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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 243. Köln, 11. März 1849.

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die beiden Offiziere. Sein Glück war aber gemacht. Er war der Mann des Tages. Die englischen Journale machten sich ein Vergnügen daraus, ihre Spalten durch die abentheuerlichen Berichte des Doktors zu würzen, und der Doktor selbst stieg auf alle Kanzeln und Tribünen, um auch mündlich den erstaunten Pfarrkindern seine Don-Quixotiaden vorzutragen. Eine Pfarre, die etwa 600 Pfund einbrachte, und eine Lady mit ebensoviel Rente, waren bald die Belohnung des jüdisch-römisch-anglikanischen Frankfurters, und nie hat wohl Jemand den frommen Bewohnern Großbritanniens eine entsetzlichere Nase gedreht, als unser Wölffchen."

Hier schwieg die holde Göttin der Langenweile. Der Spleen kaute an den Fingern, die Seekrankheit schaukelte sich auf ihrem Sessel und ich selbst war so entzückt über die interessanten Mittheilungen meiner Freundin, daß ich das Trinken ganz darüber vergessen hatte -- was gewiß viel heißen will.

Aber seht, ihr Romanschreiber und Novellendichter: wenn ich von der Langenweile träume, so bin ich interessanter, als wenn ihr wachend Eure kurzweiligsten Schätze zu produziren versucht.

(Fortsetzung folgt.)

Blödsinn deutscher Zeitungen.

Berlin, 23. Febr. Am Hofe und in den den Hof umgebenden Kreisen soll jetzt auf ein Ereigniß gehofft werden, dessen Eintritt seit vielen Jahren für unwahrscheinlich gehalten wurde.

(Kölnische Zeitung.)

Pesth, 1. März. Stadtgespräch bildet gegenwärtig die Entbindung eines Eisenbahnarbeiters Namens Stephan Rußa. Dieser etwas bärtige Hermaphrodit genas am 26. Februar Nachmittags um vier Uhr eines gesunden, kräftigen Knaben und ist natürlich der Gegenstand der allgemeinen Schaulust.

(C. Bl. a. B.)

[Deutschland]

der wichtigsten Geschäfte wegen hier. Da erinnerte sich T. zum Glück, daß er als Besitzer mehrerer Güter in Russisch-Polen auch russischer Unterthan sei, begab sich zum Gesandten, Baron von Meyendorf, und erlangte durch den Russen, zum Schmerz der hohen Inquisition, die Erlaubniß, noch hier zu bleiben.

Der Redakteur der "Neuen Preußischen Zeitung", Assessor Wagner, ist beim Oberlandesgericht in Magdeburg angestellt. Dieses hat ihn aus unbekannten Gründen beurlaubt. Hr. Wagner ist ja derselbe, der in seiner Zeitung gegen derartiges Verfahren immer zu Felde zieht. Wie kann er denn seine eigene Meinung mit der seiner Zeitung vereinbaren?

Als Herr Wagner gestern in seinem Nachdrucksprozeß vor Gericht erschien, hatte er zu seinem persönlichen Schutze nur zwanzig Konstabler requirirt, und das ist derselbe Mensch, der in jeder Nummer seines Lügenblatts über die Feigheit der Demokratie herzieht; der noch vor Kurzem rodomontirte, es sei ihm ganz egal, ob er jetzt getödtet werde, oder in zehn Jahren an der Wassersucht sterbe. Sonderbar, daß die Verhandlung nicht vor sich gehen konnte, weil der würdige Staatsanwalt, wir wollen nicht untersuchen aus welchen Gründen, vergessen hatte zu erscheinen.

An der Börse coursirte das Gerücht, die Reichsversammlung in Kremsier sei aufgelöst. In Folge dessen fielen sämmtliche Course.

In der ersten Kammer sind schon verschiedene Verbesserungsanträge zu der Stylübung des Herrn Gruppe, genannt Adresse, angekündigt worden. Eine Einstimmigkeit wird in der hohen Versammlung wohl nicht erzielt werden, so sehr sich auch der Verfasser des Aktenstückes au niveau der Intelligenz seiner Mandanten befinden mag.

Die Feier des 18. März beschäftigt jetzt fast die ganze Bevölkerung, wenn man sich überhaupt für die Kammern interessirt hätte, dann würden sie jetzt vergessen sein. Viele Versammlungen werden gehalten und der Entschluß ist Allen gemein, eine Feier unter jeder Bedingung, auch trotz des Belagerungszustandes, zu veranstalten.

Der Publicist, dessen Redakteur in Gefahr ist, versetzt zu werden, wird jetzt sehr zahm. Er bricht in seiner heutigen Nummer eine Lanze gegen uns für die Urparteilichkeit des Kriminalgerichts: "Die Richter des Kriminalgerichts hätten bewiesen, daß ihnen jeder Angeklagte vollkommen gleich sei. Wer nach den Urtheilen wider Fähndrich, Hopf, Friedrich dieser Ansicht widersprechen wolle, der müsse durch Parteigesinnung so verblendet oder von bösem Willen so erfüllt sein, wie die demokratische Correspondenz." Der Publicist ist in dieser Anklage gegen sich selbst aufgetreten. Wir sagten von den Mitgliedern des Gerichtshofes, sie könnten sich, auch wenn sie es wollten, dem Eindruck ihrer politischen Meinung nicht entziehen. Er erwartete von ihnen entschiedene Verrücktheit, er erwartete, daß sie die Hochverräther zu Rad und Galgen verurtheilen würden, und freuet sich nun kindlich konstitutionell, daß dem nicht so ist. Wir bemerken übrigens, daß wir allerdings so "von Parteigesinnung verblendet und vom bösen Willen erfüllt sind", daß wir ein jedes Urtheil, welches der Kriminalgerichtshof nach dem antedeluvianischen Landrecht über sogenannte politische Verbrecher fällt und gefällt hat, mag es freisprechen oder verdammen, ein ungerechtes nennen, daß wir mit Recht schon am 19. März v. J. verlangen konnten, er solle sich in solchen Prozessen inkompetent erklären. Nur vom Volk gewählten Geschwornen stand es nach der Revolution zu, Recht zu sprechen, und die Gerichtshöfe waren anarchistisch im schlechten Sinne des Wortes, als sie "die Herrschaft des Gesetzes wieder herstellen wollten."

Herr Hinkeldey, der ehrenwerthe Oberkonstabler, bereichert unsere humoristische Literatur durch seine heutige Verfügung, daß Jeder, welcher vor dem Thore spazieren gehen will, mit einem Passe müsse versehen sein. Die fliegenden Buchhändler, deren Geschäft j[e]tzt sehr danieder liegt, danken dem Polizeipräsidenten, da sie wie früher in Kladderadatsch, jetzt in Pässen machen werden.

Aus den kleinen Städten der Provinz Posen, welche bei der Insurrektion betheiligt waren, wird das Militär jetzt herausgezogen. So auch aus Grätz. Der dortige konstitutionelle Verein, bekannt durch seine Ergebenheitsadressen, in welchen er ganz unterthänigst um einen königlichen Fußtritt bat, geräth darob in Angst und Schrecken, und will die Soldaten wieder dahin haben. Der kommandirende General sagte aber ganz naiv, "man brauche die Truppen jetzt zum Cerniren der revolutionären Städte, wie Berlin und Breslau. Wenn übrigens die Polen es wagten, noch einen Aufstand anzufangen, so würden die Städte wie Buck, der Erde gleich gemacht werden." Buck und Grätz liegen aber im "deutschen" Theil der Provinz!

