heute meine treueſten<lb/> Freunde bewahrt. Und dieſe“ — fuhr der Gelehrte in er-<lb/> regtem Tone fort — „ſoll ich mir durch die Antiſemiten weg-<lb/> disputiren laſſen? Es iſt eine unbeſtrittene Thatſache,<lb/> daß gerade die Juden wie nicht ſobald ein Stamm die<lb/> Wiſſenſchaften cultiviren. Mein langjähriger Hausarzt, dem<lb/> ich meine vollſte Hochachtung und größtes Vertrauen ent-<lb/> gegenbringe, iſt Jude. Soll ich vielleicht nun ihn wegen<lb/> der Antiſemiten aufgeben? Nie und nimmermehr. Wenn<lb/> dieſe Leute der Meinung ſind, daß die deutſchnationalen<lb/> Studenten mir ihre Sympathien entziehen werden, glaube<lb/> ich nicht daran, zumal gerade die Vertreter dieſer Partei<lb/> mir nach auf meine Fürbitte gütlich erfolgter Beilegung jener<lb/> unangenehmen Vorgänge die aufrichtige Verſicherung gaben,<lb/> ſtets nach meinen Intentionen handeln zu wollen. Wenn<lb/> mir Dr. Lueger ſagt, die juridiſche Facultät ſei<lb/> im Niedergange begriffen, ſo kann ich das mit dem<lb/> Hinweiſe auf die Coryphäen daſelbſt als völlig unbegründet<lb/> zurückweiſen. Wo es ſich um die Wiſſenſchaft handelt, ſoll<lb/> jede Frage nach Nationalität und Confeſſion ausgeſchloſſen<lb/> ſein. Sie werden ſich in meinem Werke „Ueber Kunſt und<lb/> Literatur“, das in wenigen Wochen erſcheint, davon über-<lb/> zeugen können, wie ich in dieſer Hinſicht ſelbſt an den<lb/> Werken erklärter Atheiſten Kritik übe. Wo es ſich um<lb/> wiſſenſchaftliche Kritik handelt, kann nichts mein Urtheil<lb/> ändern. Geſtern ging ich in den Landtag, ohne zu ahnen,<lb/> daß ich ſprechen werde. Meine Rede war ganz improviſirt<lb/> Ein Erfolg würde mich nur freuen. Ich zähle mehr als<lb/> tauſend Schüler, und ich bin wohl überzeugt, daß die<lb/> meiſten mir und meinen Anſchauungen treu ergeben ſind.<lb/> Daß dieſe nun in meinem Sinne wirken und arbeiten, das<lb/> hoffe und wünſche ich ſehnlichſt, denn davon verſpreche ich<lb/> mir für die kommende Zeit viel.“</p><lb/> <p>Bevor wir die einzelnen Auslaſſungen des Rectors<lb/> Müllner kritiſiren, wollen wir, vorausgeſetzt die<lb/> Richtigkeit des Wortlautes, nur dem Bedauern<lb/> Ausdruck geben, daß der Herr Rector es für paſſend<lb/> erachtete, einem jüdiſchen Journaliſten gegenüber die<lb/> ganze katholiſche Kirche und insbeſondere die Biſchöfe<lb/> der Saumſeligkeit in der Erfüllung ihrer Pflichten zu<lb/> zeihen. Wir können uns ſehr wohl denken, daß der<lb/> vielfache Weihrauch, der dem Rector von jüdiſcher<lb/> Seite geſpendet wurde, die Auszeichnung, von einem<lb/> Sueß gelobt, endlich der Vorzug, von einem „Neuen<lb/> Freien Preßjuden“ interviewt zu werden, den gelehrten<lb/> Herrn Reiter zu unbedachten Aeußerungen verleitete,<lb/> aber wir hätten nicht geglaubt, daß er ſelbſt in einem<lb/><cb/> ſolchen erhabenen Momente ſich hinreißen laſſen würde,<lb/> die Biſchöfe und die katholiſche Kirche anzu-<lb/> rempeln. Daß Juden ſeine beſten Freunde ſind, daß<lb/> ſein Hausarzt Jude iſt — ſind intime Details,<lb/> die zur Charakteriſtik das Ihre beitragen. Wenn<lb/> ferner Dr. Müllner dem Landtagsabgeordneten Gre-<lb/> gorig den „Pfaidler“ vorwirft, ſo möge er bedenken,<lb/> daß das nicht nur eine Beleidigung des geſammten<lb/> chriſtlichen Gewerbeſtandes iſt, ſondern auch nach<lb/> jener Eigenſchaft ſchmeckt, die man in der Moral als<lb/> geiſtigen Hochmuth bezeichnet. Der Herr Profeſſor<lb/> möge ferner bedenken, <hi rendition="#aq">ad vocem</hi> „Pfaidler“ daß<lb/> Jeſus Chriſtus die Apoſtel und Jünger nicht aus den<lb/> Kreiſen der Phariſäer und Schriftgelehrten entnahm,<lb/> ſondern aus den Reihen des Handwerks. Ebenſo gut<lb/> wie Petrus ein Fiſcher war und Paulus ein Teppich-<lb/> wirker, hätten ſie auch — Pfaidler ſein können. Und<lb/> haben Petrus und Paulus ſich geſcheut den Gelehrten<lb/> und Phariſäern entgegenzutreten? Was aber das Lob<lb/> des Profeſſors Sueß betrifft, ſo erinnern wir den<lb/> Profeſſor Müllner an eine Rede ebendesſelben Herrn,<lb/> worin er dem Profeſſor Maaßen das Wort zurief:<lb/><hi rendition="#g">„Kork ſchwimmt.“</hi> Wir erinnern ferner Rector<lb/> Müllner an eine Rede des Profeſſors Sueß, worin<lb/> er folgenden Paſſus mit ſeinem gewohnten hohlen<lb/> Pathos drechſelte:</p><lb/> <p>„Es ſind zwei Strömungen, welche das geiſtige Leben<lb/> der ganzen Menſchheit beherrſchen. Die eine Strömung<lb/> beginnt mit den dogmatifirenden Concilien von Nicäa und<lb/> Epheſus zur Zulaſſung der Verehrung der Heiligen, dann<lb/> zum Tridentiner Concil und gelangt endlich nach Jahr-<lb/> bunderten, fort und fort Brücken ſchlagend, von der niederen<lb/> Menſchheit zum erhabenen Gottesbegriffe dahin, daß ſie<lb/> einer ſterblichen Creatur göttliche Eigenſchaften beilegt, ein<lb/> Schritt, über welchen hinaus ein weiterer kaum mehr<lb/> möglich iſt. Die zweite Richtung beginnt mit den großen<lb/> Seefahrern des fünfzehnten und ſechzehnten Jahrhunderts.