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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 243. Köln, 11. März 1849. Zweite Ausgabe.

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rung. Die Namen, welche übrigens nicht übereinstimmen in den verschiedenen Listen, sind Louis Blanc, Barbes, Albert, Blanqui, Raspail, Hubert, Caussidiere, Pierre Leroux, Cabet, Proudhon u. s. w." Wie wir sehen, will der Anklage-Akt noch an ein Fortbestehen der alten Regierung glauben machen, und läßt daher die "Aufrührerischen" ausrufen: Wir sind verrathen. Dies ist aber so wenig der Fall gewesen, und das Volk war bereits seines Sieges so gewiß, daß es unmittelbar nach den Worten Barbes größtentheils auseinander ging; es war dies ungefähr um 3 Uhr und allgemein hieß es damals in Paris: Jetzt müssen wir wieder von Neuem anfangen; die Hauptsache ist, daß wir andere Männer jetzt an die Regierung setzen wie früher. Das Volk, wie gesagt, ging in zerstreuten Haufen nach dem Stadthause. Das Stadthaus gilt einmal für die offizielle Geburtsstätte jeder provisorischen Regierung. Hätte man in der Deputirtenkammer selbst die provisorische Regierung eingesetzt, so war die Sache richtig. Es war dieses um so leichter, als die Kammer selbst sich schon als aufgelöst betrachtete und froh war, durch Barbes Vorschlag mit dem Leben davon gekommen zu sein. Hubert konnte den Deputirten getrost sagen. "Ihr seid nichts mehr, geht nach Hause." Nach dem Anklage-Akt war es auch Hubert, der das Volk aufgefordert hat, sich nach dem Stadthause zu begeben. Wie gewiß übrigens der Sieg war, geht aus derselben Stelle im Anklage-Akt hervor, wo es heißt, man sei in zwei verschiedenen Abtheilungen nach dem Stadthause gezogen, die eine Abtheilung, von Barbes geführt, auf dem rechten Seine-Ufer, die andere, von Albert, auf dem linken. Soviel geht übrigens aus der ganzen Zusammenstellung hervor, daß die Kammer sowie die exekutive Kommission sich völlig resignirt hatte, daß sie keinen Augenblick mehr dachte, ihre Stellung wieder einzunehmen. Daß sie aber ihre frühere Stellung wieder eingenommen, ist sicher nicht ihre Schuld.

Die fast ganz vergessene Nationalgarde zog auf das Stadthaus in spärlicher Masse, und da sich das Volk nur spärlich noch vorfand, so nahm sie auf Befehl Lamartine's und Ledrü-Rollin's Besitz von demselben. Ueber Lamartine brauchen wir kein Wort zu verlieren; aber offenbar hat Ledrü-Rollin hier eine doppelte Rolle gespielt. Einerseits figurirte er in der von Albert und Barbes unterzeichneten Liste; andrerseits wollte er sich seine Stelle als Mitglied der provisorischen Regierung offen halten. Wie dem aber auch sein mag, so lag es ebenfalls nicht in der Absicht von Barbes und Blanc, daß die Bewegung so weit gehen sollte. Blanqui hatte allerdings gleich anfangs den Plan gefaßt, die Kammer zu sprengen auf jede mögliche Weise, selbst mit Hülfe der Gewalt. Die Polenfrage war für Blanqui Nebensache; sie war bloß ein Vorwand. Als Abends vorher Barbes Kunde erhielt von den Plänen Blanqui's, wollte er sogar sich nicht betheiligen an dem Zuge, als er endlich seine Zustimmung gab, geschah es bloß unter der Bedingung, daß man es blos bei der Petition und bei der Manifestation bewenden ließe. Die Bewegung ist, wie wir gesehn, ihm über den Kopf gewachsen; ohne es zu wollen, sah er sie zu einer völligen Revolution heranwachsen; aber er glaubte sie damit beendet, womit Blanqui sie beginnen wollte: mit der Sprengung der Kammer. Und weil er sie eben ohne Blutstropfen für beendet glaubte, kam Blanqui gar nicht zum Handeln.

Barbes war, was man im Französischen nennt, die lebendige bonne foi: er sah eine ungeheure Bewegung in eine blutige Collision umschlagen; er verhinderte letztere, indem er "moralisch" eine Revolution vollbrachte, die Blanqui physisch beginnen wollte. Da das Ziel erreicht war, ohne die Mittel, die das Ziel befestigen konnten, so war Blanqui so zu sagen aus dem Felde geschlagen. Auch figurirt er nicht in dem von dem Anklageakte veröffentlichten Dekrete Barbes und Albert's. Dieses Dekret lautete:

"Da das Volk die Nationalversammlung aufgelöst, so besteht keine andere Gewalt als die des Volkes selbst."

"Da nun das Volk den Wunsch an den Tag gelegt hat, die Bürger Louis Blanc, Albert, Ledrü-Rollin, Barbes, Raspail, Pierre-Leroux und Thore in der provisorischen Regierung zu sehn, so werden dieselben als Mitglieder der Regierungs-Kommission ernannt."

"Der Bürger Caussidiere bleibt in den Funktionen des Polizei-Präfektes."

"Die Nationalgarde e[r]hält den Befehl, sich in ihre Quartiere zurückzuziehen."

Unterzeichnet: Barbes und Albert.

Der Anklageakt erzählt nun weiter die Verhaftung der verschiedenen Angeklagten, und die Scenen im Saale Moliere, wo zwei Nationalgardisten getödtet wurden. Wie man aber weiß, waren es die Nationalgardisten selbst, die in Folge eines Irrthums gegen einander schossen. Gegen Caussidiere liegt nach dem Anklageakte selbst weiter nichts vor, als daß er alle Verbindung mit der provisorischen Regierung abgebrochen, und sich mit seinen ihm blindlings ergebenen Montagnards in die Polizei-Präfektur, wie in eine Festung eingeschlossen habe.

Der Anklageakt geht hierauf zu den einzelnen Angeklagten über:

1) L. A. Blanqui. Als politisch Verurtheilter wurde er durch die Februar-Revolution aus dem Gefängniß befreit. Fast unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Paris suchte er Mittel auf, die prov. Regierung zu stürzen. Unter dem Namen: "republikanische Central-Gesellschaft" stiftete er einen Klub, dem er präsidirte. Die Redner dieser Gesellschaft schlugen die gewaltsamsten Maßregeln vor, um den Triumph ihrer Lehren herbeizuführen. Die von der Justiz weggenommenen Sitzungsprotokolle liefern in dieser Hinsicht die unbestreitbarsten Beweise. Die Instruktion hat die mehrmals von Blanqui entworfenen Pläne, sich des Stadthauses zu bemächtigen, aufgefunden. Am 17. März mischten sich zu diesem Zweck seine Agenten unter die Volksmassen, welche gegen die Manifestation der Nationalgarde protestirten. Sie wurden am Eindringen ins Stadthaus verhindert, indem man nur die Delegirten zuließ.

Später, vor dem 16. April. sieht man Blanqui sich mit Offizieren der republikanischen Garde, in deren Reihen er Anhänger zählte, ins Einvernehmen setzen. Er verschafft sich durch Drevet, Volksdelegirten, Eintritt ins Stadthaus, prüft die Lokalitäten und sucht den Unterlieutenant Derate zu bestimmen, daß er ihn zu einer festgesetzten Stunde mit seinen Leuten unter dem Anschein einer rückkehrenden Patrouille frei passiren lasse. Diese Versuche blieben ohne Erfolg.

Die Veröffentlichung eines angeblich von Blanqui im Jahre 1839 verfaßten Dokuments in der "Revue retrospective" störte den Angeklagten keineswegs in seinen Entschlüssen und trennte ihn auch nicht von allen seinen Genossen. Er gab eine Antwort auf den Artikel in der "Revue retrospective" und entwickelte nur noch größere Feindseligkeit und Ausdauer in seinem Kampfe gegen die prov. Regierung. "Das ist jetzt," schrieb eine seiner Schwestern am 15. April, "für August eine Frage politischen Lebens oder Todes. Entweder siegt er und das Volk mit ihm, oder seine Karriere ist zu Ende." Der 16. April gab Blanqui Gelegenheit zu einem neuen Versuch, die prov. Regierung zu stürzen. Ein große Zahl von Arbeitern war auf das Marsfeld berufen worden, anscheinend um die Wahlen des Generalstabes der Nationalgarde vorzubereiten. Blanqui und seine Anhänger mischen sich unter die Versammelten und verbreiten das Gerücht, den Delegirten im Luxembourg seien die Vollmachten genommen, L. Blanc sei ermordet und Ledru-Rollin todt.

So gelang es Blanqui, mit bedeutenden Massen gegen das Stadthaus vorzudringen. Man weiß, wie schnell die Nationalgarde zur Vertheidigung des letztern herbeieilte und Blanqui nöthigte, den Ausbruch der Verschwörung noch einmal zu vertagen. Die Ereignisse in Rouen am 27. und 28. April lieferten Blanqui einen neuen Vorwand, den Saamen der Zwietracht auszustreuen und die Leidenschaften zu erregen. In Plakaten nannte er jene Vorfälle die Metzeleien von Rouen, schilderte die dortigen Nationalgarden als Mörder und hieß sie Bourgeois-Garden. Mit Flinten bewaffnete Montagnards wurden von der Polizeipräfektur geholt und vor Blanqui's Haus aufgestellt, um das Herabreißen der Plakate zu hindern.

Alle diese strafbaren Handlungen hatten die Aufmerksamkeit der Justiz in Anspruch genommen. Ende April wurde gegen Blanqui ein Vorführungsbefehl erlassen, jedoch seine Ausführung vertagt. Eine Untersuchung hatte begonnen. Bald sollte sie mit der heute wegen des Attentats dem hohen Gerichtshofe übertragenen Prozedur zusammenfallen.

Der Gedanke dieses Attentats ist in der Sitzung des Blanquischen Klubs am 13. Mai frech entwickelt worden. Ein Mitglied verlangte, daß der Klub direkt der Nat.-Vers. eine Reihe von Anfragen überreiche. "Wir werden, sagte er, an 40, 50 bis 100 Tausend Mann stark uns hinbegeben, und in ganz bestimmter Fassung die Frage vorlegen: Will die Versammlung oder will sie nicht? Wir werden ein sofortiges Dekret verlangen und wenn sie's verweigert, so werden wir handeln.

Wir dürfen mit dieser Manifestation nicht zögern, wir müssen sie sofort, für die nächste Sitzung am Montage unternehmen." Blanqui stimmte dem bei, bemerkte aber, daß man den rechten Augenblick wählen müsse. Das Volk begreife noch nicht den Kommunismus, es sei aber mit dem magischen Worte: Polen! hinzureißen. Schließlich behielt er sich vor, den passenden Moment zu jener Manifestation anzuzeigen.

War es Blanqui unbekannt, daß bereits Tags vorher in einer von Huber, präsidirten Versammlung der 15. Mai zur Ausführung der Resolution bestimmt worden oder verstellte er sich?

Einer der Zeugen ist für letztere Ansicht. Gewiß ist, daß Blanqui bei Eröffnung der Klubsitzung am 14. Mai den Beschluß durchsetzt, daß die "republikanische Centralgesellschaft" sich den Korporationen anschließen werde, die eine Petition zu Gunsten Polens vor die Nat.-Vers. bringen sollen, daß sich aber der Klub nicht auf den Bastillenplatz, den allgemeinen Versammlungsort, sondern abgesondert auf den Boulevard du Temple begeben und dann sich der vorbeiziehenden Kolonne einreihen werde. In der That schloß sich auch der Klub am 15. Mai gleich den ersten Reihen des Zuges an und Blanqui nahm seinen Platz an der Spitze mit den Delegirten zusammen. (Ueber die Motive, welche Blanqui geleitet, führt der Anklageakt die Ansichten dreier Zeugen an; Ansichten statt Thatsachen.)

