Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 12. Leipzig (Sachsen), 25. März 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

[Beginn Spaltensatz] aber wir wollen den Herren zeigen, daß man sich auf
Elba amüsirt, wie in Wien, und daß die kleinen Sou-
pers in Porto Ferrajo ebenso lustig sind als die Feste
der Hauptstädte des Continents."

Gestern Abend war ich im Schlosse bei einem Sou-
per, das einer der kaiserlichen Beamten seinen Freunden
gab. Jn einem großen Speisezimmer war eine Mahl-
zeit aufgetragen, wie sie an den Höfen mancher Fürsten
schwerlich vorkommen mag. Eine unendliche Menge von
Anekdoten, witzigen Einfällen, Geschichtchen, welche sast
alle den Beherrscher der Jnsel betrafen, wechselten mit-
einander ab und ließen das Gespräch nie stocken. "Der
Kaiser", sagte mir mein Nachbar, "beschäftigt sich beson-
ders mit der Einrichtung einer Fabrik von Eisen= und
Stahlarbeiten nach dem Maße der großen englischen An-
lagen in London und Birmingham. Als er kürzlich mit
dem Director der Anstalt über diesen Gegenstand sprach,
machte dieser die Bemerkung: in Gold= und Bijouterie-
arbeiten würden die Franzosen immer über die Englän-
der den Sieg davontragen, nie aber in Eisen= und
Stahlarbeiten. Sie irren sich, erwiderte Napoleon,
wenn England über Frankreich triumphirt hat, so ge-
schah das nicht durch sein Eisen, sondern durch sein Gold."

Ehe ich nach Hause ging, äußerte ich gelegentlich
gegen einige meiner Tischgenossen, daß ich sehr wünschte,
den Kaiser in der Nähe zu sehen. Man beschied mich
heute zu Mittag in den Palast und rieth mir, einige
Sorgfalt auf meine Toilette zu verwenden. Auf dem
Wege dahin machte ich die Bekanntschaft eines Feld-
webels der Garde und eines italienischen Sergeanten.
Beide waren mit ihrem Standquartiere sehr unzufrieden.
Der Franzose schwur, daß er lieber hängen als ein Jahr
auf Elba bleiben wollte. Was mich tröstet, setzte er
hinzu, ist, daß sich der Spitzkopf -- so nennen die Sol-
daten den Kaiser -- ebenso langweilt wie ich. Er wird
daher nicht ewig hier bleiben, das ist eine ausgemachte
Sache, und sollte er nach Afrika oder nach Ägypten ge-
hen. Es ist gewiß besser, sich mit den Türken und
Mamluken herumzuschlagen, als hier noch länger so ein
Hundeleben zu führen. Der Jtaliener war derselben
Meinung und versicherte mir, daß alle ihre Kameraden,
die Offiziere nicht ausgenommen, so dächten, denn diese
Jnsel wäre kein Theil der Welt, das wäre der Vorhof
der Hölle. Es scheint die Überzeugung der ganzen Jn-
sel zu sein, daß Napoleon keine Neigung besitze, lange
auf Elba zu bleiben. Der bedeutendste Theil der Ge-
spräche der Stadt und der Garnison ist die Aufstellung
von Vermuthungen, wohin er sich von Elba wenden
würde. Manche behaupten, es werde mit England un-
terhandelt, mit Genehmigung und Hülfe dieser Macht
nach Ägypten zu gehen und sich dort festzusetzen; An-
dere wollen von einer Expedition gegen die sämmtlichen
Barbaresken gehört haben, welche Napoleon unter Bei-
hülfe aller europäischen Nationen in den Stand setzen
soll, auf den Trümmern derselben ein neues Reich zu
gründen; noch Andere weisen ihm ein neues Reich in
Australien und Oceanien an.

Als ich ins Schloß kam, fand ich meine ganze
Tischgesellschaft vom gestrigen Abend wieder und wurde
durch eine Allee des Gartens in ein Seitengebäude ge-
führt. Ein längliches Vorzimmer öffnete sich da zu
einem runden, mit einer steinernen Balustrade einge-
schlossenen Platze, von wo eine breite Treppe in den
Garten hinabführte. Jch fand hier eine Menge Offi-
ziere und besternte Herren, welche sich ziemlich laut un-
terhielten. Plötzlich richtete Alles seine Blicke nach einer
Gartenthür, wo man den Kaiser mit einem Gefolge er-
scheinen sah. Jch erstaunte sehr über die Veränderung,
[Spaltenumbruch] die mit ihm vorgegangen war, seit ich ihn das letzte
Mal in Paris gesehen. Er war merklich dicker gewor-
den, besonders sein Bauch. Sein Gesicht sah braun
und verbrannt aus und war so voll, daß die Augen wie
in Fett verquollen waren. Er trug den Hut in der
Hand und wischte sich mehrmals den Schweiß von der
Stirn. Seine Gesichtszüge zeigten nichts von Unzufrie-
denheit und heftigen Leidenschaften.