<lb/> An ſie ſchließen ſich die Entdeckung von der wahren Geſtalt<lb/> der Erde, von der Bewegung der Himmelskörper. Das<lb/> genauere Verſtändniß des Firmaments und fortſchreitend<lb/> von Schritt zu Schritt führt ſie endlich zu einer freieren,<lb/> nie gekannten Beherrſchung der Naturkräfte. Wo dann der<lb/> letzte Schritt iſt, das weiß kein Sterblicher. Welcher dieſer<lb/> beiden Richtungen die Zukunft gehört, darüber herrſcht<lb/> auch unter unſeren Gegnern kein Zweifel.“</p><lb/> <p>Nun macht ſich freilich Rector Müllner nichts<lb/> daraus, ob es ſich um Atheiſten oder Gläubige, um<lb/> Juden oder Chriſten handelt, in der Wiſſenſchaft gilt<lb/> ihm dies gleich! Aber iſt das auch ein richtiger<lb/> Grundſatz? Was haben wir doch immer von <hi rendition="#g">katho-<lb/> liſcher</hi> Wiſſenſchaft gehört? Was ſoll dann das<lb/> Streben nach <hi rendition="#g">katholiſchen</hi> Lehrkanzeln, nach<lb/> einer <hi rendition="#g">katholiſchen</hi> Univerſität? Wozu der<lb/> Univerſitätsverein und die vielen Reden und Spenden<lb/> und Verſammlungen zu dieſem erhabenen Zwecke?<lb/> Wenn es in der „Wiſſenſchaft“ diesbezüglich keinen<lb/> Unterſchied gäbe, wenn es ſich gleich bliebe, ob Chriſten<lb/> oder Juden unterrichten, wozu der katholiſche Schul-<lb/> verein, wozu die katholiſchen Lehrerſeminare, wozu<lb/> endlich der Ruf nach der confeſſionellen Schule?</p><lb/> <p>Freilich ſollten wir uns über Rector Müllner<lb/> nicht verwundern. War es denn nicht unter ſeinem<lb/> Rectorate, daß gerade die <hi rendition="#g">katholiſchen</hi> Stu-<lb/> dentenverbindungen über Zurückſetzungen klagen mußten?<lb/> War es denn nicht gerade bei ſeiner Inauguration,<lb/> daß den katholiſchen Studentenverbindungen die Plätze</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="mode2" prev="#mode1" type="jArticle" n="2"> <p>nicht glauben und er lief zum „Modehund“ hin, ihm<lb/> einen guten Morgen wünſchend.</p><lb/> <p>Ami betrachtete Dackel und wollte, ihn ignorirend,<lb/> weitergehen, als er plötzlich ſtehen blieb und ihm<lb/> einen Antrag machte: „Du Dackel, Du biſt einer von<lb/> denen, die ich noch ein wenig achte. Wie wär’s, wenn<lb/> wir, das Beiſpiel der Menſchen nachahmend, eine<lb/> Coalition bildeten. Der Sohn meiner Gnädigen iſt<lb/> Mitglied der <hi rendition="#g">großen ſegensreichen Coa-<lb/> lition</hi> — und erzählt immer, wie gut das iſt;<lb/> könnten wir, Du, ich und die Bankiersflora nicht auch<lb/> eine anſtandserhaltende Coalition bilden?“ Dackel war<lb/> wohl erſtaunt, dann hub er ins Lachen an und fragte:<lb/> „Ja Ami, biſt Du wirklich vom Hochmuthsteufel be-<lb/> ſeſſen? Müſſen denn wir alle die Dummheiten nach-<lb/> machen — die unſere Herren uns vormachen? Bleib<lb/> nur allein, mir iſt unſere Hundsgeſellſchaft noch immer<lb/> gut genug.“ Damit war er fort.</p><lb/> <p>Nun kam die ſemmelfarbige <hi rendition="#g">Miß</hi> langſam ge-<lb/> gangen, auch ſie war ſich ihrer beſonderen Würde be-<lb/> wußt, war doch ihre geſtickte Schabracke nach demſelben<lb/> Journal gefertigt, nach dem Fräulein Elly, das Töch-<lb/> terlein ihres Herrn, die Toiletten machen läßt.</p><lb/> <p>Miß muſterte die Geſellſchaft und da ſie lauter<lb/> uncultivirten Plebs ſah, ſo ging ſie zu Ami hin, ihn<lb/> mit folgenden Worten anredend: „Guten Morgen,<lb/> Herr Ami ſchon auf?“ — Ami warf einen Blick auf<lb/> die Sprecherin, und als er ſah, daß ihre Schabracke<lb/> nach Fig. 418 der letzten Nummer der „Wiener Mode“<lb/> gemacht ſei, verzog er ſein Geſicht zu einem freund-<lb/> lichen Lächeln, erwiederte den Gruß und ſagte: „Ja,<lb/> liebe Miß, jetzt wird es unſereinem ſo bald unmöglich<lb/> ſein, daher zu kommen, es ſind ja nur mehr ſo rohe<lb/> Hunde da, die man gar nicht auf den Burgplatz herein-<lb/> laſſen ſollte. Wenn nichts geſchieht, ſo muß uns<lb/> geſtattet werden, daß wir uns im <hi rendition="#g">Volks-<lb/> garten</hi> verſammeln, denn hier iſt man ja<lb/> allen möglichen Inſulten ausgeſetzt. — „Da haben<lb/> Sie recht“, entgegnete Miß. Wir müſſen trachten,<lb/> daß wir unter uns ſein können. Ich glaube, der<lb/> kleine Philax wird doch noch zu uns kommen, ſein<lb/><cb/> Herr iſt ja Redacteur bei der Wiener Mode, das die<lb/> großartige Idee gehabt auch unſer zu gedenken.