Blanqui war unter den ersten, die in den Saal der National-Versammlung drangen. Einem Zeugen zufolge befand er sich mit Raspail an der Spitze der Deligirten, um deren Zulassung General Courtais nachsuchte und die gegen 1 Uhr Mittags das Gitter gegenüber der Konkordienbrücke durchbrachen. Später freilich antwortete er im Sitzungssaale dem ihn befragenden Zeugen Sklower: "Es ist eine friedliche Manifestation; wir kommen wegen Polen und um das Petitionsrecht festzustellen." Aber fast im nämlichen Augenblick äußerte Feuillatre, einer von Blanqui's Freunden: "Wir haben die wachthuende Nationalgarde entwaffnet und die Trommeln eingeschlagen, um sie am Schlagen des Rappells zu hindern: wir werden heute unsre Revanche nehmen, den Saal der National-Versammlung besetzen, die Repräsentanten durch's Fenster werfen und die Augiasställe reinigen." Als der Saal voll von Eingedrungenen und die Petition von Raspail verlesen war, besteigt Blanqui die Tribüne. Er verlangt ein sofortiges Dekret über die Anträge der Petition: er fordert im Namen des Volkes Gerechtigkeit wegen der Ereignisse in Rouen und ruft aus: Wenn es einen Strafbaren gibt, so sind es nicht die Opfer, sondern die Anstifter der Metzelei. Er spricht dann von dem Elend des Volks und fordert die National-Versammlung auf, sich auf der Stelle mit den Mitteln zu beschäftigen, um Tausenden von brodlosen Mitbürgern Arbeit zu verschaffen. "Seine Worte", sagt ein als Zeuge vernommener Repräsentant, "waren keine Friedensworte, denn sie waren geeignet, das Volk gegen die Reichen aufzureizen." Zum Schluß erklärt Blanqui, das Volk habe mit Schmerz gesehen, daß Männer, die es liebt, gleichsam systematisch von den Kreisen der Regierung entfernt gehalten worden und dies habe das Vertrauen erschüttert. Der Zeuge Lebreton meint, daß, ohne Blanqui, der Sitzungssaal schon um 3 1/4 Uhr hätte geräumt werden können. Aber die von ihm hervorgebrachte Aufregung führte bald zu den Szenen, während welcher Hubert die Auflösung der Versammlung auszusprechen wagte und Andre die Listen einer neuen Regierung vertheilten, auf denen auch der Name Blanqui's figurirte. Mit einer dieser Listen verließ Blanqui, Einer der Letzten, den Saal mit den Worten: "Die Kammer ist aufgelöst; jetzt nach dem Stadthause!" Der Zeuge Schlinger erklärt, daß er ihn mit mehreren Personen in einen Saal des ersten Stocks im Stadthause eintreten gesehen. Zeuge Robequin ist weniger bestimmt; aber er glaubte ihn in einem Individuum zu erkennen, das man am Halstuch gefaßt hatte. Endlich stand auf einigen Listen der neuen Regierung, die zu den Fenstern des Stadthauses herausgeworfen wurden, Blanqui's Name mit obenan. Man warf auch rothe Karten heraus, die nichts anders waren, als Einlaßkarten für den Klub der "republikanischen Centralgesellschaft."

Des Abends, als die "Ordnung" gesiegt und Nationalgarde und Linientruppen unter dem Ruf: "Es lebe die National-Versammlung!" die Straßen durchzogen, verloren Blanqui's Anhänger noch immer nicht jede Hoffnung. Zwischen 7 und 8 Uhr Abends in ihrem gewöhnlichen Klubsaale unter Thouard's Vorsitz vereinigt, beschlossen sie, sich nach der Polizei-Präfektur zu begeben. Einer der Montagnard's frug, ob mit oder ohne Waffen? Lacambel, der Vize-Präsident, antwortete: "Man wird's Euch sagen." Damit wurde die Sitzung aufgehoben. Blanqui entging einige Tage lang den Nachforschungen der Polizei. Er wurde am 26. Mai in einem Hause, rue Montholon, wo er ein Asyl gefunden, verhaftet. Im Laufe der Untersuchung verweigerte er jede Antwort. Seine Absicht ist, wie er sagt, sich nur in öffentlicher Sitzung über die ihm zur Last gelegten Anschuldigungen auszusprechen.

068 Bourges, 7. März. (Schluß.)

Blanqui. Bürger, man hat mir die gedruckten Aktenstücke mitgetheilt. Sie enthalten die Zeugenaussagen aus der Untersuchung. Mit Verwunderung aber habe ich die wichtigsten zu unsern Gunsten gemachten Depositionen vermißt. Ja noch mehr, es wird darin auf Depositionen Bezug genommen, die theils ganz entgegengesetzten Inhalts sind, theils garnicht existiren. Ich begnüge mich, diese Fälschung zu constatiren.

General-Prokurator Baroche erklärt, daß sein Gewissen ihm keinen Vorwurf mache. Man habe den Angeklagten oder ihren Advokaten alle Piecen mitgetheilt. Die öffentliche Meinung möge richten.

Raspail. Man hat weder uns noch unseren Advokaten die vollständigen Piecen mitgetheilt. Obwohl ich die Absicht hatte, keinen Advokaten zu nehmen, wollte ich durch einen Freund, einen Advokaten, wenigstens Copie von den Piecen nehmen lassen. Man hat diesen Mann zu allerlei Reisen veranlaßt, ohne daß er etwas hätte erhalten können. Ja, noch mehr. In dem Anklageakt finden sich Polizeinoten gegen mich, ohne daß man uns die Einsicht in die sämmtlichen Polizeilisten gestattet und die Möglichkeit einer Confrontation der Mouchards, der Enthüllung ihrer elenden Lügen geboten hätte. Man hat uns vorher entwaffnet, vorher gerichtet.

Baroche. Weiß nichts von Polizeinoten.

Raspail. Was ich gesagt habe, ist wahr. Die Polizeinote ist sogar die einzige Anklage-Piece gegen mich, und man hat mir nicht gestattet, sie zu widerlegen.

Präsident. Der Zwischenfall ist erledigt. Ich werde den Anklageakt verlesen lassen.

Die Verlesung desselben (s. oben) dauert zwei Stunden.

Als der Greffier die Worte liest: "Der Angeklagte Barbes verlangt eine Steuer von einer Milliarde auf die Reichen. Man antwortet ihm: Nein, Barbes, du irrst dich, wir brauchen zwei Stunden Plünderung!" erheben sich stürmisch die sämmtlichen Angeklagten, und erklären diese Erzählung als die schamloseste Verläumdung.

Blanqui: Das ist des ganzen Aktes würdig!

Albert: Es ist eine Infamie!

Barbes: Kein französischer Bürger kann je so sprechen!

Sobrier: Diese elenden Lügen besudeln den Namen Frankreichs!

Raspail: Ich begreife nicht, wie der Bürger Barroche solche Infamien gegen das französische Volk verlesen lassen kann, welchem er seine Stelle verdankt.

Präsident: Ich fordere die Angeklagten auf, sich aller Unterbrechungen zu enthalten.

Barroche: Ich erwidere den Angeklagten, daß die angegriffenen Worte dem Moniteur entlehnt sind.

Barbes: Sie sind eine Lüge.

Raspail: Und eine amtliche Lüge! (Stürmischer Beifallsruf im Publikum).

Der Greffier fährt in der Verlesung fort. Als er die den Angeklagten Quentin betreffende Stelle beendigt, erhebt sich dieser mit dem Ruf: "Das ist die schmachvollste Lüge. die die Geschichte besudelt."

Der Angeklagte Borme unterbricht von Neuem die Verlesung bei Gelegenheit der Deposition Beaumonts. "Der Kommandant Beaumont, ruft er entrüstet, hat mich einen Mann aller Parteien genannt; ich erkläre vor dem Gerichtshof und vor Ihnen, Bürger Geschworene, daß ich mit Leib und Seele nur der rothen Republik angehöre."

Courtais. Ich protestire gegen einen Akt der Brutalität, den ein Gensdarme soeben an mir verübt. Ich verbitte mir, daß diese Menschen die Hand an mich legen.

Der Präsident will zum Zeugenverhör schreiten; Barbes verlangt das Wort, um seine Verweigerung jeder Vertheidigung zu begründen.

Barbes. Das Recht, mit welchem Ihr euch zu meinen Richtern aufwerft, ist das Recht der Gewalt. Wenn die Männer, welche am 15. Mai in das Hotel de Ville zogen, Sieger geblieben wären, Ihr würdet Euch heute vor ihrer Regierung beugen, wie ihr euch vor der des 24. Februar gebeugt habt. Mit dem Recht der Gewalt, nur nach dem Recht der Gewalt sitzt ihr hier als Richter über uns. Ihr verurtheilt uns vor einem Ausnahmgericht, denn man hat euch allein aus den Feinden unserer Prinzipien gewählt. Ihr sitzt hier wie die Heiden saßen, welche Christus verdammten. Welches Wonnegefühl für euch, die Sozialisten zu erwürgen! Unter euch und uns giebt es nur einen Krieg auf Leben und Tod, ja, nur auf Leben und Tod. Wir, wir wollen euch zu Boden schlagen, um die Wohlfahrt des leidenden Volks zu ermöglichen, um Frankreich glücklich zu machen, Frankreich und selbst Sie, meine Herren Geschwornen. Sie aber, Sie wollen uns in den Gefängnissen vermodern lassen, oder uns, kürzer noch, die Köpfe abschlagen. (Aufregung im Publikum.)

Präsident. Angeklagter, Sie werden in dieser Weise nicht weiter fortfahren.

Barbes. Ich habe keine persönliche Beleidigungen ausgesprochen, ich erkläre lediglich das historische Verhältniß zwischen Ihnen und uns.

Ein Geschworner. Wir wollen dergleichen Erklärungen nicht hören! (Murren im Auditorium.)

Angeklagter Flotte. Es ist den Geschworenen verboten, während der Sitzung ihre Meinung zu äußern.

Der Geschworene. Ich bin bereit sie zu wiederholen. (Ausbruch der Entrüstung im Auditorium.)

Baroche. Es ist unmöglich, länger eine solche Sprache zu dulden. Die Geschworenen sind hier auf Grund eines Dekrets, welches die Nationalversammlung erlassen hat.

Angeklagter Albert. Drei Monate nach dem 15. Mai, drei Monate nach unserer Verhaftung.

Barbes. Alles was ich sagen wollte ist, daß ihr mich morden aber nicht richten könnt. Wenn der edle Herr Baroche erklärt, daß wir nicht nach dem Recht der rohen Gewalt hier stehen, so frage ich ihn, ob wir wohl hier sein würden, wenn die Männer des 15. Mai Sieger geblieben wären?

Präsident. Ich entziehe Ihnen das Wort.

Albert. Ich nehme die ausgesprochenen Erklärungen meines Freundes Barbes auch als die meinigen an.

Barbes. Wenn man mich nicht sprechen lassen will, verlasse ich die Sitzung, und werde mich nur mit Gewalt zurückbringen lassen.

Präsident. Aeußern Sie sich mit Achtung vor den Richtern und Geschworenen.

Barbes. Ich begreife Ihren Haß und Ihre Wuth gegen uns, aber auch wir haben noch Zukunft! (Tumult unter den Geschwornen.)

Advokat Boinvilliers. Nach den Erklärungen der Angeklagten Albert und Barbes muß ich die Erlaubniß verlangen, mich zurückzuziehen.

Generalprokurator Baroche widersetzt sich diesem Verlangen.

Martin Bernard. Ich verlange das Wort.

Baroche. Hr. Bernard ist bloß Rechtsbeistand; ich widersetze mich allen Erklärungen von seiner Seite.

Barbes. Diese Freiheit der Vertheidigung ist des gegenwärtigen Tribunals wie der honetten Republik vollständig würdig.

Martin Bernard. Ich verlange als Volks-Repräsentant das Wort.

Präsident Berenger. Ich gebe es Ihnen nicht.

Angeklagter Raspail. Erlauben Sie mir einige Worte ruhiger Verständigung.

Präsident Berenger. Wir haben dergleichen nicht nöthig. (Nous n'avons pas besoin de cela.)

Raspail. Wir sind hier vor unsern Mitbürgern; wir können verschiedene Meinungen haben, aber ich glaube, daß keiner von uns diejenigen, welche man unsere Richter nennt, beleidigen will. Ich wünschte, daß der Hr. Generalprokurator selbst ein Beispiel der Mäßigung gäbe.

Baroche. Ich weise diese Ermahnung zurück.

Barbes. Es ist vernommen und constatirt worden, daß ich nur durch die Gewalt hier in diesem Saal zurückgehalten werde.

Präsident. Es wird im Protokoll vermerkt werden.

Nach Namensaufruf der Zeugen, welche meistens antworten, wird die Sitzung um 6 1/4 Uhr aufgehoben.