Je mehr sich der Belagerungszustand seinem Ende naht, steigt der Uebermuth dieser Soldaten, welche jetzt unsere Herrscher sind. Es ist an der Tagesordnung, daß Leute, welche an Kasernen vorübergehen, insultirt werden.

In Frankfurt a. O. darf es kein Soldat wagen, die deutsche Kokarde zu tragen. Bei dem geringsten Vergehen wird er unnachsichtlich bestraft! Es lebe das einige Deutschland!

In der Herrencurie kamen heute allerlei spaßhafte Dinge zur Verhandlung. Die Octroyirte wurde zur Berathung in die Abtheilungen verwiesen. Die Sache war ganz einfach, hielt aber Herrn v. Schleinitz nicht ab, auf der Tribüne zu erscheinen. Schleinitz, der Don Quixote aller Orden verpflichtet sich die Zeitungen zu ewiger Dankbarkeit. Seine Rede ist schon lange gedruckt, ehe er noch daran dachte, sie zu halten. ([unleserliches Material]f. die stenogr Berichte der Nat.-Vers. zu Berlin, Frankfurt u. Wien). Er sprach von dem hohen Beruf der Versammlung, von der Sehnsucht, mit welcher das Land die Verfassung erwarte u. s. w. Sodann erschien Herr Leue, der eine lange juristische Deduction zum Besten gab und die omnibus rebus etc. Forckenbeck machte einige kurze Bemerkungen und jetzt kommt der Glanzpunkt der Sitzung. Rintelen erhebt sich. Mit majestätischem Anstand hält er stotternd eine Apologie für seine bekannte Reform der Gerichte. "Eine Veränderung", sagte er, "war nothwendig und diese Veränderung, das nennt man Reorganisation." Würdiger Rintelen! -- Große Blamage! -- Diesen Ausspruch wird man unter Dein Portrait setzen. Er wird Deinen Namen der dankbaren Nachwelt erhalten. Du wirst belohnt werden für Deine Treue und wirst vergessen die spottende Heiterkeit der Kammer, Papageno Milde's Lachen und das Ehren-Baumstark's. Der Antrag wird nach der ziemlich guten Rede Daniels in die Abtheilungen geschickt. --

In der zweiten Kammer haben wir heute Gelegenheit gehabt die sogenannten Koryphäen der Versammlung zu hören. Manteuffel hat mit blutendem Herzen den Belagerungszustand verhängt, aus Liebe zu Berlin, "denn wen der Herr liebt, den züchtigt er." Kirchmann sprach sehr gut gegen die Adresse. Der Abg. Urlichs, der Substitut Ehren-Baumstark's, will eine Adresse aus mancherlei Ursachen und bringt das arme Troja wieder vor, indem er die Versammlung mit den Helden vergleicht, welche nach dem Kampfe von Troja sich die Hände reichen und Geschenke wechseln (octroyiren). -- Zuletzt erhebt sich noch Herr v. Vinke für seinen Antrag eine Adresse zu erlassen. Er spricht nach der Weise der Frankfurter sehr lang, verspricht aber bei der Adreß-Debatte kurz zu sein. Ueber seinen Horizont geht es, daß viele Juristen sich auf Grund einer ungültig erklärten Verfassung hätten wählen lassen. Der Horizont eines westphälischen Krautjunkers ist eng. -- Bei der Debatte über den Antrag Behnsch, einen Ausschuß über die Vorberathung der Octroyirten einzusetzen, heben wir besonders Herrn Stiel, Teltower Abgeordneten, hervor, der sich mit seltener Arroganz der Intelligenz seiner Wähler würdig zeigte.

-- D'Ester behauptet zum Schrecken der Rechten, er sei nicht auf Grund der Verfassung, sondern des allgemeinen Stimmrechts gewählt. Natürlich muß Vinke darauf noch einigen Unsinn sprechen, indem es wieder über seinen Horizont geht, daß das Volk die Versammlung nicht gebilligt habe. -- Schwerin ist sein würdiger Nachfolger und nachdem sich noch Herr Ziegler blamirt hat, wird der Antrag zurückgewiesen. -- Zu guter Letzt ereifert sich die Kammer noch bei der Portofreiheit. Berg griff die octroyirten Minister mit ziemlichem Witz an und v. d. Heydt blamirte sich gründlich, indem er Verwahrung einlegte gegen den Vorwurf, er habe mit Hohn von der Versammlung gesprochen.

Sitzung der ersten Kammer.

Präsident Auerswald.

Anfang bald nach 10 Uhr.

Das Protokoll der vorigen Sitzung wird verlesen und ohne Aenderung angenommen.

Der Präsident zeigt den Eintritt folgender Mitglieder an: Diterici, Goltdammer, v. Daniels, Grem, Knoblauch und Hesse. Zwei Mitglieder, der Regierungsrath Ner[unleserliches Material]el und Land- und Stadtgerichtsrath Müchel (Posen) haben die auf sie gefallenen Wahlen abgelehnt. Polizeidirektor Braun (Köslin) bittet um unbestimmten Urlaub, um in der Paulskirche anwesend zu sein, damit es gelinge, die Versuche einer der Einheit feindlichen "Reaktion" vereiteln zu helfen.

Die zweite Kammer zeigt ihre Konstituirung und die Wahl ihrer Präsidenten und Schriftführer an.

Die Versammlung geht nach diesen einleitenden Mittheilungen zur Tagesordnung über, d. h. zunächst zur weiteren Prüfung der Wahlprotokolle. Die Wahlen werden sämmtlich ohne Widerspruch für gültig erkannt.

Auf der Tagesordnung steht ferner folgender Antrag des Abgeordneten Schleinitz und Genossen:

"Die hohe Kammer wolle beschließen:
daß die Verfassungsurkunde vom 5. Dezember 1848 den Abtheilungen zur Vorberathung über die vorbehaltene Revision überwiesen werde."

Motive.

Da die Verfassungsurkunde von 5. Dezember als rechtsgültig anerkannt werden muß, und daher nicht anzunehmen ist, daß die Staatsregierung über die darin vorbehaltene Revision der hohen Kammer besondere Vorlagen wird zugehen lassen, da es aber von hoher Wichtigkeit erscheint, daß durch die Erledigung der vorbehaltenen Revision das Verfassungswerk zum Segen des theuren Vaterlandes seine endliche Vollendung erhalte, so erscheint der vorstehende Antrag gerechtfertigt. Schleinitz. Triest. Schroeder. Berens. Wittgenstein. v. Frantzius. u. s. w.

Nach der Geschäftsordnung findet zunächst in der Kammer nur die vorläufige Berathung Statt, worauf der Antrag zur weiteren Erwägung an die Abtheilungen geht.

Schleinitz spricht seinen von uns schon erwähnten Unsinn.

Präsident: Ich frage, ob der Antrag Unterstützung findet?

Fast die ganze Versammlung erhebt sich und da sich Niemand zum Worte meldet, wird die Frage gestellt:

"ob der Antrag zu einer weiteren Berathung in die Abtheilungen verwiesen werden soll.

Abg. Milde zur Fragestellung: Die Frage muß so gestellt werden, daß damit nicht denjenigen Mitgliedern präjudizirt wird, welche weit entfernt sind, eine Berathung der Verfassung in den Abtheilungen zu veranlassen. Durch ein solches Verfahren werden wir dahin geführt, wo wir am 9. November waren. Die Frage des Präsidenten wird hierauf fast einstimmig bejaht.