“</p><lb/> <p>Währenddem iſt Dackel zurückgekehrt zu ſeiner Ge-<lb/> ſellſchaft die durch den Pudel des Herrn Profeſſor X.<lb/><hi rendition="#g">„Caro“</hi> Zuwachs erhalten hat. Es wird ſoeben<lb/> fleißig darüber berathen was der Grund des Pintſch-<lb/> Stolzes ſei. Caro erklärte der Geſellſchaft: Eine<lb/> Zeitung bringt jetzt neben den Moden für Frauen und<lb/> Kinder auch ſolche für <hi rendition="#g">Hunde.</hi> Ja, ſoviel ich von<lb/> meinem Profeſſor gehört habe, ſoll in der nächſten<lb/> Nummer ſogar eine Anleitung darinnen ſein, wie die<lb/><hi rendition="#g">Windeln</hi> für die jungen Hund’ <hi rendition="#g">g’ſtickt</hi> ſein ſollen.“<lb/> Schipsl war überraſcht von dieſer epochalen Aner-<lb/> kennung, die von Seiten einiger <hi rendition="#g">gefühlvoller<lb/> Redacteure,</hi> dem Geſchlechte der Hunde gewidmet<lb/> wurde, nur fürchtete er im Geheimen, daß die Wiener<lb/> Hunde-Mode, bald von der Pariſer Hunde-Mode<lb/> überflügelt wird, und war neugierig, ob der Philax,<lb/> deſſen Herr ja Redacteur bei dem thierfreundlichen<lb/> Modeblatt iſt, bereits nach der neueſten Mode ge-<lb/> kleidet kommen wird. Nur Caro lächelte, er<lb/> und ſein Herr ſind ja conſervativ, ſie kümmern<lb/> ſich nicht um die Mode; wenn der Sommer<lb/> kommt denkt ſich Caro, dann hab’ ich ſchon meine<lb/> Modiſtin — die Pudelſchererin bei der Ferdinands-<lb/> brücke. Nun ſtürmte im Galopp <hi rendition="#g">Philax</hi> heran.<lb/> Aber ohne Mode-Schabracke. „Ja,“ riefen ihm die<lb/> andern entgegen, „Du der Du der erſte in der Mode<lb/> ſein ſollſt, Du kommſt ſo daher? Was iſt denn<lb/> das?“</p><lb/> <p>„Ach, hörr’s mir auf mit die Dummheiten!“ be-<lb/> gann Philax. „Die Tochter von meinem Herrn, die<lb/> hat geſtern ihren Papa, den Redacteur von der Mode-<lb/> zeitung, bitt’, ob ſie mir eine ſchöne Decken machen<lb/> darf. — „Ja,“ hat der g’ſchrien, „freilich, wir werden<lb/> alle Dummheiten mitmachen.“</p><lb/> <p>„Hm“ brummte Caro ruhig vor ſich hin — „ich<lb/> bin nur ein Hund — aber ſo a Idee, uns nach der<lb/> Mod’ anziag’n — das is — mindeſtens a große —<lb/><hi rendition="#g">Geſchmackloſigkeit!</hi>“</p><lb/> <byline> <hi rendition="#g">Humohr.</hi> </byline> </div> </div><lb/> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div xml:id="interview2" prev="#interview1" type="jArticle" n="2"> <p>verſtellt waren? Und haben dieſelben bei dem geiſt-<lb/> lichen Rector jenen Schutz gefunden, den ſie gerechter-<lb/> weiſe erwarten konnten?</p><lb/> <p>Selbſt das „Grazer Volksblatt“ läßt es unent-<lb/> ſchieden, ob Dr. Müllner in ſeiner Vertheidigung der<lb/> Juden nicht doch zu weit gegangen ſei, während das<lb/> „Vaterland“ ſich faſt uneingeſchränkt zu Gunſten Dr.<lb/> Müllner’s ausſpricht. In den diesbezüglichen Ausfüh-<lb/> rungen kommt das „Vaterland“ auch auf den allge-<lb/> meinen katholiſchen Geiſt zu ſprechen. Das „Vater-<lb/> land“ ſagt und wir citiren, ohni zu antworten:</p><lb/> <p>Schließlich noch eins: es wurde darauf hingew<supplied>i</supplied>eſen,<lb/> „wie die Kirchen vor zehn Jahren ausgeſehen haben“,<lb/> heute ſeien ſie „wieder voll“. Das iſt, mit Verlaub, eine<lb/> arge Uebertreibung. Die Kirchen waren vor zehn und auch<lb/> vor zwanzig Jahren ebenſo voll wie heute; wer das in<lb/> Abrede ſtellt, iſt eben vor zehn und zwanz<supplied>i</supplied>g Jahren — in<lb/> keine Kirche gegangen. Prediger von Ruf fand<supplied>e</supplied>n damals<lb/> nicht geringeren Zulauf als heute; als die beiden <hi rendition="#aq">PP.</hi><lb/> Klinkowſtröm predigten, wurde die Univer<supplied>i</supplied>itätskirche ſozu-<lb/> ſagen geſtürmt, man denke dann an <hi rendition="#aq">P.</hi> Hünner, an <hi rendition="#aq">P.</hi><lb/> Rohmann <hi rendition="#aq">S. J., P.</hi> Petrus Bremer bei den Dominicanern,<lb/><hi rendition="#aq">P.</hi> Rudolf bei den Franciscanern, Mgr. Wieſinger bei<lb/> St. Peter, Cooperator Steiner bei St. Auguſtin, man denke<lb/> an die bei den verſchiedenen kirchlichen Andachten allſonn-<lb/> täglich und ſelbſt an Wochentagen ſtets vollgefüllten Kirchen<lb/> der Redemptoriſten und Lazariſten ꝛc. Miſſionen wurden<lb/> damals mit derſelben Frequenz und demſelben Erfolg ab-<lb/> gehalten wie heute — freilich, zu Demonſtrationen wurden<lb/> ſie nicht gebraucht. Wir ſchließen mit einer Mahnung an<lb/> die ſtürmiſchen Vorkämpfer des Katholicismus, gegen die ſie<lb/> vielleicht nichts einzuwenden haben werden, ſteht ſie doch in<lb/> der heiligen Schrift: <hi rendition="#aq">Non in commotione Dominus.