Morgen früh um 10 Uhr Wiedereröffnung.

rung. Die Namen, welche übrigens nicht übereinstimmen in den verschiedenen Listen, sind Louis Blanc, Barbes, Albert, Blanqui, Raspail, Hubert, Caussidière, Pierre Leroux, Cabet, Proudhon u. s. w.“ Wie wir sehen, will der Anklage-Akt noch an ein Fortbestehen der alten Regierung glauben machen, und läßt daher die „Aufrührerischen“ ausrufen: Wir sind verrathen. Dies ist aber so wenig der Fall gewesen, und das Volk war bereits seines Sieges so gewiß, daß es unmittelbar nach den Worten Barbes größtentheils auseinander ging; es war dies ungefähr um 3 Uhr und allgemein hieß es damals in Paris: Jetzt müssen wir wieder von Neuem anfangen; die Hauptsache ist, daß wir andere Männer jetzt an die Regierung setzen wie früher. Das Volk, wie gesagt, ging in zerstreuten Haufen nach dem Stadthause. Das Stadthaus gilt einmal für die offizielle Geburtsstätte jeder provisorischen Regierung. Hätte man in der Deputirtenkammer selbst die provisorische Regierung eingesetzt, so war die Sache richtig. Es war dieses um so leichter, als die Kammer selbst sich schon als aufgelöst betrachtete und froh war, durch Barbes Vorschlag mit dem Leben davon gekommen zu sein. Hubert konnte den Deputirten getrost sagen. „Ihr seid nichts mehr, geht nach Hause.“ Nach dem Anklage-Akt war es auch Hubert, der das Volk aufgefordert hat, sich nach dem Stadthause zu begeben. Wie gewiß übrigens der Sieg war, geht aus derselben Stelle im Anklage-Akt hervor, wo es heißt, man sei in zwei verschiedenen Abtheilungen nach dem Stadthause gezogen, die eine Abtheilung, von Barbes geführt, auf dem rechten Seine-Ufer, die andere, von Albert, auf dem linken. Soviel geht übrigens aus der ganzen Zusammenstellung hervor, daß die Kammer sowie die exekutive Kommission sich völlig resignirt hatte, daß sie keinen Augenblick mehr dachte, ihre Stellung wieder einzunehmen. Daß sie aber ihre frühere Stellung wieder eingenommen, ist sicher nicht ihre Schuld.

Die fast ganz vergessene Nationalgarde zog auf das Stadthaus in spärlicher Masse, und da sich das Volk nur spärlich noch vorfand, so nahm sie auf Befehl Lamartine's und Ledrü-Rollin's Besitz von demselben. Ueber Lamartine brauchen wir kein Wort zu verlieren; aber offenbar hat Ledrü-Rollin hier eine doppelte Rolle gespielt. Einerseits figurirte er in der von Albert und Barbes unterzeichneten Liste; andrerseits wollte er sich seine Stelle als Mitglied der provisorischen Regierung offen halten. Wie dem aber auch sein mag, so lag es ebenfalls nicht in der Absicht von Barbes und Blanc, daß die Bewegung so weit gehen sollte. Blanqui hatte allerdings gleich anfangs den Plan gefaßt, die Kammer zu sprengen auf jede mögliche Weise, selbst mit Hülfe der Gewalt. Die Polenfrage war für Blanqui Nebensache; sie war bloß ein Vorwand. Als Abends vorher Barbes Kunde erhielt von den Plänen Blanqui's, wollte er sogar sich nicht betheiligen an dem Zuge, als er endlich seine Zustimmung gab, geschah es bloß unter der Bedingung, daß man es blos bei der Petition und bei der Manifestation bewenden ließe. Die Bewegung ist, wie wir gesehn, ihm über den Kopf gewachsen; ohne es zu wollen, sah er sie zu einer völligen Revolution heranwachsen; aber er glaubte sie damit beendet, womit Blanqui sie beginnen wollte: mit der Sprengung der Kammer. Und weil er sie eben ohne Blutstropfen für beendet glaubte, kam Blanqui gar nicht zum Handeln.

Barbes war, was man im Französischen nennt, die lebendige bonne foi: er sah eine ungeheure Bewegung in eine blutige Collision umschlagen; er verhinderte letztere, indem er „moralisch“ eine Revolution vollbrachte, die Blanqui physisch beginnen wollte. Da das Ziel erreicht war, ohne die Mittel, die das Ziel befestigen konnten, so war Blanqui so zu sagen aus dem Felde geschlagen. Auch figurirt er nicht in dem von dem Anklageakte veröffentlichten Dekrete Barbes und Albert's. Dieses Dekret lautete:

„Da das Volk die Nationalversammlung aufgelöst, so besteht keine andere Gewalt als die des Volkes selbst.“

„Da nun das Volk den Wunsch an den Tag gelegt hat, die Bürger Louis Blanc, Albert, Ledrü-Rollin, Barbes, Raspail, Pierre-Leroux und Thorè in der provisorischen Regierung zu sehn, so werden dieselben als Mitglieder der Regierungs-Kommission ernannt.“

„Der Bürger Caussidière bleibt in den Funktionen des Polizei-Präfektes.“

„Die Nationalgarde e[r]hält den Befehl, sich in ihre Quartiere zurückzuziehen.“

Unterzeichnet: Barbes und Albert.

Der Anklageakt erzählt nun weiter die Verhaftung der verschiedenen Angeklagten, und die Scenen im Saale Molière, wo zwei Nationalgardisten getödtet wurden. Wie man aber weiß, waren es die Nationalgardisten selbst, die in Folge eines Irrthums gegen einander schossen. Gegen Caussidière liegt nach dem Anklageakte selbst weiter nichts vor, als daß er alle Verbindung mit der provisorischen Regierung abgebrochen, und sich mit seinen ihm blindlings ergebenen Montagnards in die Polizei-Präfektur, wie in eine Festung eingeschlossen habe.

Der Anklageakt geht hierauf zu den einzelnen Angeklagten über:

1) L. A. Blanqui. Als politisch Verurtheilter wurde er durch die Februar-Revolution aus dem Gefängniß befreit. Fast unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Paris suchte er Mittel auf, die prov. Regierung zu stürzen. Unter dem Namen: „republikanische Central-Gesellschaft“ stiftete er einen Klub, dem er präsidirte. Die Redner dieser Gesellschaft schlugen die gewaltsamsten Maßregeln vor, um den Triumph ihrer Lehren herbeizuführen. Die von der Justiz weggenommenen Sitzungsprotokolle liefern in dieser Hinsicht die unbestreitbarsten Beweise. Die Instruktion hat die mehrmals von Blanqui entworfenen Pläne, sich des Stadthauses zu bemächtigen, aufgefunden. Am 17. März mischten sich zu diesem Zweck seine Agenten unter die Volksmassen, welche gegen die Manifestation der Nationalgarde protestirten. Sie wurden am Eindringen ins Stadthaus verhindert, indem man nur die Delegirten zuließ.

Später, vor dem 16. April. sieht man Blanqui sich mit Offizieren der republikanischen Garde, in deren Reihen er Anhänger zählte, ins Einvernehmen setzen. Er verschafft sich durch Drevet, Volksdelegirten, Eintritt ins Stadthaus, prüft die Lokalitäten und sucht den Unterlieutenant Derate zu bestimmen, daß er ihn zu einer festgesetzten Stunde mit seinen Leuten unter dem Anschein einer rückkehrenden Patrouille frei passiren lasse. Diese Versuche blieben ohne Erfolg.

Die Veröffentlichung eines angeblich von Blanqui im Jahre 1839 verfaßten Dokuments in der „Revue retrospective“ störte den Angeklagten keineswegs in seinen Entschlüssen und trennte ihn auch nicht von allen seinen Genossen. Er gab eine Antwort auf den Artikel in der „Revue retrospective“ und entwickelte nur noch größere Feindseligkeit und Ausdauer in seinem Kampfe gegen die prov. Regierung. „Das ist jetzt,“ schrieb eine seiner Schwestern am 15. April, „für August eine Frage politischen Lebens oder Todes. Entweder siegt er und das Volk mit ihm, oder seine Karriere ist zu Ende.“ Der 16. April gab Blanqui Gelegenheit zu einem neuen Versuch, die prov. Regierung zu stürzen. Ein große Zahl von Arbeitern war auf das Marsfeld berufen worden, anscheinend um die Wahlen des Generalstabes der Nationalgarde vorzubereiten. Blanqui und seine Anhänger mischen sich unter die Versammelten und verbreiten das Gerücht, den Delegirten im Luxembourg seien die Vollmachten genommen, L. Blanc sei ermordet und Ledru-Rollin todt.

So gelang es Blanqui, mit bedeutenden Massen gegen das Stadthaus vorzudringen. Man weiß, wie schnell die Nationalgarde zur Vertheidigung des letztern herbeieilte und Blanqui nöthigte, den Ausbruch der Verschwörung noch einmal zu vertagen. Die Ereignisse in Rouen am 27. und 28. April lieferten Blanqui einen neuen Vorwand, den Saamen der Zwietracht auszustreuen und die Leidenschaften zu erregen. In Plakaten nannte er jene Vorfälle die Metzeleien von Rouen, schilderte die dortigen Nationalgarden als Mörder und hieß sie Bourgeois-Garden. Mit Flinten bewaffnete Montagnards wurden von der Polizeipräfektur geholt und vor Blanqui's Haus aufgestellt, um das Herabreißen der Plakate zu hindern.

Alle diese strafbaren Handlungen hatten die Aufmerksamkeit der Justiz in Anspruch genommen. Ende April wurde gegen Blanqui ein Vorführungsbefehl erlassen, jedoch seine Ausführung vertagt. Eine Untersuchung hatte begonnen. Bald sollte sie mit der heute wegen des Attentats dem hohen Gerichtshofe übertragenen Prozedur zusammenfallen.

Der Gedanke dieses Attentats ist in der Sitzung des Blanquischen Klubs am 13. Mai frech entwickelt worden. Ein Mitglied verlangte, daß der Klub direkt der Nat.-Vers. eine Reihe von Anfragen überreiche. „Wir werden, sagte er, an 40, 50 bis 100 Tausend Mann stark uns hinbegeben, und in ganz bestimmter Fassung die Frage vorlegen: Will die Versammlung oder will sie nicht? Wir werden ein sofortiges Dekret verlangen und wenn sie's verweigert, so werden wir handeln.

Wir dürfen mit dieser Manifestation nicht zögern, wir müssen sie sofort, für die nächste Sitzung am Montage unternehmen.“ Blanqui stimmte dem bei, bemerkte aber, daß man den rechten Augenblick wählen müsse. Das Volk begreife noch nicht den Kommunismus, es sei aber mit dem magischen Worte: Polen! hinzureißen. Schließlich behielt er sich vor, den passenden Moment zu jener Manifestation anzuzeigen.

War es Blanqui unbekannt, daß bereits Tags vorher in einer von Huber, präsidirten Versammlung der 15. Mai zur Ausführung der Resolution bestimmt worden oder verstellte er sich?

Einer der Zeugen ist für letztere Ansicht. Gewiß ist, daß Blanqui bei Eröffnung der Klubsitzung am 14. Mai den Beschluß durchsetzt, daß die „republikanische Centralgesellschaft“ sich den Korporationen anschließen werde, die eine Petition zu Gunsten Polens vor die Nat.-Vers. bringen sollen, daß sich aber der Klub nicht auf den Bastillenplatz, den allgemeinen Versammlungsort, sondern abgesondert auf den Boulevard du Temple begeben und dann sich der vorbeiziehenden Kolonne einreihen werde. In der That schloß sich auch der Klub am 15. Mai gleich den ersten Reihen des Zuges an und Blanqui nahm seinen Platz an der Spitze mit den Delegirten zusammen. (Ueber die Motive, welche Blanqui geleitet, führt der Anklageakt die Ansichten dreier Zeugen an; Ansichten statt Thatsachen.)

