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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 100. Leipzig (Sachsen), 30. November 1854.

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Mannichfaltiges.
[Beginn Spaltensatz]

Patio heißt in spanischen Häusern größerer Städte der
viereckige Hof, den das Haus in seiner Mitte umschließt
und der als Wohngemach, oft sogar als Prunkgemach be-
handelt wird. Da steht ein Brunnen, ein Springbrunnen,
und vereinzelt oder einem Garten gleich in Beete gesammelt,
Blumen, Gesträuch und Bäume, und zwischen Laub und
Blumen flattern die zahmen Tauben und nippen, auf dem
Rande gaukelnd, aus dem Becken des Brunnens oder baden
in dessen Strahle den beweglichen Hals. Zu allen vier Sei-
ten des Patios laufen unten und oben Bogengänge, auf
welche sich das Haus mit Thüren öffnet, Thüren, die zu-
gleich den Zimmern dahinter als Fenster dienen; es mehrt
die Kühlung, die schon der springende Brunnen unterhält,
und bringt die Luft in erfrischende Bewegung, daß zwischen
den Pfeilern der Halle leichte Teppiche oder aus Reisstroh
geflochtene Decken herniederhangen, und daß sonst Alles von
Stein und der Stein zumeist ein heller Marmor ist und
selbst die Wege zwischen den Beeten mit Marmor belegt
sind. Gartenhöfe der Art mit Galerien hat in Andalusien,
hat namentlich in Sevilla jedes bessere Wohnhaus, wie schon
der Alcazar sie hat und in Granada die Alhambra. Dahin
zieht der Andalusier für die Tage seines langen Sommers;
geschlossene Räume werden dann beinahe nur noch für den
Schlaf gesucht. Alte verdunkelte Gemälde an den Wänden
der Bogengänge, vielleicht auch Steinbilder in den Ecken
des Hoss sind schon immer da: jetzt bringt er auch noch die
unentbehrlichen Wohngeräthe mit, und darin kann der Spa-
nier überall sehr viel entbehren; der taglange Aufenthalt
aber auf steinernem Boden schreckt Den nicht ab, der auch
in den Zimmern kaum einen andern und wärmern als die-
sen kennt. Und mag man vor der gestiegenen Sonne nicht
hinter die Schatten der Vorhänge flüchten, will man auch
einem seltenen Regen zum Trotz im Freien und im Grünen
bleiben, so schirmt eine größere Decke, die man über den
ganzen Raum hin spannt. Freilich kann alles Das in sei-
nem rechten Genusse nur da bestehen, wo ein Haus von
einer Familie allein bewohnt wird, und so wird es auch in
der eigentlichen Stadt fast durchweg gehalten. Häuser, die
miethweis mehren Familien zugleich Obdach gewähren, fin-
den sich fast nur in den ärmern und ärmlich gebauten Vor-
städten.



Blutrothe Soldaten. Der Schwede Andersson fand
bei seiner Reise um die Erde den Dictator Rosas in Buenos-
Ayres noch im Besitz der Allgewalt; wenige Monate nachher
verlor er sie, denn Urquiza stand damals mit seinem Heere
schon in der Nähe. Der Reisende erzählt: "Man kann sich
kaum etwas Wilderes und Schreckeneinflößenderes vorstellen,
als diese Soldaten, sowol hinsichtlich ihrer Bekleidung, wie
ihres Aussehens. Auf dem Kopfe haben sie eine wunderlich
zusammengebundene Mütze, die wie ein Shawl mit einge-
[Spaltenumbruch] steckten Zipfeln aussieht; über den Achseln trägt der Eine
ein rothes Wams, der Andere einen rothen zerlumpten Pancho
und um die Beine ein Stück Zeug mit vorn und hinten nie-
derhangenden Enden, das die Hüften wie in einen Sack ein-
hüllt, und worin es die armen Beine sehr unbequem zu
haben scheinen. Und nun die Physiognomien! Bald Neger
mit dicken Lippen und flachgedrückten Nasen, bald Gauchos
mit verworrenem schwarzen Haar, brauner Haut, krummen
Nasen und funkelnden Augen, das Ganze eingefaßt mit einem
struppigen Kinn= und gewaltigen Knebelbarte. Ein einzel-
nes Exemplar von diesen Soldaten zu sehen könnte charak-
teristisch genug sein, aber in einem Trupp Jünglinge und
Greise, Große und Kleine, Ganze und Zerrissene, durchein-
ander gemischt zu finden, das stellt das Bild einer Räuber-
bande dar, die nach Blut und Geldbeutel dürstet."