Er steht, wie gewöhnlich, sehr früh auf, nimmt oft
kalte Bäder und macht dann eine ziemliche Tour zu
Pferde und zwar gewöhnlich in starkem Trabe. Nach
seiner Zurückkunft frühstückt er in Gesellschaft seiner Ver-
trauten kalte Küche und Wein und nimmt dann die
Rapports der Civil= und Militairautoritäten an. Hier-
auf besieht er seine Baue und andere Anlagen, wobei
er viel mit den Aufsehern, oft auch mit den Arbeits-
leuten spricht. Wer ihn hierbei betrachtet, sollte meinen,
er baue für die Ewigkeit und gedenke Elba nie zu ver-
lassen. Nach der Zurückkunft von den Baubesichtigun-
gen liest er die angekommenen Depeschen, unterschreibt
Briefe u. dgl., sieht neuangekommene Bücher durch,
macht einen Spaziergang im Garten und geht dann zur
Tafel. Nach aufgehobener Tafel unterhält er sich größ-
tentheils, im Zimmer auf= und abgehend, mit seinen
vertrautesten Offizieren oder macht noch einen Spazier-
gang im Garten. Zu Nacht speist er nie in Gesell-
schaft, genießt auch nur wenig, schreibt aber oft bis
nach Mitternacht.

Er erhält viele Kuriere und schickt viele ab, weil er
an allen europäischen Höfen seine Emissaire hat, die ihn
von allen politischen Ereignissen aufs schnellste unterrich-
ten. Er scheint übrigens allen Haß gegen die Englän-
der abgelegt zu haben und hat bei mehren Gelegenheiten
geäußert: Es gibt nur zwei Nationen auf der Welt,
Franzosen und Engländer, welche immer das Schicksal
der Welt bestimmen werden. Er beobachtet die Formen
der katholischen Kirche sehr genau und sieht es gern,
wenn dies auch seine Truppen thun. Jch sah diese letz-
tern exerciren und erstaunte, denn jede Bewegung, jeder
Tritt, jeder Schlag war wie an der Schnur gezogen,
man hörte nur einen Ton, sah nur eine Bewegung;
aus Mangel an andern Beschäftigungen haben sich näm-
lich Offiziere und Gemeine dergestalt einexercirt, daß das
Bataillon Fußgarde ein aus 800 Theilen zusammen-
gesetztes Kunstwerk zu sein scheint. Napoleon geht oft
auf die Jagd, auf die ihn immer eine große, starke
Dogge begleitet, die er oft Viertelstunden lang liebkost
und wie ein Kind liebt.



Chronik der Eisenbahnen im Jahre 1842.
( Beschluß aus Nr. 11. )

Jn Großbritannien und Jrland sind im Jahre
1842, so viel bekannt geworden, folgende Bahnstrecken
eröffnet worden: 1 ) der letzte noch fehlende Theil der
Birmingham= und Derby=Junction=Eisenbahn von Bir-
mingham bis Nether Whitacre,9 1 / 2 engl. M., am 10.
Februar; 2 ) die von Bristol nach Exeter führende Bahn
am 1. Juli von Bridgewater bis Taunton, 11 engl. M.;
3 ) die Bahn von Edinburg bis Glasgow, 46 engl. M.,
am 18. Februar; 4 ) die ganze von Manchester nach
Birmingham führende Bahn ( früher nur von Man-
chester bis Stockport eröffnet ) , und zwar wurde am 10.
Mai die Strecke von Stockport bis Sandbach, am 10
August die von da bis Crewe ( wo die Bahn in die
Grand=Junction=Bahn mündet ) , zusammen 26 engl.
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] aber wir wollen den Herren zeigen, daß man sich auf
Elba amüsirt, wie in Wien, und daß die kleinen Sou-
pers in Porto Ferrajo ebenso lustig sind als die Feste
der Hauptstädte des Continents.“

