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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 99. Leipzig (Sachsen), 23. November 1854.

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[Beginn Spaltensatz] den, welche während ihrer Wanderungen sich nicht mit
allen ihren mitgebrachten Sachen belästigen können,
sondern gegen eine hohe Abgabe sie hier niederlegen,
um sie gegen Feuer gesichert zu wissen, das hier sehr
gewöhnlich ist. Wenn diese Sachen späterhin nicht zu-
rückgefodert werden -- ost weil der unbekannte Be-
sitzer oben in den Bergwerken gestorben ist --, so ver-
kauft man sie in öffentlichen Versteigerungen ohne Be-
sichtigung des Jnhalts zum Vortheil der Aufbewahrer,
der oft sehr bedeutend ist. Die eigentlichen Straßen,
welche durch die Stadt gehen, sind sehr geräumig und
durchschneiden einander in rechten Winkeln; sie sind ent-
weder größtentheils mit Bretern quer belegt, wie
Brücken, oder auch sandig wie Landstraßen, aber nie
mit Steinen gepflastert. Die Häuser dieser Straßen
zeigen die größte und sonderbarste Mannichfaltigkeit,
die man sich denken kann. Bald ist es eine kleine
Breterhütte auf Rollen oder Walzen, roth oder weiß
angestrichen, bald sind es geräumige hölzerne Woh-
nungen von einem oder zwei Stockwerken, bald wie-
der elegante Steingebäude aus rothen Mauersteinen,
wie die englischen, die meisten mit flachen Dächern
oder mit einem viereckig geformten Frontespice, wodurch
sie ein eigenes Aussehen bekommen; bald hebt sich dort
ein großes Haus von Eisen wie ein gigantischer Bie-
nenkorb. Aber alle diese Gebäude von Holz, Stein,
Segeltuch oder Eisen, welche dort in unordentlicher
Mischung durcheinander stehen, stimmen in Einem
Punkte überein, sie sind sämmtlich Läden oder Vor-
rathshäuser.

Wandert man durch eine dieser Straßen, besonders
eine der Hauptstraßen, so hat man einen Anblick vor
sich, welcher vermuthlich nirgends, nicht einmal in den
nordamerikanischen Städten, wo sonst das Schilder-
und Feilbietungswesen herrschend ist, sich in gleichem
Grade wiederfinden möchte. Überall auf den Häuser-
wänden, Schornsteinen, Vordergiebeln, Grundmauern,
mit Einem Wort, überall, wo es möglich gewesen ist,
sie anzubringen, sieht man kolossale Schilder hervorra-
gen wie große Coulissen, mit gigantischen Buchstaben
oder bizarren Malereien, mit Flaggen, Wimpeln, Pfei-
lern, Obelisken, Pfannen, Hämmern, Äxten oder an-
dern Werkzeugen, alle von ungeheurer Größe, dar-
über die Jnschriften, welche die Nahrungszweige und
Namen der Jnhaber in allen europäischen Sprachen
angeben. Man scheint gleichsam in einem ungeheuern
Walde zu wandern, wo die Schilder sich wie drohende
Äste hervorstrecken und wo man unwillkürlich den Kopf
niederbeugt, beinahe kriechend oder, so gut man kann,
lavirend, durch alle diese gefährlichen Auswüchse. Und
welche Waaren innerhalb! Hier blitzen Juwelen in
ihren kostbaren Einfassungen, dort ruht das Gold in
den ausgezeichnetsten und kostbarsten Arbeiten, oft in
gediegenen Klumpen. Und gleichwol wird der Reich-
thum und der Glanz in diesen Läden von den aufge-
stapelten Goldhaufen überstrahlt, welche aus den Ge-
schäftslocalen der Bankiers hervorleuchten.