</hi> </p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Das Judenthum an der Wiener Univerſitat.</hi> </head><lb/> <p>Vor einiger Zeit, alſo wo man keine Ahnung<lb/> von den Vorgängen haben konnte, die ſich in dem<lb/> niederöſterreichiſchen Landtage zwiſchen dem Rector der<lb/> Wiener Univerſität und den Abgeordneten <hi rendition="#g">Lueger</hi><lb/> und <hi rendition="#g">Gregorig</hi> abſpielen werden und die die<lb/> liberale Preſſe in ihrem Sinne auszubeuten verſteht,<lb/> erſchien aus den Prager mediciniſchen Kreiſen ein<lb/> Artikel über die Wiener Univerſität in den „Narodni<lb/> Liſty“, der umſo bemerkenswerther iſt, als das citirte<lb/> Blatt durchaus keinen Anſpruch an antiſemitiſche Ge-<lb/> ſinnung erheben kann. Der Artikel lautet: <hi rendition="#g">Ber-<lb/> liner-jüdiſcher Geiſt beherrſcht<lb/> gegenwärtig</hi> dieſe, in früheren Jahren über<lb/> alle Niedrigkeit erhabene Burg der Wiſſenſchaft; die<lb/> idealen Geſtalten wie Rokytansky, Skoda und Andere<lb/> ſind verſchwunden und in die, der reinen Wiſſenſchaft<lb/> geweihten Räume, haben ſich <hi rendition="#g">Verehrer des<lb/> goldenen Kalbes</hi> eingeſchlichen.</p><lb/> <p>Die ehrwürdige <hi rendition="#aq">»alma mater«</hi> wurde in eine<lb/><hi rendition="#g">moderne wiſſenſchaftliche Börſe</hi><lb/> umgewandelt, was namentlich von der Facultät, ge-<lb/> weiht dem humanſten Wiſſen — <hi rendition="#g">der Me-<lb/> dicin,</hi> gilt.</p><lb/> <p>Unter den Lehrern der mediciniſchen Facultät ſehen<lb/> wir gerade jene Männer hauptſächlich, die ein Ein-<lb/> kommen der Millionäre beſitzen (Thatſache iſt, daß<lb/> einige Profeſſoren dieſer Facultät jährlich über weit<lb/> 100.000 Gulden „verdienen“!), lebend im Ueberfluß<lb/> in fürſtlichen Wohnungen mit Lakaien ꝛc.</p><lb/> <p>Damit die <hi rendition="#g">Analogie der Börſe</hi> eine<lb/> vollſtändige iſt, ſehen wir in Wien neben dieſen medi-<lb/> ciniſchen <hi rendition="#g">Rothſchilds</hi> beklagenswerth: <hi rendition="#g">Galopins,</hi><lb/> welche in Wien eine ärztliche Viſite um 30 Kreuzer<lb/> abſtatten und welche, wenn z. B. bei irgend einer<lb/> Krankencaſſe die Stelle eines Arztes ausgeſchrieben<lb/> iſt, hinter jedem Schneidergehilfen rennen, um ihn um<lb/> deſſen Stimme ergebenſt zu bitten. Dieſe wider-<lb/> wärtigen Erſcheinung iſt bei den jungen Männern, die<lb/> den Doctortitel erreichen und auf dieſe Art die Würde<lb/> ihres Berufes herabſetzen, glücklicher Weiſe eine<lb/> ſeltene: aber aus Erfahrung weiß man, daß die<lb/> ärztlichen Epigonen, insbeſondere <hi rendition="#g">des jüdiſchen<lb/> Stammes,</hi> zum Zwecke des Erreichens eines noch<lb/> ſo minimalen Fixums, ſo und ähnlich thun, ja ſelbſt<lb/> weniger anſtändiger Mittel ſich zu bedienen nicht<lb/> ſcheuen.</p><lb/> <p>Und von wo ſtammt dieſe Demoraliſation des<lb/> gegenwärtigen wiſſenſchaftlichen Nachwuchſes?! Das<lb/> Beiſpiel der Herren Profeſſoren an der Wiener<lb/> Univerſität und deren Aſſiſtenten bleibt nicht ohne Ein-<lb/> fluß auf die ihrer Obhut anvertrauten Studirenden.</p><lb/> <p>Was ſehen zum Beiſpiele die jungen Mediciner<lb/> an der Mehrheit ihrer Lehrer in den praktiſchen<lb/> Fäch<supplied>e</supplied>rn? Nicht den rein idealen Drang nach Wiſſen,<lb/> ſowie es vor Zeiten war, ſondern die nicht zu unter-<lb/> drückende Sucht nach Ruhm und einen unlöſchbaren<lb/> Durſt nach Gold. Mit Recht kann man <hi rendition="#g">„das goldene<lb/> Kalb“ als Zeichen und Enblem</hi> auf das<lb/> Gebäude <hi rendition="#g">der mediciniſchen Facultät</hi><lb/> ſtellen. Dann darf man ſich aber allerdings auch nicht<lb/> wundern, daß der junge Mann in die Praxis tretend,<lb/> wo ihm dann der harte Exiſtenzkampf entgegentritt,<lb/> ſich aller ſeiner Ideale entäußert um dem Ideale ſeiner<lb/> Lehrer nachahmt, die ihn in der Regel ſehr wenig<lb/> gelernt. Dieſes Geſchäft — die Studirenden ſelbſt zu<lb/> unterrichten — überläßt die Mehrheit der Herren<lb/> Profeſſoren ihren Aſſiſtenten und trachtet nur mit aller<lb/> Macht die „goldene“ Praxis zu erlangen. Letztere<lb/> Situationen haben die Söhne ſehr reicher Eltern,<lb/> hoher Beamten und in erſter Linie die Söhne der<lb/> Herren Profeſſoren ſelbſt. Das ſind Männer, für die<lb/> Erlangung des Katheders im Vorhinein beſtimmt.<lb/> Man ſieht in Wien ſehr ſelten, daß es einem Manne<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2/0002]
Wien, Dienſtag Reichspoſt 8. Jänner 1895 6
Ein Interview bei Dr. Laurenz Müllner.
