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Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 5. Prag, 1834.

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Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz] ihn im gothischen Geschmack auf; und diese Unterneh-
mung fand von allen Seiten die lebhafteste Unter-
stützung. Mehrere reiche Bewohner Mailands ver-
machten in ihren Testamenten große Summen zur
Förderung der Kirche, unter andern ein gewisser
Carcano 230,000 Goldkronenthaler. Da jedoch
ein Werk von solchem Umfange Jahrhunderte zu seiner
Vollendung bedarf, und mancherlei Kriegsstürme da-
zwischen traten, so wurde im 16ten Jahrhundert der
Baumeister Pellegrino Tibaldi mit der Vollen-
dung beauftragt, welcher die Vorderseite mehr im
Geschmacke der Griechen und Römer erbaute, wodurch
freilich die Einheit des Styles sehr litt, doch ergreift
die Großartigkeit des ungeheuren Gebäudes den Be-
schauer so sehr, daß man glaubt, das Ganze müsse
gerade in diesem gemischten Geschmack errichtet seyn,
um jene wunderbare Wirkung hervorzubringen, die
jeder empfindet, der zum erstenmal vor den stolzen
Bau tritt. Allein selbst Tibaldi vollendete das
Gebäude bei Weitem nicht, noch fehlte die Facade 1)
und diese Arbeit war dem 19ten Jahrhundert vorbe-
halten. Napoleon ordnete im Jahre 1805 an,
daß 5,000,000 mailändischer Lire aus dem Schatz
der Kirche zu deren Ausbau verwendet werden sollten;
aber Kaiser Franz I. bestimmte 1819 zu demselben
Zwecke eine jährliche Summe von 144,000 Lire.

So wurde die Vorderseite des Domes größten-
theils vollendet, die in ihrer blendenden weißen Mar-
morpracht, mit dieser zahllosen Menge von Thürmchen
und Spitzen, von Bildsäulen und Basreliefs, 2) welche
die vorzüglichsten Personen, Thaten und Begebenhei-
ten der heiligen Geschichte darstellen, mit den reich
verzierten, geschnitzten und geschnörkelten Gallerien,
die von einem Thurm zum andern gehen, dem Anblick
dieses glanzvollen Tempels einen so sonderbaren und
eigenthümlichen Charakter ertheilt. Noch immer ist
zwar der Bau nicht in allen seinen Theilen fertig;
aber der Gesammteindruck ist so ergreifend, daß der
Beschauer gar nicht dazu kommen kann, zu untersu-
chen, ob auch alles Einzelne vollendet ist.

Wenn schon von Außen der Glanz des Marmors
und die Fülle der reichsten und mannigfaltigsten Ver-
zierungen den Beobachter überrascht, so ist das Jnnere
nicht minder prachtvoll, und die Erhabenheit des stol-
zen Baues mit seiner weit gewölbten Kuppel, stimmt
das Gemüth zur Ehrfurcht und Erbauung, welche
durch ein heiliges Helldunkel erhöht werden. Die
Sonnenstrahlen fallen durch die hohen buntgemalten
Glasscheiben, auf welchen die heilige Schrift in sinni-
ger Einfalt abgebildet ist, in das ehrwürdige Gebäude,
und werfen, den ungeheuern Reichthum an Gold und
Marmor, an Bildsäulen und Basreliefs beleuchtend,
die langen Schatten schlanker Säulen auf den einge-
legten Marmorboden, indem sie zugleich die düstern
Altäre mit einem magischen Glanz umstrahlen.

Das hohe Gewölbe ruht auf mächtigen Säulen,
welche das Schiff der Kirche in drei gleichlaufende
Straßen theilen, von welcher die mittlere zum Hoch-
altare führt, der mit seinen Lichtern aus dem Hinter-
grunde so sehr verkleinert uns entgegen schimmert,
daß man die Größe des Ganzen erst im Vorwärts-
schreiten ganz inne wird, und die vier Evangelisten,
welche in den Seitenhallen seines Kreuzganges stehen,
scheinen, wie man sich ihnen nähert, allmählich zu
Riesen zu erwachsen.