Hier duften die herrlichsten Wohlgerüche, dort
blinken Metallwaaren, aufs feinste gearbeitet und aufs
beste geglättet, in erstaunlichen Massen von aller mög-
lichen Art. Hier liegen ausgebreitet maßlose Vorräthe
der elegantesten Kleider von allen Facons und Moden,
von der Wäsche bis zum Oberrock, von den Pantoffeln
bis zum Hut. Jn einem Lande, wo Wäsche so theuer
ist und wo man ganze Schiffsladungen mit schmuziger
Leinwand nach China oder den Sandwichsinseln schickt,
um sie rein zurückzuerhalten, lohnt es sich nicht, etwas
Altes zu flicken; reißt ein Schuh, zeigt sich ein Loch
[Spaltenumbruch] in einem Rocke oder in einem Paar Beinkleidern, ein
Fleck auf einem Hemde und will man nicht -- was
man doch ungestraft kann -- mit etwas von diesem
gehen, so wird das Kleidungsstück ohne Bedenken weg-
geworfen, so richtet man seine Schritte nach einem
Kleiderladen dieser Art und geht daraus verwandelt
und verschönt wieder hervor, ohne mehr ausgegeben zu
haben, als man sonst gethan haben würde, um das
Zerrissene herzustellen, das Schmuzige zu reinigen. Auf
einer andern Stelle sind die Straßen von einem über-
mäßigen Vorrathe theils von Eßwaaren, theils von
Früchten, Eisenarbeiten, chinesischen Waaren aller Art
oder europäischen Gegenständen in allen Formen, die
sich weit vor den Häusern ausdehnen, fast verrammelt.
Speisewirthschaften und Erfrischungsörter senden ihre
den Gaumen anlockenden Düfte auf jeden Schritt aus
und beinahe an jeder Straßenecke sind die Außenwände
der Häuser in Gestelle verwandelt, beladen mit leckern
Gerichten aller Art, lockenden Trinkgeschirren, dam-
pfenden Thee= und Kaffeekannen, wo man stehenden
Fußes unter einem ausgespannten Zelte des Magens
Ansprüche oder die Begierde der Augen befriedigt.
Man hört das Klappen der Billardbälle, das Rollen
der Kegelkugeln und von allen Seiten tönt der Ruf:
" This way, gentlemen!" abwechselnd mit der heisern
Stimme der Versteigerer, welche von allen Orten
Waaren an die Höchstbietenden verkaufen. Rechnet
man hierzu die Spielhäuser, welche in unheimlicher
Menge auf allen Straßen blühen, aus denen unter
Tönen der Musik eines wohlbesetzten Orchesters das
Klappern der Würfel oder das Klingen der Gold= und
Silbermünzen mit der Einladung der Spielwirthe:
Make your game, gentlemen! gehört wird und mit
welchen sich der Spielenden Gelächter oder wilder Aus-
ruf, die Bewegung und das Gedränge überall, die
Lichtmassen, das Geräusch und der Lärm mischen, so
hat man eine Vorstellung von dem gährenden Chaos,
dem Narrenwerk, dem unruhigen Speculationsgeiste,
der nimmer ruhenden Gewinnsucht, welche uns in tau-
send Gestalten auf jedem Schritte begegnet, aus jedem
Geschäft angrinst, aus jedem Zuruf hervorschallt. Es
ist ein Gewühl von Fahrenden, Reitenden, Sprin-
genden und Gehenden, von Kleidertrachten und Phy-
siognomien, welche man kaum sonst irgendwo fin-
den wird.

Jn London und Paris hat doch im Ganzen Alles
mehr ein Gepräge von Gleichheit, einen gewissen sich
überall aussprechenden nationalen Zug angenommen.
