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Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 42. Prag, 1834.

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Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz] Leuten in Freundschaft leben; die Kaufleute über-
halten ihn nicht in den Preisen der Waare; und
er ist denen, die sich von der Plünderung ernähren,
weniger in den Augen.     R.



Neueste Miszellen aus der Natur=, Länder -
und Menschenkunde.

Die türkischen Frauen beweinen den Verlust
ihrer Gatten mit großer Jnbrunst. "Jch sah" schreibt
ein neuerer Reisende "bei Jerusalem, eine junge
türkische Frau, ihren Gatten auf einem der kleinen
Denkmähler von weißem Stein, mit welchem die
Hügel um die Stadt her übersäet sind, beweinen,
sie konnte kaum 18 oder 20 Jahre seyn, und ich
habe nie ein reizenderes Bild des Kummers gesehen;
ihr Profil, welches ihr hinten überschlagene Schleier
durchblicken ließ, hatte die Feinheit der Züge der
schönsten Köpfe des Parthenon, aber zugleich den
Adel, die Anmuth und das liebliche Schmachtende
der türkischen Frauen: eine weit weiblichere, weit
mehr das Herz fesselnde Schönheit, als die ernste
und männliche Schönheit der griechischen Frauen.
Jhr Haar blond, bronzen und vergoldet wie das
Kupfer der antiken Statuen, eine in diesem Lande
der Sonne, von der sie gewissermassen ein perma-
nenter Abglanz ist, sehr beliebte Farbe; ihr gelöstes
Haar hing flatternd um sie her und fegte buchstäb-
lich den Boden, und sie bückte sich oft, den Stein
des Turbans zu umarmen, der auf dem Grabe ihres
Mannes stand. Das Grab war und die Erde um-
her mit allen Arten Blumen bestreut; ein schöner
Teppich von Damascus lag unter ihren Knieen aus-
gebreitet, und auf diesem Teppiche standen mehrere
Vasen mit Blumen und ein Korb voll Feigen und
Gerstenkuchen, denn diese Frau mußte hier ei-
nen ganzen Tag so weinend zubringen. Ein in die
Erde gewühltes Loch, das mit dem Todten korre-
spondiren sollte, diente ihr zum Sprachrohr für die
andere Welt, in welcher der ruhte, dem ihr Besuch
galt. Sie neigte sich von Zeit zu Zeit zu dieser
kleinen Oeffnung hin, sang Strophen, die von Schluch-
zen unterbrochen wurden; dann legte sie das Ohr
darauf, als ob sie eine Antwort erwartet hätte, und
fing nächstdem abermals zu singen und zu weinen
an. Welche Geheimnisse der Liebe und des Grams!
welche beseelte Seufzer des ganzen Lebens, mußten
diese wirren und in Thränen erstickten Worte ent-
halten! Ach! wenn irgend etwas im Stande wäre,
einen Todten zu erwecken, so würden es solche
Worte, von einem solchen Munde gemurmelt seyn!



Jn Puebla ( Mexico ) wird die Seife in son-
derbaren Formen gegossen, und zwar in allerlei Thier-
gestalten und phantastischen Ungeheuern aus der in-
dianischen Mythologie. Der Maler Höllen=Breug-
hel
hätte in einer solchen Werkstätte seine Einbil-
dungskraft noch übertroffen gefunden. Auch existirt
in dieser Stadt als Familiengeheimniß einiger alt-
indianischen Haushaltungen, nemlich die puppenar-
tige, porträtähnliche Nachbildung lebender Originale
in Zeugstoffen. Die sehr ähnlichen Gesichter dieser treu
kostumirten Puppen sehen aus wie aus feinem Thon
geformt und nach der Natur gemalt; sie sind aber
mit unendlicher Kunst und Feinheit, besonders in
alten, runzlichen Physiognomien, aus Zeuglappen
mit der Nadel gemacht. -- Wahrhaftig, es ist ein
Wunder, daß die muthwilligen Pariser, sich diese
[Spaltenumbruch] Kunst noch nicht eigen gemacht haben. Sie wäre
ein neuer Behelf zu ihren unerschöpflichen Karika-
turen.     J. J. P.



Die Eselsbrüder.

