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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 243. Köln, 11. März 1849.

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veranlassen, und ersuche die Abtheilungen, sich sobald als möglich mit den selben zu beschäftigen. Die Denkschrift werde ich noch heute drucken lassen. Der Präsident ernennt hierauf zu Quästoren der Kammer:

von Camphausen und von Merkel;
zu Ordnern:

Jemmermann, von Kleist-Retzow, von Zybulski und Haak;
zu Stimmzählern:

Moritz, Knauth, Elsner und Parrisius.

Ein Abgeordneter der Rechten soll immer mit einem Abgeordneten der Linken gemeinschaftlich die Zählung vornehmen lassen.

Der Präsident zeigt noch die Bildung einer Petitions-Kommission an.

Hierauf kommt der Antrag des Abgeordneten v. Vinke zur Berathung.

Derselbe lautet:

"Die hohe Kammer wolle beschließen, eine Kommission durch die Abtheilungen wählen zu lassen, welche eine Adresse an Se. Majestät den König als Antwort auf die Thronrede zu entwerfen hat."

Motive: "Die Ansprache des Königs an die Vertreter des Volkes erheischt eine Erwiederung, und es ist ein konstitutioneller Gebrauch, daß sie sofort auf die Thronrede folge. Das Land erwartet von seinen Vertretern eine allgemeine Aeußerung über die wichtigsten Fragen, die es bewegen."

Diesen Motiven fügt v. Vincke noch hinzu, daß es vornehmlich 1) die Stellung der hohen Kammer zur oktroyirten Verfassung und 2) die Stellung Preußens zu Deutschland sei, über welche eine Aeußerung der Kammer nothwendig sei.

Der Vinkesche Antrag wird hinreichend unterstützt.

v. Kirchmann (gegen Adresse): Nach meiner Ueberzeugung ist das Land gegen die Adresse und verlangt von uns nur die Feststellung der Verfassung Die Adresse ist nicht blos unnütz, sondern auch gefährlich für die Freiheit des Landes und der Versammlung. Ich wundere mich, daß der Adreß-Antrag gerade von der Seite ausgegangen, welche durch ihren Antrag auf baldige Regulirung der bäuerlichen Angelegenheit offenbar hat zeigen wollen, daß ihr vor Allem die materiellen Interessen und nicht der Formalismus am Herzen liegt. Man beruft sich auf die parlamentarische Sitte, daß es überall der erste Akt der Volksvertretung sei, auf die Thronrede zu antworten. In England ist jedoch das Adreßwesen nur eine Spielerei. Gehen wir von dieser Spielerei ab! Jedenfalls würden Berichte der Minister über ihre amtliche Thätigkeit viel nützlicher als das Adreßwesen sein. Ich bin der Meinung, daß mindestens die Hälfte des Volkes gegen eine Adresse und gegen die Anerkennung der Verfassung ist; denn die meisten Mitglieder jener Seite (der Linken) haben vor ihrer Wahl die Ungültigkeit der oktroyirten Verfassung ausgesprochen und sind trotzdem gewählt worden. -- Auch die Nationalversammlung hat die Adresse bei Seite gelegt. Die Ehrfurcht gegen die Krone kann dadurch nicht verletzt werden.

Die Frage über Gültigkeit oder Ungültigkeit der Verfassung kann durch die Adreßdebatte überdies nicht erledigt werden; denn wir von der linken Seite werden bei jeder Gesetzesvorlage -- und Sie werden uns dies nicht verdenken -- immer von Neuem bemüht sein, unsrer Meinung die Majorität und Geltung zu verschaffen. Lassen Sie uns die Rechtsfrage über Gültigkeit der Verfassung jetzt bei Seite schieben, und auf den Inhalt derselben eingehen. Diesen lassen Sie uns vereinbaren.

Was die deutsche Frage anlangt, so lassen Sie uns die deutsche Einheit lieber durch Brechung der persönlichen Regierungsinteressen herbeiführen!

Wenn man in der Adreß-Debatte eine Kritik des Ministeriums wünscht, so muß ich bemerken, daß es Fälle giebt, wo es besser ist, seinen Gegner zu ignoriren. (Bravo zur Linken.)

Die Adresse ist aber auch nicht bloß nutzlos, sondern auch gefährlich. Sicherlich werden wir uns bei dem Inhalte der Verfassung viel näher stehen, als bei der Adresse, die ich zugleich als ein wahres Nest von Zweideurigkeiten bezeichnen möchte, welche nur geeignet sind, uns zu trennen.

Der Boden, auf dem wir stehen, ist noch sehr schwankend. Ich glaube, daß es eine große Partei im Lande giebt, die nur auf einen Fehler von unserer Seite wartet, um ihn abermals zu einer Auflösung der Volksvertretung zu benutzen Hierzu kann eine Adreß-Debatte trefflich Veranlassung bieten, denn es würde an heftigen und selbst persönlichen Angriffen gegen die Regierung nicht fehlen, und man würde dann nach der Auflösung sagen: Die Volksvertretung hat sich zweimal unfähig bewiesen, eine Verfassung festzustellen. -- Viele von jener Seite (auf die Linke deutend) haben viel gelitten. Sie wollen hierüber schweigen und, um der Versöhnung willen, Vergangenes vergessen. Sie, meine Herren (auf die Rechte deutend), haben nicht gelitten. Es ist Ihnen vielleicht gut gegangen; ich glaube daher, daß ich von Ihnen dasselbe mit noch größerem Recht erwarten kann. (Bravo zur Linken.)

Urlich's spricht mit Pathos für eine Adresse. -- Kinkel gegen sie, da man auf eine solche Thronrede nichts erwidern könne.

v. Vincke: Es sind so viel Einwände gegen den Erlaß einer Adresse gemacht worden, daß ich genöthigt bin, noch einmal das Wort zu ergreifen

Ein Redner hat zunächst die Befürchtung ausgesprochen, daß die Adreß-Debatte zu Angriffen gegen die Krone führen könne. Meine Herren! Wir befinden uns in einem konstitutionellen Staate, und das Ministerium ist für jeden Regierungsakt verantwortlich, also auch für die Thronrede, selbst wenn es dieselbe nicht kontrasignirt hat. Die Angriffe gegen die Thronrede gehen daher lediglich das Ministerium und nicht den Träger der Krone an.

Ein anderer Redner hat die Thronrede als nichtssagend bezeichnet. Ich glaube jedoch, daß dieselbe gerade in den wichtigsten Fragen sehr klar ist.

Man hat ferner gesagt: die materiellen Fragen erheischen zunächst die Aufmerksamkeit und Thätigkeit der Kammer. Ich bin hiermit einverstanden.

Das Wichtigste aber ist, daß wir uns zunächst über den öffentlichen Rechtszustand des Landes aussprechen und diesen feststellen, denn hiervon hängen alle materiellen Interessen des Landes ab.

Es ist ferner behauptet worden: die meisten Abgeordneten der Linken hätten gegen ihre Wähler die Ungültigkeit der oktroyirten Verfassung ausgesprochen. Wenn dies wirklich ihre ehrliche und deutsche Ueberzeugung ist, so frage ich diese Herren: Wie haben Sie Ihr Mandat annehmen können? -- Wenn Sie wirklich in ehrlicher, deutscher unzweideutiger Weise Ihre Ueberzeugung vor Ihren Wählern ausgesprochen und Sie trotzdem eine Majorität auf den Grund der für ungültig erklärten Verfassung gewählt hat; so begreife ich nicht, wie so viele Juristen auf jener Seite ein solches Mandat haben annehmen können Das geht über meinen Horizont.

Es ist ferner gegen die Adresse eingewendet worden, daß die Berathung derselben zu viel Zeit rauben werde. Wir auf dieser Seite (auf die Rechte deutend) sind gar nicht so sehr gespalten, wie es auf jener Seite der Fall zu sein scheint. Uns ist der Inhalt der Adresse gar nicht so zweifelhaft, wir werden sehr bald fertig werden, wir wollen die Adreß-Debatten nicht zu glänzenden Reden benutzen. Wollen Sie die Debatte hinziehen, so ist es Ihre Schuld.

Man hat uns auch noch vorgeworfen, daß wir jetzt unsere Majorität benutzen wollten, um eine Adresse durchzusetzen, während schon in wenigen Wochen die Herren von jener Seite durch die Nachwahlen die Majorität erlangen würden. Ich weiß nicht, ob diese Vermuthung richtig ist. Sie, meine Herren, haben wahrscheinlich bessere Nachricht. (Heiterkeit.) Halten Sie jedoch Ihre Gründe für so schwach, daß sie unsere Majorität nicht erschüttern können, so sind diese Gründe in der That nicht der Beachtung werth.

Es ist mir ferner der Vorwurf gemacht worden: ich wolle den Schwerpunkt Deutschlands nach der Peripherie verlegen. Ich protestire dagegen, daß man einen solchen Sinn aus meinen Worten ziehe. Ueber meine Lippen ist kein Wort gekommen, was die Autorität der deutschen National-Versammlung erschüttern könnte; aber die Ueberzeugung habe ich ausgesprochen, daß ein Ausspruch von Ihrer Seite in der deutschen Frage das Frankfurter Parlament sehr kräftigen werde -- Man hat gesagt, der Krieg mit Dänemark sei im Interesse der Kabinette entschieden worden; ich frage Sie, ob das wahr ist? Ich dächte doch, der Krieg hätte lediglich und allein im Interesse des schleswigschen Volkes Statt gefunden, und obgleich Preußen in seinen materiellen Interessen durch den Kampf viel gelitten hat, so würde ich doch für den Krieg stimmen, wenn es sich um die Ehre Deutschlands handelt; denn ich achte diese Ehre höher als jene matteriellen Interessen.

Noch einmal wiederhole ich es, daß wir die Adreß-Debatte in Einer Sitzung zu Ende bringen wollen. Wir scheuen den Kampf nicht und sind von Ihnen, meine Herren zur Linken, überzeugt, daß auch Sie den Kampf nicht scheuen werden. Deshalb stimmen Sie für die Adresse.

Der Abgeordnete Schneider (Schönebeck) trägt auf namentliche Abstimmung über den v. Vincke'schen Antrag an. Der Namens-Aufruf wird hinreichend unterstützt

Ueber die Fragestellung entspinnt sich eine sehr lange Debatte. Es ist nach dem Geschäftsreglement zweifelhaft, ob der Antrag sogleich zur definitiven Fragestellung kommen oder erst die Frage dahin gestellt werden solle: ob der Antrag an eine Kommission zu überweisen sei. -- Die Kammer entscheidet sich endlich dafür, daß der v. Vincke'sche Antrag sogleich zur definitiven Fragestellung komme.

Der Namensaufruf erfolgt. Der v. Vincke'sche Antrag wird angenommen und die Kammer beschließt mit 172 gegen 139 Stimmen:

eine Kommission durch die Abtheilungen wählen zu lassen, welch eine Adresse an Se. Majestät den König, als Antwort auf die Thronrede, zu entwerfen hat.

Minister v. d. Heydt: Ich habe der hohen Kammer drei Verordnungen zur Prüfung und Beschlußnahme vorzulegen:

1) Das Gesetz vom 9. Februar wegen Errichtung von Gewerberäthen,
2) das Gesetz vom 9. Februar wegen Errichtung von Gewerbegerichten
3) das Gesetz vom 6. Januar wegen unentgeltlicher Hülfleistung bei Räumung des Schnee's von den Straßen.

Hierauf wird zu dem Antrag von Behnsch und Genossen übergegangen, derselbe wird verlesen und sodann der Antragsteller zur Mitwirkung aufgefordert.

Behnsch: Das Volk sehnt sich nach der Herbeiführung eines sichern Zustandes, und es ist daher unsere Pflicht, denselben sobald als möglich ins Leben zu rufen. Das Volk will eine Verfassung, ein verantwortliches Ministerium und die Verpflichtung der Krone auf die Verfassung. Man hat es der Nationalversammlung zum Vorwurf gemacht, daß sie sich zu früh mit den materiellen Verhältnissen des Landes beschäftigt und die formellen vernachläßigt hat, wohlan, vermeiden wir diesen Vorwurf und wenden uns ohne Verzug der Berathung der Verfassung zu. Der von mir vorgeschlagene Weg ist der kürzeste hierzu. Auch die vorige Nationalversammlung ernannte eine Kommission für die Verfassung, diese hatte sie aber erst zu entwerfen. Jetzt soll die Kommission die schon vorhandene, die oktroyirte Verfassung zur Grundlage machen, und sie kann damit schnell zu Ende kommen. Damit vermeiden wir zugleich den Prinzipienstreit über die Rechtsgültigkeit der Verfassung. Wir scheuen denselben nicht, aber wir wollen ihn noch gern vermeiden, um Zeit für die wirkliche Berathung zu gewinnen. Ich empfehle Ihnen daher meinen Antrag.

Der Präsident stellt den Antrag hierauf zur Unterstützung. Dieselbe erfolgt ausreichend.

D'Ester: Ein Grund bestimmt mich namentlich, für den Antrag zu sprechen, der, daß gefordert worden ist, wir sollen recht bald an die Verfassung gehen, um einen sichern Zustand herbeizuführen. Dies kann unbeschadet der Adreßdebatte geschehen. Der Antrag wird dazu dienen, daß wir uns über die Anerkennung der Verfassung erklären. Dies durfte er nicht umgehen. Wir müssen dazu schreiten, zu erklären, daß die Verfassung nichts als ein Entwurf ist, den anzunehmen oder zu verwerfen wir das Recht haben. -- Hr. v. Vincke hat freilich schon behauptet, daß wir nur auf Grundlage der Verfassung gewählt seien. Dies müssen wir aber in Abrede stellen. Die Revolution hatte den alten Rechtszustand vernichtet und es sollte ein neuer gebildet werden. Die National-Versammlung wurde durch das allgemeine Stimmrecht gewählt, um die Verfassung festzustellen. Diese Thatsache läßt sich so wenig in Abrede stellen, als der Versuch der Krone, eine Verfassung zu oktroyiren, nachdem sie die National-Versammlung aufgelöst hatte. Die erste Thatsache wird von beiden Parteien anerkannt, die zweite nicht. Das ist der Unterschied zwischen uns.