Blanqui war unter den ersten, die in den Saal der National-Versammlung drangen. Einem Zeugen zufolge befand er sich mit Raspail an der Spitze der Deligirten, um deren Zulassung General Courtais nachsuchte und die gegen 1 Uhr Mittags das Gitter gegenüber der Konkordienbrücke durchbrachen. Später freilich antwortete er im Sitzungssaale dem ihn befragenden Zeugen Sklower: „Es ist eine friedliche Manifestation; wir kommen wegen Polen und um das Petitionsrecht festzustellen.“ Aber fast im nämlichen Augenblick äußerte Feuillàtre, einer von Blanqui's Freunden: „Wir haben die wachthuende Nationalgarde entwaffnet und die Trommeln eingeschlagen, um sie am Schlagen des Rappells zu hindern: wir werden heute unsre Revanche nehmen, den Saal der National-Versammlung besetzen, die Repräsentanten durch's Fenster werfen und die Augiasställe reinigen.“ Als der Saal voll von Eingedrungenen und die Petition von Raspail verlesen war, besteigt Blanqui die Tribüne. Er verlangt ein sofortiges Dekret über die Anträge der Petition: er fordert im Namen des Volkes Gerechtigkeit wegen der Ereignisse in Rouen und ruft aus: Wenn es einen Strafbaren gibt, so sind es nicht die Opfer, sondern die Anstifter der Metzelei. Er spricht dann von dem Elend des Volks und fordert die National-Versammlung auf, sich auf der Stelle mit den Mitteln zu beschäftigen, um Tausenden von brodlosen Mitbürgern Arbeit zu verschaffen. „Seine Worte“, sagt ein als Zeuge vernommener Repräsentant, „waren keine Friedensworte, denn sie waren geeignet, das Volk gegen die Reichen aufzureizen.“ Zum Schluß erklärt Blanqui, das Volk habe mit Schmerz gesehen, daß Männer, die es liebt, gleichsam systematisch von den Kreisen der Regierung entfernt gehalten worden und dies habe das Vertrauen erschüttert. Der Zeuge Lebreton meint, daß, ohne Blanqui, der Sitzungssaal schon um 3 1/4 Uhr hätte geräumt werden können. Aber die von ihm hervorgebrachte Aufregung führte bald zu den Szenen, während welcher Hubert die Auflösung der Versammlung auszusprechen wagte und Andre die Listen einer neuen Regierung vertheilten, auf denen auch der Name Blanqui's figurirte. Mit einer dieser Listen verließ Blanqui, Einer der Letzten, den Saal mit den Worten: „Die Kammer ist aufgelöst; jetzt nach dem Stadthause!“ Der Zeuge Schlinger erklärt, daß er ihn mit mehreren Personen in einen Saal des ersten Stocks im Stadthause eintreten gesehen. Zeuge Robequin ist weniger bestimmt; aber er glaubte ihn in einem Individuum zu erkennen, das man am Halstuch gefaßt hatte. Endlich stand auf einigen Listen der neuen Regierung, die zu den Fenstern des Stadthauses herausgeworfen wurden, Blanqui's Name mit obenan. Man warf auch rothe Karten heraus, die nichts anders waren, als Einlaßkarten für den Klub der „republikanischen Centralgesellschaft.“

Des Abends, als die „Ordnung“ gesiegt und Nationalgarde und Linientruppen unter dem Ruf: „Es lebe die National-Versammlung!“ die Straßen durchzogen, verloren Blanqui's Anhänger noch immer nicht jede Hoffnung. Zwischen 7 und 8 Uhr Abends in ihrem gewöhnlichen Klubsaale unter Thouard's Vorsitz vereinigt, beschlossen sie, sich nach der Polizei-Präfektur zu begeben. Einer der Montagnard's frug, ob mit oder ohne Waffen? Lacambel, der Vize-Präsident, antwortete: „Man wird's Euch sagen.“ Damit wurde die Sitzung aufgehoben. Blanqui entging einige Tage lang den Nachforschungen der Polizei. Er wurde am 26. Mai in einem Hause, rue Montholon, wo er ein Asyl gefunden, verhaftet. Im Laufe der Untersuchung verweigerte er jede Antwort. Seine Absicht ist, wie er sagt, sich nur in öffentlicher Sitzung über die ihm zur Last gelegten Anschuldigungen auszusprechen.

068 Bourges, 7. März. (Schluß.)

Blanqui. Bürger, man hat mir die gedruckten Aktenstücke mitgetheilt. Sie enthalten die Zeugenaussagen aus der Untersuchung. Mit Verwunderung aber habe ich die wichtigsten zu unsern Gunsten gemachten Depositionen vermißt. Ja noch mehr, es wird darin auf Depositionen Bezug genommen, die theils ganz entgegengesetzten Inhalts sind, theils garnicht existiren. Ich begnüge mich, diese Fälschung zu constatiren.

General-Prokurator Baroche erklärt, daß sein Gewissen ihm keinen Vorwurf mache. Man habe den Angeklagten oder ihren Advokaten alle Piecen mitgetheilt. Die öffentliche Meinung möge richten.

Raspail. Man hat weder uns noch unseren Advokaten die vollständigen Piecen mitgetheilt. Obwohl ich die Absicht hatte, keinen Advokaten zu nehmen, wollte ich durch einen Freund, einen Advokaten, wenigstens Copie von den Piecen nehmen lassen. Man hat diesen Mann zu allerlei Reisen veranlaßt, ohne daß er etwas hätte erhalten können. Ja, noch mehr. In dem Anklageakt finden sich Polizeinoten gegen mich, ohne daß man uns die Einsicht in die sämmtlichen Polizeilisten gestattet und die Möglichkeit einer Confrontation der Mouchards, der Enthüllung ihrer elenden Lügen geboten hätte. Man hat uns vorher entwaffnet, vorher gerichtet.

Baroche. Weiß nichts von Polizeinoten.

Raspail. Was ich gesagt habe, ist wahr. Die Polizeinote ist sogar die einzige Anklage-Piece gegen mich, und man hat mir nicht gestattet, sie zu widerlegen.

Präsident. Der Zwischenfall ist erledigt. Ich werde den Anklageakt verlesen lassen.

Die Verlesung desselben (s. oben) dauert zwei Stunden.

Als der Greffier die Worte liest: „Der Angeklagte Barbes verlangt eine Steuer von einer Milliarde auf die Reichen. Man antwortet ihm: Nein, Barbes, du irrst dich, wir brauchen zwei Stunden Plünderung!“ erheben sich stürmisch die sämmtlichen Angeklagten, und erklären diese Erzählung als die schamloseste Verläumdung.

Blanqui: Das ist des ganzen Aktes würdig!

Albert: Es ist eine Infamie!

Barbes: Kein französischer Bürger kann je so sprechen!

Sobrier: Diese elenden Lügen besudeln den Namen Frankreichs!

Raspail: Ich begreife nicht, wie der Bürger Barroche solche Infamien gegen das französische Volk verlesen lassen kann, welchem er seine Stelle verdankt.

Präsident: Ich fordere die Angeklagten auf, sich aller Unterbrechungen zu enthalten.

Barroche: Ich erwidere den Angeklagten, daß die angegriffenen Worte dem Moniteur entlehnt sind.

Barbes: Sie sind eine Lüge.

Raspail: Und eine amtliche Lüge! (Stürmischer Beifallsruf im Publikum).

Der Greffier fährt in der Verlesung fort. Als er die den Angeklagten Quentin betreffende Stelle beendigt, erhebt sich dieser mit dem Ruf: „Das ist die schmachvollste Lüge. die die Geschichte besudelt.“

Der Angeklagte Borme unterbricht von Neuem die Verlesung bei Gelegenheit der Deposition Beaumonts. „Der Kommandant Beaumont, ruft er entrüstet, hat mich einen Mann aller Parteien genannt; ich erkläre vor dem Gerichtshof und vor Ihnen, Bürger Geschworene, daß ich mit Leib und Seele nur der rothen Republik angehöre.“

Courtais. Ich protestire gegen einen Akt der Brutalität, den ein Gensdarme soeben an mir verübt. Ich verbitte mir, daß diese Menschen die Hand an mich legen.

Der Präsident will zum Zeugenverhör schreiten; Barbes verlangt das Wort, um seine Verweigerung jeder Vertheidigung zu begründen.

Barbés. Das Recht, mit welchem Ihr euch zu meinen Richtern aufwerft, ist das Recht der Gewalt. Wenn die Männer, welche am 15. Mai in das Hotel de Ville zogen, Sieger geblieben wären, Ihr würdet Euch heute vor ihrer Regierung beugen, wie ihr euch vor der des 24. Februar gebeugt habt. Mit dem Recht der Gewalt, nur nach dem Recht der Gewalt sitzt ihr hier als Richter über uns. Ihr verurtheilt uns vor einem Ausnahmgericht, denn man hat euch allein aus den Feinden unserer Prinzipien gewählt. Ihr sitzt hier wie die Heiden saßen, welche Christus verdammten. Welches Wonnegefühl für euch, die Sozialisten zu erwürgen! Unter euch und uns giebt es nur einen Krieg auf Leben und Tod, ja, nur auf Leben und Tod. Wir, wir wollen euch zu Boden schlagen, um die Wohlfahrt des leidenden Volks zu ermöglichen, um Frankreich glücklich zu machen, Frankreich und selbst Sie, meine Herren Geschwornen. Sie aber, Sie wollen uns in den Gefängnissen vermodern lassen, oder uns, kürzer noch, die Köpfe abschlagen. (Aufregung im Publikum.)

Präsident. Angeklagter, Sie werden in dieser Weise nicht weiter fortfahren.

Barbes. Ich habe keine persönliche Beleidigungen ausgesprochen, ich erkläre lediglich das historische Verhältniß zwischen Ihnen und uns.

Ein Geschworner. Wir wollen dergleichen Erklärungen nicht hören! (Murren im Auditorium.)

Angeklagter Flotte. Es ist den Geschworenen verboten, während der Sitzung ihre Meinung zu äußern.

Der Geschworene. Ich bin bereit sie zu wiederholen. (Ausbruch der Entrüstung im Auditorium.)

Baroche. Es ist unmöglich, länger eine solche Sprache zu dulden. Die Geschworenen sind hier auf Grund eines Dekrets, welches die Nationalversammlung erlassen hat.

Angeklagter Albert. Drei Monate nach dem 15. Mai, drei Monate nach unserer Verhaftung.

Barbes. Alles was ich sagen wollte ist, daß ihr mich morden aber nicht richten könnt. Wenn der edle Herr Baroche erklärt, daß wir nicht nach dem Recht der rohen Gewalt hier stehen, so frage ich ihn, ob wir wohl hier sein würden, wenn die Männer des 15. Mai Sieger geblieben wären?

Präsident. Ich entziehe Ihnen das Wort.

Albert. Ich nehme die ausgesprochenen Erklärungen meines Freundes Barbes auch als die meinigen an.

Barbes. Wenn man mich nicht sprechen lassen will, verlasse ich die Sitzung, und werde mich nur mit Gewalt zurückbringen lassen.

Präsident. Aeußern Sie sich mit Achtung vor den Richtern und Geschworenen.

Barbes. Ich begreife Ihren Haß und Ihre Wuth gegen uns, aber auch wir haben noch Zukunft! (Tumult unter den Geschwornen.)

Advokat Boinvilliers. Nach den Erklärungen der Angeklagten Albert und Barbes muß ich die Erlaubniß verlangen, mich zurückzuziehen.

Generalprokurator Baroche widersetzt sich diesem Verlangen.

Martin Bernard. Ich verlange das Wort.

Baroche. Hr. Bernard ist bloß Rechtsbeistand; ich widersetze mich allen Erklärungen von seiner Seite.

Barbes. Diese Freiheit der Vertheidigung ist des gegenwärtigen Tribunals wie der honetten Republik vollständig würdig.

Martin Bernard. Ich verlange als Volks-Repräsentant das Wort.

Präsident Berenger. Ich gebe es Ihnen nicht.

Angeklagter Raspail. Erlauben Sie mir einige Worte ruhiger Verständigung.

Präsident Berenger. Wir haben dergleichen nicht nöthig. (Nous n'avons pas besoin de cela.)

Raspail. Wir sind hier vor unsern Mitbürgern; wir können verschiedene Meinungen haben, aber ich glaube, daß keiner von uns diejenigen, welche man unsere Richter nennt, beleidigen will. Ich wünschte, daß der Hr. Generalprokurator selbst ein Beispiel der Mäßigung gäbe.

Baroche. Ich weise diese Ermahnung zurück.

Barbes. Es ist vernommen und constatirt worden, daß ich nur durch die Gewalt hier in diesem Saal zurückgehalten werde.

Präsident. Es wird im Protokoll vermerkt werden.

Nach Namensaufruf der Zeugen, welche meistens antworten, wird die Sitzung um 6 1/4 Uhr aufgehoben.

Morgen früh um 10 Uhr Wiedereröffnung.