Rector Dr. Laurenz Müllner hat ſich geſtern einem
Redacteur der „Neuen Freien Preſſe“ zur Verfügung
geſtellt und nach den Mittheilungen dieſes Blattes
folgendes geſagt:
„Ich bedaure es tief, daß von Seite der katholiſchen
Kirche nicht ſchon längſt gegen dieſes grelle Unweſen Stel-
lung genommen wurde. Hier hätten manche Bi-
ſchöfe Gelegenheit gehabt, ihre wahrhaft
chriſtliche Geſinnung zu bethätigen. Ich habe“
— fuhr Prof. Müllner — „wiewohl ich mich niemals mit
Politik befaſſe, nur aus dem einfachen Grunde geſprochen,
weil ich dies nicht mehr länger anhören konnte. Traurig
genug, daß nicht ſchon früher berufene Leute den Muth
gehabt haben, ſolche Angriffe abzuwehren. Ich wußte nicht,
daß der Landtagsabgeordnete Gregorig Pfaidler von Beruf
iſt. Wie kann ſich nun, frage ich, ein Pfaidler erlauben,
an Männern der Wiſſenſchaft und an einer Univerſität
Kritik zu üben? Es war meine Pflicht, meine abweſenden
Collegen zu vertheidigen, und ich habe nur als katholiſcher
Prieſter geſprochen. In meiner Jugend hatte ich in Nikols-
burg, woſelbſt ich das Gymnaſium beſuchte, vollauf Gelegen-
heit, den Charakter der Juden konnen zu lernen. Von
dieſem Tage an habe ich mir bis heute meine treueſten
Freunde bewahrt. Und dieſe“ — fuhr der Gelehrte in er-
regtem Tone fort — „ſoll ich mir durch die Antiſemiten weg-
disputiren laſſen? Es iſt eine unbeſtrittene Thatſache,
daß gerade die Juden wie nicht ſobald ein Stamm die
Wiſſenſchaften cultiviren. Mein langjähriger Hausarzt, dem
ich meine vollſte Hochachtung und größtes Vertrauen ent-
gegenbringe, iſt Jude. Soll ich vielleicht nun ihn wegen
der Antiſemiten aufgeben? Nie und nimmermehr. Wenn
dieſe Leute der Meinung ſind, daß die deutſchnationalen
Studenten mir ihre Sympathien entziehen werden, glaube
ich nicht daran, zumal gerade die Vertreter dieſer Partei
mir nach auf meine Fürbitte gütlich erfolgter Beilegung jener
unangenehmen Vorgänge die aufrichtige Verſicherung gaben,
ſtets nach meinen Intentionen handeln zu wollen. Wenn
mir Dr. Lueger ſagt, die juridiſche Facultät ſei
im Niedergange begriffen, ſo kann ich das mit dem
Hinweiſe auf die Coryphäen daſelbſt als völlig unbegründet
zurückweiſen. Wo es ſich um die Wiſſenſchaft handelt, ſoll
jede Frage nach Nationalität und Confeſſion ausgeſchloſſen
ſein. Sie werden ſich in meinem Werke „Ueber Kunſt und
Literatur“, das in wenigen Wochen erſcheint, davon über-
zeugen können, wie ich in dieſer Hinſicht ſelbſt an den
Werken erklärter Atheiſten Kritik übe. Wo es ſich um
wiſſenſchaftliche Kritik handelt, kann nichts mein Urtheil
ändern. Geſtern ging ich in den Landtag, ohne zu ahnen,
daß ich ſprechen werde. Meine Rede war ganz improviſirt
Ein Erfolg würde mich nur freuen. Ich zähle mehr als
tauſend Schüler, und ich bin wohl überzeugt, daß die
meiſten mir und meinen Anſchauungen treu ergeben ſind.