Kukuk, als Spitzname. Ein schwäbischer Schwank.
Die Leute von Haiterbach, einem alten Städtchen im Ober-
amte Nagold in Schwaben, sahen vor viel hundert Jahren
im Wiesthale zum ersten male einen Kukuk und erschraken
nicht wenig über diesen unbekannten Vogel. Sie schlossen
sogleich die Stadtthore und verstopften sogar mit Kraut die
untern Öffnungen der Thore, damit der Vogel doch ja nicht
in die Stadt kommen möge; denn sie fürchteten, daß er ih-
nen Unglück bringe. Sie sollen deshalb sogar eine Bet-
stunde in der Kirche gehalten und dabei ein Lied gesungen
haben, das so anfängt:

Es ist ein fremder Vogel kommen
Jn dem Wiesthal unne dran.
Kyrie Eleison!

Trotz aller Vorsicht, mit der man die Thore verrammelt
hatte, kam der Kukuk dennoch in die Stadt, indem er über
das Stadtthor flog. Seit der Zeit haben die Haiterbacher
den Zunamen "Kukuk" erhalten, hören es aber nicht gern,
wenn man sie an die Geschichte erinnert und ihnen den Na-
men zuruft.



Betharam ist ein berühmter Wallfahrtsort nicht allzu
weit von Pau, den schon Karl V. besuchte und Ludwig XI.
reich beschenkte. Noch jetzt wird Betharam von vielen Tau-
senden besucht. Die Sage läßt es also entstehen: Vor vie-
len hundert Jahren hat das ungestüme Gewässer des Gave
eine Schäferin von Lestelle in seine verderbliche Umarmung
gezogen. Jn ihrer Todesangst rief das Mädchen die Jung-
frau Maria an und alsbald neigten sich die blühenden Zweige
eines Schlehdorns über das Wasser. Die Schäferin ergriff
sie, gelangte mit ihrer Hülfe aus dem Wogenwirbel an das
Ufer und weihte ihrer himmlischen Retterin den "schönen
Zweig " ( la bet aram ) . Die Stätte, wo dies geschah, nahm
seitdem die Mutter Gottes in in ihren besondern Schutz.

[Ende Spaltensatz]

Ankündigungen.
Gutzkow's "Unterhaltungen am häuslichen Herd ".

Das erste Monatsheft ( October 1854, Band III, Nr. 1--5 ) dieses bei F. A. Brockhaus in Leip-
zig in einer großen Auflage erscheinenden deutschen Haus= und Familienbuchs, das sich in Tausenden
von Familien schon eingebürgert hat, ist soeben ausgegeben worden und in allen Buchhandlungen vorräthig.
Wöchentlich ( in Nummern ) oder monatlich ( in Heften ) zu beziehen.
Preis vierteljährlich nur 16 Ngr.



Verantwortlicher Redacteur: M. J. E. Volbeding. -- Druck und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig.