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rung. Die Namen, welche übrigens nicht übereinstimmen in den verschiedenen Listen, sind Louis Blanc, Barbes, Albert, Blanqui, Raspail, Hubert, Caussidière, Pierre Leroux, Cabet, Proudhon u. s. w.&#x201C; Wie wir sehen, will der Anklage-Akt noch an ein Fortbestehen der alten Regierung glauben machen, und läßt daher die &#x201E;Aufrührerischen&#x201C; ausrufen: Wir sind verrathen. Dies ist aber so wenig der Fall gewesen, und das Volk war bereits seines Sieges so gewiß, daß es unmittelbar nach den Worten Barbes größtentheils auseinander ging; es war dies ungefähr um 3 Uhr und allgemein hieß es damals in Paris: Jetzt müssen wir wieder von Neuem anfangen; die Hauptsache ist, daß wir andere Männer jetzt an die Regierung setzen wie früher. Das Volk, wie gesagt, ging in zerstreuten Haufen nach dem Stadthause. Das Stadthaus gilt einmal für die offizielle Geburtsstätte jeder provisorischen Regierung. Hätte man in der Deputirtenkammer selbst die provisorische Regierung eingesetzt, so war die Sache richtig. Es war dieses um so leichter, als die Kammer selbst sich schon als aufgelöst betrachtete und froh war, durch Barbes Vorschlag mit dem Leben davon gekommen zu sein. Hubert konnte den Deputirten getrost sagen. &#x201E;Ihr seid nichts mehr, geht nach Hause.&#x201C; Nach dem Anklage-Akt war es auch Hubert, der das Volk aufgefordert hat, sich nach dem Stadthause zu begeben. Wie gewiß übrigens der Sieg war, geht aus derselben Stelle im Anklage-Akt hervor, wo es heißt, man sei in zwei verschiedenen Abtheilungen nach dem Stadthause gezogen, die eine Abtheilung, von Barbes geführt, auf dem rechten Seine-Ufer, die andere, von Albert, auf dem linken. Soviel geht übrigens aus der ganzen Zusammenstellung hervor, daß die Kammer sowie die exekutive Kommission sich völlig resignirt hatte, daß sie keinen Augenblick mehr dachte, ihre Stellung wieder einzunehmen. Daß sie aber ihre frühere Stellung wieder eingenommen, ist sicher nicht ihre Schuld.</p>
          <p>Die fast ganz vergessene Nationalgarde zog auf das Stadthaus in spärlicher Masse, und da sich das Volk nur spärlich noch vorfand, so nahm sie auf Befehl Lamartine's und Ledrü-Rollin's Besitz von demselben. Ueber Lamartine brauchen wir kein Wort zu verlieren; aber offenbar hat Ledrü-Rollin hier eine doppelte Rolle gespielt. Einerseits figurirte er in der von Albert und Barbes unterzeichneten Liste; andrerseits wollte er sich seine Stelle als Mitglied der provisorischen Regierung offen halten. Wie dem aber auch sein mag, so lag es ebenfalls nicht in der Absicht von Barbes und Blanc, daß die Bewegung so weit gehen sollte. Blanqui hatte allerdings gleich anfangs den Plan gefaßt, die Kammer zu sprengen auf jede mögliche Weise, selbst mit Hülfe der Gewalt. Die Polenfrage war für Blanqui Nebensache; sie war bloß ein Vorwand. Als Abends vorher Barbes Kunde erhielt von den Plänen Blanqui's, wollte er sogar sich nicht betheiligen an dem Zuge, als er endlich seine Zustimmung gab, geschah es bloß unter der Bedingung, daß man es blos bei der Petition und bei der Manifestation bewenden ließe. Die Bewegung ist, wie wir gesehn, ihm über den Kopf gewachsen; ohne es zu wollen, sah er sie zu einer völligen Revolution heranwachsen; aber er glaubte sie damit beendet, womit Blanqui sie beginnen wollte: mit der Sprengung der Kammer. Und weil er sie eben ohne Blutstropfen für beendet glaubte, kam Blanqui gar nicht zum Handeln.</p>
          <p>Barbes war, was man im Französischen nennt, die lebendige bonne foi: er sah eine ungeheure Bewegung in eine blutige Collision umschlagen; er verhinderte letztere, indem er &#x201E;moralisch&#x201C; eine Revolution vollbrachte, die Blanqui physisch beginnen wollte. Da das Ziel erreicht war, ohne die Mittel, die das Ziel befestigen konnten, so war Blanqui so zu sagen aus dem Felde geschlagen. Auch figurirt er nicht in dem von dem Anklageakte veröffentlichten Dekrete Barbes und Albert's. Dieses Dekret lautete:</p>
          <p>&#x201E;Da das Volk die Nationalversammlung aufgelöst, so besteht keine andere Gewalt als die des Volkes selbst.&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Da nun das Volk den Wunsch an den Tag gelegt hat, die Bürger Louis Blanc, Albert, Ledrü-Rollin, Barbes, Raspail, Pierre-Leroux und Thorè in der provisorischen Regierung zu sehn, so werden dieselben als Mitglieder der Regierungs-Kommission ernannt.&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Der Bürger Caussidière bleibt in den Funktionen des Polizei-Präfektes.&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Die Nationalgarde e[r]hält den Befehl, sich in ihre Quartiere zurückzuziehen.&#x201C;</p>
          <p>Unterzeichnet: Barbes und Albert.</p>
          <p>Der Anklageakt erzählt nun weiter die Verhaftung der verschiedenen Angeklagten, und die Scenen im Saale Molière, wo zwei Nationalgardisten getödtet wurden. Wie man aber weiß, waren es die Nationalgardisten selbst, die in Folge eines Irrthums gegen einander schossen. Gegen Caussidière liegt nach dem Anklageakte selbst weiter nichts vor, als daß er alle Verbindung mit der provisorischen Regierung abgebrochen, und sich mit seinen ihm blindlings ergebenen Montagnards in die Polizei-Präfektur, wie in eine Festung eingeschlossen habe.</p>
          <p>Der Anklageakt geht hierauf zu den einzelnen Angeklagten über:</p>
          <p>1) <hi rendition="#g">L. A. Blanqui</hi>. Als politisch Verurtheilter wurde er durch die Februar-Revolution aus dem Gefängniß befreit. Fast unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Paris suchte er Mittel auf, die prov. Regierung zu stürzen. Unter dem Namen: &#x201E;republikanische Central-Gesellschaft&#x201C; stiftete er einen Klub, dem er präsidirte. Die Redner dieser Gesellschaft schlugen die gewaltsamsten Maßregeln vor, um den Triumph ihrer Lehren herbeizuführen. Die von der Justiz weggenommenen Sitzungsprotokolle liefern in dieser Hinsicht die unbestreitbarsten Beweise. Die Instruktion hat die mehrmals von Blanqui entworfenen Pläne, sich des Stadthauses zu bemächtigen, aufgefunden. Am 17. März mischten sich zu diesem Zweck seine Agenten unter die Volksmassen, welche gegen die Manifestation der Nationalgarde protestirten. Sie wurden am Eindringen ins Stadthaus verhindert, indem man nur die Delegirten zuließ.</p>
          <p>Später, vor dem 16. April. sieht man Blanqui sich mit Offizieren der republikanischen Garde, in deren Reihen er Anhänger zählte, ins Einvernehmen setzen. Er verschafft sich durch Drevet, Volksdelegirten, Eintritt ins Stadthaus, prüft die Lokalitäten und sucht den Unterlieutenant Derate zu bestimmen, daß er ihn zu einer festgesetzten Stunde mit seinen Leuten unter dem Anschein einer rückkehrenden Patrouille frei passiren lasse. Diese Versuche blieben ohne Erfolg.</p>
          <p>Die Veröffentlichung eines angeblich von Blanqui im Jahre 1839 verfaßten Dokuments in der &#x201E;Revue retrospective&#x201C; störte den Angeklagten keineswegs in seinen Entschlüssen und trennte ihn auch nicht von allen seinen Genossen. Er gab eine Antwort auf den Artikel in der &#x201E;Revue retrospective&#x201C; und entwickelte nur noch größere Feindseligkeit und Ausdauer in seinem Kampfe gegen die prov. Regierung. &#x201E;Das ist jetzt,&#x201C; schrieb eine seiner Schwestern am 15. April, &#x201E;für August eine Frage politischen Lebens oder Todes. Entweder siegt er und das Volk mit ihm, oder seine Karriere ist zu Ende.&#x201C; Der 16. April gab Blanqui Gelegenheit zu einem neuen Versuch, die prov. Regierung zu stürzen. Ein große Zahl von Arbeitern war auf das Marsfeld berufen worden, anscheinend um die Wahlen des Generalstabes der Nationalgarde vorzubereiten. Blanqui und seine Anhänger mischen sich unter die Versammelten und verbreiten das Gerücht, den Delegirten im Luxembourg seien die Vollmachten genommen, L. Blanc sei ermordet und Ledru-Rollin todt.</p>
          <p>So gelang es Blanqui, mit bedeutenden Massen gegen das Stadthaus vorzudringen. Man weiß, wie schnell die Nationalgarde zur Vertheidigung des letztern herbeieilte und Blanqui nöthigte, den Ausbruch der Verschwörung noch einmal zu vertagen. Die Ereignisse in Rouen am 27. und 28. April lieferten Blanqui einen neuen Vorwand, den Saamen der Zwietracht auszustreuen und die Leidenschaften zu erregen. In Plakaten nannte er jene Vorfälle die Metzeleien von Rouen, schilderte die dortigen Nationalgarden als Mörder und hieß sie Bourgeois-Garden. Mit Flinten bewaffnete Montagnards wurden von der Polizeipräfektur geholt und vor Blanqui's Haus aufgestellt, um das Herabreißen der Plakate zu hindern.</p>
          <p>Alle diese strafbaren Handlungen hatten die Aufmerksamkeit der Justiz in Anspruch genommen. Ende April wurde gegen Blanqui ein Vorführungsbefehl erlassen, jedoch seine Ausführung vertagt. Eine Untersuchung hatte begonnen. Bald sollte sie mit der heute wegen des Attentats dem hohen Gerichtshofe übertragenen Prozedur zusammenfallen.</p>
          <p>Der Gedanke dieses Attentats ist in der Sitzung des Blanquischen Klubs am 13. Mai frech entwickelt worden. Ein Mitglied verlangte, daß der Klub direkt der Nat.-Vers. eine Reihe von Anfragen überreiche. &#x201E;Wir werden, sagte er, an 40, 50 bis 100 Tausend Mann stark uns hinbegeben, und in ganz bestimmter Fassung die Frage vorlegen: Will die Versammlung oder will sie nicht? Wir werden ein sofortiges Dekret verlangen und wenn sie's verweigert, so werden wir handeln.</p>
          <p>Wir dürfen mit dieser Manifestation nicht zögern, wir müssen sie sofort, für die nächste Sitzung am Montage unternehmen.&#x201C; Blanqui stimmte dem bei, bemerkte aber, daß man den rechten Augenblick wählen müsse. Das Volk begreife noch nicht den Kommunismus, es sei aber mit dem magischen Worte: Polen! hinzureißen. Schließlich behielt er sich vor, den passenden Moment zu jener Manifestation anzuzeigen.</p>
          <p>War es Blanqui unbekannt, daß bereits Tags vorher in einer von Huber, präsidirten Versammlung der 15. Mai zur Ausführung der Resolution bestimmt worden oder verstellte er sich?</p>
          <p>Einer der Zeugen ist für letztere Ansicht. Gewiß ist, daß Blanqui bei Eröffnung der Klubsitzung am 14. Mai den Beschluß durchsetzt, daß die &#x201E;republikanische Centralgesellschaft&#x201C; sich den Korporationen anschließen werde, die eine Petition zu Gunsten Polens vor die Nat.-Vers. bringen sollen, daß sich aber der Klub nicht auf den Bastillenplatz, den allgemeinen Versammlungsort, sondern abgesondert auf den Boulevard du Temple begeben und dann sich der vorbeiziehenden Kolonne einreihen werde. In der That schloß sich auch der Klub am 15. Mai gleich den ersten Reihen des Zuges an und Blanqui nahm seinen Platz an der Spitze mit den Delegirten zusammen. (Ueber die Motive, welche Blanqui geleitet, führt der Anklageakt die Ansichten dreier Zeugen an; Ansichten statt Thatsachen.)</p>