Minister Rintelen: Durch das Reichsgesetz vom 27. November v. J ist für Deutschland eine gemeinsame Wechselordnung erlassen worde. Die Regierung hat keinen Anstand genommen, diese Wechselordnung anzunehmen, konnte jedoch nicht umhin, einige abändernde Bestimmungen hinzuzusetzen. Auf Grund des Artikel 105 ist deshalb eine vorläufige Verordnung erlassen, die ich hiermit der hohen Kammer vorlege. Ebenso lege ich Ihnen eine Verordnung, betreffend die Aufhebung der bäuerlichen Erbfolge in Westphalen vor.

Auf der Tagesordnung folgt ferner ein dringender Antrag von Leue und Milde:

"Die Verfassungsurkunde vom 5. Dezember 1848, § 105 bestimmt:

"Wenn die Kammern nicht versammelt sind, können in dringenden Fällen Verordnungen mit Gesetzeskraft erlassen werden, dieselben sind aber den Kammern bei ihrem nächsten Zusammentritt zur Genehmigung sofort vorzulegen.

"In Folge dieser Bestimmung sind zwei Verordnungen publizirt:

1. vom 2. Januar d. J. über die Aufhebung der Privatgerichtsbarkeit und des eximirten Gerichtsstandes, so wie über die anderweitige Organisation der Gerichte,

2. vom 3. Januar d. J. über die Einführung des mündlichen und öffentlichen Verfahrens mit Geschwornen.

"Beide Verordnungen sollen mit dem 1. April in Kraft treten und der Justizminister ist mit der Ausfuhrung dieser neuen Einrichtungen beauftragt. Erst heute sind sie als Gesetzesvorlagen der Staatsregierung der ersten Kammer übergeben und mit der Ausführung der neuen Organisation wird ohne Unterbrechung fortgefahren.

"Unter den dringenden Fällen des § 105, welche den ungesäumten Erlaß einer provisorischen Verordnung erfordern, können aber nicht solche organische Gesetze verstanden werden, welche eine völlige Umgestaltung des ganzen bisherigen Gerichtswesens bewirken und neue Formen für das Staatsleben erschaffen. Noch weniger scheint es mit dem gegenwärtigen Staatsrecht des Königreichs und den Rechten der Kammern vereinbar, daß solche provisorische Verordnungen vor deren Eröffnung erlassen und während ihrer Sitzungen unter ihren Augen ausgeführt werden.

"Dazu kömmt, daß beide Verordnungen in sich mangelhaft und sehr weit davon entfernt sind, ihren Zweck zu erfüllen, das Recht und die bürgerliche Freiheit zu sichern. Bei der voraussichtlich kurzen Dauer ihrer Gültigkeit werden die Gerichte und die Gerichtseingesessenen aus einem alten und gewohnten, wenn auch sehr unvollkommenen Zustande, in ein Provisorium versetzt, dessen Ungewißheit immer etwas Peinliches für alle Theile an sich hat, und die Kosten der jetzt ausgeführten Einrichtungen sind vergeblich aufgewendet. Besser ist es, daß der alte und gewohnte Zustand noch einige Zeit erhalten werde und an dessen Stelle die neue Organisation auf einmal tritt, deren ungewohnte Formen Jeder gern annehmen wird, wenn er weiß daß es nur ein einziger Uebergang ist.

"Aus diesen Gründen stellen die Unterzeichneten den Antrag:

"Die hohe Kammer wolle die Bitte an Se. Majestät den König beschließen, den Justizminister anzuweisen, mit Ausführung der beiden Verordnungen vom 2. und 3. Januar d. J. einzuhalten."

Der Abg. Leue begehrt sogleich gehört zu werden.

Abg. Leue: Ich habe einen formellen und materiellen Grund, weshalb ich zu meinem Antrag genöthigt werde. Der erste ist, daß solche die Gerichtsverfassung des Landes betreffende Verordnungen, nicht zu denjenigen gehören können, die in Artikel 105 der Verfassung -- eine Bestimmung, die ich übrigens vertheidigen werde -- zu den "dringenden" gezählt werden. Der andere Grund ist, daß jene Verordnung zu mangelhaft ist. Die Gerichtsverfassung eines Lands darf nicht anders, als im organischen Zusammenhange mit der Staatsverfassung berathen werden. Von den vielen materiellen Mängeln hebe ich nur zwei hervor: die Einrichtung der Civilgerichte und die Geschwornengerichte. Die Erfahrung lehrt: je kleiner die Gerichte, desto schlechter die Justiz. Das lehrt Frankreich, und man kann auch das Andenken des seligen Kanzlers Beyme nicht besser ehren, als durch Einrichtung großer Gerichte. Führt man kleine Kreisgerichte ein von 6 bis 7 Mitgliedern, so versauern und verbauern die Richter. Die schwierigsten Rechtssachen, die Streitigkeiten zwischen Gutsbesitzern und Pächtern will man aber solchen Richtern anvertrauen. Sobald der Prozeß ein Kunstwerk wird, erfordert er ein großes Gericht. Für kleine Sachen dienen die Friedensrichter. -- Was ferner die Geschwornengerichte betrifft, so muß man diese so unabhängig und frei hinstellen, daß kein Mißtrauen gegen sie aufkommen kann. Durch jene Verordnung ist aber ein solcher Schein der Parteilichkeit möglich gemacht, daß die ungerechtesten Urtheile zu Stande kommen werden. Ich will auf andere Mängel nicht eingehen, ich will nur hervorheben, daß es so mangelhaft ist, daß ich eher das alte schriftliche Verfahren haben möchte, als diese Geschwornengerichte. Noch ist es Zeit, einen schleunigen Beschluß zu fassen. Bewahren wir das Land vor einem neuen Provisorium. (Beifall).

Der Antrag wird zahlreich unterstützt.

Abg. Forkenbeck: Den Motiven, welche der Vorredner anführt, kann ich nicht beistimmen. Dem Antrage in seiner Allgemeinheit glaube ich mich widersetzen zu müssen. Zwar halte ich die verordnete Einrichtung der Geschwornengerichte ebenfalls für mangelhaft. Doch ist es unmöglich, länger in dem gegenwärtigen Provisorium zu verharren. Wir müssen Maßregeln treffen, daß die Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit baldigst in das Leben trete. Mein Wunsch wäre es, die Verbesserung der Verordnungen und ihre praktische Ausführung zu vereinigen. Deshalb scheint mir eine Vertagung des Antrags zweckmäßig.

Es wird hierauf folgender Unterantrag von Leue und Milde verlesen:

"Bei der Dringlichkeit, der die Aufhebung der Privatgerichtsbarkeit und des eximirten Gerichtsstandes ins Leben führenden Maßregeln eine Kommission von 15 Gliedern, aus allen Abtheilungen gebildet, zu ernennen, um der hohen Kammer schleunig Bericht darüber zu erstatten, auf welche Weise, unerachtet jener Suspension, die Aufhebung der Privatgerichtsbarkeit und des eximirten Gerichtsstandes in möglichst kürzester Zeit ausgeführt werden könne und um den diesfalls an die Staatsregierung zu stellenden Antrag vorzubereiten."

Motive.