Gestern Abend war ich im Schlosse bei einem Sou-
per, das einer der kaiserlichen Beamten seinen Freunden
gab. Jn einem großen Speisezimmer war eine Mahl-
zeit aufgetragen, wie sie an den Höfen mancher Fürsten
schwerlich vorkommen mag. Eine unendliche Menge von
Anekdoten, witzigen Einfällen, Geschichtchen, welche sast
alle den Beherrscher der Jnsel betrafen, wechselten mit-
einander ab und ließen das Gespräch nie stocken. „Der
Kaiser“, sagte mir mein Nachbar, „beschäftigt sich beson-
ders mit der Einrichtung einer Fabrik von Eisen= und
Stahlarbeiten nach dem Maße der großen englischen An-
lagen in London und Birmingham. Als er kürzlich mit
dem Director der Anstalt über diesen Gegenstand sprach,
machte dieser die Bemerkung: in Gold= und Bijouterie-
arbeiten würden die Franzosen immer über die Englän-
der den Sieg davontragen, nie aber in Eisen= und
Stahlarbeiten. Sie irren sich, erwiderte Napoleon,
wenn England über Frankreich triumphirt hat, so ge-
schah das nicht durch sein Eisen, sondern durch sein Gold.“

Ehe ich nach Hause ging, äußerte ich gelegentlich
gegen einige meiner Tischgenossen, daß ich sehr wünschte,
den Kaiser in der Nähe zu sehen. Man beschied mich
heute zu Mittag in den Palast und rieth mir, einige
Sorgfalt auf meine Toilette zu verwenden. Auf dem
Wege dahin machte ich die Bekanntschaft eines Feld-
webels der Garde und eines italienischen Sergeanten.
Beide waren mit ihrem Standquartiere sehr unzufrieden.
Der Franzose schwur, daß er lieber hängen als ein Jahr
auf Elba bleiben wollte. Was mich tröstet, setzte er
hinzu, ist, daß sich der Spitzkopf — so nennen die Sol-
daten den Kaiser — ebenso langweilt wie ich. Er wird
daher nicht ewig hier bleiben, das ist eine ausgemachte
Sache, und sollte er nach Afrika oder nach Ägypten ge-
hen. Es ist gewiß besser, sich mit den Türken und
Mamluken herumzuschlagen, als hier noch länger so ein
Hundeleben zu führen. Der Jtaliener war derselben
Meinung und versicherte mir, daß alle ihre Kameraden,
die Offiziere nicht ausgenommen, so dächten, denn diese
Jnsel wäre kein Theil der Welt, das wäre der Vorhof
der Hölle. Es scheint die Überzeugung der ganzen Jn-
sel zu sein, daß Napoleon keine Neigung besitze, lange
auf Elba zu bleiben. Der bedeutendste Theil der Ge-
spräche der Stadt und der Garnison ist die Aufstellung
von Vermuthungen, wohin er sich von Elba wenden
würde. Manche behaupten, es werde mit England un-
terhandelt, mit Genehmigung und Hülfe dieser Macht
nach Ägypten zu gehen und sich dort festzusetzen; An-
dere wollen von einer Expedition gegen die sämmtlichen
Barbaresken gehört haben, welche Napoleon unter Bei-
hülfe aller europäischen Nationen in den Stand setzen
soll, auf den Trümmern derselben ein neues Reich zu
gründen; noch Andere weisen ihm ein neues Reich in
Australien und Oceanien an.

Als ich ins Schloß kam, fand ich meine ganze
Tischgesellschaft vom gestrigen Abend wieder und wurde
durch eine Allee des Gartens in ein Seitengebäude ge-
führt. Ein längliches Vorzimmer öffnete sich da zu
einem runden, mit einer steinernen Balustrade einge-
schlossenen Platze, von wo eine breite Treppe in den
Garten hinabführte. Jch fand hier eine Menge Offi-
ziere und besternte Herren, welche sich ziemlich laut un-
terhielten. Plötzlich richtete Alles seine Blicke nach einer
Gartenthür, wo man den Kaiser mit einem Gefolge er-
scheinen sah. Jch erstaunte sehr über die Veränderung,
[Spaltenumbruch] die mit ihm vorgegangen war, seit ich ihn das letzte
Mal in Paris gesehen. Er war merklich dicker gewor-
den, besonders sein Bauch. Sein Gesicht sah braun
und verbrannt aus und war so voll, daß die Augen wie
in Fett verquollen waren. Er trug den Hut in der
Hand und wischte sich mehrmals den Schweiß von der
Stirn. Seine Gesichtszüge zeigten nichts von Unzufrie-
denheit und heftigen Leidenschaften.

