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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Dritter Jahrgang, Nr. 117. Leipzig (Sachsen), 29. März 1855.

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[Beginn Spaltensatz] erschüttern und auf solche Art Friedrich's Auslieferung
zu bewirken suchen.

Einst fanden sich an dem Hofe zu Heidelberg zwei
fremde Ritter in kostbarem Schmuck und seltenem
Glanze ein. Ludwig nahm sie gastlich auf, gebot, sie
auf alle Weise zu ehren und lud sie ein, länger bei
ihm zu verweilen. Die Auffoderung wurde angenom-
men; die Ritter blieben und wußten sich des Fürsten
Wohlwollen in einem solchen Grade zu erwerben, daß
ihnen zu Ehren Feste und allerlei Lustbarkeiten ange-
stellt wurden. Friedrich aber nahm wenig Antheil an
diesen festlichen Gelagen, denn er widmete seine Zeit
lieber der Erfüllung seiner Regentenpflichten oder den
Wissenschaften. Ueberhaupt kümmerte er sich wenig
um diese Fremden, begegnete ihnen zwar höflich, aber
liebte und fürchtete sie nicht. Viel genauer dagegen
wurden ihre Schritte von seinem treuen Freunde und
Rathgeber Mathias beobachtet, der ihnen von Anfang
an als Unbekannten wenig traute. Er bewachte mit
spähendem Auge ihr Benehmen und bemerkte bald eine
auffallende Vertraulichkeit zwischen ihnen und der Grä-
fin von Lüzelstein, mit welcher sie viel Geheimes zu
reden hatten. Noch mehr, er entdeckte, daß Ludwig's
Beichtvater, der böser Ränke wegen in dem Kloster am
Fuße des Burgbergs eingesperrt war, in der Nacht
sein Gefängniß verließ, sich mit den beiden Rittern un-
terredete und im Freien mit ihnen herumwandelte.
Dies Alles verhieß nichts Gutes; er warnte daher sei-
nen arglosen Gebieter und beredete ihn, zwei Männer
von erprobter Treue, die tapfern Ritter von Gemmin-
gen und von Geisigheim zu steten Begleitern zu wäh-
len, um durch sie vor Ueberraschung und Hinterlist ge-
sichert zu sein.

Der Plan der Feme war inzwischen zur Reife ge-
diehen; man war über Alles einig, alle Anstalten wa-
ren getroffen. Eine finstere Nacht war zur Ausfüh-
rung festgesetzt. Man wartete, bis sämmtliche Bewoh-
ner des Schlosses in festem Schlafe lagen. Niemand
ahnte Böses; auch Ludwig lag, sanfter Ruhe hinge-
geben, einsam in seinem Schlafzimmer, das von dem
matten Scheine nur einer Kerze schwach erhellt wurde.
Als aber die zwölfte Stunde schlug, da ließ sich ein
Rauschen und Poltern im Vorsaale hören. Die Thür
des Schlafzimmers flog auf und Gräfin Eleonore, als
Jungfrau Maria verkleidet, mit einem Heiligenscheine
um das Haupt, näherte sich dem Lager des Schlafen-
den, ihn bei seinem Namen rufend. Ludwig, der die
Stimme seiner Gemahlin zu hören glaubte, fuhr auf,
sank aber in demselben Augenblick mit einem Schrei
des Entsetzens zurück.

Fürchte dich nicht, sprach die Betrügerin. Jch bin
gekommen, dich zu warnen und zu retten; die Mutter
des Ewigen bringt Segen deinem Hause und Heil dei-
ner Seele! Hierauf fing sie an, ihm seinen Bruder
als Verräther, einen Abtrünnigen der Kirche, einen
Bösewicht, der ihm nach dem Leben trachte und im
geheimen Bunde mit Geistern stehe, darzustellen.

Allein nichts von alle Dem, was die Gräfin vor-
brachte, konnte selbst aus solchem Munde Ludwig's
Glauben an Bruderliebe und Brudertreue erschüttern.
Es mußten neue Erscheinungen zu Hülfe genommen
werden, um seinen Geist vollends zu zerrütten.