So wohl begründet im Allgemeinen der obengenannte Hauptantrag erscheint, so ist es doch bei der allgemeinen Stimmung des Landes, namentlich der Provinz Schlesien, dringend nöthig, dem längst gehegten Wunsche nach Aufhebung der Privatgerichtsbarkeit und des eximirten Gerichtsstandes, welcher in der Verordnung vom 2. Jan. 1849 seine Erfüllung gefunden hat, die schleunige Ausführung der dadurch gebotenen Maßregeln folgen zu lassen. Es dürfte nicht schwer sein, diesen Zweck trotz der beantragten allgemeinen Suspension zu erreichen, und es wird die Aufgabe der zu bildenden Kommission sein, der Hohen Kammer einen darauf bezüglichen Antrag zur Berathung und Beschlußnahme vorzulegen.

Kuh. K. Graf Dyhrn. Goebel.

Rintelen hält die Apologie für seine Reorganisation.

Daniels: Ich erkläre, daß ich keinen einzigen der von dem Herrn Justizminister vorgetragenen Gründe für triftig anerkennen kann. Es handelt sich nicht so sehr um die formelle Berechtigung jener Verordnungen, als um ihre Zweckmäßigkeit. Nichts bedarf Deutschland so sehr als der Einheit in jenen Formen, nach denen der Richter das Recht spricht. Diese Einheit werden die Verordnungen des 2. und 3. Jan. herbeiführen. Ob es zweckmäßig war, der Krone mit solchen Vorschlägen entgegen zu kommen, ist sehr zweifelhaft. Wenn man Bedenken trägt, die Patrimonialgerichte fortbestehen zu lassen, konnten sie nicht fortan im Namen des Königs Recht sprechen oder mit einem benachbarten Kollegium vereinigt werden?

Was die Geschwornengerichte betrifft, so spricht gegen die Gestalt, wie sie die Verordnung will, sowohl Erfahrung als Wissenschaft Mit diesem Flickwerk kommen wir nicht in eine bessere Lage. Was war einfacher, als uns eine Revision der Verordnungen vorzubehalten. Eine weise Einrichtung ist so beschaffen, daß sie sich den örtlichen Bedürfnissen anpassen kann. Dies ist der Fall mit der rheinischen Gerichtsverfassung. Ich bin grundsätzlich für nichts so sehr, als für eine achtungswerthe Einrichtung der Gerichte erster Instanz. Hier leidet die Rheinprovinz an einem bedeutenden Mangel. Dort hat man Modifikationen beliebt und dem Uebel nicht abgeholfen. Es ist deshalb keine Nothwendigkeit vorhanden, örtliche Rücksichten ausschließlich vorwalten zu lassen. Es hat der Herr Justizminister gesagt, das Land habe nicht remonstrirt, ich will es glauben, daß die Gerichte bei der Schwierigkeit der Ausführung zum Remonstriren gar keine Zeit gehabt haben. (Heiterkeit) Aber man hätte auch die Stimme des Publikums hören sollen. Ich werde in die Details nicht eingehen, daß aber dem Lande große Kosten erspart und daß das Unvollkommene nicht das Bessere hindere, halte ich für sehr wesentlich. (Beifall und Ruf nach Schluß).

Abgeordneter Baumstark gegen den Schluß: Ich bin durch die Gründe des Herrn Justiz-Ministers nicht überzeugt, möchte aber gern noch Gründe der Gegner hören. Auch muß dem Justiz-Minister Zeit und Gelegenheit zur Erwiderung bleiben.

Justiz-Minister: Ich fürchte, daß wenn der Antrag auf Suspension der Verordnungen angenommen wird, die reorganisation der Gerichte in nächster Zeit gar nicht zu Stande kommen werde. Die in den Verordnungen in Aussicht gestellte Einrichtung von Kreisgerichten halte ich für durchaus zweckmäßig.

Der Antrag auf Schluß wird hierauf genehmigt und ebenso der Hauptantrag zur weitern Erwägung der Abtheilung überwiesen.

Präsident: Im Laufe der Sitzung ist mir eine Mittheilung des Staats-Ministeriums zugegangen. Ich bitte den Schriftführer, dieselbe zu verlesen.

(Geschieht. Die Mittheilung betrifft die der zweiten Kammer vorgelegte Denkschrift in Ansehung des Belagerungszustandes.)

Schluß der Sitzung 12 1/2 Uhr.

Nächste Sitzung Sonnabend 10 Uhr.

Sitzung der zweiten Kammer.

Präsident-Grabow. Auf der Ministerbank befinden sich Graf Brandenburg, v. Ladenberg, v. Strotha, v. Manteuffel und. Raabe.

Das Protokoll wird durch den Schriftführer Gellern verlesen und genehmigt.

Minister des Innern: Ich habe mir das Wort erbeten, um die angekündigten Vorlagen in Betreff des über Berlin verhängten Belagerungszustandes einzubringen. Dieselben sind doppelter Natur:

1. Bestehen sie in drei Gesetzentwürfen, zum Schutze der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, und zwar:

a) in dem Entwurfe eines Gesetzes gegen den Mißbrauch des Versammlungs- und Vereinigungsrechts,
b) in einem Gesetzentwurfe, öffentliche Anschläge und Plakate betreffend,
c) in dem Entwurfe eines Gesetzes gegen den Mißbrauch der Presse.

Die Vorlagen überreiche ich der hohen Kammer zur verfassungsmäßigen Berathung und Beschlußnahme.

2. Habe ich eine Denkschrift über die Gründe der Verhängung des Belagerungszustandes zur Prüfung und Beurtheilung zu überreichen.

Nach §. 23. des Geschäfts-Reglements werden die Vorlagen erst zu drucken und an die Deputirten zu vertheilen sein. Ich kann mich daher einstweilen eines Eingehens auf den Inhalt dieser Vorlagen enthalten. Nur Eins will ich aussprechen: Die Regierung hat nur widerstrebend und nur um deshalb den Belagerungszustand verhängt, weil sie darin das einzige Mittel sah, einer großen drohenden Gefahr wirksam entgegen zu treten. Sie hat sich nicht verhehlt, daß diese Maßregel heftigen Angriffen ausgesetzt sein würde, wenn der Belagerungszustand noch während der Kammerdebatten fortdauer. Indeß hat die Ueberzeugung den Ausschlag gegeben, daß ohne die größten Gefahren für das Land der Belagerungszustand jetzt noch nicht aufgehoben werden kann. Das Ministerium wünscht aber dringend, sobald als möglich der schwerlastenden Verantwortlichkeit für diese Maßregel überhoben zu werden, oder aber eine Erleichterung in Betreff des Belagerungszustandes herbeiführen zu können. Wenn Sie die Gründe der Verhängung billigen, so nehmen Sie die Verantwortlichkeit von unsern Schultern und wenn Sie den drei Gesetzvorlagen Ihre Genehmigung ertheilen, so wird der Zeitpunkt näher gerückt, wo der Belagerungszustand aufgehoben werden kann.