          <p>Blanqui war unter den ersten, die in den Saal der National-Versammlung drangen. Einem Zeugen zufolge befand er sich mit Raspail an der Spitze der Deligirten, um deren Zulassung General Courtais nachsuchte und die gegen 1 Uhr Mittags das Gitter gegenüber der Konkordienbrücke durchbrachen. Später freilich antwortete er im Sitzungssaale dem ihn befragenden Zeugen Sklower: &#x201E;Es ist eine friedliche Manifestation; wir kommen wegen Polen und um das Petitionsrecht festzustellen.&#x201C; Aber fast im nämlichen Augenblick äußerte Feuillàtre, einer von Blanqui's Freunden: &#x201E;Wir haben die wachthuende Nationalgarde entwaffnet und die Trommeln eingeschlagen, um sie am Schlagen des Rappells zu hindern: wir werden heute unsre Revanche nehmen, den Saal der National-Versammlung besetzen, die Repräsentanten durch's Fenster werfen und die Augiasställe reinigen.&#x201C; Als der Saal voll von Eingedrungenen und die Petition von Raspail verlesen war, besteigt Blanqui die Tribüne. Er verlangt ein sofortiges Dekret über die Anträge der Petition: er fordert im Namen des Volkes Gerechtigkeit wegen der Ereignisse in Rouen und ruft aus: Wenn es einen Strafbaren gibt, so sind es nicht die Opfer, sondern die Anstifter der Metzelei. Er spricht dann von dem Elend des Volks und fordert die National-Versammlung auf, sich auf der Stelle mit den Mitteln zu beschäftigen, um Tausenden von brodlosen Mitbürgern Arbeit zu verschaffen. &#x201E;Seine Worte&#x201C;, sagt ein als Zeuge vernommener Repräsentant, &#x201E;waren keine Friedensworte, denn sie waren geeignet, das Volk gegen die Reichen aufzureizen.&#x201C; Zum Schluß erklärt Blanqui, das Volk habe mit Schmerz gesehen, daß Männer, die es liebt, gleichsam systematisch von den Kreisen der Regierung entfernt gehalten worden und dies habe das Vertrauen erschüttert. Der Zeuge Lebreton meint, daß, ohne Blanqui, der Sitzungssaal schon um 3 1/4 Uhr hätte geräumt werden können. Aber die von ihm hervorgebrachte Aufregung führte bald zu den Szenen, während welcher Hubert die Auflösung der Versammlung auszusprechen wagte und Andre die Listen einer neuen Regierung vertheilten, auf denen auch der Name Blanqui's figurirte. Mit einer dieser Listen verließ Blanqui, Einer der Letzten, den Saal mit den Worten: &#x201E;Die Kammer ist aufgelöst; jetzt nach dem Stadthause!&#x201C; Der Zeuge Schlinger erklärt, daß er ihn mit mehreren Personen in einen Saal des ersten Stocks im Stadthause eintreten gesehen. Zeuge Robequin ist weniger bestimmt; aber er glaubte ihn in einem Individuum zu erkennen, das man am Halstuch gefaßt hatte. Endlich stand auf einigen Listen der neuen Regierung, die zu den Fenstern des Stadthauses herausgeworfen wurden, Blanqui's Name mit obenan. Man warf auch rothe Karten heraus, die nichts anders waren, als Einlaßkarten für den Klub der &#x201E;republikanischen Centralgesellschaft.&#x201C;</p>
          <p>Des Abends, als die &#x201E;Ordnung&#x201C; gesiegt und Nationalgarde und Linientruppen unter dem Ruf: &#x201E;Es lebe die National-Versammlung!&#x201C; die Straßen durchzogen, verloren Blanqui's Anhänger noch immer nicht jede Hoffnung. Zwischen 7 und 8 Uhr Abends in ihrem gewöhnlichen Klubsaale unter Thouard's Vorsitz vereinigt, beschlossen sie, sich nach der Polizei-Präfektur zu begeben. Einer der Montagnard's frug, ob mit oder ohne Waffen? Lacambel, der Vize-Präsident, antwortete: &#x201E;Man wird's Euch sagen.&#x201C; Damit wurde die Sitzung aufgehoben. Blanqui entging einige Tage lang den Nachforschungen der Polizei. Er wurde am 26. Mai in einem Hause, rue Montholon, wo er ein Asyl gefunden, verhaftet. Im Laufe der Untersuchung verweigerte er jede Antwort. Seine Absicht ist, wie er sagt, sich nur in öffentlicher Sitzung über die ihm zur Last gelegten Anschuldigungen auszusprechen.</p>
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          <p>General-Prokurator Baroche erklärt, daß sein Gewissen ihm keinen Vorwurf mache. Man habe den Angeklagten oder ihren Advokaten alle Piecen mitgetheilt. Die öffentliche Meinung möge richten.</p>
          <p>Raspail. Man hat weder uns noch unseren Advokaten die vollständigen Piecen mitgetheilt. Obwohl ich die Absicht hatte, keinen Advokaten zu nehmen, wollte ich durch einen Freund, einen Advokaten, wenigstens Copie von den Piecen nehmen lassen. Man hat diesen Mann zu allerlei Reisen veranlaßt, ohne daß er etwas hätte erhalten können. Ja, noch mehr. In dem Anklageakt finden sich Polizeinoten gegen mich, ohne daß man uns die Einsicht in die sämmtlichen Polizeilisten gestattet und die Möglichkeit einer Confrontation der Mouchards, der Enthüllung ihrer elenden Lügen geboten hätte. Man hat uns vorher entwaffnet, vorher gerichtet.</p>
          <p>Baroche. Weiß nichts von Polizeinoten.</p>
          <p>Raspail. Was ich gesagt habe, ist wahr. Die Polizeinote ist sogar die einzige Anklage-Piece gegen mich, und man hat mir nicht gestattet, sie zu widerlegen.</p>
          <p>Präsident. Der Zwischenfall ist erledigt. Ich werde den Anklageakt verlesen lassen.</p>
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          <p>Blanqui: Das ist des ganzen Aktes würdig!</p>
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          <p>Barbes: Kein französischer Bürger kann je so sprechen!</p>
          <p>Sobrier: Diese elenden Lügen besudeln den Namen Frankreichs!</p>
          <p>Raspail: Ich begreife nicht, wie der Bürger Barroche solche Infamien gegen das französische Volk verlesen lassen kann, welchem er seine Stelle verdankt.</p>
          <p>Präsident: Ich fordere die Angeklagten auf, sich aller Unterbrechungen zu enthalten.</p>
          <p>Barroche: Ich erwidere den Angeklagten, daß die angegriffenen Worte dem Moniteur entlehnt sind.</p>
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          <p>Der Angeklagte Borme unterbricht von Neuem die Verlesung bei Gelegenheit der Deposition Beaumonts. &#x201E;Der Kommandant Beaumont, ruft er entrüstet, hat mich einen Mann aller Parteien genannt; ich erkläre vor dem Gerichtshof und vor Ihnen, Bürger Geschworene, daß ich mit Leib und Seele nur der <hi rendition="#g">rothen Republik</hi> angehöre.&#x201C;</p>
          <p>Courtais. Ich protestire gegen einen Akt der Brutalität, den ein Gensdarme soeben an mir verübt. Ich verbitte mir, daß diese Menschen die Hand an mich legen.</p>
          <p>Der Präsident will zum Zeugenverhör schreiten; Barbes verlangt das Wort, um seine Verweigerung jeder Vertheidigung zu begründen.</p>
          <p>Barbés. Das Recht, mit welchem Ihr euch zu meinen Richtern aufwerft, ist das Recht der Gewalt. Wenn die Männer, welche am 15. Mai in das Hotel de Ville zogen, Sieger geblieben wären, Ihr würdet Euch heute vor ihrer Regierung beugen, wie ihr euch vor der des 24. Februar gebeugt habt. Mit dem Recht der Gewalt, nur nach dem Recht der Gewalt sitzt ihr hier als Richter über uns. Ihr verurtheilt uns vor einem Ausnahmgericht, denn man hat euch allein aus den Feinden unserer Prinzipien gewählt. Ihr sitzt hier wie die Heiden saßen, welche Christus verdammten. Welches Wonnegefühl für euch, die Sozialisten zu erwürgen! Unter euch und uns giebt es nur einen Krieg auf Leben und Tod, ja, nur auf Leben und Tod. Wir, wir wollen euch zu Boden schlagen, um die Wohlfahrt des leidenden Volks zu ermöglichen, um Frankreich glücklich zu machen, Frankreich und selbst Sie, meine Herren Geschwornen. Sie aber, Sie wollen uns in den Gefängnissen vermodern lassen, oder uns, kürzer noch, die Köpfe abschlagen. (Aufregung im Publikum.)</p>
          <p>Präsident. Angeklagter, Sie werden in dieser Weise nicht weiter fortfahren.</p>
          <p>Barbes. Ich habe keine persönliche Beleidigungen ausgesprochen, ich erkläre lediglich das historische Verhältniß zwischen Ihnen und uns.</p>
          <p>Ein Geschworner. Wir wollen dergleichen Erklärungen nicht hören! (Murren im Auditorium.)</p>
          <p>Angeklagter Flotte. Es ist den Geschworenen verboten, während der Sitzung ihre Meinung zu äußern.</p>
          <p>Der Geschworene. Ich bin bereit sie zu wiederholen. (Ausbruch der Entrüstung im Auditorium.)</p>
          <p>Baroche. Es ist unmöglich, länger eine solche Sprache zu dulden. Die Geschworenen sind hier auf Grund eines Dekrets, welches die Nationalversammlung erlassen hat.</p>
          <p>Angeklagter Albert. Drei Monate nach dem 15. Mai, drei Monate nach unserer Verhaftung.</p>
          <p>Barbes. Alles was ich sagen wollte ist, daß ihr mich morden aber nicht richten könnt. Wenn der edle Herr Baroche erklärt, daß wir nicht nach dem Recht der rohen Gewalt hier stehen, so frage ich ihn, ob wir wohl hier sein würden, wenn die Männer des 15. Mai Sieger geblieben wären?</p>
          <p>Präsident. Ich entziehe Ihnen das Wort.</p>
          <p>Albert. Ich nehme die ausgesprochenen Erklärungen meines Freundes Barbes auch als die meinigen an.</p>
          <p>Barbes. Wenn man mich nicht sprechen lassen will, verlasse ich die Sitzung, und werde mich nur mit Gewalt zurückbringen lassen.</p>
          <p>Präsident. Aeußern Sie sich mit Achtung vor den Richtern und Geschworenen.</p>
          <p>Barbes. Ich begreife Ihren Haß und Ihre Wuth gegen uns, <hi rendition="#g">aber auch wir haben noch Zukunft</hi>! (Tumult unter den Geschwornen.)</p>
          <p>Advokat Boinvilliers. Nach den Erklärungen der Angeklagten Albert und Barbes muß ich die Erlaubniß verlangen, mich zurückzuziehen.</p>
          <p>Generalprokurator Baroche widersetzt sich diesem Verlangen.</p>
          <p>Martin Bernard. Ich verlange das Wort.</p>
          <p>Baroche. Hr. Bernard ist bloß Rechtsbeistand; ich widersetze mich allen Erklärungen von seiner Seite.</p>
          <p>Barbes. Diese Freiheit der Vertheidigung ist des gegenwärtigen Tribunals wie der honetten Republik vollständig würdig.</p>
          <p>Martin Bernard. Ich verlange als Volks-Repräsentant das Wort.</p>
          <p>Präsident Berenger. Ich gebe es Ihnen nicht.</p>
          <p>Angeklagter Raspail. Erlauben Sie mir einige Worte ruhiger Verständigung.</p>
          <p>Präsident Berenger. Wir haben dergleichen nicht nöthig. (Nous n'avons pas besoin de cela.)</p>
          <p>Raspail. Wir sind hier vor unsern Mitbürgern; wir können verschiedene Meinungen haben, aber ich glaube, daß keiner von uns diejenigen, welche man unsere Richter nennt, beleidigen will. Ich wünschte, daß der Hr. Generalprokurator selbst ein Beispiel der Mäßigung gäbe.</p>
          <p>Baroche. Ich weise diese Ermahnung zurück.</p>
          <p>Barbes. Es ist vernommen und constatirt worden, daß ich nur durch die Gewalt hier in diesem Saal zurückgehalten werde.</p>
          <p>Präsident. Es wird im Protokoll vermerkt werden.</p>