Aber hier sind Leute von allen Zungen und von Völ-
kerschaften aller Art. Hier zeigt sich der Chinese in
seiner weiten Kleidertracht mit seinem Hute, der einem
Sonnenschirme gleicht, mit seinem Haarzopf und sei-
nen dicksohligen Schuhen; der "Löwe" aus Europa
in seinem modernen bunten Putz, mit seinem stutzeri-
schen Gang, mit seiner spöttischen Miene; der Gold-
wäscher vom Oberlande, ziemlich einem Straßenräuber
gleichend, mit fliegendem Haar, langem Bart, großen
Stiefeln und zerrissenen Kleidern; der feingebürstete
und glattpolirte Krämer, gewöhnlich ein Deutscher,
mit seinem einschmeichelnden Wesen; endlich der Ma-
trose, der ruhig seinen Taback im Munde umwendet,
mit dem Hut in dem Nacken und das Halstuch nach-
lässig auf die Brust geknüpft, das ganze Gesicht flam-
mend von eben zu sich genommenen kräftigen Stär-
kungsmitteln. Mit Einem Worte: dieses Gemälde von
San=Francisco ist die erstaunlichste Mosaik; und ohne
diesen Wirrwarr gesehen, und diesen Lärm, diese Un-
ordnung vernommen zu haben, welche sich überall offen-
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] den, welche während ihrer Wanderungen sich nicht mit
allen ihren mitgebrachten Sachen belästigen können,
sondern gegen eine hohe Abgabe sie hier niederlegen,
um sie gegen Feuer gesichert zu wissen, das hier sehr
gewöhnlich ist. Wenn diese Sachen späterhin nicht zu-
rückgefodert werden — ost weil der unbekannte Be-
sitzer oben in den Bergwerken gestorben ist —, so ver-
kauft man sie in öffentlichen Versteigerungen ohne Be-
sichtigung des Jnhalts zum Vortheil der Aufbewahrer,
der oft sehr bedeutend ist. Die eigentlichen Straßen,
welche durch die Stadt gehen, sind sehr geräumig und
durchschneiden einander in rechten Winkeln; sie sind ent-
weder größtentheils mit Bretern quer belegt, wie
Brücken, oder auch sandig wie Landstraßen, aber nie
mit Steinen gepflastert. Die Häuser dieser Straßen
zeigen die größte und sonderbarste Mannichfaltigkeit,
die man sich denken kann. Bald ist es eine kleine
Breterhütte auf Rollen oder Walzen, roth oder weiß
angestrichen, bald sind es geräumige hölzerne Woh-
nungen von einem oder zwei Stockwerken, bald wie-
der elegante Steingebäude aus rothen Mauersteinen,
wie die englischen, die meisten mit flachen Dächern
oder mit einem viereckig geformten Frontespice, wodurch
sie ein eigenes Aussehen bekommen; bald hebt sich dort
ein großes Haus von Eisen wie ein gigantischer Bie-
nenkorb. Aber alle diese Gebäude von Holz, Stein,
Segeltuch oder Eisen, welche dort in unordentlicher
Mischung durcheinander stehen, stimmen in Einem
Punkte überein, sie sind sämmtlich Läden oder Vor-
rathshäuser.

Wandert man durch eine dieser Straßen, besonders
eine der Hauptstraßen, so hat man einen Anblick vor
sich, welcher vermuthlich nirgends, nicht einmal in den
nordamerikanischen Städten, wo sonst das Schilder-
und Feilbietungswesen herrschend ist, sich in gleichem
Grade wiederfinden möchte. Überall auf den Häuser-
wänden, Schornsteinen, Vordergiebeln, Grundmauern,
mit Einem Wort, überall, wo es möglich gewesen ist,
sie anzubringen, sieht man kolossale Schilder hervorra-
gen wie große Coulissen, mit gigantischen Buchstaben
oder bizarren Malereien, mit Flaggen, Wimpeln, Pfei-
lern, Obelisken, Pfannen, Hämmern, Äxten oder an-
dern Werkzeugen, alle von ungeheurer Größe, dar-
über die Jnschriften, welche die Nahrungszweige und
Namen der Jnhaber in allen europäischen Sprachen
angeben. Man scheint gleichsam in einem ungeheuern
Walde zu wandern, wo die Schilder sich wie drohende
Äste hervorstrecken und wo man unwillkürlich den Kopf
niederbeugt, beinahe kriechend oder, so gut man kann,
lavirend, durch alle diese gefährlichen Auswüchse. Und
welche Waaren innerhalb! Hier blitzen Juwelen in
ihren kostbaren Einfassungen, dort ruht das Gold in
den ausgezeichnetsten und kostbarsten Arbeiten, oft in
gediegenen Klumpen. Und gleichwol wird der Reich-
thum und der Glanz in diesen Läden von den aufge-
stapelten Goldhaufen überstrahlt, welche aus den Ge-
schäftslocalen der Bankiers hervorleuchten.