[Spaltenumbruch]

Das Chor, von Außen in Marmor, inwendig
von Holz, bietet einen Reichthum der kunstreichsten
Schnitzarbeit dar, nur der Fußboden, reicher und
schöner als jener von St. Peter im Vatikan, ist
noch nicht vollendet. Man kann dieß kaum begreifen,
wenn man die Schätze der Kunst und des Prunkes
betrachtet, welche in diesem Gottestempel aufgehäuft
sind. Auf allen Seiten erblickt man kostbare Ge-
mählde, die Statuen des heiligen Karl Borro-
mäus
und Ambrosius, in mehr als Lebensgröße,
von gediegenem Silber erheben sich unter zahllosen
andern Bildsäulen, welche einen prachtvollen Kreis
um das Schiff der Kirche bilden. Vor Allem bewun-
dert man die unterirdische Kapelle, in welcher St. Karl
Borromäus
ruht, einer der Heiligen, welche in
Jtalien vorzüglich verehrt werden. Seine Ueberreste
im bischöflichen Ornate, und die Gaben frommer
Gläubigen werden in einem silbernen Sarg mit
Einsatzstücken von Bergkrystall verwahrt mit reichen
und kunstreichen Verzierungen von vergoldetem Sil-
ber. Auch das Jnnere des Sarges ist mit gol-
denen Basreliefs ausgelegt. Die Wände der Kapelle
sind ringsum mit reichen Goldtapeten bekleidet, und
acht Basreliefs von vergoldetem Silber am Gewölbe
stellen die vorzüglichsten Begebenheiten aus dem Leben
des Heiligen dar.

Die Domkirche von Mailand hat 449 Fuß
Länge auf 275 Fuß Breite, die innere Höhe der Kuppel
beträgt 238 und die äußere 370 Fuß. Dieser glanz-
volle Tempel, ganz aus weißem Marmor errichtet,
und ein Bau, der an Umfang und Kühnheit wenige
seines Gleichen hat, ruht auf 52 Marmorsäulen von
84 Fuß Höhe und einem Umfang von 24 Fuß. Man
geht durch 5 geräumige Thüren in die Kirche, deren
mittlere durch die ungeheure Größe der beiden Gra-
nitsäulen, auf welchen ihre Wölbung ruhet, sich be-
sonders auszeichnet.

Um dieses wunderbare Werk in allen seinen
Theilen zu würdigen, muß man über eine Treppe von
200 Stufen auf die Spitze des Gebäudes steigen,
und selbes mit derselben Genauigkeit betrachten, welche
man einer Gemähldesammlung widmet. Wie eine
Stadt der Urzeit liegt die Steinmasse dieses Daches
vor den Blicken, nach allen Seiten führen Treppen
und Gassen, Gallerien und Säulengänge, die ein
wahres Labyrinth 3) bilden; aber hier erst bekommt
man einen vollkommenen Begriff von diesem Riesen-
bau. Die drei Reihen der spitzen gothischen Thürme
mit ihren Nischen voll Heiligenbilder, welche rings
um das Kreuz der Kirche hinaufragen, und durch
schöne Ballustraden 4) verbunden sind, die Gallerien voll
Säulenknäufe und gothischer Verzierungen, die Sta-
tuen der Erbauer und Gründer und jener Personen,
welche einen beträchtlichen Theil ihres Vermögens
diesem Tempelbau weihten, die Pfade, die aus einem
Theile dieser Marmorstadt in den andern führen, die
Sorgfalt und Genauigkeit der Ausführung in den
kleinsten wie in den größten Theilen, erregt die Be-
wunderung des Beschauers vielleicht noch mehr als
der Anblick des Domes von Außen und Jnnen. Auf
der Spitze der Kuppel, die von einer doppelten Gal-
lerie umgeben ist, genießt man eine herrliche Aus-
sicht auf die glänzenden Gebäudemassen der Stadt
und auf die unübersehbare Ebene der Lombardei,
die, von keinem Hügel unterbrochen, wie ein glatter
[Ende Spaltensatz]

1) Vorderseite eines Gebäudes.
2) Halberhabene Bildhauer=Arbeit.
3) Jrrgewinde, Jrrgang.
4) Geländer, Brustlehne.

Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz] ihn im gothischen Geschmack auf; und diese Unterneh-
mung fand von allen Seiten die lebhafteste Unter-
stützung. Mehrere reiche Bewohner Mailands ver-
machten in ihren Testamenten große Summen zur
Förderung der Kirche, unter andern ein gewisser
Carcano 230,000 Goldkronenthaler. Da jedoch
ein Werk von solchem Umfange Jahrhunderte zu seiner
Vollendung bedarf, und mancherlei Kriegsstürme da-
zwischen traten, so wurde im 16ten Jahrhundert der
Baumeister Pellegrino Tibaldi mit der Vollen-
dung beauftragt, welcher die Vorderseite mehr im
Geschmacke der Griechen und Römer erbaute, wodurch
freilich die Einheit des Styles sehr litt, doch ergreift
die Großartigkeit des ungeheuren Gebäudes den Be-
schauer so sehr, daß man glaubt, das Ganze müsse
gerade in diesem gemischten Geschmack errichtet seyn,
um jene wunderbare Wirkung hervorzubringen, die
jeder empfindet, der zum erstenmal vor den stolzen
Bau tritt. Allein selbst Tibaldi vollendete das
Gebäude bei Weitem nicht, noch fehlte die Facade 1)
und diese Arbeit war dem 19ten Jahrhundert vorbe-
halten. Napoleon ordnete im Jahre 1805 an,
daß 5,000,000 mailändischer Lire aus dem Schatz
der Kirche zu deren Ausbau verwendet werden sollten;
aber Kaiser Franz I. bestimmte 1819 zu demselben
Zwecke eine jährliche Summe von 144,000 Lire.

So wurde die Vorderseite des Domes größten-
theils vollendet, die in ihrer blendenden weißen Mar-
morpracht, mit dieser zahllosen Menge von Thürmchen
und Spitzen, von Bildsäulen und Basreliefs, 2) welche
die vorzüglichsten Personen, Thaten und Begebenhei-
ten der heiligen Geschichte darstellen, mit den reich
verzierten, geschnitzten und geschnörkelten Gallerien,
die von einem Thurm zum andern gehen, dem Anblick
dieses glanzvollen Tempels einen so sonderbaren und
eigenthümlichen Charakter ertheilt. Noch immer ist
zwar der Bau nicht in allen seinen Theilen fertig;
aber der Gesammteindruck ist so ergreifend, daß der
Beschauer gar nicht dazu kommen kann, zu untersu-
chen, ob auch alles Einzelne vollendet ist.

Wenn schon von Außen der Glanz des Marmors
und die Fülle der reichsten und mannigfaltigsten Ver-
zierungen den Beobachter überrascht, so ist das Jnnere
nicht minder prachtvoll, und die Erhabenheit des stol-
zen Baues mit seiner weit gewölbten Kuppel, stimmt
das Gemüth zur Ehrfurcht und Erbauung, welche
durch ein heiliges Helldunkel erhöht werden. Die
Sonnenstrahlen fallen durch die hohen buntgemalten
Glasscheiben, auf welchen die heilige Schrift in sinni-
ger Einfalt abgebildet ist, in das ehrwürdige Gebäude,
und werfen, den ungeheuern Reichthum an Gold und
Marmor, an Bildsäulen und Basreliefs beleuchtend,
die langen Schatten schlanker Säulen auf den einge-
legten Marmorboden, indem sie zugleich die düstern
Altäre mit einem magischen Glanz umstrahlen.

Das hohe Gewölbe ruht auf mächtigen Säulen,
welche das Schiff der Kirche in drei gleichlaufende
Straßen theilen, von welcher die mittlere zum Hoch-
altare führt, der mit seinen Lichtern aus dem Hinter-
grunde so sehr verkleinert uns entgegen schimmert,
daß man die Größe des Ganzen erst im Vorwärts-
schreiten ganz inne wird, und die vier Evangelisten,
welche in den Seitenhallen seines Kreuzganges stehen,
scheinen, wie man sich ihnen nähert, allmählich zu
Riesen zu erwachsen.

