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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 26. Leipzig (Sachsen), 1. Juli 1843.

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[Beginn Spaltensatz] Schleiz und dem Dorfe Lössau ein Wolkenbruch, der
eine solche Flut erzeugte, daß der einspännige Postkarren,
welcher mit dem Brieffelleisen eben nach Greiz unter-
wegs war, umgeworfen wurde, das Pferd ertrank und
der Postillon nur durch Schwimmen sein Leben rettete.
Das Felleisen wurde aus dem Kasten herausgespült und
von der Flut fortgeführt.

Am 26. war der Tag, an welchem vor 25 Jahren
die bairische Verfassung ins Leben trat.

Am 27. zog sich über Paris ein so schwarzes Unge-
witter zusammen, daß die Deputirtenkammer ihre Sitzung
aufheben mußte, weil es nicht möglich war, Geschriebe-
nes zu lesen.

An demselben Tage gab sich auf der Rheinischen Eisen-
bahn ein junger Mann freiwillig dadurch den Tod, daß
er sich beim Herannahen der Locomotive quer über die
Bahn warf.



Stärkegummibereitung.

Ein wohlfeiles, das theure Senegalgummi vollkommen
ersetzendes Gummi ist nur aus Stärke darzustellen. Man
hat bis jetzt vorzugsweise zwei Wege eingeschlagen, um
die Stärke in kaltem Wasser auflöslich oder zu Gummi
zu machen: den Weg des Röstens und den des Kochens
mit Säuren.

Wenn man Stärke in einem offenen Gefäße im
Sandbade unter Umrühren gelinde erhitzt, so nimmt sie
eine graue Farbe an und löst sich, mit kaltem Wasser
angerührt, zum Theil darin auf. Setzt man das Rö-
sten so lange fort, bis sie zu dampfen anfängt, einen
Geruch nach gebranntem Mehl verbreitet und eine braune
Farbe bekommt, so ist sie vollkommen im Wasser auf-
löslich, also in Gummi verwandelt. Die Auflösung ist
aber nicht so schleimig wie das durch Säuren dargestellte
Gummi, und es ist sehr schwer, den Punkt zu treffen,
wo das Rösten aufhören muß.

Durch Kochen mit Säuren, namentlich mit Schwe-
felsäure, wird aus der Stärke ein Gummi von hellgel-
ber Farbe erzeugt. Je mehr Säure und je weniger
Wasser man anwendet, desto schneller erfolgt die Um-
wandlung. Ein Gemenge von 100 Pf. Stärke, 24 Pf.
Schwefelsäure und 278 Pf. Wasser darf nur sehr kurze
Zeit kochen, um die Gummibildung zu veranlassen. Die
Probe derselben ist ein auf eine Glasplatte gebrachter
Tropfen, der nach der Erkaltung klar und flüssig bleibt
und nicht gerinnt. Durch 30 Pf. Schlemmkreide wird
die Schwefelsäure gesättigt, die abgeklärte Flüssigkeit
wird nun verdunstet und gibt nach vorherigem Abschei-
den des Gypses durch langsames Abdampfen das Gummi.
Diese Gummidarstellung ist aber gewaltig umständlich
und liefert trotz der vielen Apparate des Kochens, Filtri-
rens und Abdampfens doch ein ungleiches Product, in-
dem es entweder unveränderte Stärke oder Zucker ent-
hält, je nachdem die Säure zu kurze oder zu lange Zeit
eingewirkt hat. Das durch Rösten dargestellte Gummi
enthält ebenfalls entweder noch unveränderte Stärke oder
ist verbrannt, weil es sehr schwierig ist, den nöthigen
Hitzgrad längere Zeit gleichmäßig darauf einwirken zu
lassen. Jm günstigsten Falle ist sie zu dunkel.

