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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 88. Leipzig (Sachsen), 31. August 1854.

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[Beginn Spaltensatz] endlich die Nürnberger die Geduld; ihr Ärger wandelte
sich in Zorn. Fest entschlossen, das Äußerste zu wa-
gen, verbanden sie sich zu einer Kämpferschar, um [unleserliches Material - 4 Zeichen fehlen]aus-
zuziehen ins Wiesentthal und den gefährlichen Eppelin
todt oder lebendig in ihre Hände zu bekommen, damit
ihr ärgster Feind unschädlich gemacht und vernichtet
werde.

Leicht war diese Aufgabe nicht, weshalb man be-
schloß, den Ritter von Gailingen mit List in das Netz
zu locken. Dies zu bewerkstelligen, ließ der Senat
von Nürnberg unbemerkt verschiedene Knappen ausrü-
sten, welche bestimmt wurden, nach dem Wiesentthale
zu reisen und sich auf den bewaldeten Höhen bei einem
Ueberfalle sogleich bereit zu halten.

Als die Knappen sich in der Nähe der Burg Gai-
lenreuth unbemerkt aufgestellt hatten, zogen verabrede-
termaßen einige nürnberger Kaufleute mit verschiedenen
Waaren im Thale hin. Eppelin erhielt davon Kunde
und stürzte sich mit einigen Raubgenossen sogleich auf
die fremden Reisenden, um ihnen Alles abzunehmen;
da wurde es aber plötzlich im nahen Walde laut, der
Hörnerton erklang und die Knappen des nürnberger
Senats eilten zur Hülfe herbei. Die Räuber wehrten
sich tapfer, unterlagen jedoch zuletzt und wurden von
den Siegern in Ketten und Banden geschlagen.

Jm Triumphe führten die Knappen des Senats
Eppelin, auf sein treues Roß gebunden, durch die
Gassen der Stadt Nürnberg nach dem alten festen
Schlosse. Alle Bürger waren hocherfreut, endlich den
gefährlichen Feind besiegt zu sehen und vor ihm nun
sicher zu sein, denn sie wußten, daß für ihn kein Ent-
kommen mehr möglich war, da man ihn in das schau-
rige Burgverließ hinabgeworfen hatte, wohin kein
Schein des Tages zu dringen vermochte.

Lange saß Eppelin zwischen den finstern Mauern,
wo er anfangs wie ein Rasender sich geberdete, später
jedoch Geduld gelernt hatte. Seine Körperkraft verlor
sich mit seinem sinkenden Muthe, ja bald wünschte er
sich lieber den Tod, statt im dumpfen Kerker zu schmach-
ten. Seinen jammervollen Tagen sollte endlich auch
ein Ende gemacht werden, denn der Senat von Nürn-
berg hatte ihn zum Tode verurtheilt.

Die Stunde der Hinrichtung erschien. Eppelin
wurde, nachdem man ihn aus dem finstern Verließ
heraufgeholt hatte, der unabänderliche Richterspruch
noch einmal verkündigt. Der Raubritter hörte mit
trotziger Ruhe das Urtheil an; in seinem bleichgewor-
denen Gesicht zeigte sich nicht die geringste Verände-
rung. Darauf trat ein Mitglied des hohen Senats
hervor und redete den Ritter von Gailingen also an:
"Du weißt, Eppelin, daß es alter Brauch ist, auch
dem Verbrecher vor seinem letzten Gange noch eine
Gnade zu erzeigen; dies soll auch dir widerfahren.
Wenn du also noch einen Wunsch auf dem Herzen
hast, so sprich ihn aus, und steht es in unserer
Macht, so soll dir dein letztes Verlangen gewährt
werden."

Jhr Herren seid gütig, erwiderte Eppelin, und ich
nehme eure Darbietung an. Vor dem Tode habe ich
mich nie gefürchtet, er ist mir jetzt sogar willkommen;
aber mein Leben möchte ich nicht gern hingeben, bevor
ich mein Weib, meine Kinder und mein edles Roß
noch einmal gesehen habe.