Er steht, wie gewöhnlich, sehr früh auf, nimmt oft
kalte Bäder und macht dann eine ziemliche Tour zu
Pferde und zwar gewöhnlich in starkem Trabe. Nach
seiner Zurückkunft frühstückt er in Gesellschaft seiner Ver-
trauten kalte Küche und Wein und nimmt dann die
Rapports der Civil= und Militairautoritäten an. Hier-
auf besieht er seine Baue und andere Anlagen, wobei
er viel mit den Aufsehern, oft auch mit den Arbeits-
leuten spricht. Wer ihn hierbei betrachtet, sollte meinen,
er baue für die Ewigkeit und gedenke Elba nie zu ver-
lassen. Nach der Zurückkunft von den Baubesichtigun-
gen liest er die angekommenen Depeschen, unterschreibt
Briefe u. dgl., sieht neuangekommene Bücher durch,
macht einen Spaziergang im Garten und geht dann zur
Tafel. Nach aufgehobener Tafel unterhält er sich größ-
tentheils, im Zimmer auf= und abgehend, mit seinen
vertrautesten Offizieren oder macht noch einen Spazier-
gang im Garten. Zu Nacht speist er nie in Gesell-
schaft, genießt auch nur wenig, schreibt aber oft bis
nach Mitternacht.

Er erhält viele Kuriere und schickt viele ab, weil er
an allen europäischen Höfen seine Emissaire hat, die ihn
von allen politischen Ereignissen aufs schnellste unterrich-
ten. Er scheint übrigens allen Haß gegen die Englän-
der abgelegt zu haben und hat bei mehren Gelegenheiten
geäußert: Es gibt nur zwei Nationen auf der Welt,
Franzosen und Engländer, welche immer das Schicksal
der Welt bestimmen werden. Er beobachtet die Formen
der katholischen Kirche sehr genau und sieht es gern,
wenn dies auch seine Truppen thun. Jch sah diese letz-
tern exerciren und erstaunte, denn jede Bewegung, jeder
Tritt, jeder Schlag war wie an der Schnur gezogen,
man hörte nur einen Ton, sah nur eine Bewegung;
aus Mangel an andern Beschäftigungen haben sich näm-
lich Offiziere und Gemeine dergestalt einexercirt, daß das
Bataillon Fußgarde ein aus 800 Theilen zusammen-
gesetztes Kunstwerk zu sein scheint. Napoleon geht oft
auf die Jagd, auf die ihn immer eine große, starke
Dogge begleitet, die er oft Viertelstunden lang liebkost
und wie ein Kind liebt.



Chronik der Eisenbahnen im Jahre 1842.
( Beschluß aus Nr. 11. )

Jn Großbritannien und Jrland sind im Jahre
1842, so viel bekannt geworden, folgende Bahnstrecken
eröffnet worden: 1 ) der letzte noch fehlende Theil der
Birmingham= und Derby=Junction=Eisenbahn von Bir-
mingham bis Nether Whitacre,9 1 / 2 engl. M., am 10.
Februar; 2 ) die von Bristol nach Exeter führende Bahn
am 1. Juli von Bridgewater bis Taunton, 11 engl. M.;
3 ) die Bahn von Edinburg bis Glasgow, 46 engl. M.,
am 18. Februar; 4 ) die ganze von Manchester nach
Birmingham führende Bahn ( früher nur von Man-
chester bis Stockport eröffnet ) , und zwar wurde am 10.
Mai die Strecke von Stockport bis Sandbach, am 10
August die von da bis Crewe ( wo die Bahn in die
Grand=Junction=Bahn mündet ) , zusammen 26 engl.
[Ende Spaltensatz]