Wenn man dagegen beide Processe verbindet, d. h.
die Säure mit der trockenen Hitze zugleich auf die Stärke
wirken läßt, erhält man ein genügendes Resultat. Es
werden nach diesem Verfahren 200 Pf. Kartoffelstärke,
1 Pf. Schwefelsäure und 78 Pf. Wasser auf das in-
nigste untereinander gemengt, dann auf Horden ausge-
[Spaltenumbruch] breitet und bei 20--30° R. getrocknet. Hierdurch wird
jedes Stärketheilchen mit so viel Schwefelsäure durch-
drungen als nöthig ist, um es bei einer Hitze von 80°
Reaumur in Gummi zu verwandeln. Für diesen Zweck
wird das getrocknete Gemenge zerrieben, gesiebt, in eine
breite, sehr flache zinnerne Pfanne gethan, die einen
zweiten Boden hat, unter welchem Dampf durchströmt,
und darin unter öfterm Umrühren so lange erhitzt, bis
sich das Pulver vollkommen im kalten Wasser auflöst.
Dies geschieht um so eher, je weniger gesäuerte Stärke
man auf einmal in Arbeit nimmt, so z. B. in einer
Stunde, wenn der Boden der Pfanne nur 1 / 8 Zoll be-
deckt ist.

Wenn die Stärke in der Pfanne zu lange erhitzt
wird, so nimmt sie eine graue Farbe an, die von der
verkohlenden Wirkung der Schwefelsäure herrührt. Bei
Anwendung der Salzsäure geschieht dies nicht so leicht,
obwol sie die Gummibildung unter denselben Umständen
bewirkt; die Salzsäure verdient daher den Vorzug, doch
muß man zu derselben Menge Stärke und Wasser dop-
pelt so viel starke Salzsäure nehmen als Schwefelsäure
nöthig war.

Bei diesem Processe ist man des Kochens, Filtrirens
und Abdampfens völlig überhoben. Das in Form eines
feinen Pulvers erhaltene Gummi kann ohne weiteres ge-
braucht werden. Die geringe Menge Säure, welche es
enthält, schadet keiner Beize; fürchtet man sie jedoch, so
braucht man das Pulver nur mit Ammoniakgas in Be-
rührung zu bringen, von welchem das trockne Pulver
dann so viel aufnimmt, daß die Säure gesättigt wird.

Bei dieser Umwandlung der Stärke in Gummi
scheint gar keine Formveränderung der Stärke statt zu
finden, da das Pulver nach wie vor das bekannte glän-
zende Aussehen der Kartoffelstärkekörner behält.

Ob dieses Gummi durch Schwefelsäure oder Salz.
säure gewonnen worden ist, erkennt man daran, daß er-
steres, auf einem Stück Papier an die Flammen gehal-
ten, schwarz wird, ohne zu brennen, letzteres aber in
einem solchen Falle unter Kochen mit Flammen verbrennt.

Das Stärkegummi hat keine so große Verdickungs-
fähigkeit wie das Senegalgummi, denn zum Verdicken von
12 Pf. Eisenbeize Nr. 1, wozu 6 Pf. Senegalgummi hin-
reichen, sind 9 Pf. Stärkegummi erfoderlich, und ver-
hält sich auch chemisch anders, indem es z. B. die Far-
ben aus Eisenoxyd nicht so dunkel macht und keine che-
mischen Wirkungen auf die Metallsalze ausübt. Dieser
Umstand macht es ganz vortrefflich geeignet zur Ver-
dickung der Auflösungen schwefelsaurer Salze, z. B. des
Alauns, des Eisen=, Kupfer=, Manganvitriols, insofern
man sie, nach dem Aufdrucke, durch ein Alkali zersetzen
und das Oxyd auf die Zeugfaser niederschlagen will.

Zur Verdickung von Tafeldruckfarben taugt dieses
Gummi aber ebenso wenig als das Senegalgummi, weil
sie durch beide zu sehr verdünnt, d. h. zu blaß werden.
Hier ist Traganth und Salep unentbehrlich.

Das Stärkegummi hat auch die Eigenschaft, die
Einwirkung des Sauerstoffs auf die Beizen zu verhin-
dern, zu deren Verdickung es angewendet wird. Es hält
so vollständig die Luft ab, daß selbst nach einem mehr-
tägigen Hängen des Gedruckten das Oxydul nicht in
Oxyd übergeht, denn wenn man dasselbe in eine Am-
moniakflüssigkeit eintaucht, bekommt das Eingetauchte
nicht eine rostgelbe, sondern eine grüne Farbe.

Die Stärkegummibereitung läßt sich sehr gut mit
einer Kartoffelstärkefabrikation vereinigen. Der Stärke-
fabrikant würde so dem Drucker in die Hände arbeiten
und hätte vor dem Drucker den Vortheil voraus, daß
er die Stärke, sowie sie fertig geworden ist, gleich im
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] Schleiz und dem Dorfe Lössau ein Wolkenbruch, der
eine solche Flut erzeugte, daß der einspännige Postkarren,
welcher mit dem Brieffelleisen eben nach Greiz unter-
wegs war, umgeworfen wurde, das Pferd ertrank und
der Postillon nur durch Schwimmen sein Leben rettete.
Das Felleisen wurde aus dem Kasten herausgespült und
von der Flut fortgeführt.