Mit scharfen Worten strafte sie seinen Unglauben
und gebot dem Fürsten der Hölle, den sie selbst bei
seinem Bruder angetroffen zu haben versicherte, zu
Ludwig's Ueberzeugung vor seinen Augen zu erschei-
nen. Jn demselben Augenblicke ließ sich ein fürchter-
liches Kettengerassel im Vorzimmer hören; die Thür-
[Spaltenumbruch] flügel flogen weit auseinander wie vom Sturmwind
aufgerissen, und mit entsetzlichem Gebrüll stürzte sich
der Beichtvater, als Satan verkleidet, herein und
wälzte sich heulend zu den Füßen der Betrügerin.
Diese foderte jetzt von dem an allen Gliedern zittern-
den Fürsten, daß er seinen sündenvollen Bruder der
Rache des Himmels überlassen solle; Ludwig gelobte
es und sank bewußtlos nieder.

Diesen Augenblick benutzten die Gaukler, sich un-
bemerkt zu entfernen. Statt ihrer traten zwei Ritter
in schwarzer Rüstung, mit blinkenden Dolchen in der
Hand, herein, schreckten den ohnmächtigen Ludwig auf,
gaben sich als Abgeordnete der heiligen Feme zu er-
kennen und foderten von ihm die Auslieferung seines
Bruders.

Mittlerweile hatte sich der Beichtvater in seiner
Teufelslarve lauschend an das Schlafgemach des Pfalz-
grafen Friedrich geschlichen und, da er die darin herr-
schende Stille bemerkte, die Thür geöffnet. Er fand
den Arglosen in süßem Schlafe auf seinem Lager und
überließ sich schon der Freude, ihn wehrlos, wie er
war, nach wenigen Augenblicken in der Gewalt der
schwarzen Ritter zu sehen. Da rauschte es plötzlich in
einer Ecke des Zimmers, wo Gemmingen schlief. Der
Tapfere ließ sich nicht schrecken durch die satanische
Gestalt, griff nach seinem Schwerte und stürmte auf
den Beichtvater los. Vergeblich suchte dieser durch die
offene Thür zu entwischen, er hatte vollauf zu thun,
sich, so gut er konnte, seines Lebens zu wehren.
Schnell zückte er einen verborgenen Dolch und suchte
damit seinem Gegner beizukommen. Allein solche Waffen
in solchen Händen war einem Krieger, wie von Gem-
mingen, nicht fürchterlich. Er schwang sein Schwert,
hieb die Teufelsgestalt nieder, riß ihr den Dolch aus
der Hand und trennte mit einem gewaltigen Hiebe
den Kopf vom Rumpfe. Da lag nun der Elende in
seinem Blute. Jetzt erst riß von Gemmingen ihm die
Larve ab -- und erkannte den schändlichen Verräther.

Eben wankte Kurfürst Ludwig, noch ganz betäubt
von den Schreckbildern, die er gesehen hatte, in Be-
gleitung der beiden schwarzen Ritter Friedrich's Ge-
mache zu, trostlos sich in die harte Nothwendigkeit er-
gebend, ihnen den geliebten Bruder ausliefern zu
müssen. Als diese aber das Getöse in der Schlafkam-
mer des Mitregenten und das Schreien des Ritters
und des Mönchs hörten, hielten sie sich für verrathen
und rannten fliehend die Treppe hinab. Mechanisch,
mehr todt als lebendig bewegte sich Ludwig der Thür
zu. Sein Körper aber war zu schwach, die neue
Schreckensscene, die seiner hier wartete, zu ertragen;
seine Knie wankten und einem Todten gleich stürzte er
zu Boden. Friedrich, der längst schon aufgesprungen
war, und sein tapferer Freund trugen ihn zurück nach
seinem Zimmer.

Am Morgen hatte er sich indeß wieder so weit er-
holt, daß er sich des nächtlichen Vorfalls genau erin-
nerte und ihn erzählen konnte. Das ganze Bubenstück
wurde jetzt klar und der Zusammenhang war um so
leichter zu errathen, da noch in derselben Stunde die
beiden fremden Ritter sowol als auch die Gräfin von
Lüzelstein verschwunden waren.



Das Ohr des Dionysius.

Jn den Steinbrüchen unweit Syrakus auf Sicilien
zeigt man den Reisenden noch jetzt unter den zahlrei-
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] erschüttern und auf solche Art Friedrich's Auslieferung
zu bewirken suchen.