Daß dieſe nun in meinem Sinne wirken und arbeiten, das
hoffe und wünſche ich ſehnlichſt, denn davon verſpreche ich
mir für die kommende Zeit viel.“
Bevor wir die einzelnen Auslaſſungen des Rectors
Müllner kritiſiren, wollen wir, vorausgeſetzt die
Richtigkeit des Wortlautes, nur dem Bedauern
Ausdruck geben, daß der Herr Rector es für paſſend
erachtete, einem jüdiſchen Journaliſten gegenüber die
ganze katholiſche Kirche und insbeſondere die Biſchöfe
der Saumſeligkeit in der Erfüllung ihrer Pflichten zu
zeihen. Wir können uns ſehr wohl denken, daß der
vielfache Weihrauch, der dem Rector von jüdiſcher
Seite geſpendet wurde, die Auszeichnung, von einem
Sueß gelobt, endlich der Vorzug, von einem „Neuen
Freien Preßjuden“ interviewt zu werden, den gelehrten
Herrn Reiter zu unbedachten Aeußerungen verleitete,
aber wir hätten nicht geglaubt, daß er ſelbſt in einem
ſolchen erhabenen Momente ſich hinreißen laſſen würde,
die Biſchöfe und die katholiſche Kirche anzu-
rempeln. Daß Juden ſeine beſten Freunde ſind, daß
ſein Hausarzt Jude iſt — ſind intime Details,
die zur Charakteriſtik das Ihre beitragen. Wenn
ferner Dr. Müllner dem Landtagsabgeordneten Gre-
gorig den „Pfaidler“ vorwirft, ſo möge er bedenken,
daß das nicht nur eine Beleidigung des geſammten
chriſtlichen Gewerbeſtandes iſt, ſondern auch nach
jener Eigenſchaft ſchmeckt, die man in der Moral als
geiſtigen Hochmuth bezeichnet. Der Herr Profeſſor
möge ferner bedenken, ad vocem „Pfaidler“ daß
Jeſus Chriſtus die Apoſtel und Jünger nicht aus den
Kreiſen der Phariſäer und Schriftgelehrten entnahm,
ſondern aus den Reihen des Handwerks. Ebenſo gut
wie Petrus ein Fiſcher war und Paulus ein Teppich-
wirker, hätten ſie auch — Pfaidler ſein können. Und
haben Petrus und Paulus ſich geſcheut den Gelehrten
und Phariſäern entgegenzutreten? Was aber das Lob
des Profeſſors Sueß betrifft, ſo erinnern wir den
Profeſſor Müllner an eine Rede ebendesſelben Herrn,
worin er dem Profeſſor Maaßen das Wort zurief:
„Kork ſchwimmt.“ Wir erinnern ferner Rector
Müllner an eine Rede des Profeſſors Sueß, worin
er folgenden Paſſus mit ſeinem gewohnten hohlen
Pathos drechſelte:
„Es ſind zwei Strömungen, welche das geiſtige Leben
der ganzen Menſchheit beherrſchen. Die eine Strömung
beginnt mit den dogmatifirenden Concilien von Nicäa und
Epheſus zur Zulaſſung der Verehrung der Heiligen, dann
zum Tridentiner Concil und gelangt endlich nach Jahr-
bunderten, fort und fort Brücken ſchlagend, von der niederen
Menſchheit zum erhabenen Gottesbegriffe dahin, daß ſie
einer ſterblichen Creatur göttliche Eigenſchaften beilegt, ein
Schritt, über welchen hinaus ein weiterer kaum mehr
möglich iſt. Die zweite Richtung beginnt mit den großen
Seefahrern des fünfzehnten und ſechzehnten Jahrhunderts.
An ſie ſchließen ſich die Entdeckung von der wahren Geſtalt
der Erde, von der Bewegung der Himmelskörper. Das
genauere Verſtändniß des Firmaments und fortſchreitend
von Schritt zu Schritt führt ſie endlich zu einer freieren,
nie gekannten Beherrſchung der Naturkräfte. Wo dann der
letzte Schritt iſt, das weiß kein Sterblicher. Welcher dieſer
beiden Richtungen die Zukunft gehört, darüber herrſcht
auch unter unſeren Gegnern kein Zweifel.“
Nun macht ſich freilich Rector Müllner nichts
daraus, ob es ſich um Atheiſten oder Gläubige, um
Juden oder Chriſten handelt, in der Wiſſenſchaft gilt
ihm dies gleich! Aber iſt das auch ein richtiger
Grundſatz? Was haben wir doch immer von katho-
liſcher Wiſſenſchaft gehört? Was ſoll dann das
Streben nach katholiſchen Lehrkanzeln, nach
einer katholiſchen Univerſität? Wozu der
Univerſitätsverein und die vielen Reden und Spenden
und Verſammlungen zu dieſem erhabenen Zwecke?
Wenn es in der „Wiſſenſchaft“ diesbezüglich keinen
Unterſchied gäbe, wenn es ſich gleich bliebe, ob Chriſten
oder Juden unterrichten, wozu der katholiſche Schul-
verein, wozu die katholiſchen Lehrerſeminare, wozu
endlich der Ruf nach der confeſſionellen Schule?
Freilich ſollten wir uns über Rector Müllner
nicht verwundern. War es denn nicht unter ſeinem
Rectorate, daß gerade die katholiſchen Stu-
dentenverbindungen über Zurückſetzungen klagen mußten?
War es denn nicht gerade bei ſeiner Inauguration,
daß den katholiſchen Studentenverbindungen die Plätze
nicht glauben und er lief zum „Modehund“ hin, ihm
einen guten Morgen wünſchend.
Ami betrachtete Dackel und wollte, ihn ignorirend,
weitergehen, als er plötzlich ſtehen blieb und ihm
einen Antrag machte: „Du Dackel, Du biſt einer von
denen, die ich noch ein wenig achte. Wie wär’s, wenn
wir, das Beiſpiel der Menſchen nachahmend, eine
Coalition bildeten. Der Sohn meiner Gnädigen iſt
Mitglied der großen ſegensreichen Coa-
lition — und erzählt immer, wie gut das iſt;
könnten wir, Du, ich und die Bankiersflora nicht auch
eine anſtandserhaltende Coalition bilden?“ Dackel war
wohl erſtaunt, dann hub er ins Lachen an und fragte:
„Ja Ami, biſt Du wirklich vom Hochmuthsteufel be-
ſeſſen? Müſſen denn wir alle die Dummheiten nach-
machen — die unſere Herren uns vormachen? Bleib
nur allein, mir iſt unſere Hundsgeſellſchaft noch immer
gut genug.“ Damit war er fort.