Am 26. war der Tag, an welchem vor 25 Jahren
die bairische Verfassung ins Leben trat.

Am 27. zog sich über Paris ein so schwarzes Unge-
witter zusammen, daß die Deputirtenkammer ihre Sitzung
aufheben mußte, weil es nicht möglich war, Geschriebe-
nes zu lesen.

An demselben Tage gab sich auf der Rheinischen Eisen-
bahn ein junger Mann freiwillig dadurch den Tod, daß
er sich beim Herannahen der Locomotive quer über die
Bahn warf.



Stärkegummibereitung.

Ein wohlfeiles, das theure Senegalgummi vollkommen
ersetzendes Gummi ist nur aus Stärke darzustellen. Man
hat bis jetzt vorzugsweise zwei Wege eingeschlagen, um
die Stärke in kaltem Wasser auflöslich oder zu Gummi
zu machen: den Weg des Röstens und den des Kochens
mit Säuren.

Wenn man Stärke in einem offenen Gefäße im
Sandbade unter Umrühren gelinde erhitzt, so nimmt sie
eine graue Farbe an und löst sich, mit kaltem Wasser
angerührt, zum Theil darin auf. Setzt man das Rö-
sten so lange fort, bis sie zu dampfen anfängt, einen
Geruch nach gebranntem Mehl verbreitet und eine braune
Farbe bekommt, so ist sie vollkommen im Wasser auf-
löslich, also in Gummi verwandelt. Die Auflösung ist
aber nicht so schleimig wie das durch Säuren dargestellte
Gummi, und es ist sehr schwer, den Punkt zu treffen,
wo das Rösten aufhören muß.

Durch Kochen mit Säuren, namentlich mit Schwe-
felsäure, wird aus der Stärke ein Gummi von hellgel-
ber Farbe erzeugt. Je mehr Säure und je weniger
Wasser man anwendet, desto schneller erfolgt die Um-
wandlung. Ein Gemenge von 100 Pf. Stärke, 24 Pf.
Schwefelsäure und 278 Pf. Wasser darf nur sehr kurze
Zeit kochen, um die Gummibildung zu veranlassen. Die
Probe derselben ist ein auf eine Glasplatte gebrachter
Tropfen, der nach der Erkaltung klar und flüssig bleibt
und nicht gerinnt. Durch 30 Pf. Schlemmkreide wird
die Schwefelsäure gesättigt, die abgeklärte Flüssigkeit
wird nun verdunstet und gibt nach vorherigem Abschei-
den des Gypses durch langsames Abdampfen das Gummi.
Diese Gummidarstellung ist aber gewaltig umständlich
und liefert trotz der vielen Apparate des Kochens, Filtri-
rens und Abdampfens doch ein ungleiches Product, in-
dem es entweder unveränderte Stärke oder Zucker ent-
hält, je nachdem die Säure zu kurze oder zu lange Zeit
eingewirkt hat. Das durch Rösten dargestellte Gummi
enthält ebenfalls entweder noch unveränderte Stärke oder
ist verbrannt, weil es sehr schwierig ist, den nöthigen
Hitzgrad längere Zeit gleichmäßig darauf einwirken zu
lassen. Jm günstigsten Falle ist sie zu dunkel.

Wenn man dagegen beide Processe verbindet, d. h.
die Säure mit der trockenen Hitze zugleich auf die Stärke
wirken läßt, erhält man ein genügendes Resultat. Es
werden nach diesem Verfahren 200 Pf. Kartoffelstärke,
1 Pf. Schwefelsäure und 78 Pf. Wasser auf das in-
nigste untereinander gemengt, dann auf Horden ausge-
[Spaltenumbruch] breitet und bei 20—30° R. getrocknet. Hierdurch wird
jedes Stärketheilchen mit so viel Schwefelsäure durch-
drungen als nöthig ist, um es bei einer Hitze von 80°
Réaumur in Gummi zu verwandeln. Für diesen Zweck
wird das getrocknete Gemenge zerrieben, gesiebt, in eine
breite, sehr flache zinnerne Pfanne gethan, die einen
zweiten Boden hat, unter welchem Dampf durchströmt,
und darin unter öfterm Umrühren so lange erhitzt, bis
sich das Pulver vollkommen im kalten Wasser auflöst.
Dies geschieht um so eher, je weniger gesäuerte Stärke
man auf einmal in Arbeit nimmt, so z. B. in einer
Stunde, wenn der Boden der Pfanne nur 1 / 8 Zoll be-
deckt ist.