Präsident Grabow: Ich werde den Druck der Gesetzesvorlagen

die beiden Offiziere. Sein Glück war aber gemacht. Er war der Mann des Tages. Die englischen Journale machten sich ein Vergnügen daraus, ihre Spalten durch die abentheuerlichen Berichte des Doktors zu würzen, und der Doktor selbst stieg auf alle Kanzeln und Tribünen, um auch mündlich den erstaunten Pfarrkindern seine Don-Quixotiaden vorzutragen. Eine Pfarre, die etwa 600 Pfund einbrachte, und eine Lady mit ebensoviel Rente, waren bald die Belohnung des jüdisch-römisch-anglikanischen Frankfurters, und nie hat wohl Jemand den frommen Bewohnern Großbritanniens eine entsetzlichere Nase gedreht, als unser Wölffchen.“

Hier schwieg die holde Göttin der Langenweile. Der Spleen kaute an den Fingern, die Seekrankheit schaukelte sich auf ihrem Sessel und ich selbst war so entzückt über die interessanten Mittheilungen meiner Freundin, daß ich das Trinken ganz darüber vergessen hatte — was gewiß viel heißen will.

Aber seht, ihr Romanschreiber und Novellendichter: wenn ich von der Langenweile träume, so bin ich interessanter, als wenn ihr wachend Eure kurzweiligsten Schätze zu produziren versucht.

(Fortsetzung folgt.)

Blödsinn deutscher Zeitungen.

Berlin, 23. Febr. Am Hofe und in den den Hof umgebenden Kreisen soll jetzt auf ein Ereigniß gehofft werden, dessen Eintritt seit vielen Jahren für unwahrscheinlich gehalten wurde.

(Kölnische Zeitung.)

Pesth, 1. März. Stadtgespräch bildet gegenwärtig die Entbindung eines Eisenbahnarbeiters Namens Stephan Rußa. Dieser etwas bärtige Hermaphrodit genas am 26. Februar Nachmittags um vier Uhr eines gesunden, kräftigen Knaben und ist natürlich der Gegenstand der allgemeinen Schaulust.

(C. Bl. a. B.)

[Deutschland]

der wichtigsten Geschäfte wegen hier. Da erinnerte sich T. zum Glück, daß er als Besitzer mehrerer Güter in Russisch-Polen auch russischer Unterthan sei, begab sich zum Gesandten, Baron von Meyendorf, und erlangte durch den Russen, zum Schmerz der hohen Inquisition, die Erlaubniß, noch hier zu bleiben.

Der Redakteur der „Neuen Preußischen Zeitung“, Assessor Wagner, ist beim Oberlandesgericht in Magdeburg angestellt. Dieses hat ihn aus unbekannten Gründen beurlaubt. Hr. Wagner ist ja derselbe, der in seiner Zeitung gegen derartiges Verfahren immer zu Felde zieht. Wie kann er denn seine eigene Meinung mit der seiner Zeitung vereinbaren?

Als Herr Wagner gestern in seinem Nachdrucksprozeß vor Gericht erschien, hatte er zu seinem persönlichen Schutze nur zwanzig Konstabler requirirt, und das ist derselbe Mensch, der in jeder Nummer seines Lügenblatts über die Feigheit der Demokratie herzieht; der noch vor Kurzem rodomontirte, es sei ihm ganz egal, ob er jetzt getödtet werde, oder in zehn Jahren an der Wassersucht sterbe. Sonderbar, daß die Verhandlung nicht vor sich gehen konnte, weil der würdige Staatsanwalt, wir wollen nicht untersuchen aus welchen Gründen, vergessen hatte zu erscheinen.

An der Börse coursirte das Gerücht, die Reichsversammlung in Kremsier sei aufgelöst. In Folge dessen fielen sämmtliche Course.

In der ersten Kammer sind schon verschiedene Verbesserungsanträge zu der Stylübung des Herrn Gruppe, genannt Adresse, angekündigt worden. Eine Einstimmigkeit wird in der hohen Versammlung wohl nicht erzielt werden, so sehr sich auch der Verfasser des Aktenstückes au niveau der Intelligenz seiner Mandanten befinden mag.

Die Feier des 18. März beschäftigt jetzt fast die ganze Bevölkerung, wenn man sich überhaupt für die Kammern interessirt hätte, dann würden sie jetzt vergessen sein. Viele Versammlungen werden gehalten und der Entschluß ist Allen gemein, eine Feier unter jeder Bedingung, auch trotz des Belagerungszustandes, zu veranstalten.

Der Publicist, dessen Redakteur in Gefahr ist, versetzt zu werden, wird jetzt sehr zahm. Er bricht in seiner heutigen Nummer eine Lanze gegen uns für die Urparteilichkeit des Kriminalgerichts: „Die Richter des Kriminalgerichts hätten bewiesen, daß ihnen jeder Angeklagte vollkommen gleich sei. Wer nach den Urtheilen wider Fähndrich, Hopf, Friedrich dieser Ansicht widersprechen wolle, der müsse durch Parteigesinnung so verblendet oder von bösem Willen so erfüllt sein, wie die demokratische Correspondenz.“ Der Publicist ist in dieser Anklage gegen sich selbst aufgetreten. Wir sagten von den Mitgliedern des Gerichtshofes, sie könnten sich, auch wenn sie es wollten, dem Eindruck ihrer politischen Meinung nicht entziehen. Er erwartete von ihnen entschiedene Verrücktheit, er erwartete, daß sie die Hochverräther zu Rad und Galgen verurtheilen würden, und freuet sich nun kindlich konstitutionell, daß dem nicht so ist. Wir bemerken übrigens, daß wir allerdings so „von Parteigesinnung verblendet und vom bösen Willen erfüllt sind“, daß wir ein jedes Urtheil, welches der Kriminalgerichtshof nach dem antedeluvianischen Landrecht über sogenannte politische Verbrecher fällt und gefällt hat, mag es freisprechen oder verdammen, ein ungerechtes nennen, daß wir mit Recht schon am 19. März v. J. verlangen konnten, er solle sich in solchen Prozessen inkompetent erklären. Nur vom Volk gewählten Geschwornen stand es nach der Revolution zu, Recht zu sprechen, und die Gerichtshöfe waren anarchistisch im schlechten Sinne des Wortes, als sie „die Herrschaft des Gesetzes wieder herstellen wollten.“

Herr Hinkeldey, der ehrenwerthe Oberkonstabler, bereichert unsere humoristische Literatur durch seine heutige Verfügung, daß Jeder, welcher vor dem Thore spazieren gehen will, mit einem Passe müsse versehen sein. Die fliegenden Buchhändler, deren Geschäft j[e]tzt sehr danieder liegt, danken dem Polizeipräsidenten, da sie wie früher in Kladderadatsch, jetzt in Pässen machen werden.

Aus den kleinen Städten der Provinz Posen, welche bei der Insurrektion betheiligt waren, wird das Militär jetzt herausgezogen. So auch aus Grätz. Der dortige konstitutionelle Verein, bekannt durch seine Ergebenheitsadressen, in welchen er ganz unterthänigst um einen königlichen Fußtritt bat, geräth darob in Angst und Schrecken, und will die Soldaten wieder dahin haben. Der kommandirende General sagte aber ganz naiv, „man brauche die Truppen jetzt zum Cerniren der revolutionären Städte, wie Berlin und Breslau. Wenn übrigens die Polen es wagten, noch einen Aufstand anzufangen, so würden die Städte wie Buck, der Erde gleich gemacht werden.“ Buck und Grätz liegen aber im „deutschen“ Theil der Provinz!

Je mehr sich der Belagerungszustand seinem Ende naht, steigt der Uebermuth dieser Soldaten, welche jetzt unsere Herrscher sind. Es ist an der Tagesordnung, daß Leute, welche an Kasernen vorübergehen, insultirt werden.