Wir sind abermals durch das allgemeine Stimmrecht gewählt, um den Willen des Volkes festzustellen. Auf welchem Rechtsboden soll dieses geschehn? Es gibt keinen andern, als den der Geschichte, und diese sagt uns nur, daß im November die Gewalt zufälligerweise gesiegt hat. Hiernach haben wir das Prinzip festzustellen, welches wir befolgen wollen, und hierzu gibt uns der eigentlich nichts sagende Antrag von Behnsch Gelegenheit, da er die Frage als völlig offen hinstellt, während der andre schon von vorn herein ein Prinzip festsetzen will. Deshalb erkläre ich mich für den Antrag von Behnsch.

v. Vincke (zu einer thatsächlichen Berichtigung): Der Redner hat erklärt: daß er nicht auf Grund der Verfassung, sondern des allgemeinen Stimmrechts hier sei, und daß die Verfassung auf dem Wege der Gewalt gegeben sei. Dies kann ich nicht für richtig erachten. Ich behaupte, daß die Verfassung in Folge der allgemeinen Akklamation von Seiten des Volkes zur Geltung gekommen sei. (Laute und heftige Unterbrechung auf der Linken.) Ich behaupte, daß das Volk die Verfassung gebilligt hat, und daß wir auf Grund der durch diese Verfassung erfolgten Wahl hier sind. (Nein, nein, auf der Linken.)

Schwerin hat das bischen gesunde Vernunft, was von ihm nicht im Cultusministerium geblieben war, in der Paulskirche gänzlich verloren.

Ziegler: Es ist fälschlich behauptet worden, die Nationalversammlung sei nicht berufen gewesen, eine Verfassung festzustellen. Ich habe hier gerade das damalige Wahlgesetz vor Augen, worin es heißt:

"eine Verfassung durch Vereinbarung mit Uns festzustellen."
(Große Heiterkeit auf der rechten Seite des Hauses.)

Die Kammer beschließt den Schluß der Debatte und die Frage: soll der Behnsche Antrag,

"durch die Wahl der Abtheilungen einen Ausschuß von 21 Mitgliedern zu bilden, welchem die am 5. Dezember oktroyirte Verfassung als Grundlage der Vorberathung für das Plenum überwiesen werde"

in weitere Erwägung gezogen werden, wird mit großer Majorität verneint.

Riedel und Genossen ziehe ihren Antrag zurück.

Waldeck wünscht über seinen Antrag wegen Aufhebung des Belagerungszustandes künftigen Montag gehört zu werden.

Ludewig wünscht über seinen Antrag sofort gehört zu werden. Derselbe lautet:

"Die Kammer wolle beschließen:
daß das von der Staatsregierung unterm 7. Februar d. J. erlassene provisorische Gewerbegesetz, zu dessen Ausführung bereits geschritten wird, der Prüfung und Genehmigung der Kammer, welche der § 60 der Verfassungs-Urkunde vorschreibt, baldigst unterstellt werde.

Der Antrag von Ludewig und Genossen erscheint durch die Einbringung der Regierungs-Vorlagen und die Verweisung derselben an die Abtheilungen, als erledigt.

Die Berathung über den Philipps'schen Antrag wird einstweilen suspendirt.

Der Antrag des Abgeordneten Schneider II. (Köln) und Genossen ist nunmehr an der Reihe. Derselbe lautet:

"Die Hohe Zweite Kammer wolle beschließen: die sofortige Einberufung des in Untersuchungshaft im Gefängnisse zu Münster befindlichen Abgeordneten für den Wahlbezirk Paderborn, Herrn Justiz-Kommissarius Groneweg, zu veranlassen,
eventuell
durch den Herrn Alters-Präsidenten die sofortige Einsendung der betreffenden Untersuchungsakten zu verlangen und eine Kommission von sieben Mitgliedern zur Berichterstattung zu ernennen.

Minister des Innern: erklärt, daß er nicht im Besitze der betreffenden Untersuchungs-Akten sei; daß dieselben jedoch leicht zu beschaffen sein würden.

Temme: bittet, dem Schneider'schen Antrage ohne Diskussion beizustimmen.

Graf Schwerin: gegen den Antrag; eben so v. Bismark.

Die für den Antrag eingeschriebenen Redner der Linken verzichten auf das Wort.

Um 3 Uhr kommt es zu einer leidenschaftlichen Debatte über den Antrag des Abgeordneten Großjohann auf unbedingte Portofreiheit

Derselbe wird zurückgezogen.

Dagegen beschließt die Kammer den Bauer'schen Antrag:

"das Ministerium zu ersuchen, den Abgeordneten der Kammer die unbeschränkte Portofreiheit einzuräumen"

in weitere Erwägung zu nehmen; d. h. der Antrag wird in die Abtheilungen verwiesen.

Schluß der heutigen Sitzung Nachmittags 3 1/4 Uhr.
Nächste Sitzung: übermorgen Vormittag 10 Uhr.

61 Wien, 3. März.

Ich habe Ihnen neulich geschrieben, daß der Gesammtstaat Oestreich nur zwei Möglichkeiten habe, eine Möglichkeit Metternich und eine Möglichkeit Standrecht. Ich bemerkte dabei, daß in diesem Augenblicke beide Möglichkeiten erschöpft sind und Oestreich im Begriff steht, in eine dritte Phase zu gerathen, in die Phase des Untergangs. Ich bin Ihnen damals den Beweis für meine Behauptung schuldig geblieben, weil ich glaubte, die Sache sei so evident, daß ich ihn füglich schuldig bleiben könnte. -- Eine Rundschau in die deutschen Blätter überzeugt mich nun aber fast täglich von meinem Irrthume. Sie erlauben daher, daß ich meine Behauptung noch nachträglich ausführe.

Fragt man in Europa den gewöhnlichsten gesunden Hausmannsverstand: Was denkst du von Oestreich? so gibt er einem gewiß zur Antwort: "Austria, die Urgroßmutter des römisch-spanisch-germanischen patriarchalisch-standrechtlichen Despotismus, ist selbst mit Moschus und Cayenne-Pfeffer nicht mehr zu kuriren, ihre Sterbeglocke hat diesmal definitiv geläutet, die alte Vettel liegt in der wildtobenden Agonie." Fragt man dagegen die hochgebildete Weisheit der deutschen Blätter, und selbst der meisten demokratischen, so weiß sie einem über die östreichischen "Wirren" (Erfindung und feinste Pointe des politischen Verstandes der Söhne Teut's) einen solchen Frachtwagen urzuständlicher Gelehrsamkeit entgegenzufahren, daß man vor Schreck diese östreich. Wirren anerkennt und ihrer Ent- oder weitern Verwirrung mit tabackqualmender Gemüthlichkeit zuschaut. Es ist eine von den vielen genialen Eigenthümlichkeiten deutscher Blätter, immer hinter dem Geist der Verhältnisse und hinter dem Geiste der Völker zu stehen, statt beide zu pussiren, es würde mithin auch unbillig sein, wollte ich verlangen, daß die deutschen Blätter einen Schritt weiter aushalten, als die gegenwärtig in Oestreich wieder zur Geltung gekommene Geistespointe: "Mocht nix! S'is olles ahns!" Ich will diese Arbeit selber übernehmen.

Während die Intelligenz des "passiven Widerstandes" allen Ernstes meint, die Sonne der deutschen Revolution (sit venia vorba) sei Berlin, hat die intelligenzlose Schnellkraft des aktiven Widerstandes, des initiativen Angriffs im März, Mai, September und Oktober bewiesen, daß die feuerlos-intelligente Sonne von Berlin im Grunde nichts anderes gewesen, als ein bleichschimmernder Mond, welcher sich um Wien, Deutschlands eigentlichsten Brennpunkt, gedreht.

Die politische Intelligenz ist dort, wo Thaten geschehen; die gewaltigsten Thaten machen den Schwerpunkt der Intelligenz; passive Widerstände gehören auf den Büchermarkt nach Leipzig. Unter Metternich war in Deutschland Wien allein der Ort der wirklichen politischen That, alle andern Orte Deutschlands, am Meisten aber das mondscheinintelligente Berlin, waren nichts, als die sich blähenden Gedärme dieser Thaten. So ist's geblieben bis heute.

Die Gründe zu diesen Ueberzeugungen, deren ich mich schon im Jahre 1846, bei meinem ersten Eintreten in Oestreich nicht erwehren konnte, liegen nicht ferne.

Oestreich, offiziell das mächtige, altehrwürdige geheißen, obwohl es der Freiheit, der aktiven Freiheit gegenüber eine Ohnmacht ist, ist mehr, denn jede andere Macht Europas, eine bloße Schöpfung des patriarchalisch - dynastischen Absolutismus. Rußland hat, Polen abgerechnet, eine Nothwendigkeit des Daseins überhaupt zur Grundlage, Oestreich dagegen gleicht der Höhle eines siegreichen Räubers, welche derselbe im Centralpunkte einer großen Nachbarschaft angelegt hat.

In Frankreich stürzten blos die Burbonen, weil Frankreich sich im Lauf der Zeit eine breite nationale und insofern demokratische Basis erworben hatte, in Oestreich aber müssen die Habsburger stürzen sammt ihrer dynastisch - idealen Absolutismus-Schöpfung Oestreich.

Oestreich und Freiheit sind Gegensätze, wie in der Politik keine mehr existiren; Oestreich ist als Gesammtstaat die radikalste Unfreiheit, die es gibt, und die Freiheit muß der entschiedenste Feind von Oestreich sein. Die Vernichtung Oestreichs liegt daher allzeit im Aufschwung der Freiheit, oder mit andern Worten: Oestreich ist mit der Freiheit unmöglich, die Freiheit mit Oestreich. Hierin liegt das ganze Geheimniß der erst durch Metternich zur Kulmination gebrachten östreichischen Politik.

Ein demokratisches, ein konstitutionelles Oestreich, Ideal des k. k. privilegirten Idioten Schuselka, ist vorläufig kompleter Unsinn, wider welchen Ungarn, Italien, Deutschland, Polen protestiren, und welches nur von den Czechen, dem blödesten Stamme, und von Schuselka, dem blödesten Geistesausdruck Oestreichs, noch aufrecht erhalten wird. Selbst die Kroaten faseln nicht länger von einem östreichischen Gesammtstaat.

Der erste entscheidende Sieg der Demokratie muß hierfür Beweise liefern, die selbst den Idiotismus eines Subjekts wie Schuselka zur Erkenntniß bringen, da ihm die Vorgänge in Ungarn und Italien dazu noch nicht zu genügen scheinen. -- Leider gibt's dieser Schuselka-Idioten hier in Wien, überhaupt aber im deutschen Oestreich noch die Hülle und Fülle, obwohl das eigentliche Volk, in welchem Schuselka nur Anarchie erblickt, sich durchaus vom rechten Genius hierin leiten läßt.

Der Genius Deutsch-Oestreichs hat aber noch keine Persönlichkeit gefunden, in welcher er sich versinnlichte, Deutsch-Oestreich so wenig, als Gesammtdeutschland haben einen Kossuth. Die bisherigen Heerführer der deutsch-östreichischen Demokratie sind Idioten gewesen , an deren Sohlen die Schollen der Gesammtmonarchie kleben geblieben sind. Vielleicht haben sie jetzt als wiener Flüchtlinge im Auslande Gelegenheit und Geist genug, diese östreichisch-naive Scholle, ihren bisherigen Standpunkt, von sich zu werfen. Wir wollen es wünschen und erwarten, damit nach neuen Thaten Schuselka-Geister nicht im Stande sind, sich der Bewegung abermals zu bemeistern.

Den untrüglichsten Beweis für den Blödsinn dieses Geistes gaben uns die czechischen Studenten, sie haben Schuselka eine Adresse zugeschickt; dieser Geist ruft jetzt am 3. März erst aus: "Oestreich wird nicht regiert, es wird terrorisirt!" An dem Untergange Wiens und an den schauerlichen Folgen desselben ist Niemand anders schuld, als eben dieser deutsch-katholisch verklärte, mit der Gloriole des Hamburger Rauchfleischs umnebelte Gesammtausdruck der östreichischen Bornirtheit, Schuselka. Hütet eure Zukunft vor der Heiligsprechung dieser Bornirtheit!

Das Haus Habsburg stützte sich anfänglich auf einen festern Boden, als auf den der östreichischen Monarchie, es stützte sich auf Deutschland, seine Wiege. Die gutwilligen deutschen Knochen, obwohl sie in Deutschland dem Hause Habsburg die Klodwigs-Arbeit verdarben, halfen demselben dennoch nach außen hin die Länder rauben, welche das Haus neben seinen Erbländern erworben hat, und die Rache der in diesen Ländern wohnenden nichtdeutschen Völker verschaffte ihm auf der andern Seite die Macht, Deutschland's, ja Europa's, geistigen Fortschritt auf Tod und Leben zu bekämpfen. -- Nur mit Oestreichs ungeheurem Bleigewicht am Beine war es möglich, die volle Entwicklung der Reformation zu hemmen, die Revolution fast ungeschehen zu machen.

Der Absolutismus der französischen Könige hatte wenigstens den Vorzug eine geistreiche, eine glänzende Erscheinung zu sein, der Absolutismus der Habsburger aber gefiel sich von jeher in der Pointe der vollkommensten Verthierung unter Greuel und Jesuitismus.

Als das Haus Habsburg erkannte, daß es allein dem Zeitgeist nicht mehr zu trotzen vermöge, trug es keine Scheu, sich mit der asiatischen Barbarei zu verbünden.

Rußland ist nur darum eine europäische Großmacht geworden, weil das Haus Habsburg zum Kampf wider die Civilisation eines breiten Rücken bedurfte.

Habsburg heißt daher der Strang, an welchem die europäische Freiheit seit Jahrhunderten baumelt, Habsburg ist der große ins Centrum Europa's festgewurzelte Galgen des Fortschritts.

Keine Dynastie hat sich im Prinzip, wie durch die That, so an der Menschheit versündigt, als die Standrechtsdynastie Habsburg. Die Romanow's sind durch sie ursprünglich erst in das infame Handwerk der Völkerverknutung und Völkerausmordung eingeweiht worden, mögen sie ihre Meister nun auch übertreffen. Darum steht rundum die weiten Grenzen des Gesammtstandrechtsstaats mit Höllenflammen:

Lasciate ogni speranza voi ch'entrate!