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und der als Wohngemach, oft sogar als Prunkgemach be-
handelt wird. Da steht ein Brunnen, ein Springbrunnen,
und vereinzelt oder einem Garten gleich in Beete gesammelt,
Blumen, Gesträuch und Bäume, und zwischen Laub und
Blumen flattern die zahmen Tauben und nippen, auf dem
Rande gaukelnd, aus dem Becken des Brunnens oder baden
in dessen Strahle den beweglichen Hals. Zu allen vier Sei-
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welche sich das Haus mit Thüren öffnet, Thüren, die zu-
gleich den Zimmern dahinter als Fenster dienen; es mehrt
die Kühlung, die schon der springende Brunnen unterhält,
und bringt die Luft in erfrischende Bewegung, daß zwischen
den Pfeilern der Halle leichte Teppiche oder aus Reisstroh
geflochtene Decken herniederhangen, und daß sonst Alles von
Stein und der Stein zumeist ein heller Marmor ist und
selbst die Wege zwischen den Beeten mit Marmor belegt
sind. Gartenhöfe der Art mit Galerien hat in Andalusien,
hat namentlich in Sevilla jedes bessere Wohnhaus, wie schon
der Alcazar sie hat und in Granada die Alhambra. Dahin
zieht der Andalusier für die Tage seines langen Sommers;
geschlossene Räume werden dann beinahe nur noch für den
Schlaf gesucht. Alte verdunkelte Gemälde an den Wänden
der Bogengänge, vielleicht auch Steinbilder in den Ecken
des Hoss sind schon immer da: jetzt bringt er auch noch die
unentbehrlichen Wohngeräthe mit, und darin kann der Spa-
nier überall sehr viel entbehren; der taglange Aufenthalt
aber auf steinernem Boden schreckt Den nicht ab, der auch
in den Zimmern kaum einen andern und wärmern als die-
sen kennt. Und mag man vor der gestiegenen Sonne nicht
hinter die Schatten der Vorhänge flüchten, will man auch
einem seltenen Regen zum Trotz im Freien und im Grünen
bleiben, so schirmt eine größere Decke, die man über den
ganzen Raum hin spannt. Freilich kann alles Das in sei-
nem rechten Genusse nur da bestehen, wo ein Haus von
einer Familie allein bewohnt wird, und so wird es auch in
der eigentlichen Stadt fast durchweg gehalten. Häuser, die
miethweis mehren Familien zugleich Obdach gewähren, fin-
den sich fast nur in den ärmern und ärmlich gebauten Vor-
städten.



Blutrothe Soldaten. Der Schwede Andersson fand
bei seiner Reise um die Erde den Dictator Rosas in Buenos-
Ayres noch im Besitz der Allgewalt; wenige Monate nachher
verlor er sie, denn Urquiza stand damals mit seinem Heere
schon in der Nähe. Der Reisende erzählt: „Man kann sich
kaum etwas Wilderes und Schreckeneinflößenderes vorstellen,
als diese Soldaten, sowol hinsichtlich ihrer Bekleidung, wie
ihres Aussehens. Auf dem Kopfe haben sie eine wunderlich
zusammengebundene Mütze, die wie ein Shawl mit einge-
[Spaltenumbruch] steckten Zipfeln aussieht; über den Achseln trägt der Eine
ein rothes Wams, der Andere einen rothen zerlumpten Pancho
und um die Beine ein Stück Zeug mit vorn und hinten nie-
derhangenden Enden, das die Hüften wie in einen Sack ein-
hüllt, und worin es die armen Beine sehr unbequem zu
haben scheinen. Und nun die Physiognomien! Bald Neger
mit dicken Lippen und flachgedrückten Nasen, bald Gauchos
mit verworrenem schwarzen Haar, brauner Haut, krummen
Nasen und funkelnden Augen, das Ganze eingefaßt mit einem
struppigen Kinn= und gewaltigen Knebelbarte. Ein einzel-
nes Exemplar von diesen Soldaten zu sehen könnte charak-
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Greise, Große und Kleine, Ganze und Zerrissene, durchein-
ander gemischt zu finden, das stellt das Bild einer Räuber-
bande dar, die nach Blut und Geldbeutel dürstet.“



Kukuk, als Spitzname. Ein schwäbischer Schwank.
Die Leute von Haiterbach, einem alten Städtchen im Ober-
amte Nagold in Schwaben, sahen vor viel hundert Jahren
im Wiesthale zum ersten male einen Kukuk und erschraken
nicht wenig über diesen unbekannten Vogel. Sie schlossen
sogleich die Stadtthore und verstopften sogar mit Kraut die
untern Öffnungen der Thore, damit der Vogel doch ja nicht
in die Stadt kommen möge; denn sie fürchteten, daß er ih-
nen Unglück bringe. Sie sollen deshalb sogar eine Bet-
stunde in der Kirche gehalten und dabei ein Lied gesungen
haben, das so anfängt:

Es ist ein fremder Vogel kommen
Jn dem Wiesthal unne dran.
Kyrie Eleison!