In Frankfurt a. O. darf es kein Soldat wagen, die deutsche Kokarde zu tragen. Bei dem geringsten Vergehen wird er unnachsichtlich bestraft! Es lebe das einige Deutschland!

In der Herrencurie kamen heute allerlei spaßhafte Dinge zur Verhandlung. Die Octroyirte wurde zur Berathung in die Abtheilungen verwiesen. Die Sache war ganz einfach, hielt aber Herrn v. Schleinitz nicht ab, auf der Tribüne zu erscheinen. Schleinitz, der Don Quixote aller Orden verpflichtet sich die Zeitungen zu ewiger Dankbarkeit. Seine Rede ist schon lange gedruckt, ehe er noch daran dachte, sie zu halten. ([unleserliches Material]f. die stenogr Berichte der Nat.-Vers. zu Berlin, Frankfurt u. Wien). Er sprach von dem hohen Beruf der Versammlung, von der Sehnsucht, mit welcher das Land die Verfassung erwarte u. s. w. Sodann erschien Herr Leue, der eine lange juristische Deduction zum Besten gab und die omnibus rebus etc. Forckenbeck machte einige kurze Bemerkungen und jetzt kommt der Glanzpunkt der Sitzung. Rintelen erhebt sich. Mit majestätischem Anstand hält er stotternd eine Apologie für seine bekannte Reform der Gerichte. „Eine Veränderung“, sagte er, „war nothwendig und diese Veränderung, das nennt man Reorganisation.“ Würdiger Rintelen! — Große Blamage! — Diesen Ausspruch wird man unter Dein Portrait setzen. Er wird Deinen Namen der dankbaren Nachwelt erhalten. Du wirst belohnt werden für Deine Treue und wirst vergessen die spottende Heiterkeit der Kammer, Papageno Milde's Lachen und das Ehren-Baumstark's. Der Antrag wird nach der ziemlich guten Rede Daniels in die Abtheilungen geschickt. —

In der zweiten Kammer haben wir heute Gelegenheit gehabt die sogenannten Koryphäen der Versammlung zu hören. Manteuffel hat mit blutendem Herzen den Belagerungszustand verhängt, aus Liebe zu Berlin, „denn wen der Herr liebt, den züchtigt er.“ Kirchmann sprach sehr gut gegen die Adresse. Der Abg. Urlichs, der Substitut Ehren-Baumstark's, will eine Adresse aus mancherlei Ursachen und bringt das arme Troja wieder vor, indem er die Versammlung mit den Helden vergleicht, welche nach dem Kampfe von Troja sich die Hände reichen und Geschenke wechseln (octroyiren). — Zuletzt erhebt sich noch Herr v. Vinke für seinen Antrag eine Adresse zu erlassen. Er spricht nach der Weise der Frankfurter sehr lang, verspricht aber bei der Adreß-Debatte kurz zu sein. Ueber seinen Horizont geht es, daß viele Juristen sich auf Grund einer ungültig erklärten Verfassung hätten wählen lassen. Der Horizont eines westphälischen Krautjunkers ist eng. — Bei der Debatte über den Antrag Behnsch, einen Ausschuß über die Vorberathung der Octroyirten einzusetzen, heben wir besonders Herrn Stiel, Teltower Abgeordneten, hervor, der sich mit seltener Arroganz der Intelligenz seiner Wähler würdig zeigte.

D'Ester behauptet zum Schrecken der Rechten, er sei nicht auf Grund der Verfassung, sondern des allgemeinen Stimmrechts gewählt. Natürlich muß Vinke darauf noch einigen Unsinn sprechen, indem es wieder über seinen Horizont geht, daß das Volk die Versammlung nicht gebilligt habe. — Schwerin ist sein würdiger Nachfolger und nachdem sich noch Herr Ziegler blamirt hat, wird der Antrag zurückgewiesen. — Zu guter Letzt ereifert sich die Kammer noch bei der Portofreiheit. Berg griff die octroyirten Minister mit ziemlichem Witz an und v. d. Heydt blamirte sich gründlich, indem er Verwahrung einlegte gegen den Vorwurf, er habe mit Hohn von der Versammlung gesprochen.

Sitzung der ersten Kammer.

Präsident Auerswald.

Anfang bald nach 10 Uhr.

Das Protokoll der vorigen Sitzung wird verlesen und ohne Aenderung angenommen.

Der Präsident zeigt den Eintritt folgender Mitglieder an: Diterici, Goltdammer, v. Daniels, Grem, Knoblauch und Hesse. Zwei Mitglieder, der Regierungsrath Ner[unleserliches Material]el und Land- und Stadtgerichtsrath Müchel (Posen) haben die auf sie gefallenen Wahlen abgelehnt. Polizeidirektor Braun (Köslin) bittet um unbestimmten Urlaub, um in der Paulskirche anwesend zu sein, damit es gelinge, die Versuche einer der Einheit feindlichen „Reaktion“ vereiteln zu helfen.

Die zweite Kammer zeigt ihre Konstituirung und die Wahl ihrer Präsidenten und Schriftführer an.

Die Versammlung geht nach diesen einleitenden Mittheilungen zur Tagesordnung über, d. h. zunächst zur weiteren Prüfung der Wahlprotokolle. Die Wahlen werden sämmtlich ohne Widerspruch für gültig erkannt.

Auf der Tagesordnung steht ferner folgender Antrag des Abgeordneten Schleinitz und Genossen:

„Die hohe Kammer wolle beschließen:
daß die Verfassungsurkunde vom 5. Dezember 1848 den Abtheilungen zur Vorberathung über die vorbehaltene Revision überwiesen werde.“

Motive.

Da die Verfassungsurkunde von 5. Dezember als rechtsgültig anerkannt werden muß, und daher nicht anzunehmen ist, daß die Staatsregierung über die darin vorbehaltene Revision der hohen Kammer besondere Vorlagen wird zugehen lassen, da es aber von hoher Wichtigkeit erscheint, daß durch die Erledigung der vorbehaltenen Revision das Verfassungswerk zum Segen des theuren Vaterlandes seine endliche Vollendung erhalte, so erscheint der vorstehende Antrag gerechtfertigt. Schleinitz. Triest. Schroeder. Berens. Wittgenstein. v. Frantzius. u. s. w.

Nach der Geschäftsordnung findet zunächst in der Kammer nur die vorläufige Berathung Statt, worauf der Antrag zur weiteren Erwägung an die Abtheilungen geht.

Schleinitz spricht seinen von uns schon erwähnten Unsinn.

Präsident: Ich frage, ob der Antrag Unterstützung findet?

Fast die ganze Versammlung erhebt sich und da sich Niemand zum Worte meldet, wird die Frage gestellt:

„ob der Antrag zu einer weiteren Berathung in die Abtheilungen verwiesen werden soll.

Abg. Milde zur Fragestellung: Die Frage muß so gestellt werden, daß damit nicht denjenigen Mitgliedern präjudizirt wird, welche weit entfernt sind, eine Berathung der Verfassung in den Abtheilungen zu veranlassen. Durch ein solches Verfahren werden wir dahin geführt, wo wir am 9. November waren. Die Frage des Präsidenten wird hierauf fast einstimmig bejaht.