Hätten die Habsburger sich mit den deutschen Knochen keine außerdeutschen Rekrutenställe zu erobern gewußt, sie würden gleichzeitig mit den Bourbonen untergegangen sein. Denn in ihrem Polizeikampf wider den Genius der Völker waren die Habsburger immer nur dem Anscheine nach siegreich, in den Resultaten mußten sie zuletzt immer das Feld räumen. Die eigentlichen Resultate des dreißigjährigen, siebenjährigen und französischen Kriegs waren im Grunde ja immer nur Niederlagen für das habsburgische Prinzip absoluter Knechtung. Die geistige Bewegung Euro- [Fortsetzung]

Hierzu eine Beilage.

veranlassen, und ersuche die Abtheilungen, sich sobald als möglich mit den selben zu beschäftigen. Die Denkschrift werde ich noch heute drucken lassen. Der Präsident ernennt hierauf zu Quästoren der Kammer:

von Camphausen und von Merkel;
zu Ordnern:

Jemmermann, von Kleist-Retzow, von Zybulski und Haak;
zu Stimmzählern:

Moritz, Knauth, Elsner und Parrisius.

Ein Abgeordneter der Rechten soll immer mit einem Abgeordneten der Linken gemeinschaftlich die Zählung vornehmen lassen.

Der Präsident zeigt noch die Bildung einer Petitions-Kommission an.

Hierauf kommt der Antrag des Abgeordneten v. Vinke zur Berathung.

Derselbe lautet:

„Die hohe Kammer wolle beschließen, eine Kommission durch die Abtheilungen wählen zu lassen, welche eine Adresse an Se. Majestät den König als Antwort auf die Thronrede zu entwerfen hat.“

Motive: „Die Ansprache des Königs an die Vertreter des Volkes erheischt eine Erwiederung, und es ist ein konstitutioneller Gebrauch, daß sie sofort auf die Thronrede folge. Das Land erwartet von seinen Vertretern eine allgemeine Aeußerung über die wichtigsten Fragen, die es bewegen.“

Diesen Motiven fügt v. Vincke noch hinzu, daß es vornehmlich 1) die Stellung der hohen Kammer zur oktroyirten Verfassung und 2) die Stellung Preußens zu Deutschland sei, über welche eine Aeußerung der Kammer nothwendig sei.

Der Vinkesche Antrag wird hinreichend unterstützt.

v. Kirchmann (gegen Adresse): Nach meiner Ueberzeugung ist das Land gegen die Adresse und verlangt von uns nur die Feststellung der Verfassung Die Adresse ist nicht blos unnütz, sondern auch gefährlich für die Freiheit des Landes und der Versammlung. Ich wundere mich, daß der Adreß-Antrag gerade von der Seite ausgegangen, welche durch ihren Antrag auf baldige Regulirung der bäuerlichen Angelegenheit offenbar hat zeigen wollen, daß ihr vor Allem die materiellen Interessen und nicht der Formalismus am Herzen liegt. Man beruft sich auf die parlamentarische Sitte, daß es überall der erste Akt der Volksvertretung sei, auf die Thronrede zu antworten. In England ist jedoch das Adreßwesen nur eine Spielerei. Gehen wir von dieser Spielerei ab! Jedenfalls würden Berichte der Minister über ihre amtliche Thätigkeit viel nützlicher als das Adreßwesen sein. Ich bin der Meinung, daß mindestens die Hälfte des Volkes gegen eine Adresse und gegen die Anerkennung der Verfassung ist; denn die meisten Mitglieder jener Seite (der Linken) haben vor ihrer Wahl die Ungültigkeit der oktroyirten Verfassung ausgesprochen und sind trotzdem gewählt worden. — Auch die Nationalversammlung hat die Adresse bei Seite gelegt. Die Ehrfurcht gegen die Krone kann dadurch nicht verletzt werden.

Die Frage über Gültigkeit oder Ungültigkeit der Verfassung kann durch die Adreßdebatte überdies nicht erledigt werden; denn wir von der linken Seite werden bei jeder Gesetzesvorlage — und Sie werden uns dies nicht verdenken — immer von Neuem bemüht sein, unsrer Meinung die Majorität und Geltung zu verschaffen. Lassen Sie uns die Rechtsfrage über Gültigkeit der Verfassung jetzt bei Seite schieben, und auf den Inhalt derselben eingehen. Diesen lassen Sie uns vereinbaren.

Was die deutsche Frage anlangt, so lassen Sie uns die deutsche Einheit lieber durch Brechung der persönlichen Regierungsinteressen herbeiführen!

Wenn man in der Adreß-Debatte eine Kritik des Ministeriums wünscht, so muß ich bemerken, daß es Fälle giebt, wo es besser ist, seinen Gegner zu ignoriren. (Bravo zur Linken.)

Die Adresse ist aber auch nicht bloß nutzlos, sondern auch gefährlich. Sicherlich werden wir uns bei dem Inhalte der Verfassung viel näher stehen, als bei der Adresse, die ich zugleich als ein wahres Nest von Zweideurigkeiten bezeichnen möchte, welche nur geeignet sind, uns zu trennen.

Der Boden, auf dem wir stehen, ist noch sehr schwankend. Ich glaube, daß es eine große Partei im Lande giebt, die nur auf einen Fehler von unserer Seite wartet, um ihn abermals zu einer Auflösung der Volksvertretung zu benutzen Hierzu kann eine Adreß-Debatte trefflich Veranlassung bieten, denn es würde an heftigen und selbst persönlichen Angriffen gegen die Regierung nicht fehlen, und man würde dann nach der Auflösung sagen: Die Volksvertretung hat sich zweimal unfähig bewiesen, eine Verfassung festzustellen. — Viele von jener Seite (auf die Linke deutend) haben viel gelitten. Sie wollen hierüber schweigen und, um der Versöhnung willen, Vergangenes vergessen. Sie, meine Herren (auf die Rechte deutend), haben nicht gelitten. Es ist Ihnen vielleicht gut gegangen; ich glaube daher, daß ich von Ihnen dasselbe mit noch größerem Recht erwarten kann. (Bravo zur Linken.)

Urlich's spricht mit Pathos für eine Adresse. — Kinkel gegen sie, da man auf eine solche Thronrede nichts erwidern könne.

v. Vincke: Es sind so viel Einwände gegen den Erlaß einer Adresse gemacht worden, daß ich genöthigt bin, noch einmal das Wort zu ergreifen

Ein Redner hat zunächst die Befürchtung ausgesprochen, daß die Adreß-Debatte zu Angriffen gegen die Krone führen könne. Meine Herren! Wir befinden uns in einem konstitutionellen Staate, und das Ministerium ist für jeden Regierungsakt verantwortlich, also auch für die Thronrede, selbst wenn es dieselbe nicht kontrasignirt hat. Die Angriffe gegen die Thronrede gehen daher lediglich das Ministerium und nicht den Träger der Krone an.

Ein anderer Redner hat die Thronrede als nichtssagend bezeichnet. Ich glaube jedoch, daß dieselbe gerade in den wichtigsten Fragen sehr klar ist.

Man hat ferner gesagt: die materiellen Fragen erheischen zunächst die Aufmerksamkeit und Thätigkeit der Kammer. Ich bin hiermit einverstanden.

Das Wichtigste aber ist, daß wir uns zunächst über den öffentlichen Rechtszustand des Landes aussprechen und diesen feststellen, denn hiervon hängen alle materiellen Interessen des Landes ab.

Es ist ferner behauptet worden: die meisten Abgeordneten der Linken hätten gegen ihre Wähler die Ungültigkeit der oktroyirten Verfassung ausgesprochen. Wenn dies wirklich ihre ehrliche und deutsche Ueberzeugung ist, so frage ich diese Herren: Wie haben Sie Ihr Mandat annehmen können? — Wenn Sie wirklich in ehrlicher, deutscher unzweideutiger Weise Ihre Ueberzeugung vor Ihren Wählern ausgesprochen und Sie trotzdem eine Majorität auf den Grund der für ungültig erklärten Verfassung gewählt hat; so begreife ich nicht, wie so viele Juristen auf jener Seite ein solches Mandat haben annehmen können Das geht über meinen Horizont.

Es ist ferner gegen die Adresse eingewendet worden, daß die Berathung derselben zu viel Zeit rauben werde. Wir auf dieser Seite (auf die Rechte deutend) sind gar nicht so sehr gespalten, wie es auf jener Seite der Fall zu sein scheint. Uns ist der Inhalt der Adresse gar nicht so zweifelhaft, wir werden sehr bald fertig werden, wir wollen die Adreß-Debatten nicht zu glänzenden Reden benutzen. Wollen Sie die Debatte hinziehen, so ist es Ihre Schuld.

Man hat uns auch noch vorgeworfen, daß wir jetzt unsere Majorität benutzen wollten, um eine Adresse durchzusetzen, während schon in wenigen Wochen die Herren von jener Seite durch die Nachwahlen die Majorität erlangen würden. Ich weiß nicht, ob diese Vermuthung richtig ist. Sie, meine Herren, haben wahrscheinlich bessere Nachricht. (Heiterkeit.) Halten Sie jedoch Ihre Gründe für so schwach, daß sie unsere Majorität nicht erschüttern können, so sind diese Gründe in der That nicht der Beachtung werth.

Es ist mir ferner der Vorwurf gemacht worden: ich wolle den Schwerpunkt Deutschlands nach der Peripherie verlegen. Ich protestire dagegen, daß man einen solchen Sinn aus meinen Worten ziehe. Ueber meine Lippen ist kein Wort gekommen, was die Autorität der deutschen National-Versammlung erschüttern könnte; aber die Ueberzeugung habe ich ausgesprochen, daß ein Ausspruch von Ihrer Seite in der deutschen Frage das Frankfurter Parlament sehr kräftigen werde — Man hat gesagt, der Krieg mit Dänemark sei im Interesse der Kabinette entschieden worden; ich frage Sie, ob das wahr ist? Ich dächte doch, der Krieg hätte lediglich und allein im Interesse des schleswigschen Volkes Statt gefunden, und obgleich Preußen in seinen materiellen Interessen durch den Kampf viel gelitten hat, so würde ich doch für den Krieg stimmen, wenn es sich um die Ehre Deutschlands handelt; denn ich achte diese Ehre höher als jene matteriellen Interessen.

Noch einmal wiederhole ich es, daß wir die Adreß-Debatte in Einer Sitzung zu Ende bringen wollen. Wir scheuen den Kampf nicht und sind von Ihnen, meine Herren zur Linken, überzeugt, daß auch Sie den Kampf nicht scheuen werden. Deshalb stimmen Sie für die Adresse.

Der Abgeordnete Schneider (Schönebeck) trägt auf namentliche Abstimmung über den v. Vincke'schen Antrag an. Der Namens-Aufruf wird hinreichend unterstützt

Ueber die Fragestellung entspinnt sich eine sehr lange Debatte. Es ist nach dem Geschäftsreglement zweifelhaft, ob der Antrag sogleich zur definitiven Fragestellung kommen oder erst die Frage dahin gestellt werden solle: ob der Antrag an eine Kommission zu überweisen sei. — Die Kammer entscheidet sich endlich dafür, daß der v. Vincke'sche Antrag sogleich zur definitiven Fragestellung komme.

Der Namensaufruf erfolgt. Der v. Vincke'sche Antrag wird angenommen und die Kammer beschließt mit 172 gegen 139 Stimmen:

eine Kommission durch die Abtheilungen wählen zu lassen, welch eine Adresse an Se. Majestät den König, als Antwort auf die Thronrede, zu entwerfen hat.

Minister v. d. Heydt: Ich habe der hohen Kammer drei Verordnungen zur Prüfung und Beschlußnahme vorzulegen:

1) Das Gesetz vom 9. Februar wegen Errichtung von Gewerberäthen,
2) das Gesetz vom 9. Februar wegen Errichtung von Gewerbegerichten
3) das Gesetz vom 6. Januar wegen unentgeltlicher Hülfleistung bei Räumung des Schnee's von den Straßen.

Hierauf wird zu dem Antrag von Behnsch und Genossen übergegangen, derselbe wird verlesen und sodann der Antragsteller zur Mitwirkung aufgefordert.

Behnsch: Das Volk sehnt sich nach der Herbeiführung eines sichern Zustandes, und es ist daher unsere Pflicht, denselben sobald als möglich ins Leben zu rufen. Das Volk will eine Verfassung, ein verantwortliches Ministerium und die Verpflichtung der Krone auf die Verfassung. Man hat es der Nationalversammlung zum Vorwurf gemacht, daß sie sich zu früh mit den materiellen Verhältnissen des Landes beschäftigt und die formellen vernachläßigt hat, wohlan, vermeiden wir diesen Vorwurf und wenden uns ohne Verzug der Berathung der Verfassung zu. Der von mir vorgeschlagene Weg ist der kürzeste hierzu. Auch die vorige Nationalversammlung ernannte eine Kommission für die Verfassung, diese hatte sie aber erst zu entwerfen. Jetzt soll die Kommission die schon vorhandene, die oktroyirte Verfassung zur Grundlage machen, und sie kann damit schnell zu Ende kommen. Damit vermeiden wir zugleich den Prinzipienstreit über die Rechtsgültigkeit der Verfassung. Wir scheuen denselben nicht, aber wir wollen ihn noch gern vermeiden, um Zeit für die wirkliche Berathung zu gewinnen. Ich empfehle Ihnen daher meinen Antrag.

Der Präsident stellt den Antrag hierauf zur Unterstützung. Dieselbe erfolgt ausreichend.