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <p><pb facs="#f0006" n="94"/><fw type="pageNum" place="top">94</fw><cb type="start"/>
aber wir wollen den Herren zeigen, daß man sich auf<lb/>
Elba amüsirt, wie in Wien, und daß die kleinen Sou-<lb/>
pers in Porto Ferrajo ebenso lustig sind als die Feste<lb/>
der Hauptstädte des Continents.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Gestern Abend war ich im Schlosse bei einem Sou-<lb/>
per, das einer der kaiserlichen Beamten seinen Freunden<lb/>
gab. Jn einem großen Speisezimmer war eine Mahl-<lb/>
zeit aufgetragen, wie sie an den Höfen mancher Fürsten<lb/>
schwerlich vorkommen mag. Eine unendliche Menge von<lb/>
Anekdoten, witzigen Einfällen, Geschichtchen, welche sast<lb/>
alle den Beherrscher der Jnsel betrafen, wechselten mit-<lb/>
einander ab und ließen das Gespräch nie stocken. &#x201E;Der<lb/>
Kaiser&#x201C;, sagte mir mein Nachbar, &#x201E;beschäftigt sich beson-<lb/>
ders mit der Einrichtung einer Fabrik von Eisen= und<lb/>
Stahlarbeiten nach dem Maße der großen englischen An-<lb/>
lagen in London und Birmingham. Als er kürzlich mit<lb/>
dem Director der Anstalt über diesen Gegenstand sprach,<lb/>
machte dieser die Bemerkung: in Gold= und Bijouterie-<lb/>
arbeiten würden die Franzosen immer über die Englän-<lb/>
der den Sieg davontragen, nie aber in Eisen= und<lb/>
Stahlarbeiten. Sie irren sich, erwiderte Napoleon,<lb/>
wenn England über Frankreich triumphirt hat, so ge-<lb/>
schah das nicht durch sein Eisen, sondern durch sein Gold.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Ehe ich nach Hause ging, äußerte ich gelegentlich<lb/>
gegen einige meiner Tischgenossen, daß ich sehr wünschte,<lb/>
den Kaiser in der Nähe zu sehen. Man beschied mich<lb/>
heute zu Mittag in den Palast und rieth mir, einige<lb/>
Sorgfalt auf meine Toilette zu verwenden. Auf dem<lb/>
Wege dahin machte ich die Bekanntschaft eines Feld-<lb/>
webels der Garde und eines italienischen Sergeanten.<lb/>
Beide waren mit ihrem Standquartiere sehr unzufrieden.<lb/>
Der Franzose schwur, daß er lieber hängen als ein Jahr<lb/>
auf Elba bleiben wollte. Was mich tröstet, setzte er<lb/>
hinzu, ist, daß sich der Spitzkopf &#x2014; so nennen die Sol-<lb/>
daten den Kaiser &#x2014; ebenso langweilt wie ich. Er wird<lb/>
daher nicht ewig hier bleiben, das ist eine ausgemachte<lb/>
Sache, und sollte er nach Afrika oder nach Ägypten ge-<lb/>
hen. Es ist gewiß besser, sich mit den Türken und<lb/>
Mamluken herumzuschlagen, als hier noch länger so ein<lb/>
Hundeleben zu führen. Der Jtaliener war derselben<lb/>
Meinung und versicherte mir, daß alle ihre Kameraden,<lb/>
die Offiziere nicht ausgenommen, so dächten, denn diese<lb/>
Jnsel wäre kein Theil der Welt, das wäre der Vorhof<lb/>
der Hölle. Es scheint die Überzeugung der ganzen Jn-<lb/>
sel zu sein, daß Napoleon keine Neigung besitze, lange<lb/>
auf Elba zu bleiben. Der bedeutendste Theil der Ge-<lb/>
spräche der Stadt und der Garnison ist die Aufstellung<lb/>
von Vermuthungen, wohin er sich von Elba wenden<lb/>
würde. Manche behaupten, es werde mit England un-<lb/>
terhandelt, mit Genehmigung und Hülfe dieser Macht<lb/>
nach Ägypten zu gehen und sich dort festzusetzen; An-<lb/>
dere wollen von einer Expedition gegen die sämmtlichen<lb/>
Barbaresken gehört haben, welche Napoleon unter Bei-<lb/>
hülfe aller europäischen Nationen in den Stand setzen<lb/>
soll, auf den Trümmern derselben ein neues Reich zu<lb/>
gründen; noch Andere weisen ihm ein neues Reich in<lb/>
Australien und Oceanien an.</p><lb/>
        <p>Als ich ins Schloß kam, fand ich meine ganze<lb/>
Tischgesellschaft vom gestrigen Abend wieder und wurde<lb/>
durch eine Allee des Gartens in ein Seitengebäude ge-<lb/>
führt. Ein längliches Vorzimmer öffnete sich da zu<lb/>
einem runden, mit einer steinernen Balustrade einge-<lb/>
