Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Dritter Jahrgang, Nr. 117. Leipzig (Sachsen), 29. März 1855.[Beginn Spaltensatz]
Allein nicht alle Schöffen waren redliche, gerechtig- Der Kurfürst von der Pfalz, Ludwig der Fromme, [Beginn Spaltensatz] Sobald der Vater die Augen geschlossen hatte, be- Unter seine grimmigsten Feinde gehörten die Gra- So etwas zu beschließen, war zwar leicht, desto [Beginn Spaltensatz]
Allein nicht alle Schöffen waren redliche, gerechtig- Der Kurfürst von der Pfalz, Ludwig der Fromme, [Beginn Spaltensatz] Sobald der Vater die Augen geschlossen hatte, be- Unter seine grimmigsten Feinde gehörten die Gra- So etwas zu beschließen, war zwar leicht, desto <TEI> <text> <body> <div type="jArticle" n="1"> <pb facs="#f0005" n="101"/> <fw type="pageNum" place="top">101</fw> <cb type="start"/> <p>Allein nicht alle Schöffen waren redliche, gerechtig-<lb/> keitsliebende Menschen. Viele unter ihnen <gap reason="illegible" unit="chars" quantity="13"/>misbrauch-<lb/> ten ihre Gewalt zum Verderben freisinniger, edler<lb/> Männer, und anstatt die Unschuld vor Gewaltthätig-<lb/> keiten zu schützen, mordeten sie dieselbe nur allzu oft,<lb/> von Eigennutz oder Bosheit geleitet. Selbst die stärk-<lb/> sten Burgen und der unsträflichste Wandel konnten am<lb/> Ende die Edlen und Fürsten nicht vor dem Untergange<lb/> retten, wenn einige Bösewichter, welche mit den Wissen-<lb/> den in Verbindung standen, sich zu ihrem Verderben<lb/> verschworen hatten. Welche kühne und schändliche An-<lb/> schläge bisweilen von den Schöffen der heiligen Feme<lb/> angezettelt wurden, beweist folgende Geschichte.</p><lb/> <cb n="2"/> <p>Der Kurfürst von der Pfalz, Ludwig der Fromme,<lb/> auch der Bärtige genannt, von einem großen Barte,<lb/> den er von seinem Zuge in das Heilige Land mitge-<lb/> bracht hatte, war der Vater zweier hoffnungsvoller<lb/> Söhne, Ludwig und Friedrich. Beide Prinzen wur-<lb/> den in Allem, was junge Fürsten schmückt, von ihrem<lb/> treuen Lehrer, Mathias von Kement, auf das beste<lb/> unterrichtet; auf beiden Brüdern ruhte aber ein ganz<lb/> verschiedener Geist, denn Ludwig zeigte einen mil-<lb/> den, stillen Charakter und vielen religiösen Sinn;<lb/> in Friedrich hingegen brauste ein heftiges Feuer und<lb/> ein Kraftgefühl, das ihn zu großen Thaten ent-<lb/> flammte.</p> <cb type="end"/> <figure> <head> Femgericht. </head> </figure><lb/> <cb type="start"/> <p>Sobald der Vater die Augen geschlossen hatte, be-<lb/> stieg Ludwig, als der Erstgeborene, den Thron seiner<lb/> Vorfahren, nahm aber, wohl fühlend, daß ihm die<lb/> Regenteneigenschaften fehlten, die Friedrich in einem so<lb/> vorzüglichen Grade besaß, seinen Bruder zum Mit-<lb/> regenten an. Er hatte es nicht zu bereuen, denn der<lb/> kraftvollere Friedrich führte mit fester Hand die Zügel<lb/> der Regierung, war ein mächtiger Beschirmer des<lb/> Rechts, bändigte die mächtigsten Vasallen, die auf<lb/> Kosten des Volks in Prunk und Ueppigkeit zu leben<lb/> suchten, und wurde bald ebenso sehr gefürchtet als ge-<lb/> liebt. Je mehr er sich nämlich die Achtung und das<lb/> Vertrauen des Bürgers und des gemeinen Mannes<lb/> erwarb, desto unversöhnlicher entbrannte gegen ihn der<lb/> Haß des Adels, der kein anderes Gesetz als das Recht<lb/> des Stärkern anerkennen wollte.</p><lb/> <p>Unter seine grimmigsten Feinde gehörten die Gra-<lb/> fen Wilhelm und Jakob von Lüzelstein. Jhre Schwe-<lb/> ster Leonore war Gesellschaftsdame am kurfürstlichen<lb/> Hofe, sie selbst aber waren Lehnsleute der Fürsten;<lb/> gleichwol erfrechten sie sich, ihre Herren zu befehden.<lb/><cb n="2"/> Pfalzgraf Friedrich aber verließ seine Burg zu Heidel-<lb/> berg, zog gegen sie aus mit seinen Reisigen, schlug<lb/> ihre Söldner und demüthigte die Anführer. Dar-<lb/> auf schwuren diese ihm fürchterliche Rache, und da sie<lb/> Mitglieder der heiligen Feme waren, so klagten sie ihn<lb/> bei dem heimlichen Gerichte der Unzucht und mancher-<lb/> lei Unbilden gegen die Edlen des Landes an. Sie be-<lb/> schuldigten ihn sogar der Zauberei und gaben vor, er<lb/> stehe im Bunde mit bösen Geistern, die seine Waffen<lb/> vergifteten und ihm seine Siege erkämpften. Jhre Lü-<lb/> gen fanden Eingang, denn die Ritter standen als tapfere<lb/> Männer in großem Ansehen bei der heiligen Feme, die<lb/> sogleich den Beschluß faßte, den Pfalzgrafen nach ihren<lb/> Gebräuchen zu richten.