D'Ester: Ein Grund bestimmt mich namentlich, für den Antrag zu sprechen, der, daß gefordert worden ist, wir sollen recht bald an die Verfassung gehen, um einen sichern Zustand herbeizuführen. Dies kann unbeschadet der Adreßdebatte geschehen. Der Antrag wird dazu dienen, daß wir uns über die Anerkennung der Verfassung erklären. Dies durfte er nicht umgehen. Wir müssen dazu schreiten, zu erklären, daß die Verfassung nichts als ein Entwurf ist, den anzunehmen oder zu verwerfen wir das Recht haben. — Hr. v. Vincke hat freilich schon behauptet, daß wir nur auf Grundlage der Verfassung gewählt seien. Dies müssen wir aber in Abrede stellen. Die Revolution hatte den alten Rechtszustand vernichtet und es sollte ein neuer gebildet werden. Die National-Versammlung wurde durch das allgemeine Stimmrecht gewählt, um die Verfassung festzustellen. Diese Thatsache läßt sich so wenig in Abrede stellen, als der Versuch der Krone, eine Verfassung zu oktroyiren, nachdem sie die National-Versammlung aufgelöst hatte. Die erste Thatsache wird von beiden Parteien anerkannt, die zweite nicht. Das ist der Unterschied zwischen uns.

Wir sind abermals durch das allgemeine Stimmrecht gewählt, um den Willen des Volkes festzustellen. Auf welchem Rechtsboden soll dieses geschehn? Es gibt keinen andern, als den der Geschichte, und diese sagt uns nur, daß im November die Gewalt zufälligerweise gesiegt hat. Hiernach haben wir das Prinzip festzustellen, welches wir befolgen wollen, und hierzu gibt uns der eigentlich nichts sagende Antrag von Behnsch Gelegenheit, da er die Frage als völlig offen hinstellt, während der andre schon von vorn herein ein Prinzip festsetzen will. Deshalb erkläre ich mich für den Antrag von Behnsch.

v. Vincke (zu einer thatsächlichen Berichtigung): Der Redner hat erklärt: daß er nicht auf Grund der Verfassung, sondern des allgemeinen Stimmrechts hier sei, und daß die Verfassung auf dem Wege der Gewalt gegeben sei. Dies kann ich nicht für richtig erachten. Ich behaupte, daß die Verfassung in Folge der allgemeinen Akklamation von Seiten des Volkes zur Geltung gekommen sei. (Laute und heftige Unterbrechung auf der Linken.) Ich behaupte, daß das Volk die Verfassung gebilligt hat, und daß wir auf Grund der durch diese Verfassung erfolgten Wahl hier sind. (Nein, nein, auf der Linken.)

Schwerin hat das bischen gesunde Vernunft, was von ihm nicht im Cultusministerium geblieben war, in der Paulskirche gänzlich verloren.

Ziegler: Es ist fälschlich behauptet worden, die Nationalversammlung sei nicht berufen gewesen, eine Verfassung festzustellen. Ich habe hier gerade das damalige Wahlgesetz vor Augen, worin es heißt:

„eine Verfassung durch Vereinbarung mit Uns festzustellen.“
(Große Heiterkeit auf der rechten Seite des Hauses.)

Die Kammer beschließt den Schluß der Debatte und die Frage: soll der Behnsche Antrag,

„durch die Wahl der Abtheilungen einen Ausschuß von 21 Mitgliedern zu bilden, welchem die am 5. Dezember oktroyirte Verfassung als Grundlage der Vorberathung für das Plenum überwiesen werde“

in weitere Erwägung gezogen werden, wird mit großer Majorität verneint.

Riedel und Genossen ziehe ihren Antrag zurück.

Waldeck wünscht über seinen Antrag wegen Aufhebung des Belagerungszustandes künftigen Montag gehört zu werden.

Ludewig wünscht über seinen Antrag sofort gehört zu werden. Derselbe lautet:

„Die Kammer wolle beschließen:
daß das von der Staatsregierung unterm 7. Februar d. J. erlassene provisorische Gewerbegesetz, zu dessen Ausführung bereits geschritten wird, der Prüfung und Genehmigung der Kammer, welche der § 60 der Verfassungs-Urkunde vorschreibt, baldigst unterstellt werde.

Der Antrag von Ludewig und Genossen erscheint durch die Einbringung der Regierungs-Vorlagen und die Verweisung derselben an die Abtheilungen, als erledigt.

Die Berathung über den Philipps'schen Antrag wird einstweilen suspendirt.

Der Antrag des Abgeordneten Schneider II. (Köln) und Genossen ist nunmehr an der Reihe. Derselbe lautet:

„Die Hohe Zweite Kammer wolle beschließen: die sofortige Einberufung des in Untersuchungshaft im Gefängnisse zu Münster befindlichen Abgeordneten für den Wahlbezirk Paderborn, Herrn Justiz-Kommissarius Groneweg, zu veranlassen,
eventuell
durch den Herrn Alters-Präsidenten die sofortige Einsendung der betreffenden Untersuchungsakten zu verlangen und eine Kommission von sieben Mitgliedern zur Berichterstattung zu ernennen.

Minister des Innern: erklärt, daß er nicht im Besitze der betreffenden Untersuchungs-Akten sei; daß dieselben jedoch leicht zu beschaffen sein würden.

Temme: bittet, dem Schneider'schen Antrage ohne Diskussion beizustimmen.

Graf Schwerin: gegen den Antrag; eben so v. Bismark.

Die für den Antrag eingeschriebenen Redner der Linken verzichten auf das Wort.

Um 3 Uhr kommt es zu einer leidenschaftlichen Debatte über den Antrag des Abgeordneten Großjohann auf unbedingte Portofreiheit

Derselbe wird zurückgezogen.

Dagegen beschließt die Kammer den Bauer'schen Antrag:

„das Ministerium zu ersuchen, den Abgeordneten der Kammer die unbeschränkte Portofreiheit einzuräumen“

in weitere Erwägung zu nehmen; d. h. der Antrag wird in die Abtheilungen verwiesen.

Schluß der heutigen Sitzung Nachmittags 3 1/4 Uhr.
Nächste Sitzung: übermorgen Vormittag 10 Uhr.

61 Wien, 3. März.

Ich habe Ihnen neulich geschrieben, daß der Gesammtstaat Oestreich nur zwei Möglichkeiten habe, eine Möglichkeit Metternich und eine Möglichkeit Standrecht. Ich bemerkte dabei, daß in diesem Augenblicke beide Möglichkeiten erschöpft sind und Oestreich im Begriff steht, in eine dritte Phase zu gerathen, in die Phase des Untergangs. Ich bin Ihnen damals den Beweis für meine Behauptung schuldig geblieben, weil ich glaubte, die Sache sei so evident, daß ich ihn füglich schuldig bleiben könnte. — Eine Rundschau in die deutschen Blätter überzeugt mich nun aber fast täglich von meinem Irrthume. Sie erlauben daher, daß ich meine Behauptung noch nachträglich ausführe.

Fragt man in Europa den gewöhnlichsten gesunden Hausmannsverstand: Was denkst du von Oestreich? so gibt er einem gewiß zur Antwort: „Austria, die Urgroßmutter des römisch-spanisch-germanischen patriarchalisch-standrechtlichen Despotismus, ist selbst mit Moschus und Cayenne-Pfeffer nicht mehr zu kuriren, ihre Sterbeglocke hat diesmal definitiv geläutet, die alte Vettel liegt in der wildtobenden Agonie.“ Fragt man dagegen die hochgebildete Weisheit der deutschen Blätter, und selbst der meisten demokratischen, so weiß sie einem über die östreichischen „Wirren“ (Erfindung und feinste Pointe des politischen Verstandes der Söhne Teut's) einen solchen Frachtwagen urzuständlicher Gelehrsamkeit entgegenzufahren, daß man vor Schreck diese östreich. Wirren anerkennt und ihrer Ent- oder weitern Verwirrung mit tabackqualmender Gemüthlichkeit zuschaut. Es ist eine von den vielen genialen Eigenthümlichkeiten deutscher Blätter, immer hinter dem Geist der Verhältnisse und hinter dem Geiste der Völker zu stehen, statt beide zu pussiren, es würde mithin auch unbillig sein, wollte ich verlangen, daß die deutschen Blätter einen Schritt weiter aushalten, als die gegenwärtig in Oestreich wieder zur Geltung gekommene Geistespointe: „Mocht nix! S'is olles ahns!“ Ich will diese Arbeit selber übernehmen.

Während die Intelligenz des „passiven Widerstandes“ allen Ernstes meint, die Sonne der deutschen Revolution (sit venia vorba) sei Berlin, hat die intelligenzlose Schnellkraft des aktiven Widerstandes, des initiativen Angriffs im März, Mai, September und Oktober bewiesen, daß die feuerlos-intelligente Sonne von Berlin im Grunde nichts anderes gewesen, als ein bleichschimmernder Mond, welcher sich um Wien, Deutschlands eigentlichsten Brennpunkt, gedreht.

Die politische Intelligenz ist dort, wo Thaten geschehen; die gewaltigsten Thaten machen den Schwerpunkt der Intelligenz; passive Widerstände gehören auf den Büchermarkt nach Leipzig. Unter Metternich war in Deutschland Wien allein der Ort der wirklichen politischen That, alle andern Orte Deutschlands, am Meisten aber das mondscheinintelligente Berlin, waren nichts, als die sich blähenden Gedärme dieser Thaten. So ist's geblieben bis heute.

Die Gründe zu diesen Ueberzeugungen, deren ich mich schon im Jahre 1846, bei meinem ersten Eintreten in Oestreich nicht erwehren konnte, liegen nicht ferne.

Oestreich, offiziell das mächtige, altehrwürdige geheißen, obwohl es der Freiheit, der aktiven Freiheit gegenüber eine Ohnmacht ist, ist mehr, denn jede andere Macht Europas, eine bloße Schöpfung des patriarchalisch - dynastischen Absolutismus. Rußland hat, Polen abgerechnet, eine Nothwendigkeit des Daseins überhaupt zur Grundlage, Oestreich dagegen gleicht der Höhle eines siegreichen Räubers, welche derselbe im Centralpunkte einer großen Nachbarschaft angelegt hat.

In Frankreich stürzten blos die Burbonen, weil Frankreich sich im Lauf der Zeit eine breite nationale und insofern demokratische Basis erworben hatte, in Oestreich aber müssen die Habsburger stürzen sammt ihrer dynastisch - idealen Absolutismus-Schöpfung Oestreich.

Oestreich und Freiheit sind Gegensätze, wie in der Politik keine mehr existiren; Oestreich ist als Gesammtstaat die radikalste Unfreiheit, die es gibt, und die Freiheit muß der entschiedenste Feind von Oestreich sein. Die Vernichtung Oestreichs liegt daher allzeit im Aufschwung der Freiheit, oder mit andern Worten: Oestreich ist mit der Freiheit unmöglich, die Freiheit mit Oestreich. Hierin liegt das ganze Geheimniß der erst durch Metternich zur Kulmination gebrachten östreichischen Politik.

Ein demokratisches, ein konstitutionelles Oestreich, Ideal des k. k. privilegirten Idioten Schuselka, ist vorläufig kompleter Unsinn, wider welchen Ungarn, Italien, Deutschland, Polen protestiren, und welches nur von den Czechen, dem blödesten Stamme, und von Schuselka, dem blödesten Geistesausdruck Oestreichs, noch aufrecht erhalten wird. Selbst die Kroaten faseln nicht länger von einem östreichischen Gesammtstaat.

Der erste entscheidende Sieg der Demokratie muß hierfür Beweise liefern, die selbst den Idiotismus eines Subjekts wie Schuselka zur Erkenntniß bringen, da ihm die Vorgänge in Ungarn und Italien dazu noch nicht zu genügen scheinen. — Leider gibt's dieser Schuselka-Idioten hier in Wien, überhaupt aber im deutschen Oestreich noch die Hülle und Fülle, obwohl das eigentliche Volk, in welchem Schuselka nur Anarchie erblickt, sich durchaus vom rechten Genius hierin leiten läßt.

Der Genius Deutsch-Oestreichs hat aber noch keine Persönlichkeit gefunden, in welcher er sich versinnlichte, Deutsch-Oestreich so wenig, als Gesammtdeutschland haben einen Kossuth. Die bisherigen Heerführer der deutsch-östreichischen Demokratie sind Idioten gewesen , an deren Sohlen die Schollen der Gesammtmonarchie kleben geblieben sind. Vielleicht haben sie jetzt als wiener Flüchtlinge im Auslande Gelegenheit und Geist genug, diese östreichisch-naive Scholle, ihren bisherigen Standpunkt, von sich zu werfen. Wir wollen es wünschen und erwarten, damit nach neuen Thaten Schuselka-Geister nicht im Stande sind, sich der Bewegung abermals zu bemeistern.

Den untrüglichsten Beweis für den Blödsinn dieses Geistes gaben uns die czechischen Studenten, sie haben Schuselka eine Adresse zugeschickt; dieser Geist ruft jetzt am 3. März erst aus: „Oestreich wird nicht regiert, es wird terrorisirt!“ An dem Untergange Wiens und an den schauerlichen Folgen desselben ist Niemand anders schuld, als eben dieser deutsch-katholisch verklärte, mit der Gloriole des Hamburger Rauchfleischs umnebelte Gesammtausdruck der östreichischen Bornirtheit, Schuselka. Hütet eure Zukunft vor der Heiligsprechung dieser Bornirtheit!

Das Haus Habsburg stützte sich anfänglich auf einen festern Boden, als auf den der östreichischen Monarchie, es stützte sich auf Deutschland, seine Wiege. Die gutwilligen deutschen Knochen, obwohl sie in Deutschland dem Hause Habsburg die Klodwigs-Arbeit verdarben, halfen demselben dennoch nach außen hin die Länder rauben, welche das Haus neben seinen Erbländern erworben hat, und die Rache der in diesen Ländern wohnenden nichtdeutschen Völker verschaffte ihm auf der andern Seite die Macht, Deutschland's, ja Europa's, geistigen Fortschritt auf Tod und Leben zu bekämpfen. — Nur mit Oestreichs ungeheurem Bleigewicht am Beine war es möglich, die volle Entwicklung der Reformation zu hemmen, die Revolution fast ungeschehen zu machen.

Der Absolutismus der französischen Könige hatte wenigstens den Vorzug eine geistreiche, eine glänzende Erscheinung zu sein, der Absolutismus der Habsburger aber gefiel sich von jeher in der Pointe der vollkommensten Verthierung unter Greuel und Jesuitismus.

Als das Haus Habsburg erkannte, daß es allein dem Zeitgeist nicht mehr zu trotzen vermöge, trug es keine Scheu, sich mit der asiatischen Barbarei zu verbünden.