[Spaltenumbruch]

Das Chor, von Außen in Marmor, inwendig
von Holz, bietet einen Reichthum der kunstreichsten
Schnitzarbeit dar, nur der Fußboden, reicher und
schöner als jener von St. Peter im Vatikan, ist
noch nicht vollendet. Man kann dieß kaum begreifen,
wenn man die Schätze der Kunst und des Prunkes
betrachtet, welche in diesem Gottestempel aufgehäuft
sind. Auf allen Seiten erblickt man kostbare Ge-
mählde, die Statuen des heiligen Karl Borro-
mäus
und Ambrosius, in mehr als Lebensgröße,
von gediegenem Silber erheben sich unter zahllosen
andern Bildsäulen, welche einen prachtvollen Kreis
um das Schiff der Kirche bilden. Vor Allem bewun-
dert man die unterirdische Kapelle, in welcher St. Karl
Borromäus
ruht, einer der Heiligen, welche in
Jtalien vorzüglich verehrt werden. Seine Ueberreste
im bischöflichen Ornate, und die Gaben frommer
Gläubigen werden in einem silbernen Sarg mit
Einsatzstücken von Bergkrystall verwahrt mit reichen
und kunstreichen Verzierungen von vergoldetem Sil-
ber. Auch das Jnnere des Sarges ist mit gol-
denen Basreliefs ausgelegt. Die Wände der Kapelle
sind ringsum mit reichen Goldtapeten bekleidet, und
acht Basreliefs von vergoldetem Silber am Gewölbe
stellen die vorzüglichsten Begebenheiten aus dem Leben
des Heiligen dar.

Die Domkirche von Mailand hat 449 Fuß
Länge auf 275 Fuß Breite, die innere Höhe der Kuppel
beträgt 238 und die äußere 370 Fuß. Dieser glanz-
volle Tempel, ganz aus weißem Marmor errichtet,
und ein Bau, der an Umfang und Kühnheit wenige
seines Gleichen hat, ruht auf 52 Marmorsäulen von
84 Fuß Höhe und einem Umfang von 24 Fuß. Man
geht durch 5 geräumige Thüren in die Kirche, deren
mittlere durch die ungeheure Größe der beiden Gra-
nitsäulen, auf welchen ihre Wölbung ruhet, sich be-
sonders auszeichnet.

Um dieses wunderbare Werk in allen seinen
Theilen zu würdigen, muß man über eine Treppe von
200 Stufen auf die Spitze des Gebäudes steigen,
und selbes mit derselben Genauigkeit betrachten, welche
man einer Gemähldesammlung widmet. Wie eine
Stadt der Urzeit liegt die Steinmasse dieses Daches
vor den Blicken, nach allen Seiten führen Treppen
und Gassen, Gallerien und Säulengänge, die ein
wahres Labyrinth 3) bilden; aber hier erst bekommt
man einen vollkommenen Begriff von diesem Riesen-
bau. Die drei Reihen der spitzen gothischen Thürme
mit ihren Nischen voll Heiligenbilder, welche rings
um das Kreuz der Kirche hinaufragen, und durch
schöne Ballustraden 4) verbunden sind, die Gallerien voll
Säulenknäufe und gothischer Verzierungen, die Sta-
tuen der Erbauer und Gründer und jener Personen,
welche einen beträchtlichen Theil ihres Vermögens
diesem Tempelbau weihten, die Pfade, die aus einem
Theile dieser Marmorstadt in den andern führen, die
Sorgfalt und Genauigkeit der Ausführung in den
kleinsten wie in den größten Theilen, erregt die Be-
wunderung des Beschauers vielleicht noch mehr als
der Anblick des Domes von Außen und Jnnen. Auf
der Spitze der Kuppel, die von einer doppelten Gal-
lerie umgeben ist, genießt man eine herrliche Aus-
sicht auf die glänzenden Gebäudemassen der Stadt
und auf die unübersehbare Ebene der Lombardei,
die, von keinem Hügel unterbrochen, wie ein glatter
[Ende Spaltensatz]

1) Vorderseite eines Gebäudes.
2) Halberhabene Bildhauer=Arbeit.
3) Jrrgewinde, Jrrgang.
4) Geländer, Brustlehne.
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Auf der Spitze der Kuppel, die von einer doppelten Gal- lerie umgeben ist, genießt man eine herrliche Aus- sicht auf die glänzenden Gebäudemassen der Stadt und auf die unübersehbare Ebene der Lombardei, die, von keinem Hügel unterbrochen, wie ein glatter 1) Vorderseite eines Gebäudes. 2) Halberhabene Bildhauer=Arbeit. 3) Jrrgewinde, Jrrgang. 4) Geländer, Brustlehne.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




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Zitationshilfe: Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 5. Prag, 1834, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_panorama05_1834/2>, abgerufen am 21.11.2024.