Wenn die Stärke in der Pfanne zu lange erhitzt
wird, so nimmt sie eine graue Farbe an, die von der
verkohlenden Wirkung der Schwefelsäure herrührt. Bei
Anwendung der Salzsäure geschieht dies nicht so leicht,
obwol sie die Gummibildung unter denselben Umständen
bewirkt; die Salzsäure verdient daher den Vorzug, doch
muß man zu derselben Menge Stärke und Wasser dop-
pelt so viel starke Salzsäure nehmen als Schwefelsäure
nöthig war.

Bei diesem Processe ist man des Kochens, Filtrirens
und Abdampfens völlig überhoben. Das in Form eines
feinen Pulvers erhaltene Gummi kann ohne weiteres ge-
braucht werden. Die geringe Menge Säure, welche es
enthält, schadet keiner Beize; fürchtet man sie jedoch, so
braucht man das Pulver nur mit Ammoniakgas in Be-
rührung zu bringen, von welchem das trockne Pulver
dann so viel aufnimmt, daß die Säure gesättigt wird.

Bei dieser Umwandlung der Stärke in Gummi
scheint gar keine Formveränderung der Stärke statt zu
finden, da das Pulver nach wie vor das bekannte glän-
zende Aussehen der Kartoffelstärkekörner behält.

Ob dieses Gummi durch Schwefelsäure oder Salz.
säure gewonnen worden ist, erkennt man daran, daß er-
steres, auf einem Stück Papier an die Flammen gehal-
ten, schwarz wird, ohne zu brennen, letzteres aber in
einem solchen Falle unter Kochen mit Flammen verbrennt.

Das Stärkegummi hat keine so große Verdickungs-
fähigkeit wie das Senegalgummi, denn zum Verdicken von
12 Pf. Eisenbeize Nr. 1, wozu 6 Pf. Senegalgummi hin-
reichen, sind 9 Pf. Stärkegummi erfoderlich, und ver-
hält sich auch chemisch anders, indem es z. B. die Far-
ben aus Eisenoxyd nicht so dunkel macht und keine che-
mischen Wirkungen auf die Metallsalze ausübt. Dieser
Umstand macht es ganz vortrefflich geeignet zur Ver-
dickung der Auflösungen schwefelsaurer Salze, z. B. des
Alauns, des Eisen=, Kupfer=, Manganvitriols, insofern
man sie, nach dem Aufdrucke, durch ein Alkali zersetzen
und das Oxyd auf die Zeugfaser niederschlagen will.

Zur Verdickung von Tafeldruckfarben taugt dieses
Gummi aber ebenso wenig als das Senegalgummi, weil
sie durch beide zu sehr verdünnt, d. h. zu blaß werden.
Hier ist Traganth und Salep unentbehrlich.

Das Stärkegummi hat auch die Eigenschaft, die
Einwirkung des Sauerstoffs auf die Beizen zu verhin-
dern, zu deren Verdickung es angewendet wird. Es hält
so vollständig die Luft ab, daß selbst nach einem mehr-
tägigen Hängen des Gedruckten das Oxydul nicht in
Oxyd übergeht, denn wenn man dasselbe in eine Am-
moniakflüssigkeit eintaucht, bekommt das Eingetauchte
nicht eine rostgelbe, sondern eine grüne Farbe.