          <p>Nach Namensaufruf der Zeugen, welche meistens antworten, wird die Sitzung um 6 1/4 Uhr aufgehoben.</p>
          <p>Morgen früh um 10 Uhr Wiedereröffnung.</p>
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      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1351/0003] rung. Die Namen, welche übrigens nicht übereinstimmen in den verschiedenen Listen, sind Louis Blanc, Barbes, Albert, Blanqui, Raspail, Hubert, Caussidière, Pierre Leroux, Cabet, Proudhon u. s. w.“ Wie wir sehen, will der Anklage-Akt noch an ein Fortbestehen der alten Regierung glauben machen, und läßt daher die „Aufrührerischen“ ausrufen: Wir sind verrathen. Dies ist aber so wenig der Fall gewesen, und das Volk war bereits seines Sieges so gewiß, daß es unmittelbar nach den Worten Barbes größtentheils auseinander ging; es war dies ungefähr um 3 Uhr und allgemein hieß es damals in Paris: Jetzt müssen wir wieder von Neuem anfangen; die Hauptsache ist, daß wir andere Männer jetzt an die Regierung setzen wie früher. Das Volk, wie gesagt, ging in zerstreuten Haufen nach dem Stadthause. Das Stadthaus gilt einmal für die offizielle Geburtsstätte jeder provisorischen Regierung. Hätte man in der Deputirtenkammer selbst die provisorische Regierung eingesetzt, so war die Sache richtig. Es war dieses um so leichter, als die Kammer selbst sich schon als aufgelöst betrachtete und froh war, durch Barbes Vorschlag mit dem Leben davon gekommen zu sein. Hubert konnte den Deputirten getrost sagen. „Ihr seid nichts mehr, geht nach Hause.“ Nach dem Anklage-Akt war es auch Hubert, der das Volk aufgefordert hat, sich nach dem Stadthause zu begeben. Wie gewiß übrigens der Sieg war, geht aus derselben Stelle im Anklage-Akt hervor, wo es heißt, man sei in zwei verschiedenen Abtheilungen nach dem Stadthause gezogen, die eine Abtheilung, von Barbes geführt, auf dem rechten Seine-Ufer, die andere, von Albert, auf dem linken. Soviel geht übrigens aus der ganzen Zusammenstellung hervor, daß die Kammer sowie die exekutive Kommission sich völlig resignirt hatte, daß sie keinen Augenblick mehr dachte, ihre Stellung wieder einzunehmen. Daß sie aber ihre frühere Stellung wieder eingenommen, ist sicher nicht ihre Schuld. Die fast ganz vergessene Nationalgarde zog auf das Stadthaus in spärlicher Masse, und da sich das Volk nur spärlich noch vorfand, so nahm sie auf Befehl Lamartine's und Ledrü-Rollin's Besitz von demselben. Ueber Lamartine brauchen wir kein Wort zu verlieren; aber offenbar hat Ledrü-Rollin hier eine doppelte Rolle gespielt. Einerseits figurirte er in der von Albert und Barbes unterzeichneten Liste; andrerseits wollte er sich seine Stelle als Mitglied der provisorischen Regierung offen halten. Wie dem aber auch sein mag, so lag es ebenfalls nicht in der Absicht von Barbes und Blanc, daß die Bewegung so weit gehen sollte. Blanqui hatte allerdings gleich anfangs den Plan gefaßt, die Kammer zu sprengen auf jede mögliche Weise, selbst mit Hülfe der Gewalt. Die Polenfrage war für Blanqui Nebensache; sie war bloß ein Vorwand. Als Abends vorher Barbes Kunde erhielt von den Plänen Blanqui's, wollte er sogar sich nicht betheiligen an dem Zuge, als er endlich seine Zustimmung gab, geschah es bloß unter der Bedingung, daß man es blos bei der Petition und bei der Manifestation bewenden ließe. Die Bewegung ist, wie wir gesehn, ihm über den Kopf gewachsen; ohne es zu wollen, sah er sie zu einer völligen Revolution heranwachsen; aber er glaubte sie damit beendet, womit Blanqui sie beginnen wollte: mit der Sprengung der Kammer. Und weil er sie eben ohne Blutstropfen für beendet glaubte, kam Blanqui gar nicht zum Handeln. Barbes war, was man im Französischen nennt, die lebendige bonne foi: er sah eine ungeheure Bewegung in eine blutige Collision umschlagen; er verhinderte letztere, indem er „moralisch“ eine Revolution vollbrachte, die Blanqui physisch beginnen wollte. Da das Ziel erreicht war, ohne die Mittel, die das Ziel befestigen konnten, so war Blanqui so zu sagen aus dem Felde geschlagen. Auch figurirt er nicht in dem von dem Anklageakte veröffentlichten Dekrete Barbes und Albert's. Dieses Dekret lautete: „Da das Volk die Nationalversammlung aufgelöst, so besteht keine andere Gewalt als die des Volkes selbst.“ „Da nun das Volk den Wunsch an den Tag gelegt hat, die Bürger Louis Blanc, Albert, Ledrü-Rollin, Barbes, Raspail, Pierre-Leroux und Thorè in der provisorischen Regierung zu sehn, so werden dieselben als Mitglieder der Regierungs-Kommission ernannt.“ „Der Bürger Caussidière bleibt in den Funktionen des Polizei-Präfektes.“ „Die Nationalgarde e[r]hält den Befehl, sich in ihre Quartiere zurückzuziehen.“ Unterzeichnet: Barbes und Albert. Der Anklageakt erzählt nun weiter die Verhaftung der verschiedenen Angeklagten, und die Scenen im Saale Molière, wo zwei Nationalgardisten getödtet wurden. Wie man aber weiß, waren es die Nationalgardisten selbst, die in Folge eines Irrthums gegen einander schossen. Gegen Caussidière liegt nach dem Anklageakte selbst weiter nichts vor, als daß er alle Verbindung mit der provisorischen Regierung abgebrochen, und sich mit seinen ihm blindlings ergebenen Montagnards in die Polizei-Präfektur, wie in eine Festung eingeschlossen habe. Der Anklageakt geht hierauf zu den einzelnen Angeklagten über: 1) L. A. Blanqui. Als politisch Verurtheilter wurde er durch die Februar-Revolution aus dem Gefängniß befreit. Fast unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Paris suchte er Mittel auf, die prov. Regierung zu stürzen. Unter dem Namen: „republikanische Central-Gesellschaft“ stiftete er einen Klub, dem er präsidirte. Die Redner dieser Gesellschaft schlugen die gewaltsamsten Maßregeln vor, um den Triumph ihrer Lehren herbeizuführen. Die von der Justiz weggenommenen Sitzungsprotokolle liefern in dieser Hinsicht die unbestreitbarsten Beweise. Die Instruktion hat die mehrmals von Blanqui entworfenen Pläne, sich des Stadthauses zu bemächtigen, aufgefunden. Am 17. März mischten sich zu diesem Zweck seine Agenten unter die Volksmassen, welche gegen die Manifestation der Nationalgarde protestirten. Sie wurden am Eindringen ins Stadthaus verhindert, indem man nur die Delegirten zuließ. Später, vor dem 16. April. sieht man Blanqui sich mit Offizieren der republikanischen Garde, in deren Reihen er Anhänger zählte, ins Einvernehmen setzen. Er verschafft sich durch Drevet, Volksdelegirten, Eintritt ins Stadthaus, prüft die Lokalitäten und sucht den Unterlieutenant Derate zu bestimmen, daß er ihn zu einer festgesetzten Stunde mit seinen Leuten unter dem Anschein einer rückkehrenden Patrouille frei passiren lasse. Diese Versuche blieben ohne Erfolg. Die Veröffentlichung eines angeblich von Blanqui im Jahre 1839 verfaßten Dokuments in der „Revue retrospective“ störte den Angeklagten keineswegs in seinen Entschlüssen und trennte ihn auch nicht von allen seinen Genossen. Er gab eine Antwort auf den Artikel in der „Revue retrospective“ und entwickelte nur noch größere Feindseligkeit und Ausdauer in seinem Kampfe gegen die prov. Regierung. „Das ist jetzt,“ schrieb eine seiner Schwestern am 15. April, „für August eine Frage politischen Lebens oder Todes. Entweder siegt er und das Volk mit ihm, oder seine Karriere ist zu Ende.“ Der 16. April gab Blanqui Gelegenheit zu einem neuen Versuch, die prov. Regierung zu stürzen. Ein große Zahl von Arbeitern war auf das Marsfeld berufen worden, anscheinend um die Wahlen des Generalstabes der Nationalgarde vorzubereiten. Blanqui und seine Anhänger mischen sich unter die Versammelten und verbreiten das Gerücht, den Delegirten im Luxembourg seien die Vollmachten genommen, L. Blanc sei ermordet und Ledru-Rollin todt. So gelang es Blanqui, mit bedeutenden Massen gegen das Stadthaus vorzudringen. Man weiß, wie schnell die Nationalgarde zur Vertheidigung des letztern herbeieilte und Blanqui nöthigte, den Ausbruch der Verschwörung noch einmal zu vertagen. Die Ereignisse in Rouen am 27. und 28. April lieferten Blanqui einen neuen Vorwand, den Saamen der Zwietracht auszustreuen und die Leidenschaften zu erregen. In Plakaten nannte er jene Vorfälle die Metzeleien von Rouen, schilderte die dortigen Nationalgarden als Mörder und hieß sie Bourgeois-Garden. Mit Flinten bewaffnete Montagnards wurden von der Polizeipräfektur geholt und vor Blanqui's Haus aufgestellt, um das Herabreißen der Plakate zu hindern. Alle diese strafbaren Handlungen hatten die Aufmerksamkeit der Justiz in Anspruch genommen. Ende April wurde gegen Blanqui ein Vorführungsbefehl erlassen, jedoch seine Ausführung vertagt. Eine Untersuchung hatte begonnen. Bald sollte sie mit der heute wegen des Attentats dem hohen Gerichtshofe übertragenen Prozedur zusammenfallen. Der Gedanke dieses Attentats ist in der Sitzung des Blanquischen Klubs am 13. Mai frech entwickelt worden. Ein Mitglied verlangte, daß der Klub direkt der Nat.-Vers. eine Reihe von Anfragen überreiche. „Wir werden, sagte er, an 40, 50 bis 100 Tausend Mann stark uns hinbegeben, und in ganz bestimmter Fassung die Frage vorlegen: Will die Versammlung oder will sie nicht? Wir werden ein sofortiges Dekret verlangen und wenn sie's verweigert, so werden wir handeln. Wir dürfen mit dieser Manifestation nicht zögern, wir müssen sie sofort, für die nächste Sitzung am Montage unternehmen.“ Blanqui stimmte dem bei, bemerkte aber, daß man den rechten Augenblick wählen müsse. Das Volk begreife noch nicht den Kommunismus, es sei aber mit dem magischen Worte: Polen! hinzureißen. Schließlich behielt er sich vor, den passenden Moment zu jener Manifestation anzuzeigen. War es Blanqui unbekannt, daß bereits Tags vorher in einer von Huber, präsidirten Versammlung der 15. Mai zur Ausführung der Resolution bestimmt worden oder verstellte er sich? Einer der Zeugen ist für letztere Ansicht. Gewiß ist, daß Blanqui bei Eröffnung der Klubsitzung am 14. Mai den Beschluß durchsetzt, daß die „republikanische Centralgesellschaft“ sich den Korporationen anschließen werde, die eine Petition zu Gunsten Polens vor die Nat.-Vers. bringen sollen, daß sich aber der Klub nicht auf den Bastillenplatz, den allgemeinen Versammlungsort, sondern abgesondert auf den Boulevard du Temple begeben und dann sich der vorbeiziehenden Kolonne einreihen werde. In der That schloß sich auch der Klub am 15. Mai gleich den ersten Reihen des Zuges an und Blanqui nahm seinen Platz an der Spitze mit den Delegirten zusammen. (Ueber die Motive, welche Blanqui geleitet, führt der Anklageakt die Ansichten dreier Zeugen an; Ansichten statt Thatsachen.) Blanqui war unter den ersten, die in den Saal der National-Versammlung drangen. Einem Zeugen zufolge befand er sich mit Raspail an der Spitze der Deligirten, um deren Zulassung General Courtais nachsuchte und die gegen 1 Uhr Mittags das Gitter gegenüber der Konkordienbrücke durchbrachen. Später freilich antwortete er im Sitzungssaale dem ihn befragenden Zeugen Sklower: „Es ist eine friedliche Manifestation; wir kommen wegen Polen und um das Petitionsrecht festzustellen.