Hier duften die herrlichsten Wohlgerüche, dort
blinken Metallwaaren, aufs feinste gearbeitet und aufs
beste geglättet, in erstaunlichen Massen von aller mög-
lichen Art. Hier liegen ausgebreitet maßlose Vorräthe
der elegantesten Kleider von allen Façons und Moden,
von der Wäsche bis zum Oberrock, von den Pantoffeln
bis zum Hut. Jn einem Lande, wo Wäsche so theuer
ist und wo man ganze Schiffsladungen mit schmuziger
Leinwand nach China oder den Sandwichsinseln schickt,
um sie rein zurückzuerhalten, lohnt es sich nicht, etwas
Altes zu flicken; reißt ein Schuh, zeigt sich ein Loch
[Spaltenumbruch] in einem Rocke oder in einem Paar Beinkleidern, ein
Fleck auf einem Hemde und will man nicht — was
man doch ungestraft kann — mit etwas von diesem
gehen, so wird das Kleidungsstück ohne Bedenken weg-
geworfen, so richtet man seine Schritte nach einem
Kleiderladen dieser Art und geht daraus verwandelt
und verschönt wieder hervor, ohne mehr ausgegeben zu
haben, als man sonst gethan haben würde, um das
Zerrissene herzustellen, das Schmuzige zu reinigen. Auf
einer andern Stelle sind die Straßen von einem über-
mäßigen Vorrathe theils von Eßwaaren, theils von
Früchten, Eisenarbeiten, chinesischen Waaren aller Art
oder europäischen Gegenständen in allen Formen, die
sich weit vor den Häusern ausdehnen, fast verrammelt.
Speisewirthschaften und Erfrischungsörter senden ihre
den Gaumen anlockenden Düfte auf jeden Schritt aus
und beinahe an jeder Straßenecke sind die Außenwände
der Häuser in Gestelle verwandelt, beladen mit leckern
Gerichten aller Art, lockenden Trinkgeschirren, dam-
pfenden Thee= und Kaffeekannen, wo man stehenden
Fußes unter einem ausgespannten Zelte des Magens
Ansprüche oder die Begierde der Augen befriedigt.
Man hört das Klappen der Billardbälle, das Rollen
der Kegelkugeln und von allen Seiten tönt der Ruf:
This way, gentlemen!“ abwechselnd mit der heisern
Stimme der Versteigerer, welche von allen Orten
Waaren an die Höchstbietenden verkaufen. Rechnet
man hierzu die Spielhäuser, welche in unheimlicher
Menge auf allen Straßen blühen, aus denen unter
Tönen der Musik eines wohlbesetzten Orchesters das
Klappern der Würfel oder das Klingen der Gold= und
Silbermünzen mit der Einladung der Spielwirthe:
Make your game, gentlemen! gehört wird und mit
welchen sich der Spielenden Gelächter oder wilder Aus-
ruf, die Bewegung und das Gedränge überall, die
Lichtmassen, das Geräusch und der Lärm mischen, so
hat man eine Vorstellung von dem gährenden Chaos,
dem Narrenwerk, dem unruhigen Speculationsgeiste,
der nimmer ruhenden Gewinnsucht, welche uns in tau-
send Gestalten auf jedem Schritte begegnet, aus jedem
Geschäft angrinst, aus jedem Zuruf hervorschallt. Es
ist ein Gewühl von Fahrenden, Reitenden, Sprin-
genden und Gehenden, von Kleidertrachten und Phy-
siognomien, welche man kaum sonst irgendwo fin-
den wird.

Jn London und Paris hat doch im Ganzen Alles
mehr ein Gepräge von Gleichheit, einen gewissen sich
überall aussprechenden nationalen Zug angenommen.
Aber hier sind Leute von allen Zungen und von Völ-
kerschaften aller Art. Hier zeigt sich der Chinese in
seiner weiten Kleidertracht mit seinem Hute, der einem
Sonnenschirme gleicht, mit seinem Haarzopf und sei-
nen dicksohligen Schuhen; der „Löwe“ aus Europa
in seinem modernen bunten Putz, mit seinem stutzeri-
schen Gang, mit seiner spöttischen Miene; der Gold-
wäscher vom Oberlande, ziemlich einem Straßenräuber
gleichend, mit fliegendem Haar, langem Bart, großen
Stiefeln und zerrissenen Kleidern; der feingebürstete
und glattpolirte Krämer, gewöhnlich ein Deutscher,
mit seinem einschmeichelnden Wesen; endlich der Ma-
trose, der ruhig seinen Taback im Munde umwendet,
mit dem Hut in dem Nacken und das Halstuch nach-
lässig auf die Brust geknüpft, das ganze Gesicht flam-
mend von eben zu sich genommenen kräftigen Stär-
kungsmitteln. Mit Einem Worte: dieses Gemälde von
San=Francisco ist die erstaunlichste Mosaik; und ohne
diesen Wirrwarr gesehen, und diesen Lärm, diese Un-