Minister Rintelen: Durch das Reichsgesetz vom 27. November v. J ist für Deutschland eine gemeinsame Wechselordnung erlassen worde. Die Regierung hat keinen Anstand genommen, diese Wechselordnung anzunehmen, konnte jedoch nicht umhin, einige abändernde Bestimmungen hinzuzusetzen. Auf Grund des Artikel 105 ist deshalb eine vorläufige Verordnung erlassen, die ich hiermit der hohen Kammer vorlege. Ebenso lege ich Ihnen eine Verordnung, betreffend die Aufhebung der bäuerlichen Erbfolge in Westphalen vor.

Auf der Tagesordnung folgt ferner ein dringender Antrag von Leue und Milde:

„Die Verfassungsurkunde vom 5. Dezember 1848, § 105 bestimmt:

„Wenn die Kammern nicht versammelt sind, können in dringenden Fällen Verordnungen mit Gesetzeskraft erlassen werden, dieselben sind aber den Kammern bei ihrem nächsten Zusammentritt zur Genehmigung sofort vorzulegen.

„In Folge dieser Bestimmung sind zwei Verordnungen publizirt:

1. vom 2. Januar d. J. über die Aufhebung der Privatgerichtsbarkeit und des eximirten Gerichtsstandes, so wie über die anderweitige Organisation der Gerichte,

2. vom 3. Januar d. J. über die Einführung des mündlichen und öffentlichen Verfahrens mit Geschwornen.

„Beide Verordnungen sollen mit dem 1. April in Kraft treten und der Justizminister ist mit der Ausfuhrung dieser neuen Einrichtungen beauftragt. Erst heute sind sie als Gesetzesvorlagen der Staatsregierung der ersten Kammer übergeben und mit der Ausführung der neuen Organisation wird ohne Unterbrechung fortgefahren.

„Unter den dringenden Fällen des § 105, welche den ungesäumten Erlaß einer provisorischen Verordnung erfordern, können aber nicht solche organische Gesetze verstanden werden, welche eine völlige Umgestaltung des ganzen bisherigen Gerichtswesens bewirken und neue Formen für das Staatsleben erschaffen. Noch weniger scheint es mit dem gegenwärtigen Staatsrecht des Königreichs und den Rechten der Kammern vereinbar, daß solche provisorische Verordnungen vor deren Eröffnung erlassen und während ihrer Sitzungen unter ihren Augen ausgeführt werden.

„Dazu kömmt, daß beide Verordnungen in sich mangelhaft und sehr weit davon entfernt sind, ihren Zweck zu erfüllen, das Recht und die bürgerliche Freiheit zu sichern. Bei der voraussichtlich kurzen Dauer ihrer Gültigkeit werden die Gerichte und die Gerichtseingesessenen aus einem alten und gewohnten, wenn auch sehr unvollkommenen Zustande, in ein Provisorium versetzt, dessen Ungewißheit immer etwas Peinliches für alle Theile an sich hat, und die Kosten der jetzt ausgeführten Einrichtungen sind vergeblich aufgewendet. Besser ist es, daß der alte und gewohnte Zustand noch einige Zeit erhalten werde und an dessen Stelle die neue Organisation auf einmal tritt, deren ungewohnte Formen Jeder gern annehmen wird, wenn er weiß daß es nur ein einziger Uebergang ist.

„Aus diesen Gründen stellen die Unterzeichneten den Antrag:

„Die hohe Kammer wolle die Bitte an Se. Majestät den König beschließen, den Justizminister anzuweisen, mit Ausführung der beiden Verordnungen vom 2. und 3. Januar d. J. einzuhalten.“

Der Abg. Leue begehrt sogleich gehört zu werden.

Abg. Leue: Ich habe einen formellen und materiellen Grund, weshalb ich zu meinem Antrag genöthigt werde. Der erste ist, daß solche die Gerichtsverfassung des Landes betreffende Verordnungen, nicht zu denjenigen gehören können, die in Artikel 105 der Verfassung — eine Bestimmung, die ich übrigens vertheidigen werde — zu den „dringenden“ gezählt werden. Der andere Grund ist, daß jene Verordnung zu mangelhaft ist. Die Gerichtsverfassung eines Lands darf nicht anders, als im organischen Zusammenhange mit der Staatsverfassung berathen werden. Von den vielen materiellen Mängeln hebe ich nur zwei hervor: die Einrichtung der Civilgerichte und die Geschwornengerichte. Die Erfahrung lehrt: je kleiner die Gerichte, desto schlechter die Justiz. Das lehrt Frankreich, und man kann auch das Andenken des seligen Kanzlers Beyme nicht besser ehren, als durch Einrichtung großer Gerichte. Führt man kleine Kreisgerichte ein von 6 bis 7 Mitgliedern, so versauern und verbauern die Richter. Die schwierigsten Rechtssachen, die Streitigkeiten zwischen Gutsbesitzern und Pächtern will man aber solchen Richtern anvertrauen. Sobald der Prozeß ein Kunstwerk wird, erfordert er ein großes Gericht. Für kleine Sachen dienen die Friedensrichter. — Was ferner die Geschwornengerichte betrifft, so muß man diese so unabhängig und frei hinstellen, daß kein Mißtrauen gegen sie aufkommen kann. Durch jene Verordnung ist aber ein solcher Schein der Parteilichkeit möglich gemacht, daß die ungerechtesten Urtheile zu Stande kommen werden. Ich will auf andere Mängel nicht eingehen, ich will nur hervorheben, daß es so mangelhaft ist, daß ich eher das alte schriftliche Verfahren haben möchte, als diese Geschwornengerichte. Noch ist es Zeit, einen schleunigen Beschluß zu fassen. Bewahren wir das Land vor einem neuen Provisorium. (Beifall).

Der Antrag wird zahlreich unterstützt.

Abg. Forkenbeck: Den Motiven, welche der Vorredner anführt, kann ich nicht beistimmen. Dem Antrage in seiner Allgemeinheit glaube ich mich widersetzen zu müssen. Zwar halte ich die verordnete Einrichtung der Geschwornengerichte ebenfalls für mangelhaft. Doch ist es unmöglich, länger in dem gegenwärtigen Provisorium zu verharren. Wir müssen Maßregeln treffen, daß die Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit baldigst in das Leben trete. Mein Wunsch wäre es, die Verbesserung der Verordnungen und ihre praktische Ausführung zu vereinigen. Deshalb scheint mir eine Vertagung des Antrags zweckmäßig.

Es wird hierauf folgender Unterantrag von Leue und Milde verlesen:

„Bei der Dringlichkeit, der die Aufhebung der Privatgerichtsbarkeit und des eximirten Gerichtsstandes ins Leben führenden Maßregeln eine Kommission von 15 Gliedern, aus allen Abtheilungen gebildet, zu ernennen, um der hohen Kammer schleunig Bericht darüber zu erstatten, auf welche Weise, unerachtet jener Suspension, die Aufhebung der Privatgerichtsbarkeit und des eximirten Gerichtsstandes in möglichst kürzester Zeit ausgeführt werden könne und um den diesfalls an die Staatsregierung zu stellenden Antrag vorzubereiten.“

Motive.

So wohl begründet im Allgemeinen der obengenannte Hauptantrag erscheint, so ist es doch bei der allgemeinen Stimmung des Landes, namentlich der Provinz Schlesien, dringend nöthig, dem längst gehegten Wunsche nach Aufhebung der Privatgerichtsbarkeit und des eximirten Gerichtsstandes, welcher in der Verordnung vom 2. Jan. 1849 seine Erfüllung gefunden hat, die schleunige Ausführung der dadurch gebotenen Maßregeln folgen zu lassen. Es dürfte nicht schwer sein, diesen Zweck trotz der beantragten allgemeinen Suspension zu erreichen, und es wird die Aufgabe der zu bildenden Kommission sein, der Hohen Kammer einen darauf bezüglichen Antrag zur Berathung und Beschlußnahme vorzulegen.