schlossenen Platze, von wo eine breite Treppe in den<lb/>
Garten hinabführte. Jch fand hier eine Menge Offi-<lb/>
ziere und besternte Herren, welche sich ziemlich laut un-<lb/>
terhielten. Plötzlich richtete Alles seine Blicke nach einer<lb/>
Gartenthür, wo man den Kaiser mit einem Gefolge er-<lb/>
scheinen sah. Jch erstaunte sehr über die Veränderung,<lb/><cb n="2"/>
die mit ihm vorgegangen war, seit ich ihn das letzte<lb/>
Mal in Paris gesehen. Er war merklich dicker gewor-<lb/>
den, besonders sein Bauch. Sein Gesicht sah braun<lb/>
und verbrannt aus und war so voll, daß die Augen wie<lb/>
in Fett verquollen waren. Er trug den Hut in der<lb/>
Hand und wischte sich mehrmals den Schweiß von der<lb/>
Stirn. Seine Gesichtszüge zeigten nichts von Unzufrie-<lb/>
denheit und heftigen Leidenschaften.</p><lb/>
        <p>Er steht, wie gewöhnlich, sehr früh auf, nimmt oft<lb/>
kalte Bäder und macht dann eine ziemliche Tour zu<lb/>
Pferde und zwar gewöhnlich in starkem Trabe. Nach<lb/>
seiner Zurückkunft frühstückt er in Gesellschaft seiner Ver-<lb/>
trauten kalte Küche und Wein und nimmt dann die<lb/>
Rapports der Civil= und Militairautoritäten an. Hier-<lb/>
auf besieht er seine Baue und andere Anlagen, wobei<lb/>
er viel mit den Aufsehern, oft auch mit den Arbeits-<lb/>
leuten spricht. Wer ihn hierbei betrachtet, sollte meinen,<lb/>
er baue für die Ewigkeit und gedenke Elba nie zu ver-<lb/>
lassen. Nach der Zurückkunft von den Baubesichtigun-<lb/>
gen liest er die angekommenen Depeschen, unterschreibt<lb/>
Briefe u. dgl., sieht neuangekommene Bücher durch,<lb/>
macht einen Spaziergang im Garten und geht dann zur<lb/>
Tafel. Nach aufgehobener Tafel unterhält er sich größ-<lb/>
tentheils, im Zimmer auf= und abgehend, mit seinen<lb/>
vertrautesten Offizieren oder macht noch einen Spazier-<lb/>
gang im Garten. Zu Nacht speist er nie in Gesell-<lb/>
schaft, genießt auch nur wenig, schreibt aber oft bis<lb/>
nach Mitternacht.</p><lb/>
        <p>Er erhält viele Kuriere und schickt viele ab, weil er<lb/>
an allen europäischen Höfen seine Emissaire hat, die ihn<lb/>
von allen politischen Ereignissen aufs schnellste unterrich-<lb/>
ten. Er scheint übrigens allen Haß gegen die Englän-<lb/>
der abgelegt zu haben und hat bei mehren Gelegenheiten<lb/>
geäußert: Es gibt nur zwei Nationen auf der Welt,<lb/>
Franzosen und Engländer, welche immer das Schicksal<lb/>
der Welt bestimmen werden. Er beobachtet die Formen<lb/>
der katholischen Kirche sehr genau und sieht es gern,<lb/>
wenn dies auch seine Truppen thun. Jch sah diese letz-<lb/>
tern exerciren und erstaunte, denn jede Bewegung, jeder<lb/>
Tritt, jeder Schlag war wie an der Schnur gezogen,<lb/>
man hörte nur einen Ton, sah nur eine Bewegung;<lb/>
aus Mangel an andern Beschäftigungen haben sich näm-<lb/>
lich Offiziere und Gemeine dergestalt einexercirt, daß das<lb/>
Bataillon Fußgarde ein aus 800 Theilen zusammen-<lb/>
gesetztes Kunstwerk zu sein scheint. Napoleon geht oft<lb/>
auf die Jagd, auf die ihn immer eine große, starke<lb/>
Dogge begleitet, die er oft Viertelstunden lang liebkost<lb/>
und wie ein Kind liebt.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head><hi rendition="#fr">Chronik der Eisenbahnen im Jahre</hi> 1842.<lb/>
( Beschluß aus Nr. 11. )</head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">J</hi>n <hi rendition="#g">Großbritannien</hi> und <hi rendition="#g">Jrland</hi> sind im Jahre<lb/>
1842, so viel bekannt geworden, folgende Bahnstrecken<lb/>
eröffnet worden: 1 ) der letzte noch fehlende Theil der<lb/>
Birmingham= und Derby=Junction=Eisenbahn von Bir-<lb/>
mingham bis Nether Whitacre,9 1 / 2 engl. M., am 10.<lb/>
Februar; 2 ) die von Bristol nach Exeter führende Bahn<lb/>
am 1. Juli von Bridgewater bis Taunton, 11 engl. M.;<lb/>
3 ) die Bahn von Edinburg bis Glasgow, 46 engl. M.,<lb/>