Trotz aller Vorsicht, mit der man die Thore verrammelt
hatte, kam der Kukuk dennoch in die Stadt, indem er über
das Stadtthor flog. Seit der Zeit haben die Haiterbacher
den Zunamen „Kukuk“ erhalten, hören es aber nicht gern,
wenn man sie an die Geschichte erinnert und ihnen den Na-
men zuruft.



Betharam ist ein berühmter Wallfahrtsort nicht allzu
weit von Pau, den schon Karl V. besuchte und Ludwig XI.
reich beschenkte. Noch jetzt wird Betharam von vielen Tau-
senden besucht. Die Sage läßt es also entstehen: Vor vie-
len hundert Jahren hat das ungestüme Gewässer des Gave
eine Schäferin von Lestelle in seine verderbliche Umarmung
gezogen. Jn ihrer Todesangst rief das Mädchen die Jung-
frau Maria an und alsbald neigten sich die blühenden Zweige
eines Schlehdorns über das Wasser. Die Schäferin ergriff
sie, gelangte mit ihrer Hülfe aus dem Wogenwirbel an das
Ufer und weihte ihrer himmlischen Retterin den „schönen
Zweig “ ( la bet aram ) . Die Stätte, wo dies geschah, nahm
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[384/0008] 384 Mannichfaltiges. Patio heißt in spanischen Häusern größerer Städte der viereckige Hof, den das Haus in seiner Mitte umschließt und der als Wohngemach, oft sogar als Prunkgemach be- handelt wird. Da steht ein Brunnen, ein Springbrunnen, und vereinzelt oder einem Garten gleich in Beete gesammelt, Blumen, Gesträuch und Bäume, und zwischen Laub und Blumen flattern die zahmen Tauben und nippen, auf dem Rande gaukelnd, aus dem Becken des Brunnens oder baden in dessen Strahle den beweglichen Hals. Zu allen vier Sei- ten des Patios laufen unten und oben Bogengänge, auf welche sich das Haus mit Thüren öffnet, Thüren, die zu- gleich den Zimmern dahinter als Fenster dienen; es mehrt die Kühlung, die schon der springende Brunnen unterhält, und bringt die Luft in erfrischende Bewegung, daß zwischen den Pfeilern der Halle leichte Teppiche oder aus Reisstroh geflochtene Decken herniederhangen, und daß sonst Alles von Stein und der Stein zumeist ein heller Marmor ist und selbst die Wege zwischen den Beeten mit Marmor belegt sind. Gartenhöfe der Art mit Galerien hat in Andalusien, hat namentlich in Sevilla jedes bessere Wohnhaus, wie schon der Alcazar sie hat und in Granada die Alhambra. Dahin zieht der Andalusier für die Tage seines langen Sommers; geschlossene Räume werden dann beinahe nur noch für den Schlaf gesucht. Alte verdunkelte Gemälde an den Wänden der Bogengänge, vielleicht auch Steinbilder in den Ecken des Hoss sind schon immer da: jetzt bringt er auch noch die unentbehrlichen Wohngeräthe mit, und darin kann der Spa- nier überall sehr viel entbehren; der taglange Aufenthalt aber auf steinernem Boden schreckt Den nicht ab, der auch in den Zimmern kaum einen andern und wärmern als die- sen kennt. Und mag man vor der gestiegenen Sonne nicht hinter die Schatten der Vorhänge flüchten, will man auch einem seltenen Regen zum Trotz im Freien und im Grünen bleiben, so schirmt eine größere Decke, die man über den ganzen Raum hin spannt. Freilich kann alles Das in sei- nem rechten Genusse nur da bestehen, wo ein Haus von einer Familie allein bewohnt wird, und so wird es auch in der eigentlichen Stadt fast durchweg gehalten. Häuser, die miethweis mehren Familien zugleich Obdach gewähren, fin- den sich fast nur in den ärmern und ärmlich gebauten Vor- städten. Blutrothe Soldaten. 