Wo dein Weib und deine Kinder sind, entgegnete
der Rathsherr, das ist uns gänzlich unbekannt und
wir können sie dir bei dem besten Willen nicht her-
bringen; doch dein Roß ist hier im Stalle.

So erlaubt mir wenigstens, rief Eppelin, daß ich
[Spaltenumbruch] dieses noch einmal sehen und auf ihm im Schloßhofe
reiten darf.

Die Bitte wurde dem Ritter gewährt und sogleich
ging ein Boote ab, das Roß zu holen. Als man es
am Zaume geführt brachte, erblickte das treue Thier
seinen Herrn und wieherte laut, als wolle es seine
Freude des Wiedersehens kundgeben.

Das Roß war bald gesattelt. Eppelin trat dem-
selben näher und klopfte ihm Hals und Brust. Dies
schien dem Thiere ungemein wohl zu thun, denn es
schmiegte sich mit dem Kopfe traulich an seinen Herrn
an und stampfte dann mit den Füßen, um anzudeu-
ten, daß es den Augenblick kaum erwarten könne,
wenn Eppelin aufsitzen werde. Endlich geschah dies.

Noch nie ging ein Pferd so stolz einher als des
Raubritters Rappe. Aller Augen waren auf das schöne
Thier gerichtet, das alle seine edeln Eigenschaften ent-
falten zu wollen schien. Es tanzte zierlich mit seiner
geliebten Last auf dem Burgplatze umher und die Um-
stehenden gaben ihm gern größern Raum, als es im
Trabe lebendiger wurde und unter Schnauben und
Wiehern in rasenden Galopp überging, indem es mit
den flüchtigen Hufen die festen Ringmauern und das
verschlossene Burgthor berührte und mit gewaltigen
Tritten die Steine des engen Burgplatzes zu Staub
verwandelte.

Die Ritter und Knappen traten so weit als mög-
lich zurück, um von dem majestätischen Gange des
Rosses kein unangenehmes Andenken an ihrem Leibe
mit davonzutragen. Den Gliedern des Senats wurde
das Wüthen des Rappen doch zu arg, darum rief
Einer aus der Mitte derselben: "Halt' nun ein, Eppe-
lin, es ist nun des Reitens genug geschehen!"

O könnt' ich, schrie Eppelin wild, o könnt' ich so
in die Ewigkeit hinüberreiten! Und indem er dies
sagte, gab er seinem Rosse die Sporen. Das Thier
verstand ihn gar wohl. Ehe die Anwesenden noch an
die Möglichkeit eines solchen Sprunges denken konn-
ten, hatte sich der Rappe an der Mauer emporge-
bäumt, indem Eppelin seinen Hals umschlang, und
war mit einem furchtbaren Satze auf die Mauer ge-
sprungen, vor welcher der ungeheure Abgrund des
Burggrabens gähnte. Ein Augenblick nur verging,
während die Nürnberger das Unmöglichgeglaubte schau-
ten, da drückte Eppelin, den Tod vor den Augen, die
Sporen in die Weichen des Rappen; dieser bereitete
sich zu noch schrecklicherm Sprunge und im Nu flog
er mit seinem Reiter über den breiten Burggraben
hinweg auf das jenseitige Land. Wo das Roß seinen
Huf in den Felsen eingesetzt hatte, da blieb ein Ab-
druck im Steine bis auf den heutigen Tag.

Die Nürnberger trauten ihren Augen nicht mehr,
als ihnen das Roß mit dem Ritter davonging; ver-
wundert sahen sie immer noch nach der Stelle hin,
wo der gräßliche Sprung geschah, aber von Eppelin
und seinem Rappen war nichts mehr zu bemerken,
denn Beide hatten sich eiligst davongemacht, um durch
die Flucht Freiheit und Leben zu retten.

Der Senat schickte, nachdem man sich vom ersten
Schreck erholt hatte, zwar Knappen aus, den Ritter
von Gailingen aufzusuchen und wieder einzufangen,
denn man glaubte ihn noch in der Nähe versteckt;
doch Alles war vergebens, denn weder vom Roß noch
vom Reiter war, außer auf der Burgmauer, eine
Spur zu entdecken.