ordnung vernommen zu haben, welche sich überall offen-
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[374/0006] 374 den, welche während ihrer Wanderungen sich nicht mit allen ihren mitgebrachten Sachen belästigen können, sondern gegen eine hohe Abgabe sie hier niederlegen, um sie gegen Feuer gesichert zu wissen, das hier sehr gewöhnlich ist. Wenn diese Sachen späterhin nicht zu- rückgefodert werden — ost weil der unbekannte Be- sitzer oben in den Bergwerken gestorben ist —, so ver- kauft man sie in öffentlichen Versteigerungen ohne Be- sichtigung des Jnhalts zum Vortheil der Aufbewahrer, der oft sehr bedeutend ist. Die eigentlichen Straßen, welche durch die Stadt gehen, sind sehr geräumig und durchschneiden einander in rechten Winkeln; sie sind ent- weder größtentheils mit Bretern quer belegt, wie Brücken, oder auch sandig wie Landstraßen, aber nie mit Steinen gepflastert. Die Häuser dieser Straßen zeigen die größte und sonderbarste Mannichfaltigkeit, die man sich denken kann. 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Speisewirthschaften und Erfrischungsörter senden ihre den Gaumen anlockenden Düfte auf jeden Schritt aus und beinahe an jeder Straßenecke sind die Außenwände der Häuser in Gestelle verwandelt, beladen mit leckern Gerichten aller Art, lockenden Trinkgeschirren, dam- pfenden Thee= und Kaffeekannen, wo man stehenden Fußes unter einem ausgespannten Zelte des Magens Ansprüche oder die Begierde der Augen befriedigt. Man hört das Klappen der Billardbälle, das Rollen der Kegelkugeln und von allen Seiten tönt der Ruf: „ This way, gentlemen!“ abwechselnd mit der heisern Stimme der Versteigerer, welche von allen Orten Waaren an die Höchstbietenden verkaufen. Rechnet man hierzu die Spielhäuser, welche in unheimlicher Menge auf allen Straßen blühen, aus denen unter Tönen der Musik eines wohlbesetzten Orchesters das Klappern der Würfel oder das Klingen der Gold= und Silbermünzen mit der Einladung der Spielwirthe: Make your game, gentlemen! gehört wird und mit welchen sich der Spielenden Gelächter oder wilder Aus- ruf, die Bewegung und das Gedränge überall, die Lichtmassen, das Geräusch und der Lärm mischen, so hat man eine Vorstellung von dem gährenden Chaos, dem Narrenwerk, dem unruhigen Speculationsgeiste, der nimmer ruhenden Gewinnsucht, welche uns in tau- send Gestalten auf jedem Schritte begegnet, aus jedem Geschäft angrinst, aus jedem Zuruf hervorschallt. Es ist ein Gewühl von Fahrenden, Reitenden, Sprin- genden und Gehenden, von Kleidertrachten und Phy- siognomien, welche man kaum sonst irgendwo fin- den wird. Jn London und Paris hat doch im Ganzen Alles mehr ein Gepräge von Gleichheit, einen gewissen sich überall aussprechenden nationalen Zug angenommen. Aber hier sind Leute von allen Zungen und von Völ- kerschaften aller Art. Hier zeigt sich der Chinese in seiner weiten Kleidertracht mit seinem Hute, der einem Sonnenschirme gleicht, mit seinem Haarzopf und sei- nen dicksohligen Schuhen; der „Löwe“ aus Europa in seinem modernen bunten Putz, mit seinem stutzeri- schen Gang, mit seiner spöttischen Miene; der Gold- wäscher vom Oberlande, ziemlich einem Straßenräuber gleichend, mit fliegendem Haar, langem Bart, großen Stiefeln und zerrissenen Kleidern; der feingebürstete und glattpolirte Krämer, gewöhnlich ein Deutscher, mit seinem einschmeichelnden Wesen; endlich der Ma- trose, der ruhig seinen Taback im Munde umwendet, mit dem Hut in dem Nacken und das Halstuch nach- lässig auf die Brust geknüpft, das ganze Gesicht flam- mend von eben zu sich genommenen kräftigen Stär- kungsmitteln. Mit Einem Worte: dieses Gemälde von San=Francisco ist die erstaunlichste Mosaik; und ohne diesen Wirrwarr gesehen, und diesen Lärm, diese Un- ordnung vernommen zu haben, welche sich überall offen-

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 99. Leipzig (Sachsen), 23. November 1854, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig099_1854/6>, abgerufen am 25.11.2024.