Rußland ist nur darum eine europäische Großmacht geworden, weil das Haus Habsburg zum Kampf wider die Civilisation eines breiten Rücken bedurfte.

Habsburg heißt daher der Strang, an welchem die europäische Freiheit seit Jahrhunderten baumelt, Habsburg ist der große ins Centrum Europa's festgewurzelte Galgen des Fortschritts.

Keine Dynastie hat sich im Prinzip, wie durch die That, so an der Menschheit versündigt, als die Standrechtsdynastie Habsburg. Die Romanow's sind durch sie ursprünglich erst in das infame Handwerk der Völkerverknutung und Völkerausmordung eingeweiht worden, mögen sie ihre Meister nun auch übertreffen. Darum steht rundum die weiten Grenzen des Gesammtstandrechtsstaats mit Höllenflammen:

Lasciate ogni speranza voi ch'entrate!

Hätten die Habsburger sich mit den deutschen Knochen keine außerdeutschen Rekrutenställe zu erobern gewußt, sie würden gleichzeitig mit den Bourbonen untergegangen sein. Denn in ihrem Polizeikampf wider den Genius der Völker waren die Habsburger immer nur dem Anscheine nach siegreich, in den Resultaten mußten sie zuletzt immer das Feld räumen. Die eigentlichen Resultate des dreißigjährigen, siebenjährigen und französischen Kriegs waren im Grunde ja immer nur Niederlagen für das habsburgische Prinzip absoluter Knechtung. Die geistige Bewegung Euro- [Fortsetzung]

Hierzu eine Beilage.

