Das Phänomen der Schneegrenze mußte schon früh die Einbildungskraft der Menschen beschäftigen, indem es ein sinnlicher Beweis der kälteren Temperatur oben auf hohen Gebirgen ist. [W]enn schon auf den Alpen und Pyrenäen wo nur unsere Eichenarten noch wachsen, es einen herrlichen Contrast giebt, dieses Grün der Wälder in den höher hinauf nie- drigen Strauch und Rasenbekleidung übergehen, und diese wieder mit dem unendlich fortlaufenden Weiß des Schnee's abstechen zu sehen, so muß die Natur unter den Tropen ein noch weit großartigeres Ansehen geben, weil der Contrast hier schöner, erhabener und prächtiger sich darbietet. Be- sonders empfindet man dieses auf der westlichen Seite der Andeskette, wo die herrlichste Physiognomik der tropi- schen Gewächse besonders der Palmen, des Pisang etc. sich gegen die Schneegrenze erhebt, und wo diese den Unter- schied der höchsten Berge so deutlich bezeichnen. Von Charles Marie de la Condamine und Bouguer die den Chimborasso maßen, wußten schon die Indianer, daß dieser Berg der größte sei. - Dieses Phänomen kann aber nur unter den Tropen, so deutliche Beweise dafür abgeben, denn in der temperaten Zone ist die Schneegrenze nicht so auffallend gleichförmig abgeschnitten. Dieser Untergang ist so gleich be-
Das Phänomen der Schneegrenze mußte ſchon früh die Einbildungskraft der Menſchen beſchäftigen, indem es ein ſinnlicher Beweis der kälteren Temperatur oben auf hohen Gebirgen iſt. [W]enn ſchon auf den Alpen und Pyrenäen wo nur unſere Eichenarten noch wachſen, es einen herrlichen Contraſt giebt, dieſes Grün der Wälder in den höher hinauf nie- drigen Strauch und Raſenbekleidung übergehen, und dieſe wieder mit dem unendlich fortlaufenden Weiß des Schnee’s abſtechen zu ſehen, ſo muß die Natur unter den Tropen ein noch weit großartigeres Anſehen geben, weil der Contraſt hier ſchöner, erhabener und prächtiger ſich darbietet. Be- ſonders empfindet man dieſes auf der weſtlichen Seite der Andeskette, wo die herrlichſte Phyſiognomik der tropi- ſchen Gewächſe beſonders der Palmen, des Piſang etc. ſich gegen die Schneegrenze erhebt, und wo dieſe den Unter- ſchied der höchſten Berge ſo deutlich bezeichnen. Von Charles Marie de la Condamine und Bouguer die den Chimboraſſo maßen, wußten ſchon die Indianer, daß dieſer Berg der größte ſei. – Dieſes Phänomen kann aber nur unter den Tropen, ſo deutliche Beweiſe dafür abgeben, denn in der temperaten Zone iſt die Schneegrenze nicht ſo auffallend gleichförmig abgeſchnitten. Dieſer Untergang iſt ſo gleich be-
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Das Phänomen der Schneegrenze mußte ſchon früh die
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ſinnlicher Beweis der kälteren T. oben auf hohen Gebirgen
iſt. Wenn ſchon auf den Alpen und Pyrenäen wo nur
unſere Eichenarten noch wachſen, es einen herrlichen Contraſt
giebt, dieſes Grün der Wälder in den höher hinauf nie-
drigen Strauch und Raſenbekleidung übergehen, und dieſe
wieder mit dem unendlich fortlaufenden Weiß des Schnee’s
abſtechen zu ſehen, ſo muß die Natur unter den Tropen
ein noch weit großartigeres Anſehen geben, weil der Contraſt
hier ſchöner, erhabener und prächtiger ſich darbietet. Be-
ſonders empfindet man dieſes auf der weſtlichen Seite
der Andeskette, wo die herrlichſte Phyſiognomik der tropi-
ſchen Gewächſe beſonders der Palmen, des Piſang etc.
ſich gegen die Schneegrenze erhebt, und wo dieſe den Unter-
ſchied der höchſten Berge ſo deutlich bezeichnen. Von Charles
Marie de la Condamine und Bouguer die den Chimboraſſo
maßen, wußten ſchon die Indianer, daß dieſer Berg
der größte ſei. – Dieſes Phänomen kann aber nur
unter den Tropen, ſo deutliche Beweiſe dafür abgeben, denn
in der temperaten Zone iſt die Schneegrenze nicht ſo auffallend
gleichförmig abgeſchnitten. Dieſer Untergang iſt ſo gleich be-
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[N. N.]: Die physikalische Geographie von Herrn Alexander v. Humboldt, vorgetragen im Semestre 1827/28. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. 456.. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_oktavgfeo79_1828/462>, abgerufen am 27.11.2024.
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