Nun kam die ſemmelfarbige Miß langſam ge-
gangen, auch ſie war ſich ihrer beſonderen Würde be-
wußt, war doch ihre geſtickte Schabracke nach demſelben
Journal gefertigt, nach dem Fräulein Elly, das Töch-
terlein ihres Herrn, die Toiletten machen läßt.
Miß muſterte die Geſellſchaft und da ſie lauter
uncultivirten Plebs ſah, ſo ging ſie zu Ami hin, ihn
mit folgenden Worten anredend: „Guten Morgen,
Herr Ami ſchon auf?“ — Ami warf einen Blick auf
die Sprecherin, und als er ſah, daß ihre Schabracke
nach Fig. 418 der letzten Nummer der „Wiener Mode“
gemacht ſei, verzog er ſein Geſicht zu einem freund-
lichen Lächeln, erwiederte den Gruß und ſagte: „Ja,
liebe Miß, jetzt wird es unſereinem ſo bald unmöglich
ſein, daher zu kommen, es ſind ja nur mehr ſo rohe
Hunde da, die man gar nicht auf den Burgplatz herein-
laſſen ſollte. Wenn nichts geſchieht, ſo muß uns
geſtattet werden, daß wir uns im Volks-
garten verſammeln, denn hier iſt man ja
allen möglichen Inſulten ausgeſetzt. — „Da haben
Sie recht“, entgegnete Miß. Wir müſſen trachten,
daß wir unter uns ſein können. Ich glaube, der
kleine Philax wird doch noch zu uns kommen, ſein
Herr iſt ja Redacteur bei der Wiener Mode, das die
großartige Idee gehabt auch unſer zu gedenken.“
Währenddem iſt Dackel zurückgekehrt zu ſeiner Ge-
ſellſchaft die durch den Pudel des Herrn Profeſſor X.
„Caro“ Zuwachs erhalten hat. Es wird ſoeben
fleißig darüber berathen was der Grund des Pintſch-
Stolzes ſei. Caro erklärte der Geſellſchaft: Eine
Zeitung bringt jetzt neben den Moden für Frauen und
Kinder auch ſolche für Hunde. Ja, ſoviel ich von
meinem Profeſſor gehört habe, ſoll in der nächſten
Nummer ſogar eine Anleitung darinnen ſein, wie die
Windeln für die jungen Hund’ g’ſtickt ſein ſollen.“
Schipsl war überraſcht von dieſer epochalen Aner-
kennung, die von Seiten einiger gefühlvoller
Redacteure, dem Geſchlechte der Hunde gewidmet
wurde, nur fürchtete er im Geheimen, daß die Wiener
Hunde-Mode, bald von der Pariſer Hunde-Mode
überflügelt wird, und war neugierig, ob der Philax,
deſſen Herr ja Redacteur bei dem thierfreundlichen
Modeblatt iſt, bereits nach der neueſten Mode ge-
kleidet kommen wird. Nur Caro lächelte, er
und ſein Herr ſind ja conſervativ, ſie kümmern
ſich nicht um die Mode; wenn der Sommer
kommt denkt ſich Caro, dann hab’ ich ſchon meine
Modiſtin — die Pudelſchererin bei der Ferdinands-
brücke. Nun ſtürmte im Galopp Philax heran.
Aber ohne Mode-Schabracke. „Ja,“ riefen ihm die
andern entgegen, „Du der Du der erſte in der Mode
ſein ſollſt, Du kommſt ſo daher? Was iſt denn
das?“
„Ach, hörr’s mir auf mit die Dummheiten!“ be-
gann Philax. „Die Tochter von meinem Herrn, die
hat geſtern ihren Papa, den Redacteur von der Mode-
zeitung, bitt’, ob ſie mir eine ſchöne Decken machen
darf. — „Ja,“ hat der g’ſchrien, „freilich, wir werden
alle Dummheiten mitmachen.“
„Hm“ brummte Caro ruhig vor ſich hin — „ich
bin nur ein Hund — aber ſo a Idee, uns nach der
Mod’ anziag’n — das is — mindeſtens a große —
Geſchmackloſigkeit!“
Humohr.
verſtellt waren? Und haben dieſelben bei dem geiſt-
lichen Rector jenen Schutz gefunden, den ſie gerechter-
weiſe erwarten konnten?
Selbſt das „Grazer Volksblatt“ läßt es unent-
ſchieden, ob Dr. Müllner in ſeiner Vertheidigung der
Juden nicht doch zu weit gegangen ſei, während das
„Vaterland“ ſich faſt uneingeſchränkt zu Gunſten Dr.
Müllner’s ausſpricht. In den diesbezüglichen Ausfüh-
rungen kommt das „Vaterland“ auch auf den allge-
meinen katholiſchen Geiſt zu ſprechen. Das „Vater-
land“ ſagt und wir citiren, ohni zu antworten:
Schließlich noch eins: es wurde darauf hingewieſen,
„wie die Kirchen vor zehn Jahren ausgeſehen haben“,
heute ſeien ſie „wieder voll“. Das iſt, mit Verlaub, eine
arge Uebertreibung. Die Kirchen waren vor zehn und auch
vor zwanzig Jahren ebenſo voll wie heute; wer das in
Abrede ſtellt, iſt eben vor zehn und zwanzig Jahren — in
keine Kirche gegangen. Prediger von Ruf fanden damals
nicht geringeren Zulauf als heute; als die beiden PP.