Während dies Alles in Nürnberg geschehen war,
hatte Hedwig, die Gattin Eppelin's, in der höchsten
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] endlich die Nürnberger die Geduld; ihr Ärger wandelte
sich in Zorn. Fest entschlossen, das Äußerste zu wa-
gen, verbanden sie sich zu einer Kämpferschar, um [unleserliches Material – 4 Zeichen fehlen]aus-
zuziehen ins Wiesentthal und den gefährlichen Eppelin
todt oder lebendig in ihre Hände zu bekommen, damit
ihr ärgster Feind unschädlich gemacht und vernichtet
werde.

Leicht war diese Aufgabe nicht, weshalb man be-
schloß, den Ritter von Gailingen mit List in das Netz
zu locken. Dies zu bewerkstelligen, ließ der Senat
von Nürnberg unbemerkt verschiedene Knappen ausrü-
sten, welche bestimmt wurden, nach dem Wiesentthale
zu reisen und sich auf den bewaldeten Höhen bei einem
Ueberfalle sogleich bereit zu halten.

Als die Knappen sich in der Nähe der Burg Gai-
lenreuth unbemerkt aufgestellt hatten, zogen verabrede-
termaßen einige nürnberger Kaufleute mit verschiedenen
Waaren im Thale hin. Eppelin erhielt davon Kunde
und stürzte sich mit einigen Raubgenossen sogleich auf
die fremden Reisenden, um ihnen Alles abzunehmen;
da wurde es aber plötzlich im nahen Walde laut, der
Hörnerton erklang und die Knappen des nürnberger
Senats eilten zur Hülfe herbei. Die Räuber wehrten
sich tapfer, unterlagen jedoch zuletzt und wurden von
den Siegern in Ketten und Banden geschlagen.

Jm Triumphe führten die Knappen des Senats
Eppelin, auf sein treues Roß gebunden, durch die
Gassen der Stadt Nürnberg nach dem alten festen
Schlosse. Alle Bürger waren hocherfreut, endlich den
gefährlichen Feind besiegt zu sehen und vor ihm nun
sicher zu sein, denn sie wußten, daß für ihn kein Ent-
kommen mehr möglich war, da man ihn in das schau-
rige Burgverließ hinabgeworfen hatte, wohin kein
Schein des Tages zu dringen vermochte.

Lange saß Eppelin zwischen den finstern Mauern,
wo er anfangs wie ein Rasender sich geberdete, später
jedoch Geduld gelernt hatte. Seine Körperkraft verlor
sich mit seinem sinkenden Muthe, ja bald wünschte er
sich lieber den Tod, statt im dumpfen Kerker zu schmach-
ten. Seinen jammervollen Tagen sollte endlich auch
ein Ende gemacht werden, denn der Senat von Nürn-
berg hatte ihn zum Tode verurtheilt.

Die Stunde der Hinrichtung erschien. Eppelin
wurde, nachdem man ihn aus dem finstern Verließ
heraufgeholt hatte, der unabänderliche Richterspruch
noch einmal verkündigt. Der Raubritter hörte mit
trotziger Ruhe das Urtheil an; in seinem bleichgewor-
denen Gesicht zeigte sich nicht die geringste Verände-
rung. Darauf trat ein Mitglied des hohen Senats
hervor und redete den Ritter von Gailingen also an:
„Du weißt, Eppelin, daß es alter Brauch ist, auch
dem Verbrecher vor seinem letzten Gange noch eine
Gnade zu erzeigen; dies soll auch dir widerfahren.
Wenn du also noch einen Wunsch auf dem Herzen
hast, so sprich ihn aus, und steht es in unserer
Macht, so soll dir dein letztes Verlangen gewährt
werden.“

Jhr Herren seid gütig, erwiderte Eppelin, und ich
nehme eure Darbietung an. Vor dem Tode habe ich
mich nie gefürchtet, er ist mir jetzt sogar willkommen;
aber mein Leben möchte ich nicht gern hingeben, bevor
ich mein Weib, meine Kinder und mein edles Roß
noch einmal gesehen habe.