“ Aber fast im nämlichen Augenblick äußerte Feuillàtre, einer von Blanqui's Freunden: „Wir haben die wachthuende Nationalgarde entwaffnet und die Trommeln eingeschlagen, um sie am Schlagen des Rappells zu hindern: wir werden heute unsre Revanche nehmen, den Saal der National-Versammlung besetzen, die Repräsentanten durch's Fenster werfen und die Augiasställe reinigen.“ Als der Saal voll von Eingedrungenen und die Petition von Raspail verlesen war, besteigt Blanqui die Tribüne. Er verlangt ein sofortiges Dekret über die Anträge der Petition: er fordert im Namen des Volkes Gerechtigkeit wegen der Ereignisse in Rouen und ruft aus: Wenn es einen Strafbaren gibt, so sind es nicht die Opfer, sondern die Anstifter der Metzelei. Er spricht dann von dem Elend des Volks und fordert die National-Versammlung auf, sich auf der Stelle mit den Mitteln zu beschäftigen, um Tausenden von brodlosen Mitbürgern Arbeit zu verschaffen. „Seine Worte“, sagt ein als Zeuge vernommener Repräsentant, „waren keine Friedensworte, denn sie waren geeignet, das Volk gegen die Reichen aufzureizen.“ Zum Schluß erklärt Blanqui, das Volk habe mit Schmerz gesehen, daß Männer, die es liebt, gleichsam systematisch von den Kreisen der Regierung entfernt gehalten worden und dies habe das Vertrauen erschüttert. Der Zeuge Lebreton meint, daß, ohne Blanqui, der Sitzungssaal schon um 3 1/4 Uhr hätte geräumt werden können. Aber die von ihm hervorgebrachte Aufregung führte bald zu den Szenen, während welcher Hubert die Auflösung der Versammlung auszusprechen wagte und Andre die Listen einer neuen Regierung vertheilten, auf denen auch der Name Blanqui's figurirte. Mit einer dieser Listen verließ Blanqui, Einer der Letzten, den Saal mit den Worten: „Die Kammer ist aufgelöst; jetzt nach dem Stadthause!“ Der Zeuge Schlinger erklärt, daß er ihn mit mehreren Personen in einen Saal des ersten Stocks im Stadthause eintreten gesehen. Zeuge Robequin ist weniger bestimmt; aber er glaubte ihn in einem Individuum zu erkennen, das man am Halstuch gefaßt hatte. Endlich stand auf einigen Listen der neuen Regierung, die zu den Fenstern des Stadthauses herausgeworfen wurden, Blanqui's Name mit obenan. Man warf auch rothe Karten heraus, die nichts anders waren, als Einlaßkarten für den Klub der „republikanischen Centralgesellschaft.“ Des Abends, als die „Ordnung“ gesiegt und Nationalgarde und Linientruppen unter dem Ruf: „Es lebe die National-Versammlung!“ die Straßen durchzogen, verloren Blanqui's Anhänger noch immer nicht jede Hoffnung. Zwischen 7 und 8 Uhr Abends in ihrem gewöhnlichen Klubsaale unter Thouard's Vorsitz vereinigt, beschlossen sie, sich nach der Polizei-Präfektur zu begeben. Einer der Montagnard's frug, ob mit oder ohne Waffen? Lacambel, der Vize-Präsident, antwortete: „Man wird's Euch sagen.“ Damit wurde die Sitzung aufgehoben. Blanqui entging einige Tage lang den Nachforschungen der Polizei. Er wurde am 26. Mai in einem Hause, rue Montholon, wo er ein Asyl gefunden, verhaftet. Im Laufe der Untersuchung verweigerte er jede Antwort. Seine Absicht ist, wie er sagt, sich nur in öffentlicher Sitzung über die ihm zur Last gelegten Anschuldigungen auszusprechen. 068 Bourges, 7. März. (Schluß.) Blanqui. Bürger, man hat mir die gedruckten Aktenstücke mitgetheilt. Sie enthalten die Zeugenaussagen aus der Untersuchung. Mit Verwunderung aber habe ich die wichtigsten zu unsern Gunsten gemachten Depositionen vermißt. Ja noch mehr, es wird darin auf Depositionen Bezug genommen, die theils ganz entgegengesetzten Inhalts sind, theils garnicht existiren. Ich begnüge mich, diese Fälschung zu constatiren. General-Prokurator Baroche erklärt, daß sein Gewissen ihm keinen Vorwurf mache. Man habe den Angeklagten oder ihren Advokaten alle Piecen mitgetheilt. Die öffentliche Meinung möge richten. Raspail. Man hat weder uns noch unseren Advokaten die vollständigen Piecen mitgetheilt. Obwohl ich die Absicht hatte, keinen Advokaten zu nehmen, wollte ich durch einen Freund, einen Advokaten, wenigstens Copie von den Piecen nehmen lassen. Man hat diesen Mann zu allerlei Reisen veranlaßt, ohne daß er etwas hätte erhalten können. Ja, noch mehr. In dem Anklageakt finden sich Polizeinoten gegen mich, ohne daß man uns die Einsicht in die sämmtlichen Polizeilisten gestattet und die Möglichkeit einer Confrontation der Mouchards, der Enthüllung ihrer elenden Lügen geboten hätte. Man hat uns vorher entwaffnet, vorher gerichtet. Baroche. Weiß nichts von Polizeinoten. Raspail. Was ich gesagt habe, ist wahr. Die Polizeinote ist sogar die einzige Anklage-Piece gegen mich, und man hat mir nicht gestattet, sie zu widerlegen. Präsident. Der Zwischenfall ist erledigt. Ich werde den Anklageakt verlesen lassen. Die Verlesung desselben (s. oben) dauert zwei Stunden. Als der Greffier die Worte liest: „Der Angeklagte Barbes verlangt eine Steuer von einer Milliarde auf die Reichen. Man antwortet ihm: Nein, Barbes, du irrst dich, wir brauchen zwei Stunden Plünderung!“ erheben sich stürmisch die sämmtlichen Angeklagten, und erklären diese Erzählung als die schamloseste Verläumdung. Blanqui: Das ist des ganzen Aktes würdig! Albert: Es ist eine Infamie! Barbes: Kein französischer Bürger kann je so sprechen! Sobrier: Diese elenden Lügen besudeln den Namen Frankreichs! Raspail: Ich begreife nicht, wie der Bürger Barroche solche Infamien gegen das französische Volk verlesen lassen kann, welchem er seine Stelle verdankt. Präsident: Ich fordere die Angeklagten auf, sich aller Unterbrechungen zu enthalten. Barroche: Ich erwidere den Angeklagten, daß die angegriffenen Worte dem Moniteur entlehnt sind. Barbes: Sie sind eine Lüge. Raspail: Und eine amtliche Lüge! (Stürmischer Beifallsruf im Publikum). Der Greffier fährt in der Verlesung fort. Als er die den Angeklagten Quentin betreffende Stelle beendigt, erhebt sich dieser mit dem Ruf: „Das ist die schmachvollste Lüge. die die Geschichte besudelt.“ Der Angeklagte Borme unterbricht von Neuem die Verlesung bei Gelegenheit der Deposition Beaumonts. „Der Kommandant Beaumont, ruft er entrüstet, hat mich einen Mann aller Parteien genannt; ich erkläre vor dem Gerichtshof und vor Ihnen, Bürger Geschworene, daß ich mit Leib und Seele nur der rothen Republik angehöre.“ Courtais. Ich protestire gegen einen Akt der Brutalität, den ein Gensdarme soeben an mir verübt. Ich verbitte mir, daß diese Menschen die Hand an mich legen. Der Präsident will zum Zeugenverhör schreiten; Barbes verlangt das Wort, um seine Verweigerung jeder Vertheidigung zu begründen. Barbés. Das Recht, mit welchem Ihr euch zu meinen Richtern aufwerft, ist das Recht der Gewalt. Wenn die Männer, welche am 15. Mai in das Hotel de Ville zogen, Sieger geblieben wären, Ihr würdet Euch heute vor ihrer Regierung beugen, wie ihr euch vor der des 24. Februar gebeugt habt. Mit dem Recht der Gewalt, nur nach dem Recht der Gewalt sitzt ihr hier als Richter über uns. Ihr verurtheilt uns vor einem Ausnahmgericht, denn man hat euch allein aus den Feinden unserer Prinzipien gewählt. Ihr sitzt hier wie die Heiden saßen, welche Christus verdammten. Welches Wonnegefühl für euch, die Sozialisten zu erwürgen! Unter euch und uns giebt es nur einen Krieg auf Leben und Tod, ja, nur auf Leben und Tod. Wir, wir wollen euch zu Boden schlagen, um die Wohlfahrt des leidenden Volks zu ermöglichen, um Frankreich glücklich zu machen, Frankreich und selbst Sie, meine Herren Geschwornen. Sie aber, Sie wollen uns in den Gefängnissen vermodern lassen, oder uns, kürzer noch, die Köpfe abschlagen. (Aufregung im Publikum.) Präsident. Angeklagter, Sie werden in dieser Weise nicht weiter fortfahren. Barbes. Ich habe keine persönliche Beleidigungen ausgesprochen, ich erkläre lediglich das historische Verhältniß zwischen Ihnen und uns. Ein Geschworner. Wir wollen dergleichen Erklärungen nicht hören! (Murren im Auditorium.) Angeklagter Flotte. Es ist den Geschworenen verboten, während der Sitzung ihre Meinung zu äußern. Der Geschworene. Ich bin bereit sie zu wiederholen. (Ausbruch der Entrüstung im Auditorium.) Baroche. Es ist unmöglich, länger eine solche Sprache zu dulden. Die Geschworenen sind hier auf Grund eines Dekrets, welches die Nationalversammlung erlassen hat. Angeklagter Albert. Drei Monate nach dem 15. Mai, drei Monate nach unserer Verhaftung. Barbes. Alles was ich sagen wollte ist, daß ihr mich morden aber nicht richten könnt. Wenn der edle Herr Baroche erklärt, daß wir nicht nach dem Recht der rohen Gewalt hier stehen, so frage ich ihn, ob wir wohl hier sein würden, wenn die Männer des 15. Mai Sieger geblieben wären? Präsident. Ich entziehe Ihnen das Wort. Albert. Ich nehme die ausgesprochenen Erklärungen meines Freundes Barbes auch als die meinigen an. Barbes. Wenn man mich nicht sprechen lassen will, verlasse ich die Sitzung, und werde mich nur mit Gewalt zurückbringen lassen. Präsident. Aeußern Sie sich mit Achtung vor den Richtern und Geschworenen. Barbes. Ich begreife Ihren Haß und Ihre Wuth gegen uns, aber auch wir haben noch Zukunft! (Tumult unter den Geschwornen.) Advokat Boinvilliers. Nach den Erklärungen der Angeklagten Albert und Barbes muß ich die Erlaubniß verlangen, mich zurückzuziehen. Generalprokurator Baroche widersetzt sich diesem Verlangen. Martin Bernard. Ich verlange das Wort. Baroche. Hr. Bernard ist bloß Rechtsbeistand; ich widersetze mich allen Erklärungen von seiner Seite. Barbes. Diese Freiheit der Vertheidigung ist des gegenwärtigen Tribunals wie der honetten Republik vollständig würdig. Martin Bernard. Ich verlange als Volks-Repräsentant das Wort. Präsident Berenger. Ich gebe es Ihnen nicht. Angeklagter Raspail. Erlauben Sie mir einige Worte ruhiger Verständigung. Präsident Berenger. Wir haben dergleichen nicht nöthig. (Nous n'avons pas besoin de cela.) Raspail. Wir sind hier vor unsern Mitbürgern; wir können verschiedene Meinungen haben, aber ich glaube, daß keiner von uns diejenigen, welche man unsere Richter nennt, beleidigen will. Ich wünschte, daß der Hr. Generalprokurator selbst ein Beispiel der Mäßigung gäbe. Baroche. Ich weise diese Ermahnung zurück. Barbes. Es ist vernommen und constatirt worden, daß ich nur durch die Gewalt hier in diesem Saal zurückgehalten werde. Präsident. Es wird im Protokoll vermerkt werden. Nach Namensaufruf der Zeugen, welche meistens antworten, wird die Sitzung um 6 1/4 Uhr aufgehoben. Morgen früh um 10 Uhr Wiedereröffnung.

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 243. Köln, 11. März 1849. Zweite Ausgabe, S. 1351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz243ii_1849/3>, abgerufen am 24.11.2024.