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Bald Neger mit dicken Lippen und flachgedrückten Nasen, bald Gauchos mit verworrenem schwarzen Haar, brauner Haut, krummen Nasen und funkelnden Augen, das Ganze eingefaßt mit einem struppigen Kinn= und gewaltigen Knebelbarte. Ein einzel- nes Exemplar von diesen Soldaten zu sehen könnte charak- teristisch genug sein, aber in einem Trupp Jünglinge und Greise, Große und Kleine, Ganze und Zerrissene, durchein- ander gemischt zu finden, das stellt das Bild einer Räuber- bande dar, die nach Blut und Geldbeutel dürstet.“ Kukuk, als Spitzname. Ein schwäbischer Schwank. Die Leute von Haiterbach, einem alten Städtchen im Ober- amte Nagold in Schwaben, sahen vor viel hundert Jahren im Wiesthale zum ersten male einen Kukuk und erschraken nicht wenig über diesen unbekannten Vogel. Sie schlossen sogleich die Stadtthore und verstopften sogar mit Kraut die untern Öffnungen der Thore, damit der Vogel doch ja nicht in die Stadt kommen möge; denn sie fürchteten, daß er ih- nen Unglück bringe. Sie sollen deshalb sogar eine Bet- stunde in der Kirche gehalten und dabei ein Lied gesungen haben, das so anfängt: Es ist ein fremder Vogel kommen Jn dem Wiesthal unne dran. Kyrie Eleison! Trotz aller Vorsicht, mit der man die Thore verrammelt hatte, kam der Kukuk dennoch in die Stadt, indem er über das Stadtthor flog. Seit der Zeit haben die Haiterbacher den Zunamen „Kukuk“ erhalten, hören es aber nicht gern, wenn man sie an die Geschichte erinnert und ihnen den Na- men zuruft. Betharam ist ein berühmter Wallfahrtsort nicht allzu weit von Pau, den schon Karl V. besuchte und Ludwig XI. reich beschenkte. Noch jetzt wird Betharam von vielen Tau- senden besucht. Die Sage läßt es also entstehen: Vor vie- len hundert Jahren hat das ungestüme Gewässer des Gave eine Schäferin von Lestelle in seine verderbliche Umarmung gezogen. Jn ihrer Todesangst rief das Mädchen die Jung- frau Maria an und alsbald neigten sich die blühenden Zweige eines Schlehdorns über das Wasser. Die Schäferin ergriff sie, gelangte mit ihrer Hülfe aus dem Wogenwirbel an das Ufer und weihte ihrer himmlischen Retterin den „schönen Zweig “ ( la bet aram ) . Die Stätte, wo dies geschah, nahm seitdem die Mutter Gottes in in ihren besondern Schutz. Ankündigungen. ☞ Gutzkow's „Unterhaltungen am häuslichen Herd “. Das erste Monatsheft ( October 1854, Band III, Nr. 1—5 ) dieses bei F. A. Brockhaus in Leip- zig in einer großen Auflage erscheinenden deutschen Haus= und Familienbuchs, das sich in Tausenden von Familien schon eingebürgert hat, ist soeben ausgegeben worden und in allen Buchhandlungen vorräthig. Wöchentlich ( in Nummern ) oder monatlich ( in Heften ) zu beziehen. ☞ Preis vierteljährlich nur 16 Ngr. ☜ Verantwortlicher Redacteur: M. J. E. Volbeding. — Druck und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig.

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 100. Leipzig (Sachsen), 30. November 1854, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig100_1854/8>, abgerufen am 16.07.2024.