Eine der ersten Kasten Jndiens, die Kaste der
Kavaravaduken, behauptet, von einem Esel abzustam-
men. Die Personen dieser Kaste behandeln die Esel
als Brüder, übernehmen ihre Vertheidigung bei jeder
Gelegenheit, und verfolgen diejenigen gerichtlich,
welche sie schlagen, oder auf andere Weise ohne
hinlänglichen Grund mißhandeln. Bei Regen oder
Sturm bringen sie einen Esel unter Dach, und ver-
weigern seinem Herrn die Auslieferung, wenn dieser
nicht von hoher Geburt ist.     L.



Die feindlichen Brüder.

Das Geschlecht der Herren von Rehberg,
welches auf eine furchtbare Weise in zweien seiner
Sprossen endete, besaß eine Burg in der Gegend
von Ried in Ober = Oesterreich, und nach dem Te-
stamente des letzten Besitzers, welcher zwei Söhne
hinterließ, sollte der Erstgeborne das Gut erhalten,
der Jüngere mit Geld abgefertigt werden. Dieser
aber erhob gleiche Ansprüche. Bitterer Haß und
offene Fehde entzweite die Brüder, ihr Ausgang
war grauenvoll. Die Feier des Sonntags führte
sie einst in der Pfarrkirche zu Ried zusammen.
Einander ansichtig zu werden, und im Gotteshause,
in der Heimath des Friedens, die Wehren gegen
einander zu entblößen, war Eines. Die versammelte
Menge drängte sie von einander, sie wanden sich
durch bis hinter den Hochaltar. Dort fanden sie
endlich Raum, gegen einander auszufallen, und einer
sank in des andern Schwert. Beide verbluteten an
der heiligen Stätte. Die Kirche zu Ried blieb
wegen dieses Brudermordes durch dreißig Jahre ent-
weiht und geschlossen, bis die eifrigen Bemühungen
des Abtes Ulrich IV. von Kremsmünster, in
Rom und in Passau es endlich dahin brachten,
daß die Kirche 1478 vom Diöcesanbischof, Ulrich
von Passau, wieder gesühnt, und neu eingerichtet
wurde.     H.



Lohn der Tugend in China.

Auf Befehl des Kaisers von China muß jeder
Gouverneur in den Städten dieses Reiches am Be-
ginn jedes Jahres allen denjenigen, welche im Laufe
des verflossenen Jahres eine tugendhafte Handlung
ausgeübt haben, ein großes Fest geben. Dieses Fest
hat auf dem öffentlichen Platze und unter einem
Zelte Statt, ober welchem man die Worte liest:
"Menschen aus allen Ständen und Verhältnissen, die
Tugend macht euch hier alle gleich!"

Das Volk betrachtet und prüft alle geladenen
Gäste, und wenn es einen unter ihnen sähe, der
seine Stelle nicht verdient, so würde es ihn durch
lautes Geschrei zwingen, von der Tafel zu gehen
und sich zu verbergen.     L.



Der See Tiberias.

Aus der heiligen Schrift ist uns der See Ge-
nezareth
bekannt, welchen der Jordanfluß mit
heftiger Strömung durchzieht, und auf dem der Hei-
land zur Zeit des Sturmes mit sicherem Schritte
einher wandelte. Der See, dessen ganze Umgebung
[Ende Spaltensatz]

Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz] Leuten in Freundschaft leben; die Kaufleute über-
halten ihn nicht in den Preisen der Waare; und
er ist denen, die sich von der Plünderung ernähren,
weniger in den Augen.     R.



Neueste Miszellen aus der Natur=, Länder -
und Menschenkunde.