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veranlassen, und ersuche die Abtheilungen, sich sobald als möglich mit den selben zu beschäftigen. Die Denkschrift werde ich noch heute drucken lassen. Der Präsident ernennt hierauf zu Quästoren der Kammer:</p>
          <p rendition="#et">von Camphausen und von Merkel;<lb/>
zu Ordnern:</p>
          <p rendition="#et">Jemmermann, von Kleist-Retzow, von Zybulski und Haak;<lb/>
zu Stimmzählern:</p>
          <p rendition="#et">Moritz, Knauth, Elsner und Parrisius.</p>
          <p>Ein Abgeordneter der Rechten soll immer mit einem Abgeordneten der Linken gemeinschaftlich die Zählung vornehmen lassen.</p>
          <p>Der Präsident zeigt noch die Bildung einer Petitions-Kommission an.</p>
          <p>Hierauf kommt der Antrag des Abgeordneten v. Vinke zur Berathung.</p>
          <p>Derselbe lautet:</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;Die hohe Kammer wolle beschließen, eine Kommission durch die Abtheilungen wählen zu lassen, welche eine Adresse an Se. Majestät den König als Antwort auf die Thronrede zu entwerfen hat.&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Motive:</hi> &#x201E;Die Ansprache des Königs an die Vertreter des Volkes erheischt eine Erwiederung, und es ist ein konstitutioneller Gebrauch, daß sie sofort auf die Thronrede folge. Das Land erwartet von seinen Vertretern eine allgemeine Aeußerung über die wichtigsten Fragen, die es bewegen.&#x201C;</p>
          <p>Diesen Motiven fügt v. Vincke noch hinzu, daß es vornehmlich 1) die Stellung der hohen Kammer zur oktroyirten Verfassung und 2) die Stellung Preußens zu Deutschland sei, über welche eine Aeußerung der Kammer nothwendig sei.</p>
          <p>Der Vinkesche Antrag wird hinreichend unterstützt.</p>
          <p>v. <hi rendition="#g">Kirchmann</hi> (gegen Adresse): Nach meiner Ueberzeugung ist das Land gegen die Adresse und verlangt von uns nur die Feststellung der Verfassung Die Adresse ist nicht blos unnütz, sondern auch gefährlich für die Freiheit des Landes und der Versammlung. Ich wundere mich, daß der Adreß-Antrag gerade von der Seite ausgegangen, welche durch ihren Antrag auf baldige Regulirung der bäuerlichen Angelegenheit offenbar hat zeigen wollen, daß ihr vor Allem die materiellen Interessen und nicht der Formalismus am Herzen liegt. Man beruft sich auf die parlamentarische Sitte, daß es überall der erste Akt der Volksvertretung sei, auf die Thronrede zu antworten. In England ist jedoch das Adreßwesen nur eine Spielerei. Gehen wir von dieser Spielerei ab! Jedenfalls würden Berichte der Minister über ihre amtliche Thätigkeit viel nützlicher als das Adreßwesen sein. Ich bin der Meinung, daß mindestens die Hälfte des Volkes gegen eine Adresse und gegen die Anerkennung der Verfassung ist; denn die meisten Mitglieder jener Seite (der Linken) haben vor ihrer Wahl die Ungültigkeit der oktroyirten Verfassung ausgesprochen und sind trotzdem gewählt worden. &#x2014; Auch die Nationalversammlung hat die Adresse bei Seite gelegt. Die Ehrfurcht gegen die Krone kann dadurch nicht verletzt werden.</p>
          <p>Die Frage über Gültigkeit oder Ungültigkeit der Verfassung kann durch die Adreßdebatte überdies nicht erledigt werden; denn wir von der linken Seite werden bei jeder Gesetzesvorlage &#x2014; und Sie werden uns dies nicht verdenken &#x2014; immer von Neuem bemüht sein, unsrer Meinung die Majorität und Geltung zu verschaffen. Lassen Sie uns die Rechtsfrage über Gültigkeit der Verfassung jetzt bei Seite schieben, und auf den Inhalt derselben eingehen. Diesen lassen Sie uns vereinbaren.</p>
          <p>Was die deutsche Frage anlangt, so lassen Sie uns die deutsche Einheit lieber durch Brechung der persönlichen Regierungsinteressen herbeiführen!</p>
          <p>Wenn man in der Adreß-Debatte eine Kritik des Ministeriums wünscht, so muß ich bemerken, daß es Fälle giebt, wo es besser ist, seinen Gegner zu ignoriren. (Bravo zur Linken.)</p>
          <p>Die Adresse ist aber auch nicht bloß nutzlos, sondern auch gefährlich. Sicherlich werden wir uns bei dem Inhalte der Verfassung viel näher stehen, als bei der Adresse, die ich zugleich als ein wahres Nest von Zweideurigkeiten bezeichnen möchte, welche nur geeignet sind, uns zu trennen.</p>
          <p>Der Boden, auf dem wir stehen, ist noch sehr schwankend. Ich glaube, daß es eine große Partei im Lande giebt, die nur auf einen Fehler von unserer Seite wartet, um ihn abermals zu einer Auflösung der Volksvertretung zu benutzen Hierzu kann eine Adreß-Debatte trefflich Veranlassung bieten, denn es würde an heftigen und selbst persönlichen Angriffen gegen die Regierung nicht fehlen, und man würde dann nach der Auflösung sagen: Die Volksvertretung hat sich zweimal unfähig bewiesen, eine Verfassung festzustellen. &#x2014; Viele von jener Seite (auf die Linke deutend) haben viel gelitten. Sie wollen hierüber schweigen und, um der Versöhnung willen, Vergangenes vergessen. Sie, meine Herren (auf die Rechte deutend), haben nicht gelitten. Es ist Ihnen vielleicht gut gegangen; ich glaube daher, daß ich von Ihnen dasselbe mit noch größerem Recht erwarten kann. (Bravo zur Linken.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Urlich's</hi> spricht mit Pathos für eine Adresse. &#x2014; <hi rendition="#g">Kinkel</hi> gegen sie, da man auf eine solche Thronrede nichts erwidern könne.</p>
          <p>v. <hi rendition="#g">Vincke</hi>: Es sind so viel Einwände gegen den Erlaß einer Adresse gemacht worden, daß ich genöthigt bin, noch einmal das Wort zu ergreifen</p>
          <p>Ein Redner hat zunächst die Befürchtung ausgesprochen, daß die Adreß-Debatte zu Angriffen gegen die Krone führen könne. Meine Herren! Wir befinden uns in einem konstitutionellen Staate, und das Ministerium ist für jeden Regierungsakt verantwortlich, also auch für die Thronrede, selbst wenn es dieselbe nicht kontrasignirt hat. Die Angriffe gegen die Thronrede gehen daher lediglich das Ministerium und nicht den Träger der Krone an.</p>
          <p>Ein anderer Redner hat die Thronrede als nichtssagend bezeichnet. Ich glaube jedoch, daß dieselbe gerade in den wichtigsten Fragen sehr klar ist.</p>
          <p>Man hat ferner gesagt: die materiellen Fragen erheischen zunächst die Aufmerksamkeit und Thätigkeit der Kammer. Ich bin hiermit einverstanden.</p>
          <p>Das Wichtigste aber ist, daß wir uns zunächst über den öffentlichen Rechtszustand des Landes aussprechen und diesen feststellen, denn hiervon hängen alle materiellen Interessen des Landes ab.</p>
          <p>Es ist ferner behauptet worden: die meisten Abgeordneten der Linken hätten gegen ihre Wähler die Ungültigkeit der oktroyirten Verfassung ausgesprochen. Wenn dies wirklich ihre ehrliche und deutsche Ueberzeugung ist, so frage ich diese Herren: Wie haben Sie Ihr Mandat annehmen können? &#x2014; Wenn Sie wirklich in ehrlicher, deutscher unzweideutiger Weise Ihre Ueberzeugung vor Ihren Wählern ausgesprochen und Sie trotzdem eine Majorität auf den Grund der für ungültig erklärten Verfassung gewählt hat; so begreife ich nicht, wie so viele Juristen auf jener Seite ein solches Mandat haben annehmen können Das geht über meinen Horizont.</p>
          <p>Es ist ferner gegen die Adresse eingewendet worden, daß die Berathung derselben zu viel Zeit rauben werde. Wir auf dieser Seite (auf die Rechte deutend) sind gar nicht so sehr gespalten, wie es auf jener Seite der Fall zu sein scheint. Uns ist der Inhalt der Adresse gar nicht so zweifelhaft, wir werden sehr bald fertig werden, wir wollen die Adreß-Debatten nicht zu glänzenden Reden benutzen. Wollen Sie die Debatte hinziehen, so ist es Ihre Schuld.</p>
          <p>Man hat uns auch noch vorgeworfen, daß wir jetzt unsere Majorität benutzen wollten, um eine Adresse durchzusetzen, während schon in wenigen Wochen die Herren von jener Seite durch die Nachwahlen die Majorität erlangen würden. Ich weiß nicht, ob diese Vermuthung richtig ist. Sie, meine Herren, haben wahrscheinlich bessere Nachricht. (Heiterkeit.) Halten Sie jedoch Ihre Gründe für so schwach, daß sie unsere Majorität nicht erschüttern können, so sind diese Gründe in der That nicht der Beachtung werth.</p>
          <p>Es ist mir ferner der Vorwurf gemacht worden: ich wolle den Schwerpunkt Deutschlands nach der Peripherie verlegen. Ich protestire dagegen, daß man einen solchen Sinn aus meinen Worten ziehe. Ueber meine Lippen ist kein Wort gekommen, was die Autorität der deutschen National-Versammlung erschüttern könnte; aber die Ueberzeugung habe ich ausgesprochen, daß ein Ausspruch von Ihrer Seite in der deutschen Frage das Frankfurter Parlament sehr kräftigen werde &#x2014; Man hat gesagt, der Krieg mit Dänemark sei im Interesse der Kabinette entschieden worden; ich frage Sie, ob das wahr ist? Ich dächte doch, der Krieg hätte lediglich und allein im Interesse des schleswigschen Volkes Statt gefunden, und obgleich Preußen in seinen materiellen Interessen durch den Kampf viel gelitten hat, so würde ich doch für den Krieg stimmen, wenn es sich um die Ehre Deutschlands handelt; denn ich achte diese Ehre höher als jene matteriellen Interessen.</p>
          <p>Noch einmal wiederhole ich es, daß wir die Adreß-Debatte in Einer Sitzung zu Ende bringen wollen. Wir scheuen den Kampf nicht und sind von Ihnen, meine Herren zur Linken, überzeugt, daß auch Sie den Kampf nicht scheuen werden. Deshalb stimmen Sie für die Adresse.</p>
          <p>Der Abgeordnete <hi rendition="#g">Schneider</hi> (Schönebeck) trägt auf namentliche Abstimmung über den v. Vincke'schen Antrag an. Der Namens-Aufruf wird hinreichend unterstützt</p>
          <p>Ueber die Fragestellung entspinnt sich eine sehr lange Debatte. Es ist nach dem Geschäftsreglement zweifelhaft, ob der Antrag sogleich zur definitiven Fragestellung kommen oder erst die Frage dahin gestellt werden solle: ob der Antrag an eine Kommission zu überweisen sei. &#x2014; Die Kammer entscheidet sich endlich dafür, daß der v. Vincke'sche Antrag sogleich zur definitiven Fragestellung komme.</p>
          <p>Der Namensaufruf erfolgt. Der v. Vincke'sche Antrag wird angenommen und die Kammer beschließt mit 172 gegen 139 Stimmen:</p>
          <p rendition="#et">eine Kommission durch die Abtheilungen wählen zu lassen, welch eine Adresse an Se. Majestät den König, als Antwort auf die Thronrede, zu entwerfen hat.</p>
          <p>Minister v. d. <hi rendition="#g">Heydt</hi>: Ich habe der hohen Kammer drei Verordnungen zur Prüfung und Beschlußnahme vorzulegen:</p>
          <p>1) Das Gesetz vom 9. Februar wegen Errichtung von Gewerberäthen,<lb/>
2) das Gesetz vom 9. Februar wegen Errichtung von Gewerbegerichten<lb/>
3) das Gesetz vom 6. Januar wegen unentgeltlicher Hülfleistung bei Räumung des Schnee's von den Straßen.</p>
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          <p>Wir sind abermals durch das allgemeine Stimmrecht gewählt, um den Willen des Volkes festzustellen. Auf welchem Rechtsboden soll dieses geschehn? Es gibt keinen andern, als den der Geschichte, und diese sagt uns nur, daß im November die Gewalt zufälligerweise gesiegt hat. Hiernach haben wir das Prinzip festzustellen, welches wir befolgen wollen, und hierzu gibt uns der eigentlich nichts sagende Antrag von Behnsch Gelegenheit, da er die Frage als völlig offen hinstellt, während der andre schon von vorn herein ein Prinzip festsetzen will. Deshalb erkläre ich mich für den Antrag von Behnsch.</p>
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          <p>Die Berathung über den <hi rendition="#g">Philipps</hi>'schen Antrag wird einstweilen suspendirt.</p>
          <p>Der Antrag des Abgeordneten <hi rendition="#g">Schneider II.</hi> (Köln) und Genossen ist nunmehr an der Reihe. Derselbe lautet:</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;Die Hohe Zweite Kammer wolle beschließen: die sofortige Einberufung des in Untersuchungshaft im Gefängnisse zu Münster befindlichen Abgeordneten für den Wahlbezirk Paderborn, Herrn Justiz-Kommissarius Groneweg, zu veranlassen,<lb/>
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durch den Herrn Alters-Präsidenten die sofortige Einsendung der betreffenden Untersuchungsakten zu verlangen und eine Kommission von sieben Mitgliedern zur Berichterstattung zu ernennen.</p>
          <p>Minister des Innern: erklärt, daß er nicht im Besitze der betreffenden Untersuchungs-Akten sei; daß dieselben jedoch leicht zu beschaffen sein würden.</p>
          <p><hi rendition="#g">Temme:</hi> bittet, dem Schneider'schen Antrage ohne Diskussion beizustimmen.</p>
          <p>Graf <hi rendition="#g">Schwerin:</hi> gegen den Antrag; eben so v. Bismark.</p>
          <p>Die <hi rendition="#g">für</hi> den Antrag eingeschriebenen Redner der Linken verzichten auf das Wort.</p>
          <p>Um 3 Uhr kommt es zu einer leidenschaftlichen Debatte über den Antrag des Abgeordneten Großjohann auf unbedingte Portofreiheit</p>
          <p>Derselbe wird zurückgezogen.</p>
          <p>Dagegen beschließt die Kammer den Bauer'schen Antrag:</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;das Ministerium zu ersuchen, den Abgeordneten der Kammer die unbeschränkte Portofreiheit einzuräumen&#x201C;</p>
          <p>in weitere Erwägung zu nehmen; d. h. der Antrag wird in die Abtheilungen verwiesen.</p>
          <p rendition="#et">Schluß der heutigen Sitzung Nachmittags 3 1/4 Uhr.<lb/>
Nächste Sitzung: übermorgen Vormittag 10 Uhr.</p>
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          <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 3. März.</head>
          <p>Ich habe Ihnen neulich geschrieben, daß der Gesammtstaat Oestreich nur zwei Möglichkeiten habe, eine Möglichkeit <hi rendition="#g">Metternich</hi> und eine Möglichkeit <hi rendition="#g">Standrecht</hi>. Ich bemerkte dabei, daß in diesem Augenblicke beide Möglichkeiten erschöpft sind und Oestreich im Begriff steht, in eine dritte Phase zu gerathen, in die Phase des <hi rendition="#g">Untergangs</hi>. Ich bin Ihnen damals den Beweis für meine Behauptung schuldig geblieben, weil ich glaubte, die Sache sei so evident, daß ich ihn füglich schuldig bleiben könnte. &#x2014; Eine Rundschau in die deutschen Blätter überzeugt mich nun aber fast täglich von meinem Irrthume. Sie erlauben daher, daß ich meine Behauptung noch nachträglich ausführe.</p>
          <p>Fragt man in Europa den gewöhnlichsten gesunden Hausmannsverstand: Was denkst du von Oestreich? so gibt er einem gewiß zur Antwort: &#x201E;Austria, die Urgroßmutter des römisch-spanisch-germanischen patriarchalisch-standrechtlichen Despotismus, ist selbst mit Moschus und Cayenne-Pfeffer nicht mehr zu kuriren, ihre Sterbeglocke hat diesmal definitiv geläutet, die alte Vettel liegt in der wildtobenden Agonie.&#x201C; Fragt man dagegen die hochgebildete Weisheit der deutschen Blätter, und selbst der meisten demokratischen, so weiß sie einem über die östreichischen &#x201E;Wirren&#x201C; (Erfindung und feinste Pointe des politischen Verstandes der Söhne Teut's) einen solchen Frachtwagen urzuständlicher Gelehrsamkeit entgegenzufahren, daß man vor Schreck diese östreich. Wirren anerkennt und ihrer Ent- oder weitern Verwirrung mit tabackqualmender Gemüthlichkeit zuschaut. Es ist eine von den vielen genialen Eigenthümlichkeiten deutscher Blätter, immer hinter dem Geist der Verhältnisse und hinter dem Geiste der Völker zu stehen, statt beide zu pussiren, es würde mithin auch unbillig sein, wollte ich verlangen, daß die deutschen Blätter einen Schritt weiter aushalten, als die gegenwärtig in Oestreich wieder zur Geltung gekommene Geistespointe: &#x201E;Mocht nix! S'is olles ahns!&#x201C; Ich will diese Arbeit selber übernehmen.</p>
          <p>Während die <hi rendition="#g">Intelligenz</hi> des &#x201E;passiven Widerstandes&#x201C; allen Ernstes meint, die Sonne der deutschen Revolution (sit venia vorba) sei Berlin, hat die intelligenzlose Schnellkraft des <hi rendition="#g">aktiven Widerstandes, des initiativen Angriffs</hi> im März, Mai, September und Oktober bewiesen, daß die feuerlos-intelligente Sonne von Berlin im Grunde nichts anderes gewesen, als ein bleichschimmernder Mond, welcher sich um Wien, Deutschlands eigentlichsten Brennpunkt, gedreht.</p>