am 18. Februar; 4 ) die ganze von Manchester nach<lb/>
Birmingham führende Bahn ( früher nur von Man-<lb/>
chester bis Stockport eröffnet ) , und zwar wurde am 10.<lb/>
Mai die Strecke von Stockport bis Sandbach, am 10<lb/>
August die von da bis Crewe ( wo die Bahn in die<lb/>
Grand=Junction=Bahn mündet ) , zusammen 26 engl.<lb/><cb type="end"/>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[94/0006] 94 aber wir wollen den Herren zeigen, daß man sich auf Elba amüsirt, wie in Wien, und daß die kleinen Sou- pers in Porto Ferrajo ebenso lustig sind als die Feste der Hauptstädte des Continents.“ Gestern Abend war ich im Schlosse bei einem Sou- per, das einer der kaiserlichen Beamten seinen Freunden gab. Jn einem großen Speisezimmer war eine Mahl- zeit aufgetragen, wie sie an den Höfen mancher Fürsten schwerlich vorkommen mag. Eine unendliche Menge von Anekdoten, witzigen Einfällen, Geschichtchen, welche sast alle den Beherrscher der Jnsel betrafen, wechselten mit- einander ab und ließen das Gespräch nie stocken. „Der Kaiser“, sagte mir mein Nachbar, „beschäftigt sich beson- ders mit der Einrichtung einer Fabrik von Eisen= und Stahlarbeiten nach dem Maße der großen englischen An- lagen in London und Birmingham. Als er kürzlich mit dem Director der Anstalt über diesen Gegenstand sprach, machte dieser die Bemerkung: in Gold= und Bijouterie- arbeiten würden die Franzosen immer über die Englän- der den Sieg davontragen, nie aber in Eisen= und Stahlarbeiten. Sie irren sich, erwiderte Napoleon, wenn England über Frankreich triumphirt hat, so ge- schah das nicht durch sein Eisen, sondern durch sein Gold.“ Ehe ich nach Hause ging, äußerte ich gelegentlich gegen einige meiner Tischgenossen, daß ich sehr wünschte, den Kaiser in der Nähe zu sehen. Man beschied mich heute zu Mittag in den Palast und rieth mir, einige Sorgfalt auf meine Toilette zu verwenden. Auf dem Wege dahin machte ich die Bekanntschaft eines Feld- webels der Garde und eines italienischen Sergeanten. Beide waren mit ihrem Standquartiere sehr unzufrieden. Der Franzose schwur, daß er lieber hängen als ein Jahr auf Elba bleiben wollte. Was mich tröstet, setzte er hinzu, ist, daß sich der Spitzkopf — so nennen die Sol- daten den Kaiser — ebenso langweilt wie ich. Er wird daher nicht ewig hier bleiben, das ist eine ausgemachte Sache, und sollte er nach Afrika oder nach Ägypten ge- hen. Es ist gewiß besser, sich mit den Türken und Mamluken herumzuschlagen, als hier noch länger so ein Hundeleben zu führen. Der Jtaliener war derselben Meinung und versicherte mir, daß alle ihre Kameraden, die Offiziere nicht ausgenommen, so dächten, denn diese Jnsel wäre kein Theil der Welt, das wäre der Vorhof der Hölle. Es scheint die Überzeugung der ganzen Jn- sel zu sein, daß Napoleon keine Neigung besitze, lange auf Elba zu bleiben. Der bedeutendste Theil der Ge- spräche der Stadt und der Garnison ist die Aufstellung von Vermuthungen, wohin er sich von Elba wenden würde. Manche behaupten, es werde mit England un- terhandelt, mit Genehmigung und Hülfe dieser Macht nach Ägypten zu gehen und sich dort festzusetzen; An- dere wollen von einer Expedition gegen die sämmtlichen Barbaresken gehört haben, welche Napoleon unter Bei- hülfe aller europäischen Nationen in den Stand setzen soll, auf den Trümmern derselben ein neues Reich zu gründen; noch Andere weisen ihm ein neues Reich in Australien und Oceanien an. Als ich ins Schloß kam, fand ich meine ganze Tischgesellschaft vom gestrigen Abend wieder und wurde durch eine Allee des Gartens in ein Seitengebäude ge- führt. Ein längliches Vorzimmer öffnete sich da zu einem runden, mit einer steinernen Balustrade einge- schlossenen Platze, von wo eine breite Treppe in den Garten hinabführte. Jch fand hier eine Menge Offi- ziere und besternte Herren, welche sich ziemlich laut un- terhielten. Plötzlich richtete Alles seine Blicke