Die türkischen Frauen beweinen den Verlust
ihrer Gatten mit großer Jnbrunst. „Jch sah“ schreibt
ein neuerer Reisende „bei Jerusalem, eine junge
türkische Frau, ihren Gatten auf einem der kleinen
Denkmähler von weißem Stein, mit welchem die
Hügel um die Stadt her übersäet sind, beweinen,
sie konnte kaum 18 oder 20 Jahre seyn, und ich
habe nie ein reizenderes Bild des Kummers gesehen;
ihr Profil, welches ihr hinten überschlagene Schleier
durchblicken ließ, hatte die Feinheit der Züge der
schönsten Köpfe des Parthenon, aber zugleich den
Adel, die Anmuth und das liebliche Schmachtende
der türkischen Frauen: eine weit weiblichere, weit
mehr das Herz fesselnde Schönheit, als die ernste
und männliche Schönheit der griechischen Frauen.
Jhr Haar blond, bronzen und vergoldet wie das
Kupfer der antiken Statuen, eine in diesem Lande
der Sonne, von der sie gewissermassen ein perma-
nenter Abglanz ist, sehr beliebte Farbe; ihr gelöstes
Haar hing flatternd um sie her und fegte buchstäb-
lich den Boden, und sie bückte sich oft, den Stein
des Turbans zu umarmen, der auf dem Grabe ihres
Mannes stand. Das Grab war und die Erde um-
her mit allen Arten Blumen bestreut; ein schöner
Teppich von Damascus lag unter ihren Knieen aus-
gebreitet, und auf diesem Teppiche standen mehrere
Vasen mit Blumen und ein Korb voll Feigen und
Gerstenkuchen, denn diese Frau mußte hier ei-
nen ganzen Tag so weinend zubringen. Ein in die
Erde gewühltes Loch, das mit dem Todten korre-
spondiren sollte, diente ihr zum Sprachrohr für die
andere Welt, in welcher der ruhte, dem ihr Besuch
galt. Sie neigte sich von Zeit zu Zeit zu dieser
kleinen Oeffnung hin, sang Strophen, die von Schluch-
zen unterbrochen wurden; dann legte sie das Ohr
darauf, als ob sie eine Antwort erwartet hätte, und
fing nächstdem abermals zu singen und zu weinen
an. Welche Geheimnisse der Liebe und des Grams!
welche beseelte Seufzer des ganzen Lebens, mußten
diese wirren und in Thränen erstickten Worte ent-
halten! Ach! wenn irgend etwas im Stande wäre,
einen Todten zu erwecken, so würden es solche
Worte, von einem solchen Munde gemurmelt seyn!



Jn Puebla ( Mexico ) wird die Seife in son-
derbaren Formen gegossen, und zwar in allerlei Thier-
gestalten und phantastischen Ungeheuern aus der in-
dianischen Mythologie. Der Maler Höllen=Breug-
hel
hätte in einer solchen Werkstätte seine Einbil-
dungskraft noch übertroffen gefunden. Auch existirt
in dieser Stadt als Familiengeheimniß einiger alt-
indianischen Haushaltungen, nemlich die puppenar-
tige, porträtähnliche Nachbildung lebender Originale
in Zeugstoffen. Die sehr ähnlichen Gesichter dieser treu
kostumirten Puppen sehen aus wie aus feinem Thon
geformt und nach der Natur gemalt; sie sind aber
mit unendlicher Kunst und Feinheit, besonders in
alten, runzlichen Physiognomien, aus Zeuglappen
mit der Nadel gemacht. — Wahrhaftig, es ist ein
Wunder, daß die muthwilligen Pariser, sich diese
[Spaltenumbruch] Kunst noch nicht eigen gemacht haben. Sie wäre
ein neuer Behelf zu ihren unerschöpflichen Karika-
turen.     J. J. P.



Die Eselsbrüder.

Eine der ersten Kasten Jndiens, die Kaste der
Kavaravaduken, behauptet, von einem Esel abzustam-
men. Die Personen dieser Kaste behandeln die Esel
als Brüder, übernehmen ihre Vertheidigung bei jeder
Gelegenheit, und verfolgen diejenigen gerichtlich,
welche sie schlagen, oder auf andere Weise ohne
hinlänglichen Grund mißhandeln. Bei Regen oder
Sturm bringen sie einen Esel unter Dach, und ver-
weigern seinem Herrn die Auslieferung, wenn dieser
nicht von hoher Geburt ist.     L.



Die feindlichen Brüder.

Das Geschlecht der Herren von Rehberg,
welches auf eine furchtbare Weise in zweien seiner
Sprossen endete, besaß eine Burg in der Gegend
von Ried in Ober = Oesterreich, und nach dem Te-
stamente des letzten Besitzers, welcher zwei Söhne
hinterließ, sollte der Erstgeborne das Gut erhalten,
der Jüngere mit Geld abgefertigt werden. Dieser
aber erhob gleiche Ansprüche. Bitterer Haß und
offene Fehde entzweite die Brüder, ihr Ausgang
war grauenvoll. Die Feier des Sonntags führte
sie einst in der Pfarrkirche zu Ried zusammen.
Einander ansichtig zu werden, und im Gotteshause,
in der Heimath des Friedens, die Wehren gegen
einander zu entblößen, war Eines. Die versammelte
Menge drängte sie von einander, sie wanden sich
durch bis hinter den Hochaltar. Dort fanden sie
endlich Raum, gegen einander auszufallen, und einer
sank in des andern Schwert. Beide verbluteten an
der heiligen Stätte. Die Kirche zu Ried blieb
wegen dieses Brudermordes durch dreißig Jahre ent-
weiht und geschlossen, bis die eifrigen Bemühungen
des Abtes Ulrich IV. von Kremsmünster, in
Rom und in Passau es endlich dahin brachten,
daß die Kirche 1478 vom Diöcesanbischof, Ulrich
von Passau, wieder gesühnt, und neu eingerichtet
wurde.     H.