Wo dein Weib und deine Kinder sind, entgegnete
der Rathsherr, das ist uns gänzlich unbekannt und
wir können sie dir bei dem besten Willen nicht her-
bringen; doch dein Roß ist hier im Stalle.

So erlaubt mir wenigstens, rief Eppelin, daß ich
[Spaltenumbruch] dieses noch einmal sehen und auf ihm im Schloßhofe
reiten darf.

Die Bitte wurde dem Ritter gewährt und sogleich
ging ein Boote ab, das Roß zu holen. Als man es
am Zaume geführt brachte, erblickte das treue Thier
seinen Herrn und wieherte laut, als wolle es seine
Freude des Wiedersehens kundgeben.

Das Roß war bald gesattelt. Eppelin trat dem-
selben näher und klopfte ihm Hals und Brust. Dies
schien dem Thiere ungemein wohl zu thun, denn es
schmiegte sich mit dem Kopfe traulich an seinen Herrn
an und stampfte dann mit den Füßen, um anzudeu-
ten, daß es den Augenblick kaum erwarten könne,
wenn Eppelin aufsitzen werde. Endlich geschah dies.

Noch nie ging ein Pferd so stolz einher als des
Raubritters Rappe. Aller Augen waren auf das schöne
Thier gerichtet, das alle seine edeln Eigenschaften ent-
falten zu wollen schien. Es tanzte zierlich mit seiner
geliebten Last auf dem Burgplatze umher und die Um-
stehenden gaben ihm gern größern Raum, als es im
Trabe lebendiger wurde und unter Schnauben und
Wiehern in rasenden Galopp überging, indem es mit
den flüchtigen Hufen die festen Ringmauern und das
verschlossene Burgthor berührte und mit gewaltigen
Tritten die Steine des engen Burgplatzes zu Staub
verwandelte.

Die Ritter und Knappen traten so weit als mög-
lich zurück, um von dem majestätischen Gange des
Rosses kein unangenehmes Andenken an ihrem Leibe
mit davonzutragen. Den Gliedern des Senats wurde
das Wüthen des Rappen doch zu arg, darum rief
Einer aus der Mitte derselben: „Halt' nun ein, Eppe-
lin, es ist nun des Reitens genug geschehen!“

O könnt' ich, schrie Eppelin wild, o könnt' ich so
in die Ewigkeit hinüberreiten! Und indem er dies
sagte, gab er seinem Rosse die Sporen. Das Thier
verstand ihn gar wohl. Ehe die Anwesenden noch an
die Möglichkeit eines solchen Sprunges denken konn-
ten, hatte sich der Rappe an der Mauer emporge-
bäumt, indem Eppelin seinen Hals umschlang, und
war mit einem furchtbaren Satze auf die Mauer ge-
sprungen, vor welcher der ungeheure Abgrund des
Burggrabens gähnte. Ein Augenblick nur verging,
während die Nürnberger das Unmöglichgeglaubte schau-
ten, da drückte Eppelin, den Tod vor den Augen, die
Sporen in die Weichen des Rappen; dieser bereitete
sich zu noch schrecklicherm Sprunge und im Nu flog
er mit seinem Reiter über den breiten Burggraben
hinweg auf das jenseitige Land. Wo das Roß seinen
Huf in den Felsen eingesetzt hatte, da blieb ein Ab-
druck im Steine bis auf den heutigen Tag.

Die Nürnberger trauten ihren Augen nicht mehr,
als ihnen das Roß mit dem Ritter davonging; ver-
wundert sahen sie immer noch nach der Stelle hin,
wo der gräßliche Sprung geschah, aber von Eppelin
und seinem Rappen war nichts mehr zu bemerken,
denn Beide hatten sich eiligst davongemacht, um durch
die Flucht Freiheit und Leben zu retten.