Einst fanden sich an dem Hofe zu Heidelberg zwei
fremde Ritter in kostbarem Schmuck und seltenem
Glanze ein. Ludwig nahm sie gastlich auf, gebot, sie
auf alle Weise zu ehren und lud sie ein, länger bei
ihm zu verweilen. Die Auffoderung wurde angenom-
men; die Ritter blieben und wußten sich des Fürsten
Wohlwollen in einem solchen Grade zu erwerben, daß
ihnen zu Ehren Feste und allerlei Lustbarkeiten ange-
stellt wurden. Friedrich aber nahm wenig Antheil an
diesen festlichen Gelagen, denn er widmete seine Zeit
lieber der Erfüllung seiner Regentenpflichten oder den
Wissenschaften. Ueberhaupt kümmerte er sich wenig
um diese Fremden, begegnete ihnen zwar höflich, aber
liebte und fürchtete sie nicht. Viel genauer dagegen
wurden ihre Schritte von seinem treuen Freunde und
Rathgeber Mathias beobachtet, der ihnen von Anfang
an als Unbekannten wenig traute. Er bewachte mit
spähendem Auge ihr Benehmen und bemerkte bald eine
auffallende Vertraulichkeit zwischen ihnen und der Grä-
fin von Lüzelstein, mit welcher sie viel Geheimes zu
reden hatten. Noch mehr, er entdeckte, daß Ludwig's
Beichtvater, der böser Ränke wegen in dem Kloster am
Fuße des Burgbergs eingesperrt war, in der Nacht
sein Gefängniß verließ, sich mit den beiden Rittern un-
terredete und im Freien mit ihnen herumwandelte.
Dies Alles verhieß nichts Gutes; er warnte daher sei-
nen arglosen Gebieter und beredete ihn, zwei Männer
von erprobter Treue, die tapfern Ritter von Gemmin-
gen und von Geisigheim zu steten Begleitern zu wäh-
len, um durch sie vor Ueberraschung und Hinterlist ge-
sichert zu sein.

Der Plan der Feme war inzwischen zur Reife ge-
diehen; man war über Alles einig, alle Anstalten wa-
ren getroffen. Eine finstere Nacht war zur Ausfüh-
rung festgesetzt. Man wartete, bis sämmtliche Bewoh-
ner des Schlosses in festem Schlafe lagen. Niemand
ahnte Böses; auch Ludwig lag, sanfter Ruhe hinge-
geben, einsam in seinem Schlafzimmer, das von dem
matten Scheine nur einer Kerze schwach erhellt wurde.
Als aber die zwölfte Stunde schlug, da ließ sich ein
Rauschen und Poltern im Vorsaale hören. Die Thür
des Schlafzimmers flog auf und Gräfin Eleonore, als
Jungfrau Maria verkleidet, mit einem Heiligenscheine
um das Haupt, näherte sich dem Lager des Schlafen-
den, ihn bei seinem Namen rufend. Ludwig, der die
Stimme seiner Gemahlin zu hören glaubte, fuhr auf,
sank aber in demselben Augenblick mit einem Schrei
des Entsetzens zurück.

Fürchte dich nicht, sprach die Betrügerin. Jch bin
gekommen, dich zu warnen und zu retten; die Mutter
des Ewigen bringt Segen deinem Hause und Heil dei-
ner Seele! Hierauf fing sie an, ihm seinen Bruder
als Verräther, einen Abtrünnigen der Kirche, einen
Bösewicht, der ihm nach dem Leben trachte und im
geheimen Bunde mit Geistern stehe, darzustellen.

Allein nichts von alle Dem, was die Gräfin vor-
brachte, konnte selbst aus solchem Munde Ludwig's
Glauben an Bruderliebe und Brudertreue erschüttern.
Es mußten neue Erscheinungen zu Hülfe genommen
werden, um seinen Geist vollends zu zerrütten.

Mit scharfen Worten strafte sie seinen Unglauben
und gebot dem Fürsten der Hölle, den sie selbst bei
seinem Bruder angetroffen zu haben versicherte, zu
Ludwig's Ueberzeugung vor seinen Augen zu erschei-
nen. Jn demselben Augenblicke ließ sich ein fürchter-
liches Kettengerassel im Vorzimmer hören; die Thür-
[Spaltenumbruch] flügel flogen weit auseinander wie vom Sturmwind
aufgerissen, und mit entsetzlichem Gebrüll stürzte sich
der Beichtvater, als Satan verkleidet, herein und
wälzte sich heulend zu den Füßen der Betrügerin.
Diese foderte jetzt von dem an allen Gliedern zittern-
den Fürsten, daß er seinen sündenvollen Bruder der
Rache des Himmels überlassen solle; Ludwig gelobte
es und sank bewußtlos nieder.

Diesen Augenblick benutzten die Gaukler, sich un-
bemerkt zu entfernen. Statt ihrer traten zwei Ritter
in schwarzer Rüstung, mit blinkenden Dolchen in der
Hand, herein, schreckten den ohnmächtigen Ludwig auf,
gaben sich als Abgeordnete der heiligen Feme zu er-
kennen und foderten von ihm die Auslieferung seines
Bruders.