          <p>Die politische Intelligenz ist dort, wo Thaten geschehen; die gewaltigsten Thaten machen den Schwerpunkt der Intelligenz; passive Widerstände gehören auf den Büchermarkt nach Leipzig. Unter Metternich war in Deutschland Wien allein der Ort der wirklichen politischen That, alle andern Orte Deutschlands, am Meisten aber das mondscheinintelligente Berlin, waren nichts, als die sich blähenden Gedärme dieser Thaten. So ist's geblieben bis heute.</p>
          <p>Die Gründe zu diesen Ueberzeugungen, deren ich mich schon im Jahre 1846, bei meinem ersten Eintreten in Oestreich nicht erwehren konnte, liegen nicht ferne.</p>
          <p>Oestreich, offiziell das <hi rendition="#g">mächtige, altehrwürdige</hi> geheißen, obwohl es der Freiheit, der <hi rendition="#g">aktiven</hi> Freiheit gegenüber eine Ohnmacht ist, ist mehr, denn jede andere Macht Europas, eine bloße Schöpfung des patriarchalisch - dynastischen Absolutismus. Rußland hat, Polen abgerechnet, eine Nothwendigkeit des Daseins überhaupt zur Grundlage, Oestreich dagegen gleicht der Höhle eines siegreichen Räubers, welche derselbe im Centralpunkte einer großen Nachbarschaft angelegt hat.</p>
          <p>In Frankreich stürzten blos die Burbonen, weil Frankreich sich im Lauf der Zeit eine breite nationale und insofern demokratische Basis erworben hatte, in Oestreich aber müssen die Habsburger stürzen sammt ihrer dynastisch - idealen Absolutismus-Schöpfung Oestreich.</p>
          <p>Oestreich und Freiheit sind Gegensätze, wie in der Politik keine mehr existiren; Oestreich ist als Gesammtstaat die radikalste Unfreiheit, die es gibt, und die Freiheit muß der entschiedenste Feind von Oestreich sein. Die Vernichtung Oestreichs liegt daher allzeit im Aufschwung der Freiheit, oder mit andern Worten: Oestreich ist mit der Freiheit unmöglich, die Freiheit mit Oestreich. Hierin liegt das ganze Geheimniß der erst durch Metternich zur Kulmination gebrachten östreichischen Politik.</p>
          <p>Ein demokratisches, ein konstitutionelles Oestreich, Ideal des k. k. privilegirten Idioten Schuselka, ist vorläufig kompleter Unsinn, wider welchen Ungarn, Italien, Deutschland, Polen protestiren, und welches nur von den Czechen, dem blödesten Stamme, und von Schuselka, dem blödesten Geistesausdruck Oestreichs, noch aufrecht erhalten wird. Selbst die Kroaten faseln nicht länger von einem östreichischen Gesammtstaat.</p>
          <p>Der erste entscheidende Sieg der Demokratie muß hierfür Beweise liefern, die selbst den Idiotismus eines Subjekts wie Schuselka zur Erkenntniß bringen, da ihm die Vorgänge in Ungarn und Italien dazu noch nicht zu genügen scheinen. &#x2014; Leider gibt's dieser Schuselka-Idioten hier in Wien, überhaupt aber im deutschen Oestreich noch die Hülle und Fülle, obwohl das eigentliche Volk, in welchem Schuselka nur Anarchie erblickt, sich durchaus vom rechten Genius hierin leiten läßt.</p>
          <p>Der Genius Deutsch-Oestreichs hat aber noch keine Persönlichkeit gefunden, in welcher er sich versinnlichte, Deutsch-Oestreich so wenig, als Gesammtdeutschland haben einen <hi rendition="#g">Kossuth</hi>. Die bisherigen Heerführer der deutsch-östreichischen Demokratie sind Idioten gewesen , an deren Sohlen die Schollen der Gesammtmonarchie kleben geblieben sind. Vielleicht haben sie jetzt als wiener Flüchtlinge im Auslande Gelegenheit und Geist genug, diese östreichisch-naive Scholle, ihren bisherigen Standpunkt, von sich zu werfen. Wir wollen es wünschen und erwarten, damit nach neuen Thaten Schuselka-Geister nicht im Stande sind, sich der Bewegung abermals zu bemeistern.</p>
          <p>Den untrüglichsten Beweis für den Blödsinn dieses Geistes gaben uns die czechischen Studenten, sie haben Schuselka eine Adresse zugeschickt; dieser Geist ruft jetzt am 3. März erst aus: &#x201E;Oestreich wird nicht regiert, es wird terrorisirt!&#x201C; An dem Untergange Wiens und an den schauerlichen Folgen desselben ist Niemand anders schuld, als eben dieser deutsch-katholisch verklärte, mit der Gloriole des Hamburger Rauchfleischs umnebelte Gesammtausdruck der östreichischen Bornirtheit, <hi rendition="#g">Schuselka</hi>. Hütet eure Zukunft vor der Heiligsprechung dieser Bornirtheit!</p>
          <p>Das Haus Habsburg stützte sich anfänglich auf einen festern Boden, als auf den der östreichischen Monarchie, es stützte sich auf Deutschland, seine Wiege. Die gutwilligen deutschen Knochen, obwohl sie in Deutschland dem Hause Habsburg die Klodwigs-Arbeit verdarben, halfen demselben dennoch nach außen hin die Länder rauben, welche das Haus neben seinen Erbländern erworben hat, und die Rache der in diesen Ländern wohnenden nichtdeutschen Völker verschaffte ihm auf der andern Seite die Macht, Deutschland's, ja Europa's, geistigen Fortschritt auf Tod und Leben zu bekämpfen. &#x2014; Nur mit Oestreichs ungeheurem Bleigewicht am Beine war es möglich, die volle Entwicklung der Reformation zu hemmen, die Revolution fast ungeschehen zu machen.</p>
          <p>Der Absolutismus der französischen Könige hatte wenigstens den Vorzug eine geistreiche, eine glänzende Erscheinung zu sein, der Absolutismus der Habsburger aber gefiel sich von jeher in der Pointe der vollkommensten Verthierung unter Greuel und Jesuitismus.</p>
          <p>Als das Haus Habsburg erkannte, daß es allein dem Zeitgeist nicht mehr zu trotzen vermöge, trug es keine Scheu, sich mit der asiatischen Barbarei zu verbünden.</p>
          <p>Rußland ist nur darum eine europäische Großmacht geworden, weil das Haus Habsburg zum Kampf wider die Civilisation eines breiten Rücken bedurfte.</p>
          <p>Habsburg heißt daher der Strang, an welchem die europäische Freiheit seit Jahrhunderten baumelt, Habsburg ist der große ins Centrum Europa's festgewurzelte Galgen des Fortschritts.</p>
          <p>Keine Dynastie hat sich im Prinzip, wie durch die That, so an der Menschheit versündigt, als die Standrechtsdynastie Habsburg. Die Romanow's sind durch sie ursprünglich erst in das infame Handwerk der Völkerverknutung und Völkerausmordung eingeweiht worden, mögen sie ihre Meister nun auch übertreffen. Darum steht rundum die weiten Grenzen des Gesammtstandrechtsstaats mit Höllenflammen:</p>
          <p rendition="#et">Lasciate ogni speranza voi ch'entrate!</p>
          <p>Hätten die Habsburger sich mit den deutschen Knochen keine außerdeutschen Rekrutenställe zu erobern gewußt, sie würden gleichzeitig mit den Bourbonen untergegangen sein. Denn in ihrem Polizeikampf wider den Genius der Völker waren die Habsburger immer nur dem Anscheine nach siegreich, in den Resultaten mußten sie zuletzt immer das Feld räumen. Die eigentlichen Resultate des dreißigjährigen, siebenjährigen und französischen Kriegs waren im Grunde ja immer nur Niederlagen für das habsburgische Prinzip absoluter Knechtung. Die geistige Bewegung Euro- <ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref>                </p>
          <p>
            <ref type="link">Hierzu eine Beilage.</ref>
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</TEI>
[1344/0004] veranlassen, und ersuche die Abtheilungen, sich sobald als möglich mit den selben zu beschäftigen. Die Denkschrift werde ich noch heute drucken lassen. Der Präsident ernennt hierauf zu Quästoren der Kammer: von Camphausen und von Merkel; zu Ordnern: Jemmermann, von Kleist-Retzow, von Zybulski und Haak; zu Stimmzählern: Moritz, Knauth, Elsner und Parrisius. Ein Abgeordneter der Rechten soll immer mit einem Abgeordneten der Linken gemeinschaftlich die Zählung vornehmen lassen. Der Präsident zeigt noch die Bildung einer Petitions-Kommission an. Hierauf kommt der Antrag des Abgeordneten v. Vinke zur Berathung. Derselbe lautet: „Die hohe Kammer wolle beschließen, eine Kommission durch die Abtheilungen wählen zu lassen, welche eine Adresse an Se. Majestät den König als Antwort auf die Thronrede zu entwerfen hat.“ Motive: „Die Ansprache des Königs an die Vertreter des Volkes erheischt eine Erwiederung, und es ist ein konstitutioneller Gebrauch, daß sie sofort auf die Thronrede folge. Das Land erwartet von seinen Vertretern eine allgemeine Aeußerung über die wichtigsten Fragen, die es bewegen.“ Diesen Motiven fügt v. Vincke noch hinzu, daß es vornehmlich 1) die Stellung der hohen Kammer zur oktroyirten Verfassung und 2) die Stellung Preußens zu Deutschland sei, über welche eine Aeußerung der Kammer nothwendig sei. Der Vinkesche Antrag wird hinreichend unterstützt. v. Kirchmann (gegen Adresse): Nach meiner Ueberzeugung ist das Land gegen die Adresse und verlangt von uns nur die Feststellung der Verfassung Die Adresse ist nicht blos unnütz, sondern auch gefährlich für die Freiheit des Landes und der Versammlung. Ich wundere mich, daß der Adreß-Antrag gerade von der Seite ausgegangen, welche durch ihren Antrag auf baldige Regulirung der bäuerlichen Angelegenheit offenbar hat zeigen wollen, daß ihr vor Allem die materiellen Interessen und nicht der Formalismus am Herzen liegt. Man beruft sich auf die parlamentarische Sitte, daß es überall der erste Akt der Volksvertretung sei, auf die Thronrede zu antworten. In England ist jedoch das Adreßwesen nur eine Spielerei. Gehen wir von dieser Spielerei ab! Jedenfalls würden Berichte der Minister über ihre amtliche Thätigkeit viel nützlicher als das Adreßwesen sein. Ich bin der Meinung, daß mindestens die Hälfte des Volkes gegen eine Adresse und gegen die Anerkennung der Verfassung ist; denn die meisten Mitglieder jener Seite (der Linken) haben vor ihrer Wahl die Ungültigkeit der oktroyirten Verfassung ausgesprochen und sind trotzdem gewählt worden. — Auch die Nationalversammlung hat die Adresse bei Seite gelegt. Die Ehrfurcht gegen die Krone kann dadurch nicht verletzt werden. Die Frage über Gültigkeit oder Ungültigkeit der Verfassung kann durch die Adreßdebatte überdies nicht erledigt werden; denn wir von der linken Seite werden bei jeder Gesetzesvorlage — und Sie werden uns dies nicht verdenken — immer von Neuem bemüht sein, unsrer Meinung die Majorität und Geltung zu verschaffen. Lassen Sie uns die Rechtsfrage über Gültigkeit der Verfassung jetzt bei Seite schieben, und auf den Inhalt derselben eingehen. Diesen lassen Sie uns vereinbaren. Was die deutsche Frage anlangt, so lassen Sie uns die deutsche Einheit lieber durch Brechung der persönlichen Regierungsinteressen herbeiführen! Wenn man in der Adreß-Debatte eine Kritik des Ministeriums wünscht, so muß ich bemerken, daß es Fälle giebt, wo es besser ist, seinen Gegner zu ignoriren. (Bravo zur Linken.) Die Adresse ist aber auch nicht bloß nutzlos, sondern auch gefährlich. Sicherlich werden wir uns bei dem Inhalte der Verfassung viel näher stehen, als bei der Adresse, die ich zugleich als ein wahres Nest von Zweideurigkeiten bezeichnen möchte, welche nur geeignet sind, uns zu trennen. Der Boden, auf dem wir stehen, ist noch sehr schwankend. Ich glaube, daß es eine große Partei im Lande giebt, die nur auf einen Fehler von unserer Seite wartet, um ihn abermals zu einer Auflösung der Volksvertretung zu benutzen Hierzu kann eine Adreß-Debatte trefflich Veranlassung bieten, denn es würde an heftigen und selbst persönlichen Angriffen gegen die Regierung nicht fehlen, und man würde dann nach der Auflösung sagen: Die Volksvertretung hat sich zweimal unfähig bewiesen, eine Verfassung festzustellen. — Viele von jener Seite (auf die Linke deutend) haben viel gelitten. Sie wollen hierüber schweigen und, um der Versöhnung willen, Vergangenes vergessen. Sie, meine Herren (auf die Rechte deutend), haben nicht gelitten. Es ist Ihnen vielleicht gut gegangen; ich glaube daher, daß ich von Ihnen dasselbe mit noch größerem Recht erwarten kann. (Bravo zur Linken.) Urlich's spricht mit Pathos für eine Adresse. — Kinkel gegen sie, da man auf eine solche Thronrede nichts erwidern könne. v. Vincke: Es sind so viel Einwände gegen den Erlaß einer Adresse gemacht worden, daß ich genöthigt bin, noch einmal das Wort zu ergreifen Ein Redner hat zunächst die Befürchtung ausgesprochen, daß die Adreß-Debatte zu Angriffen gegen die Krone führen könne. Meine Herren! Wir befinden uns in einem konstitutionellen Staate, und das Ministerium ist für jeden Regierungsakt verantwortlich, also auch für die Thronrede, selbst wenn es dieselbe nicht kontrasignirt hat. Die Angriffe gegen die Thronrede gehen daher lediglich das Ministerium und nicht den Träger der Krone an. Ein anderer Redner hat die Thronrede als nichtssagend bezeichnet. Ich glaube jedoch, daß dieselbe gerade in den wichtigsten Fragen sehr klar ist. Man hat ferner gesagt: die materiellen Fragen erheischen zunächst die Aufmerksamkeit und Thätigkeit der Kammer. Ich bin hiermit einverstanden. Das Wichtigste aber ist, daß wir uns zunächst über den öffentlichen Rechtszustand des Landes aussprechen und diesen feststellen, denn hiervon hängen alle materiellen Interessen des Landes ab. Es ist ferner behauptet worden: die meisten Abgeordneten der Linken hätten gegen ihre Wähler die Ungültigkeit der oktroyirten Verfassung ausgesprochen. Wenn dies wirklich ihre ehrliche und deutsche Ueberzeugung ist, so frage ich diese Herren: Wie haben Sie Ihr Mandat annehmen können? — Wenn Sie wirklich in ehrlicher, deutscher unzweideutiger Weise Ihre Ueberzeugung vor Ihren Wählern ausgesprochen und Sie trotzdem eine Majorität auf den Grund der für ungültig erklärten Verfassung gewählt hat; so begreife ich nicht, wie so viele Juristen auf jener Seite ein solches Mandat haben annehmen können Das geht über meinen Horizont. Es ist ferner gegen die Adresse eingewendet worden, daß die Berathung derselben zu viel Zeit rauben werde. Wir auf dieser Seite (auf die Rechte deutend) sind gar nicht so sehr gespalten, wie es auf jener Seite der Fall zu sein scheint. Uns ist der Inhalt der Adresse gar nicht so zweifelhaft, wir werden sehr bald fertig werden, wir wollen die Adreß-Debatten nicht zu glänzenden Reden benutzen. Wollen Sie die Debatte hinziehen, so ist es Ihre Schuld. Man hat uns auch noch vorgeworfen, daß wir jetzt unsere Majorität benutzen wollten, um eine Adresse durchzusetzen, während schon in wenigen Wochen die Herren von jener Seite durch die Nachwahlen die Majorität erlangen würden. Ich weiß nicht, ob diese Vermuthung richtig ist. Sie, meine Herren, haben wahrscheinlich bessere Nachricht. (Heiterkeit.) Halten Sie jedoch Ihre Gründe für so schwach, daß sie unsere Majorität nicht erschüttern können, so sind diese Gründe in der That nicht der Beachtung werth. Es ist mir ferner der Vorwurf gemacht worden: ich wolle den Schwerpunkt Deutschlands nach der Peripherie verlegen. Ich protestire dagegen, daß man einen solchen Sinn aus meinen Worten ziehe. Ueber meine Lippen ist kein Wort gekommen, was die Autorität der deutschen National-Versammlung erschüttern könnte; aber die Ueberzeugung habe ich ausgesprochen, daß ein Ausspruch von Ihrer Seite in der deutschen Frage das Frankfurter Parlament sehr kräftigen werde — Man hat gesagt, der Krieg mit Dänemark sei im Interesse der Kabinette entschieden worden; ich frage Sie, ob das wahr ist? Ich dächte doch, der Krieg hätte lediglich und allein im Interesse des schleswigschen Volkes Statt gefunden, und obgleich Preußen in seinen materiellen Interessen durch den Kampf viel gelitten hat, so würde ich doch für den Krieg stimmen, wenn es sich um die Ehre Deutschlands handelt; denn ich achte diese Ehre höher als jene matteriellen Interessen. Noch einmal wiederhole ich es, daß wir die Adreß-Debatte in Einer Sitzung zu Ende bringen wollen. Wir scheuen den Kampf nicht und sind von Ihnen, meine Herren zur Linken, überzeugt, daß auch Sie den Kampf nicht scheuen werden. Deshalb stimmen Sie für die Adresse. Der Abgeordnete Schneider (Schönebeck) trägt auf namentliche Abstimmung über den v. Vincke'schen Antrag an. Der Namens-Aufruf wird hinreichend unterstützt Ueber die Fragestellung entspinnt sich eine sehr lange Debatte. Es ist nach dem Geschäftsreglement zweifelhaft, ob der Antrag sogleich zur definitiven Fragestellung kommen oder erst die Frage dahin gestellt werden solle: ob der Antrag an eine Kommission zu überweisen sei. — Die Kammer entscheidet sich endlich dafür, daß der v. Vincke'sche Antrag sogleich zur definitiven Fragestellung komme. Der Namensaufruf erfolgt. Der v. Vincke'sche Antrag