Der Senat schickte, nachdem man sich vom ersten
Schreck erholt hatte, zwar Knappen aus, den Ritter
von Gailingen aufzusuchen und wieder einzufangen,
denn man glaubte ihn noch in der Nähe versteckt;
doch Alles war vergebens, denn weder vom Roß noch
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Spur zu entdecken.



Während dies Alles in Nürnberg geschehen war,
hatte Hedwig, die Gattin Eppelin's, in der höchsten
[Ende Spaltensatz]

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Das Roß war bald gesattelt. Eppelin trat dem- selben näher und klopfte ihm Hals und Brust. Dies schien dem Thiere ungemein wohl zu thun, denn es schmiegte sich mit dem Kopfe traulich an seinen Herrn an und stampfte dann mit den Füßen, um anzudeu- ten, daß es den Augenblick kaum erwarten könne, wenn Eppelin aufsitzen werde. Endlich geschah dies. Noch nie ging ein Pferd so stolz einher als des Raubritters Rappe. Aller Augen waren auf das schöne Thier gerichtet, das alle seine edeln Eigenschaften ent- falten zu wollen schien. Es tanzte zierlich mit seiner geliebten Last auf dem Burgplatze umher und die Um- stehenden gaben ihm gern größern Raum, als es im Trabe lebendiger wurde und unter Schnauben und Wiehern in rasenden Galopp überging, indem es mit den flüchtigen Hufen die festen Ringmauern und das verschlossene Burgthor berührte und mit gewaltigen Tritten die Steine des engen Burgplatzes zu Staub verwandelte. Die Ritter und Knappen traten so weit als mög- lich zurück, um von dem majestätischen Gange des Rosses kein unangenehmes Andenken an ihrem Leibe mit davonzutragen. Den Gliedern des Senats wurde das Wüthen des Rappen doch zu arg, darum rief Einer aus der Mitte derselben: „Halt' nun ein, Eppe- lin, es ist nun des Reitens genug geschehen!“ O könnt' ich, schrie Eppelin wild, o könnt' ich so in die Ewigkeit hinüberreiten! Und indem er dies sagte, gab er seinem Rosse die Sporen. Das Thier verstand ihn gar wohl. Ehe die Anwesenden noch an die Möglichkeit eines solchen Sprunges denken konn- ten, hatte sich der Rappe an der Mauer emporge- bäumt, indem Eppelin seinen Hals umschlang, und war mit einem furchtbaren Satze auf die Mauer ge- sprungen, vor welcher der ungeheure Abgrund des Burggrabens gähnte. Ein Augenblick nur verging, während die Nürnberger das Unmöglichgeglaubte schau- ten, da drückte Eppelin, den Tod vor den Augen, die Sporen in die Weichen des Rappen; dieser bereitete sich zu noch schrecklicherm Sprunge und im Nu flog er mit seinem Reiter über den breiten Burggraben hinweg auf das jenseitige Land. Wo das Roß seinen Huf in den Felsen eingesetzt hatte, da blieb ein Ab- druck im Steine bis auf den heutigen Tag. Die Nürnberger trauten ihren Augen nicht mehr, als ihnen das Roß mit dem Ritter davonging; ver- wundert sahen sie immer noch nach der Stelle hin, wo der gräßliche Sprung geschah, aber von Eppelin und seinem Rappen war nichts mehr zu bemerken, denn Beide hatten sich eiligst davongemacht, um durch die Flucht Freiheit und Leben zu retten. Der Senat schickte, nachdem man sich vom ersten Schreck erholt hatte, zwar Knappen aus, den Ritter von Gailingen aufzusuchen und wieder einzufangen, denn man glaubte ihn noch in der Nähe versteckt; doch Alles war vergebens, denn weder vom Roß noch vom Reiter war, außer auf der Burgmauer, eine Spur zu entdecken. Während dies Alles in Nürnberg geschehen war, hatte Hedwig, die Gattin Eppelin's, in der höchsten

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription
Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

Weitere Informationen:

Siehe Dokumentation




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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 88. Leipzig (Sachsen), 31. August 1854, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig088_1854/3>, abgerufen am 22.06.2024.