Lohn der Tugend in China.

Auf Befehl des Kaisers von China muß jeder
Gouverneur in den Städten dieses Reiches am Be-
ginn jedes Jahres allen denjenigen, welche im Laufe
des verflossenen Jahres eine tugendhafte Handlung
ausgeübt haben, ein großes Fest geben. Dieses Fest
hat auf dem öffentlichen Platze und unter einem
Zelte Statt, ober welchem man die Worte liest:
„Menschen aus allen Ständen und Verhältnissen, die
Tugend macht euch hier alle gleich!“

Das Volk betrachtet und prüft alle geladenen
Gäste, und wenn es einen unter ihnen sähe, der
seine Stelle nicht verdient, so würde es ihn durch
lautes Geschrei zwingen, von der Tafel zu gehen
und sich zu verbergen.     L.



Der See Tiberias.

Aus der heiligen Schrift ist uns der See Ge-
nezareth
bekannt, welchen der Jordanfluß mit
heftiger Strömung durchzieht, und auf dem der Hei-
land zur Zeit des Sturmes mit sicherem Schritte
einher wandelte. Der See, dessen ganze Umgebung
[Ende Spaltensatz]

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Die türkischen Frauen beweinen den Verlust ihrer Gatten mit großer Jnbrunst. „Jch sah“ schreibt ein neuerer Reisende „bei Jerusalem, eine junge türkische Frau, ihren Gatten auf einem der kleinen Denkmähler von weißem Stein, mit welchem die Hügel um die Stadt her übersäet sind, beweinen, sie konnte kaum 18 oder 20 Jahre seyn, und ich habe nie ein reizenderes Bild des Kummers gesehen; ihr Profil, welches ihr hinten überschlagene Schleier durchblicken ließ, hatte die Feinheit der Züge der schönsten Köpfe des Parthenon, aber zugleich den Adel, die Anmuth und das liebliche Schmachtende der türkischen Frauen: eine weit weiblichere, weit mehr das Herz fesselnde Schönheit, als die ernste und männliche Schönheit der griechischen Frauen. 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Bei Regen oder Sturm bringen sie einen Esel unter Dach, und ver- weigern seinem Herrn die Auslieferung, wenn dieser nicht von hoher Geburt ist. L. Die feindlichen Brüder. Das Geschlecht der Herren von Rehberg, welches auf eine furchtbare Weise in zweien seiner Sprossen endete, besaß eine Burg in der Gegend von Ried in Ober = Oesterreich, und nach dem Te- stamente des letzten Besitzers, welcher zwei Söhne hinterließ, sollte der Erstgeborne das Gut erhalten, der Jüngere mit Geld abgefertigt werden. Dieser aber erhob gleiche Ansprüche. Bitterer Haß und offene Fehde entzweite die Brüder, ihr Ausgang war grauenvoll. Die Feier des Sonntags führte sie einst in der Pfarrkirche zu Ried zusammen. Einander ansichtig zu werden, und im Gotteshause, in der Heimath des Friedens, die Wehren gegen einander zu entblößen, war Eines. Die versammelte Menge drängte sie von einander, sie wanden sich durch bis hinter den Hochaltar. 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Dieses Fest hat auf dem öffentlichen Platze und unter einem Zelte Statt, ober welchem man die Worte liest: „Menschen aus allen Ständen und Verhältnissen, die Tugend macht euch hier alle gleich!“ Das Volk betrachtet und prüft alle geladenen Gäste, und wenn es einen unter ihnen sähe, der seine Stelle nicht verdient, so würde es ihn durch lautes Geschrei zwingen, von der Tafel zu gehen und sich zu verbergen. L. Der See Tiberias. Aus der heiligen Schrift ist uns der See Ge- nezareth bekannt, welchen der Jordanfluß mit heftiger Strömung durchzieht, und auf dem der Hei- land zur Zeit des Sturmes mit sicherem Schritte einher wandelte. Der See, dessen ganze Umgebung

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Zitationshilfe: Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 42. Prag, 1834, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_panorama42_1834/7>, abgerufen am 22.11.2024.