wird angenommen und die Kammer beschließt mit 172 gegen 139 Stimmen: eine Kommission durch die Abtheilungen wählen zu lassen, welch eine Adresse an Se. Majestät den König, als Antwort auf die Thronrede, zu entwerfen hat. Minister v. d. Heydt: Ich habe der hohen Kammer drei Verordnungen zur Prüfung und Beschlußnahme vorzulegen: 1) Das Gesetz vom 9. Februar wegen Errichtung von Gewerberäthen, 2) das Gesetz vom 9. Februar wegen Errichtung von Gewerbegerichten 3) das Gesetz vom 6. Januar wegen unentgeltlicher Hülfleistung bei Räumung des Schnee's von den Straßen. Hierauf wird zu dem Antrag von Behnsch und Genossen übergegangen, derselbe wird verlesen und sodann der Antragsteller zur Mitwirkung aufgefordert. Behnsch: Das Volk sehnt sich nach der Herbeiführung eines sichern Zustandes, und es ist daher unsere Pflicht, denselben sobald als möglich ins Leben zu rufen. Das Volk will eine Verfassung, ein verantwortliches Ministerium und die Verpflichtung der Krone auf die Verfassung. Man hat es der Nationalversammlung zum Vorwurf gemacht, daß sie sich zu früh mit den materiellen Verhältnissen des Landes beschäftigt und die formellen vernachläßigt hat, wohlan, vermeiden wir diesen Vorwurf und wenden uns ohne Verzug der Berathung der Verfassung zu. Der von mir vorgeschlagene Weg ist der kürzeste hierzu. Auch die vorige Nationalversammlung ernannte eine Kommission für die Verfassung, diese hatte sie aber erst zu entwerfen. Jetzt soll die Kommission die schon vorhandene, die oktroyirte Verfassung zur Grundlage machen, und sie kann damit schnell zu Ende kommen. Damit vermeiden wir zugleich den Prinzipienstreit über die Rechtsgültigkeit der Verfassung. Wir scheuen denselben nicht, aber wir wollen ihn noch gern vermeiden, um Zeit für die wirkliche Berathung zu gewinnen. Ich empfehle Ihnen daher meinen Antrag. Der Präsident stellt den Antrag hierauf zur Unterstützung. Dieselbe erfolgt ausreichend. D'Ester: Ein Grund bestimmt mich namentlich, für den Antrag zu sprechen, der, daß gefordert worden ist, wir sollen recht bald an die Verfassung gehen, um einen sichern Zustand herbeizuführen. Dies kann unbeschadet der Adreßdebatte geschehen. Der Antrag wird dazu dienen, daß wir uns über die Anerkennung der Verfassung erklären. Dies durfte er nicht umgehen. Wir müssen dazu schreiten, zu erklären, daß die Verfassung nichts als ein Entwurf ist, den anzunehmen oder zu verwerfen wir das Recht haben. — Hr. v. Vincke hat freilich schon behauptet, daß wir nur auf Grundlage der Verfassung gewählt seien. Dies müssen wir aber in Abrede stellen. Die Revolution hatte den alten Rechtszustand vernichtet und es sollte ein neuer gebildet werden. Die National-Versammlung wurde durch das allgemeine Stimmrecht gewählt, um die Verfassung festzustellen. Diese Thatsache läßt sich so wenig in Abrede stellen, als der Versuch der Krone, eine Verfassung zu oktroyiren, nachdem sie die National-Versammlung aufgelöst hatte. Die erste Thatsache wird von beiden Parteien anerkannt, die zweite nicht. Das ist der Unterschied zwischen uns. Wir sind abermals durch das allgemeine Stimmrecht gewählt, um den Willen des Volkes festzustellen. Auf welchem Rechtsboden soll dieses geschehn? Es gibt keinen andern, als den der Geschichte, und diese sagt uns nur, daß im November die Gewalt zufälligerweise gesiegt hat. Hiernach haben wir das Prinzip festzustellen, welches wir befolgen wollen, und hierzu gibt uns der eigentlich nichts sagende Antrag von Behnsch Gelegenheit, da er die Frage als völlig offen hinstellt, während der andre schon von vorn herein ein Prinzip festsetzen will. Deshalb erkläre ich mich für den Antrag von Behnsch. v. Vincke (zu einer thatsächlichen Berichtigung): Der Redner hat erklärt: daß er nicht auf Grund der Verfassung, sondern des allgemeinen Stimmrechts hier sei, und daß die Verfassung auf dem Wege der Gewalt gegeben sei. Dies kann ich nicht für richtig erachten. Ich behaupte, daß die Verfassung in Folge der allgemeinen Akklamation von Seiten des Volkes zur Geltung gekommen sei. (Laute und heftige Unterbrechung auf der Linken.) Ich behaupte, daß das Volk die Verfassung gebilligt hat, und daß wir auf Grund der durch diese Verfassung erfolgten Wahl hier sind. (Nein, nein, auf der Linken.) Schwerin hat das bischen gesunde Vernunft, was von ihm nicht im Cultusministerium geblieben war, in der Paulskirche gänzlich verloren. Ziegler: Es ist fälschlich behauptet worden, die Nationalversammlung sei nicht berufen gewesen, eine Verfassung festzustellen. Ich habe hier gerade das damalige Wahlgesetz vor Augen, worin es heißt: „eine Verfassung durch Vereinbarung mit Uns festzustellen.“ (Große Heiterkeit auf der rechten Seite des Hauses.) Die Kammer beschließt den Schluß der Debatte und die Frage: soll der Behnsche Antrag, „durch die Wahl der Abtheilungen einen Ausschuß von 21 Mitgliedern zu bilden, welchem die am 5. Dezember oktroyirte Verfassung als Grundlage der Vorberathung für das Plenum überwiesen werde“ in weitere Erwägung gezogen werden, wird mit großer Majorität verneint. Riedel und Genossen ziehe ihren Antrag zurück. Waldeck wünscht über seinen Antrag wegen Aufhebung des Belagerungszustandes künftigen Montag gehört zu werden. Ludewig wünscht über seinen Antrag sofort gehört zu werden. Derselbe lautet: „Die Kammer wolle beschließen: daß das von der Staatsregierung unterm 7. Februar d. J. erlassene provisorische Gewerbegesetz, zu dessen Ausführung bereits geschritten wird, der Prüfung und Genehmigung der Kammer, welche der § 60 der Verfassungs-Urkunde vorschreibt, baldigst unterstellt werde. Der Antrag von Ludewig und Genossen erscheint durch die Einbringung der Regierungs-Vorlagen und die Verweisung derselben an die Abtheilungen, als erledigt. Die Berathung über den Philipps'schen Antrag wird einstweilen suspendirt. Der Antrag des Abgeordneten Schneider II. (Köln) und Genossen ist nunmehr an der Reihe. Derselbe lautet: „Die Hohe Zweite Kammer wolle beschließen: die sofortige Einberufung des in Untersuchungshaft im Gefängnisse zu Münster befindlichen Abgeordneten für den Wahlbezirk Paderborn, Herrn Justiz-Kommissarius Groneweg, zu veranlassen, eventuell durch den Herrn Alters-Präsidenten die sofortige Einsendung der betreffenden Untersuchungsakten zu verlangen und eine Kommission von sieben Mitgliedern zur Berichterstattung zu ernennen. Minister des Innern: erklärt, daß er nicht im Besitze der betreffenden Untersuchungs-Akten sei; daß dieselben jedoch leicht zu beschaffen sein würden. Temme: bittet, dem Schneider'schen Antrage ohne Diskussion beizustimmen. Graf Schwerin: gegen den Antrag; eben so v. Bismark. Die für den Antrag eingeschriebenen Redner der Linken verzichten auf das Wort. Um 3 Uhr kommt es zu einer leidenschaftlichen Debatte über den Antrag des Abgeordneten Großjohann auf unbedingte Portofreiheit Derselbe wird zurückgezogen. Dagegen beschließt die Kammer den Bauer'schen Antrag: „das Ministerium zu ersuchen, den Abgeordneten der Kammer die unbeschränkte Portofreiheit einzuräumen“ in weitere Erwägung zu nehmen; d. h. der Antrag wird in die Abtheilungen verwiesen. Schluß der heutigen Sitzung Nachmittags 3 1/4 Uhr. Nächste Sitzung: übermorgen Vormittag 10 Uhr. 61 Wien, 3. März. Ich habe Ihnen neulich geschrieben, daß der Gesammtstaat Oestreich nur zwei Möglichkeiten habe, eine Möglichkeit Metternich und eine Möglichkeit Standrecht. Ich bemerkte dabei, daß in diesem Augenblicke beide Möglichkeiten erschöpft sind und Oestreich im Begriff steht, in eine dritte Phase zu gerathen, in die Phase des Untergangs. Ich bin Ihnen damals den Beweis für meine Behauptung schuldig geblieben, weil ich glaubte, die Sache sei so evident, daß ich ihn füglich schuldig bleiben könnte. — Eine Rundschau in die deutschen Blätter überzeugt mich nun aber fast täglich von meinem Irrthume. Sie erlauben daher, daß ich meine Behauptung noch nachträglich ausführe. Fragt man in Europa den gewöhnlichsten gesunden Hausmannsverstand: Was denkst du von Oestreich? so gibt er einem gewiß zur Antwort: „Austria, die Urgroßmutter des römisch-spanisch-germanischen patriarchalisch-standrechtlichen Despotismus, ist selbst mit Moschus und Cayenne-Pfeffer nicht mehr zu kuriren, ihre Sterbeglocke hat diesmal definitiv geläutet, die alte Vettel liegt in der wildtobenden Agonie.“ Fragt man dagegen die hochgebildete Weisheit der deutschen Blätter, und selbst der meisten demokratischen, so weiß sie einem über die östreichischen „Wirren“ (Erfindung und feinste Pointe des politischen Verstandes der Söhne Teut's) einen solchen Frachtwagen urzuständlicher Gelehrsamkeit entgegenzufahren, daß man vor Schreck diese östreich. Wirren anerkennt und ihrer Ent- oder weitern Verwirrung mit tabackqualmender Gemüthlichkeit zuschaut. Es ist eine von den vielen genialen Eigenthümlichkeiten deutscher Blätter, immer hinter dem Geist der Verhältnisse und hinter dem Geiste der Völker zu stehen, statt beide zu pussiren, es würde mithin auch unbillig sein, wollte ich verlangen, daß die deutschen Blätter einen Schritt weiter aushalten, als die gegenwärtig in Oestreich wieder zur Geltung gekommene Geistespointe: „Mocht nix! S'is olles ahns!“ Ich will diese Arbeit selber übernehmen. Während die Intelligenz des „passiven Widerstandes“ allen Ernstes meint, die Sonne der deutschen Revolution (sit venia vorba) sei Berlin, hat die intelligenzlose Schnellkraft des aktiven Widerstandes, des initiativen Angriffs im März, Mai, September und Oktober bewiesen, daß die feuerlos-intelligente Sonne von Berlin im Grunde nichts anderes gewesen, als ein bleichschimmernder Mond, welcher sich um Wien, Deutschlands eigentlichsten Brennpunkt, gedreht. Die politische Intelligenz ist dort, wo Thaten geschehen; die gewaltigsten Thaten machen den Schwerpunkt der Intelligenz; passive Widerstände gehören auf den Büchermarkt nach Leipzig. Unter Metternich war in Deutschland Wien allein der Ort der wirklichen politischen That, alle andern Orte Deutschlands, am Meisten aber das mondscheinintelligente Berlin, waren nichts, als die sich blähenden Gedärme dieser Thaten. So ist's geblieben bis heute. Die Gründe zu diesen Ueberzeugungen, deren ich mich schon im Jahre 1846, bei meinem ersten Eintreten in Oestreich nicht erwehren konnte, liegen nicht ferne. Oestreich, offiziell das mächtige, altehrwürdige geheißen, obwohl es der Freiheit, der aktiven Freiheit gegenüber eine Ohnmacht ist, ist mehr, denn jede andere Macht Europas, eine bloße Schöpfung des patriarchalisch - dynastischen Absolutismus. Rußland hat, Polen abgerechnet, eine Nothwendigkeit des Daseins überhaupt zur Grundlage, Oestreich dagegen gleicht der Höhle eines siegreichen Räubers, welche derselbe im Centralpunkte einer großen Nachbarschaft angelegt hat. In Frankreich stürzten blos die Burbonen, weil Frankreich sich im Lauf der Zeit eine breite nationale und insofern demokratische Basis erworben hatte, in Oestreich aber müssen die Habsburger stürzen sammt ihrer dynastisch - idealen Absolutismus-Schöpfung Oestreich. Oestreich und Freiheit sind Gegensätze, wie in der Politik keine mehr existiren; Oestreich ist als Gesammtstaat die radikalste Unfreiheit, die es gibt, und die Freiheit muß der entschiedenste Feind von Oestreich sein. Die Vernichtung Oestreichs liegt daher allzeit im Aufschwung der Freiheit, oder mit andern Worten: Oestreich ist mit der Freiheit unmöglich, die Freiheit mit Oestreich. Hierin liegt das ganze Geheimniß der erst durch Metternich zur Kulmination gebrachten östreichischen Politik. Ein demokratisches, ein konstitutionelles Oestreich, Ideal des k. k. privilegirten Idioten Schuselka, ist vorläufig kompleter Unsinn, wider welchen Ungarn, Italien, Deutschland, Polen protestiren, und welches nur von den Czechen, dem blödesten Stamme, und von Schuselka, dem blödesten Geistesausdruck Oestreichs, noch aufrecht erhalten wird. Selbst die Kroaten faseln nicht länger von einem östreichischen Gesammtstaat. Der erste entscheidende Sieg der Demokratie muß hierfür Beweise liefern, die selbst den Idiotismus eines Subjekts wie Schuselka zur Erkenntniß bringen, da ihm die Vorgänge in Ungarn und Italien dazu noch nicht zu genügen scheinen. — Leider gibt's dieser Schuselka-Idioten hier in Wien, überhaupt aber im deutschen Oestreich noch die Hülle und Fülle, obwohl das eigentliche Volk, in welchem Schuselka nur Anarchie erblickt, sich durchaus vom rechten Genius hierin leiten läßt. Der Genius Deutsch-Oestreichs hat aber noch keine Persönlichkeit gefunden, in welcher er sich versinnlichte, Deutsch-Oestreich so wenig, als Gesammtdeutschland haben einen Kossuth. Die bisherigen Heerführer der deutsch-östreichischen Demokratie sind Idioten gewesen , an deren Sohlen die Schollen der Gesammtmonarchie kleben geblieben sind. Vielleicht haben sie jetzt als wiener Flüchtlinge im Auslande Gelegenheit und Geist genug, diese östreichisch-naive Scholle, ihren bisherigen Standpunkt, von sich zu werfen. Wir wollen es wünschen und erwarten, damit nach neuen Thaten Schuselka-Geister nicht im Stande sind, sich der Bewegung abermals zu bemeistern. Den untrüglichsten Beweis für den Blödsinn dieses Geistes gaben uns die czechischen Studenten, sie haben Schuselka eine Adresse zugeschickt; dieser Geist ruft jetzt am 3. März erst aus: „Oestreich wird nicht regiert, es wird terrorisirt!“ An dem Untergange Wiens und an den schauerlichen Folgen desselben ist Niemand anders schuld, als eben dieser deutsch-katholisch verklärte, mit der Gloriole des Hamburger Rauchfleischs umnebelte Gesammtausdruck der östreichischen Bornirtheit, Schuselka. Hütet eure Zukunft vor der Heiligsprechung dieser Bornirtheit! Das Haus Habsburg stützte sich anfänglich auf einen festern Boden, als auf den der östreichischen Monarchie, es stützte sich auf Deutschland, seine Wiege. Die gutwilligen deutschen Knochen, obwohl sie in Deutschland dem Hause Habsburg die Klodwigs-Arbeit verdarben, halfen demselben dennoch nach außen hin die Länder rauben, welche das Haus neben seinen Erbländern erworben hat, und die Rache der in diesen Ländern wohnenden nichtdeutschen Völker verschaffte ihm auf der andern Seite die Macht, Deutschland's, ja Europa's, geistigen Fortschritt auf Tod und Leben zu bekämpfen. — Nur mit Oestreichs ungeheurem Bleigewicht am Beine war es möglich, die volle Entwicklung der Reformation zu hemmen, die Revolution fast ungeschehen zu machen. Der Absolutismus der französischen Könige hatte wenigstens den Vorzug eine geistreiche, eine glänzende Erscheinung zu sein, der Absolutismus der Habsburger aber gefiel sich von jeher in der Pointe der vollkommensten Verthierung unter Greuel und Jesuitismus. Als das Haus Habsburg erkannte, daß es allein dem Zeitgeist nicht mehr zu trotzen vermöge, trug es keine Scheu, sich mit der asiatischen Barbarei zu verbünden. Rußland ist nur darum eine europäische Großmacht geworden, weil das Haus Habsburg zum Kampf wider die Civilisation eines breiten Rücken bedurfte. Habsburg heißt daher der Strang, an welchem die europäische Freiheit seit Jahrhunderten baumelt, Habsburg ist der große ins Centrum Europa's festgewurzelte Galgen des Fortschritts. Keine Dynastie hat sich im Prinzip, wie durch die That, so an der Menschheit versündigt, als die Standrechtsdynastie Habsburg. Die Romanow's sind durch sie ursprünglich erst in das infame Handwerk der Völkerverknutung und Völkerausmordung eingeweiht worden, mögen sie ihre Meister nun auch übertreffen. Darum steht rundum die weiten Grenzen des Gesammtstandrechtsstaats mit Höllenflammen: Lasciate ogni speranza voi ch'entrate! Hätten die Habsburger sich mit den deutschen Knochen keine außerdeutschen Rekrutenställe zu erobern gewußt, sie würden gleichzeitig mit den Bourbonen untergegangen sein. Denn in ihrem Polizeikampf wider den Genius der Völker waren die Habsburger immer nur dem Anscheine nach siegreich, in den Resultaten mußten sie zuletzt immer das Feld räumen. Die eigentlichen Resultate des dreißigjährigen, siebenjährigen und französischen Kriegs waren im Grunde ja immer nur Niederlagen für das habsburgische Prinzip absoluter Knechtung. Die geistige Bewegung Euro- [Fortsetzung] Hierzu eine Beilage.

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 243. Köln, 11. März 1849, S. 1344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz243i_1849/4>, abgerufen am 25.04.2024.