Mittlerweile hatte sich der Beichtvater in seiner
Teufelslarve lauschend an das Schlafgemach des Pfalz-
grafen Friedrich geschlichen und, da er die darin herr-
schende Stille bemerkte, die Thür geöffnet. Er fand
den Arglosen in süßem Schlafe auf seinem Lager und
überließ sich schon der Freude, ihn wehrlos, wie er
war, nach wenigen Augenblicken in der Gewalt der
schwarzen Ritter zu sehen. Da rauschte es plötzlich in
einer Ecke des Zimmers, wo Gemmingen schlief. Der
Tapfere ließ sich nicht schrecken durch die satanische
Gestalt, griff nach seinem Schwerte und stürmte auf
den Beichtvater los. Vergeblich suchte dieser durch die
offene Thür zu entwischen, er hatte vollauf zu thun,
sich, so gut er konnte, seines Lebens zu wehren.
Schnell zückte er einen verborgenen Dolch und suchte
damit seinem Gegner beizukommen. Allein solche Waffen
in solchen Händen war einem Krieger, wie von Gem-
mingen, nicht fürchterlich. Er schwang sein Schwert,
hieb die Teufelsgestalt nieder, riß ihr den Dolch aus
der Hand und trennte mit einem gewaltigen Hiebe
den Kopf vom Rumpfe. Da lag nun der Elende in
seinem Blute. Jetzt erst riß von Gemmingen ihm die
Larve ab — und erkannte den schändlichen Verräther.

Eben wankte Kurfürst Ludwig, noch ganz betäubt
von den Schreckbildern, die er gesehen hatte, in Be-
gleitung der beiden schwarzen Ritter Friedrich's Ge-
mache zu, trostlos sich in die harte Nothwendigkeit er-
gebend, ihnen den geliebten Bruder ausliefern zu
müssen. Als diese aber das Getöse in der Schlafkam-
mer des Mitregenten und das Schreien des Ritters
und des Mönchs hörten, hielten sie sich für verrathen
und rannten fliehend die Treppe hinab. Mechanisch,
mehr todt als lebendig bewegte sich Ludwig der Thür
zu. Sein Körper aber war zu schwach, die neue
Schreckensscene, die seiner hier wartete, zu ertragen;
seine Knie wankten und einem Todten gleich stürzte er
zu Boden. Friedrich, der längst schon aufgesprungen
war, und sein tapferer Freund trugen ihn zurück nach
seinem Zimmer.

Am Morgen hatte er sich indeß wieder so weit er-
holt, daß er sich des nächtlichen Vorfalls genau erin-
nerte und ihn erzählen konnte. Das ganze Bubenstück
wurde jetzt klar und der Zusammenhang war um so
leichter zu errathen, da noch in derselben Stunde die
beiden fremden Ritter sowol als auch die Gräfin von
Lüzelstein verschwunden waren.



Das Ohr des Dionysius.

Jn den Steinbrüchen unweit Syrakus auf Sicilien
zeigt man den Reisenden noch jetzt unter den zahlrei-
[Ende Spaltensatz]

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Als diese aber das Getöse in der Schlafkam- mer des Mitregenten und das Schreien des Ritters und des Mönchs hörten, hielten sie sich für verrathen und rannten fliehend die Treppe hinab. Mechanisch, mehr todt als lebendig bewegte sich Ludwig der Thür zu. Sein Körper aber war zu schwach, die neue Schreckensscene, die seiner hier wartete, zu ertragen; seine Knie wankten und einem Todten gleich stürzte er zu Boden. Friedrich, der längst schon aufgesprungen war, und sein tapferer Freund trugen ihn zurück nach seinem Zimmer. Am Morgen hatte er sich indeß wieder so weit er- holt, daß er sich des nächtlichen Vorfalls genau erin- nerte und ihn erzählen konnte. Das ganze Bubenstück wurde jetzt klar und der Zusammenhang war um so leichter zu errathen, da noch in derselben Stunde die beiden fremden Ritter sowol als auch die Gräfin von Lüzelstein verschwunden waren. Das Ohr des Dionysius. Jn den Steinbrüchen unweit Syrakus auf Sicilien zeigt man den Reisenden noch jetzt unter den zahlrei-

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Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Dritter Jahrgang, Nr. 117. Leipzig (Sachsen), 29. März 1855, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig117_1855/6>, abgerufen am 23.11.2024.