</p><lb/> <p>So etwas zu beschließen, war zwar leicht, desto<lb/> schwieriger aber schien die Ausführung, denn Friedrich<lb/> war beständig von einer getreuen Ritterschaft umgeben.<lb/> Es wurde daher der teuflische Plan entworfen, den<lb/> einen Bruder durch den andern zu verderben. Man<lb/> wollte nämlich durch allerlei Drohungen und schreckende<lb/> Blendwerke Ludwig's sanften und schwachen Geist zu<lb/><cb type="end"/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [101/0005]
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Allein nicht alle Schöffen waren redliche, gerechtig-
keitsliebende Menschen. Viele unter ihnen _____________misbrauch-
ten ihre Gewalt zum Verderben freisinniger, edler
Männer, und anstatt die Unschuld vor Gewaltthätig-
keiten zu schützen, mordeten sie dieselbe nur allzu oft,
von Eigennutz oder Bosheit geleitet. Selbst die stärk-
sten Burgen und der unsträflichste Wandel konnten am
Ende die Edlen und Fürsten nicht vor dem Untergange
retten, wenn einige Bösewichter, welche mit den Wissen-
den in Verbindung standen, sich zu ihrem Verderben
verschworen hatten. Welche kühne und schändliche An-
schläge bisweilen von den Schöffen der heiligen Feme
angezettelt wurden, beweist folgende Geschichte.
Der Kurfürst von der Pfalz, Ludwig der Fromme,
auch der Bärtige genannt, von einem großen Barte,
den er von seinem Zuge in das Heilige Land mitge-
bracht hatte, war der Vater zweier hoffnungsvoller
Söhne, Ludwig und Friedrich. Beide Prinzen wur-
den in Allem, was junge Fürsten schmückt, von ihrem
treuen Lehrer, Mathias von Kement, auf das beste
unterrichtet; auf beiden Brüdern ruhte aber ein ganz
verschiedener Geist, denn Ludwig zeigte einen mil-
den, stillen Charakter und vielen religiösen Sinn;
in Friedrich hingegen brauste ein heftiges Feuer und
ein Kraftgefühl, das ihn zu großen Thaten ent-
flammte.
[Abbildung Femgericht. ]
Sobald der Vater die Augen geschlossen hatte, be-
stieg Ludwig, als der Erstgeborene, den Thron seiner
Vorfahren, nahm aber, wohl fühlend, daß ihm die
Regenteneigenschaften fehlten, die Friedrich in einem so
vorzüglichen Grade besaß, seinen Bruder zum Mit-
regenten an. Er hatte es nicht zu bereuen, denn der
kraftvollere Friedrich führte mit fester Hand die Zügel
der Regierung, war ein mächtiger Beschirmer des
Rechts, bändigte die mächtigsten Vasallen, die auf
Kosten des Volks in Prunk und Ueppigkeit zu leben
suchten, und wurde bald ebenso sehr gefürchtet als ge-
liebt. Je mehr er sich nämlich die Achtung und das
Vertrauen des Bürgers und des gemeinen Mannes
erwarb, desto unversöhnlicher entbrannte gegen ihn der
Haß des Adels, der kein anderes Gesetz als das Recht
des Stärkern anerkennen wollte.
Unter seine grimmigsten Feinde gehörten die Gra-
fen Wilhelm und Jakob von Lüzelstein. Jhre Schwe-
ster Leonore war Gesellschaftsdame am kurfürstlichen
Hofe, sie selbst aber waren Lehnsleute der Fürsten;
gleichwol erfrechten sie sich, ihre Herren zu befehden.
Pfalzgraf Friedrich aber verließ seine Burg zu Heidel-
berg, zog gegen sie aus mit seinen Reisigen, schlug
ihre Söldner und demüthigte die Anführer. Dar-
auf schwuren diese ihm fürchterliche Rache, und da sie
Mitglieder der heiligen Feme waren, so klagten sie ihn
bei dem heimlichen Gerichte der Unzucht und mancher-
lei Unbilden gegen die Edlen des Landes an. Sie be-
schuldigten ihn sogar der Zauberei und gaben vor, er
stehe im Bunde mit bösen Geistern, die seine Waffen
vergifteten und ihm seine Siege erkämpften. Jhre Lü-
gen fanden Eingang, denn die Ritter standen als tapfere
Männer in großem Ansehen bei der heiligen Feme, die
sogleich den Beschluß faßte, den Pfalzgrafen nach ihren
Gebräuchen zu richten.
So etwas zu beschließen, war zwar leicht, desto
schwieriger aber schien die Ausführung, denn Friedrich
war beständig von einer getreuen Ritterschaft umgeben.
Es wurde daher der teuflische Plan entworfen, den
einen Bruder durch den andern zu verderben. Man
wollte nämlich durch allerlei Drohungen und schreckende
Blendwerke Ludwig's sanften und schwachen Geist zu
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