nach einer Gartenthür, wo man den Kaiser mit einem Gefolge er- scheinen sah. Jch erstaunte sehr über die Veränderung, die mit ihm vorgegangen war, seit ich ihn das letzte Mal in Paris gesehen. Er war merklich dicker gewor- den, besonders sein Bauch. Sein Gesicht sah braun und verbrannt aus und war so voll, daß die Augen wie in Fett verquollen waren. Er trug den Hut in der Hand und wischte sich mehrmals den Schweiß von der Stirn. Seine Gesichtszüge zeigten nichts von Unzufrie- denheit und heftigen Leidenschaften. Er steht, wie gewöhnlich, sehr früh auf, nimmt oft kalte Bäder und macht dann eine ziemliche Tour zu Pferde und zwar gewöhnlich in starkem Trabe. Nach seiner Zurückkunft frühstückt er in Gesellschaft seiner Ver- trauten kalte Küche und Wein und nimmt dann die Rapports der Civil= und Militairautoritäten an. Hier- auf besieht er seine Baue und andere Anlagen, wobei er viel mit den Aufsehern, oft auch mit den Arbeits- leuten spricht. Wer ihn hierbei betrachtet, sollte meinen, er baue für die Ewigkeit und gedenke Elba nie zu ver- lassen. Nach der Zurückkunft von den Baubesichtigun- gen liest er die angekommenen Depeschen, unterschreibt Briefe u. dgl., sieht neuangekommene Bücher durch, macht einen Spaziergang im Garten und geht dann zur Tafel. Nach aufgehobener Tafel unterhält er sich größ- tentheils, im Zimmer auf= und abgehend, mit seinen vertrautesten Offizieren oder macht noch einen Spazier- gang im Garten. Zu Nacht speist er nie in Gesell- schaft, genießt auch nur wenig, schreibt aber oft bis nach Mitternacht. Er erhält viele Kuriere und schickt viele ab, weil er an allen europäischen Höfen seine Emissaire hat, die ihn von allen politischen Ereignissen aufs schnellste unterrich- ten. Er scheint übrigens allen Haß gegen die Englän- der abgelegt zu haben und hat bei mehren Gelegenheiten geäußert: Es gibt nur zwei Nationen auf der Welt, Franzosen und Engländer, welche immer das Schicksal der Welt bestimmen werden. Er beobachtet die Formen der katholischen Kirche sehr genau und sieht es gern, wenn dies auch seine Truppen thun. Jch sah diese letz- tern exerciren und erstaunte, denn jede Bewegung, jeder Tritt, jeder Schlag war wie an der Schnur gezogen, man hörte nur einen Ton, sah nur eine Bewegung; aus Mangel an andern Beschäftigungen haben sich näm- lich Offiziere und Gemeine dergestalt einexercirt, daß das Bataillon Fußgarde ein aus 800 Theilen zusammen- gesetztes Kunstwerk zu sein scheint. Napoleon geht oft auf die Jagd, auf die ihn immer eine große, starke Dogge begleitet, die er oft Viertelstunden lang liebkost und wie ein Kind liebt. Chronik der Eisenbahnen im Jahre 1842. ( Beschluß aus Nr. 11. ) Jn Großbritannien und Jrland sind im Jahre 1842, so viel bekannt geworden, folgende Bahnstrecken eröffnet worden: 1 ) der letzte noch fehlende Theil der Birmingham= und Derby=Junction=Eisenbahn von Bir- mingham bis Nether Whitacre,9 1 / 2 engl. M., am 10. Februar; 2 ) die von Bristol nach Exeter führende Bahn am 1. Juli von Bridgewater bis Taunton, 11 engl. M.; 3 ) die Bahn von Edinburg bis Glasgow, 46 engl. M., am 18. Februar; 4 ) die ganze von Manchester nach Birmingham führende Bahn ( früher nur von Man- chester bis Stockport eröffnet ) , und zwar wurde am 10. Mai die Strecke von Stockport bis Sandbach, am 10 August die von da bis Crewe ( wo die Bahn in die Grand=Junction=Bahn mündet ) , zusammen 26 engl.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription
Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

Weitere Informationen:

Siehe Dokumentation




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig012_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig012_1843/6
Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 12. Leipzig (Sachsen), 25. März 1843, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig012_1843/6>, abgerufen am 24.11.2024.