Klinkowſtröm predigten, wurde die Univeriitätskirche ſozu-
ſagen geſtürmt, man denke dann an P. Hünner, an P.
Rohmann S. J., P. Petrus Bremer bei den Dominicanern,
P. Rudolf bei den Franciscanern, Mgr. Wieſinger bei
St. Peter, Cooperator Steiner bei St. Auguſtin, man denke
an die bei den verſchiedenen kirchlichen Andachten allſonn-
täglich und ſelbſt an Wochentagen ſtets vollgefüllten Kirchen
der Redemptoriſten und Lazariſten ꝛc. Miſſionen wurden
damals mit derſelben Frequenz und demſelben Erfolg ab-
gehalten wie heute — freilich, zu Demonſtrationen wurden
ſie nicht gebraucht. Wir ſchließen mit einer Mahnung an
die ſtürmiſchen Vorkämpfer des Katholicismus, gegen die ſie
vielleicht nichts einzuwenden haben werden, ſteht ſie doch in
der heiligen Schrift: Non in commotione Dominus.
Das Judenthum an der Wiener Univerſitat.
Vor einiger Zeit, alſo wo man keine Ahnung
von den Vorgängen haben konnte, die ſich in dem
niederöſterreichiſchen Landtage zwiſchen dem Rector der
Wiener Univerſität und den Abgeordneten Lueger
und Gregorig abſpielen werden und die die
liberale Preſſe in ihrem Sinne auszubeuten verſteht,
erſchien aus den Prager mediciniſchen Kreiſen ein
Artikel über die Wiener Univerſität in den „Narodni
Liſty“, der umſo bemerkenswerther iſt, als das citirte
Blatt durchaus keinen Anſpruch an antiſemitiſche Ge-
ſinnung erheben kann. Der Artikel lautet: Ber-
liner-jüdiſcher Geiſt beherrſcht
gegenwärtig dieſe, in früheren Jahren über
alle Niedrigkeit erhabene Burg der Wiſſenſchaft; die
idealen Geſtalten wie Rokytansky, Skoda und Andere
ſind verſchwunden und in die, der reinen Wiſſenſchaft
geweihten Räume, haben ſich Verehrer des
goldenen Kalbes eingeſchlichen.
Die ehrwürdige »alma mater« wurde in eine
moderne wiſſenſchaftliche Börſe
umgewandelt, was namentlich von der Facultät, ge-
weiht dem humanſten Wiſſen — der Me-
dicin, gilt.
Unter den Lehrern der mediciniſchen Facultät ſehen
wir gerade jene Männer hauptſächlich, die ein Ein-
kommen der Millionäre beſitzen (Thatſache iſt, daß
einige Profeſſoren dieſer Facultät jährlich über weit
100.000 Gulden „verdienen“!), lebend im Ueberfluß
in fürſtlichen Wohnungen mit Lakaien ꝛc.
Damit die Analogie der Börſe eine
vollſtändige iſt, ſehen wir in Wien neben dieſen medi-
ciniſchen Rothſchilds beklagenswerth: Galopins,
welche in Wien eine ärztliche Viſite um 30 Kreuzer
abſtatten und welche, wenn z. B. bei irgend einer
Krankencaſſe die Stelle eines Arztes ausgeſchrieben
iſt, hinter jedem Schneidergehilfen rennen, um ihn um
deſſen Stimme ergebenſt zu bitten. Dieſe wider-
wärtigen Erſcheinung iſt bei den jungen Männern, die
den Doctortitel erreichen und auf dieſe Art die Würde
ihres Berufes herabſetzen, glücklicher Weiſe eine
ſeltene: aber aus Erfahrung weiß man, daß die
ärztlichen Epigonen, insbeſondere des jüdiſchen
Stammes, zum Zwecke des Erreichens eines noch
ſo minimalen Fixums, ſo und ähnlich thun, ja ſelbſt
weniger anſtändiger Mittel ſich zu bedienen nicht
ſcheuen.
Und von wo ſtammt dieſe Demoraliſation des
gegenwärtigen wiſſenſchaftlichen Nachwuchſes?! Das
Beiſpiel der Herren Profeſſoren an der Wiener
Univerſität und deren Aſſiſtenten bleibt nicht ohne Ein-
fluß auf die ihrer Obhut anvertrauten Studirenden.
Was ſehen zum Beiſpiele die jungen Mediciner
an der Mehrheit ihrer Lehrer in den praktiſchen
Fächern? Nicht den rein idealen Drang nach Wiſſen,
ſowie es vor Zeiten war, ſondern die nicht zu unter-
drückende Sucht nach Ruhm und einen unlöſchbaren
Durſt nach Gold. Mit Recht kann man „das goldene
Kalb“ als Zeichen und Enblem auf das
Gebäude der mediciniſchen Facultät
ſtellen. Dann darf man ſich aber allerdings auch nicht
wundern, daß der junge Mann in die Praxis tretend,
wo ihm dann der harte Exiſtenzkampf entgegentritt,
ſich aller ſeiner Ideale entäußert um dem Ideale ſeiner
Lehrer nachahmt, die ihn in der Regel ſehr wenig
gelernt. Dieſes Geſchäft — die Studirenden ſelbſt zu
unterrichten — überläßt die Mehrheit der Herren
Profeſſoren ihren Aſſiſtenten und trachtet nur mit aller
Macht die „goldene“ Praxis zu erlangen. Letztere
Situationen haben die Söhne ſehr reicher Eltern,
hoher Beamten und in erſter Linie die Söhne der
Herren Profeſſoren ſelbſt. Das ſind Männer, für die
Erlangung des Katheders im Vorhinein beſtimmt.
Man ſieht in Wien ſehr ſelten, daß es einem Manne
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