Die Stärkegummibereitung läßt sich sehr gut mit
einer Kartoffelstärkefabrikation vereinigen. Der Stärke-
fabrikant würde so dem Drucker in die Hände arbeiten
und hätte vor dem Drucker den Vortheil voraus, daß
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[207/0007] 207 Schleiz und dem Dorfe Lössau ein Wolkenbruch, der eine solche Flut erzeugte, daß der einspännige Postkarren, welcher mit dem Brieffelleisen eben nach Greiz unter- wegs war, umgeworfen wurde, das Pferd ertrank und der Postillon nur durch Schwimmen sein Leben rettete. Das Felleisen wurde aus dem Kasten herausgespült und von der Flut fortgeführt. Am 26. war der Tag, an welchem vor 25 Jahren die bairische Verfassung ins Leben trat. Am 27. zog sich über Paris ein so schwarzes Unge- witter zusammen, daß die Deputirtenkammer ihre Sitzung aufheben mußte, weil es nicht möglich war, Geschriebe- nes zu lesen. An demselben Tage gab sich auf der Rheinischen Eisen- bahn ein junger Mann freiwillig dadurch den Tod, daß er sich beim Herannahen der Locomotive quer über die Bahn warf. Stärkegummibereitung. Ein wohlfeiles, das theure Senegalgummi vollkommen ersetzendes Gummi ist nur aus Stärke darzustellen. 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Wenn die Stärke in der Pfanne zu lange erhitzt wird, so nimmt sie eine graue Farbe an, die von der verkohlenden Wirkung der Schwefelsäure herrührt. Bei Anwendung der Salzsäure geschieht dies nicht so leicht, obwol sie die Gummibildung unter denselben Umständen bewirkt; die Salzsäure verdient daher den Vorzug, doch muß man zu derselben Menge Stärke und Wasser dop- pelt so viel starke Salzsäure nehmen als Schwefelsäure nöthig war. Bei diesem Processe ist man des Kochens, Filtrirens und Abdampfens völlig überhoben. Das in Form eines feinen Pulvers erhaltene Gummi kann ohne weiteres ge- braucht werden. Die geringe Menge Säure, welche es enthält, schadet keiner Beize; fürchtet man sie jedoch, so braucht man das Pulver nur mit Ammoniakgas in Be- rührung zu bringen, von welchem das trockne Pulver dann so viel aufnimmt, daß die Säure gesättigt wird. Bei dieser Umwandlung der Stärke in Gummi scheint gar keine Formveränderung der Stärke statt zu finden, da das Pulver nach wie vor das bekannte glän- zende Aussehen der Kartoffelstärkekörner behält. Ob dieses Gummi durch Schwefelsäure oder Salz. säure gewonnen worden ist, erkennt man daran, daß er- steres, auf einem Stück Papier an die Flammen gehal- ten, schwarz wird, ohne zu brennen, letzteres aber in einem solchen Falle unter Kochen mit Flammen verbrennt. Das Stärkegummi hat keine so große Verdickungs- fähigkeit wie das Senegalgummi, denn zum Verdicken von 12 Pf. Eisenbeize Nr. 1, wozu 6 Pf. Senegalgummi hin- reichen, sind 9 Pf. Stärkegummi erfoderlich, und ver- hält sich auch chemisch anders, indem es z. B. die Far- ben aus Eisenoxyd nicht so dunkel macht und keine che- mischen Wirkungen auf die Metallsalze ausübt. Dieser Umstand macht es ganz vortrefflich geeignet zur Ver- dickung der Auflösungen schwefelsaurer Salze, z. B. des Alauns, des Eisen=, Kupfer=, Manganvitriols, insofern man sie, nach dem Aufdrucke, durch ein Alkali zersetzen und das Oxyd auf die Zeugfaser niederschlagen will. Zur Verdickung von Tafeldruckfarben taugt dieses Gummi aber ebenso wenig als das Senegalgummi, weil sie durch beide zu sehr verdünnt, d. h. zu blaß werden. Hier ist Traganth und Salep unentbehrlich. Das Stärkegummi hat auch die Eigenschaft, die Einwirkung des Sauerstoffs auf die Beizen zu verhin- dern, zu deren Verdickung es angewendet wird. Es hält so vollständig die Luft ab, daß selbst nach einem mehr- tägigen Hängen des Gedruckten das Oxydul nicht in Oxyd übergeht, denn wenn man dasselbe in eine Am- moniakflüssigkeit eintaucht, bekommt das Eingetauchte nicht eine rostgelbe, sondern eine grüne Farbe. Die Stärkegummibereitung läßt sich sehr gut mit einer Kartoffelstärkefabrikation vereinigen. Der Stärke- fabrikant würde so dem Drucker in die Hände arbeiten und hätte vor dem Drucker den Vortheil voraus, daß er die Stärke, sowie sie fertig geworden ist, gleich im

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 26. Leipzig (Sachsen), 1. Juli 1843, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig026_1843/7>, abgerufen am 23.11.2024.