Kuh. K. Graf Dyhrn. Goebel.

Rintelen hält die Apologie für seine Reorganisation.

Daniels: Ich erkläre, daß ich keinen einzigen der von dem Herrn Justizminister vorgetragenen Gründe für triftig anerkennen kann. Es handelt sich nicht so sehr um die formelle Berechtigung jener Verordnungen, als um ihre Zweckmäßigkeit. Nichts bedarf Deutschland so sehr als der Einheit in jenen Formen, nach denen der Richter das Recht spricht. Diese Einheit werden die Verordnungen des 2. und 3. Jan. herbeiführen. Ob es zweckmäßig war, der Krone mit solchen Vorschlägen entgegen zu kommen, ist sehr zweifelhaft. Wenn man Bedenken trägt, die Patrimonialgerichte fortbestehen zu lassen, konnten sie nicht fortan im Namen des Königs Recht sprechen oder mit einem benachbarten Kollegium vereinigt werden?

Was die Geschwornengerichte betrifft, so spricht gegen die Gestalt, wie sie die Verordnung will, sowohl Erfahrung als Wissenschaft Mit diesem Flickwerk kommen wir nicht in eine bessere Lage. Was war einfacher, als uns eine Revision der Verordnungen vorzubehalten. Eine weise Einrichtung ist so beschaffen, daß sie sich den örtlichen Bedürfnissen anpassen kann. Dies ist der Fall mit der rheinischen Gerichtsverfassung. Ich bin grundsätzlich für nichts so sehr, als für eine achtungswerthe Einrichtung der Gerichte erster Instanz. Hier leidet die Rheinprovinz an einem bedeutenden Mangel. Dort hat man Modifikationen beliebt und dem Uebel nicht abgeholfen. Es ist deshalb keine Nothwendigkeit vorhanden, örtliche Rücksichten ausschließlich vorwalten zu lassen. Es hat der Herr Justizminister gesagt, das Land habe nicht remonstrirt, ich will es glauben, daß die Gerichte bei der Schwierigkeit der Ausführung zum Remonstriren gar keine Zeit gehabt haben. (Heiterkeit) Aber man hätte auch die Stimme des Publikums hören sollen. Ich werde in die Details nicht eingehen, daß aber dem Lande große Kosten erspart und daß das Unvollkommene nicht das Bessere hindere, halte ich für sehr wesentlich. (Beifall und Ruf nach Schluß).

Abgeordneter Baumstark gegen den Schluß: Ich bin durch die Gründe des Herrn Justiz-Ministers nicht überzeugt, möchte aber gern noch Gründe der Gegner hören. Auch muß dem Justiz-Minister Zeit und Gelegenheit zur Erwiderung bleiben.

Justiz-Minister: Ich fürchte, daß wenn der Antrag auf Suspension der Verordnungen angenommen wird, die reorganisation der Gerichte in nächster Zeit gar nicht zu Stande kommen werde. Die in den Verordnungen in Aussicht gestellte Einrichtung von Kreisgerichten halte ich für durchaus zweckmäßig.

Der Antrag auf Schluß wird hierauf genehmigt und ebenso der Hauptantrag zur weitern Erwägung der Abtheilung überwiesen.

Präsident: Im Laufe der Sitzung ist mir eine Mittheilung des Staats-Ministeriums zugegangen. Ich bitte den Schriftführer, dieselbe zu verlesen.

(Geschieht. Die Mittheilung betrifft die der zweiten Kammer vorgelegte Denkschrift in Ansehung des Belagerungszustandes.)

Schluß der Sitzung 12 1/2 Uhr.

Nächste Sitzung Sonnabend 10 Uhr.

Sitzung der zweiten Kammer.

Präsident-Grabow. Auf der Ministerbank befinden sich Graf Brandenburg, v. Ladenberg, v. Strotha, v. Manteuffel und. Raabe.

Das Protokoll wird durch den Schriftführer Gellern verlesen und genehmigt.

Minister des Innern: Ich habe mir das Wort erbeten, um die angekündigten Vorlagen in Betreff des über Berlin verhängten Belagerungszustandes einzubringen. Dieselben sind doppelter Natur:

1. Bestehen sie in drei Gesetzentwürfen, zum Schutze der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, und zwar:

a) in dem Entwurfe eines Gesetzes gegen den Mißbrauch des Versammlungs- und Vereinigungsrechts,
b) in einem Gesetzentwurfe, öffentliche Anschläge und Plakate betreffend,
c) in dem Entwurfe eines Gesetzes gegen den Mißbrauch der Presse.

Die Vorlagen überreiche ich der hohen Kammer zur verfassungsmäßigen Berathung und Beschlußnahme.

2. Habe ich eine Denkschrift über die Gründe der Verhängung des Belagerungszustandes zur Prüfung und Beurtheilung zu überreichen.

Nach §. 23. des Geschäfts-Reglements werden die Vorlagen erst zu drucken und an die Deputirten zu vertheilen sein. Ich kann mich daher einstweilen eines Eingehens auf den Inhalt dieser Vorlagen enthalten. Nur Eins will ich aussprechen: Die Regierung hat nur widerstrebend und nur um deshalb den Belagerungszustand verhängt, weil sie darin das einzige Mittel sah, einer großen drohenden Gefahr wirksam entgegen zu treten. Sie hat sich nicht verhehlt, daß diese Maßregel heftigen Angriffen ausgesetzt sein würde, wenn der Belagerungszustand noch während der Kammerdebatten fortdauer. Indeß hat die Ueberzeugung den Ausschlag gegeben, daß ohne die größten Gefahren für das Land der Belagerungszustand jetzt noch nicht aufgehoben werden kann. Das Ministerium wünscht aber dringend, sobald als möglich der schwerlastenden Verantwortlichkeit für diese Maßregel überhoben zu werden, oder aber eine Erleichterung in Betreff des Belagerungszustandes herbeiführen zu können. Wenn Sie die Gründe der Verhängung billigen, so nehmen Sie die Verantwortlichkeit von unsern Schultern und wenn Sie den drei Gesetzvorlagen Ihre Genehmigung ertheilen, so wird der Zeitpunkt näher gerückt, wo der Belagerungszustand aufgehoben werden kann.

Präsident Grabow: Ich werde den Druck der Gesetzesvorlagen

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          <p>die beiden Offiziere. Sein Glück war aber gemacht. Er war der Mann des Tages. Die englischen Journale machten sich ein Vergnügen daraus, ihre Spalten durch die abentheuerlichen Berichte des Doktors zu würzen, und der Doktor selbst stieg auf alle Kanzeln und Tribünen, um auch mündlich den erstaunten Pfarrkindern seine Don-Quixotiaden vorzutragen. Eine Pfarre, die etwa 600 Pfund einbrachte, und eine Lady mit ebensoviel Rente, waren bald die Belohnung des jüdisch-römisch-anglikanischen Frankfurters, und nie hat wohl Jemand den frommen Bewohnern Großbritanniens eine entsetzlichere Nase gedreht, als unser Wölffchen.&#x201C;</p>
          <p>Hier schwieg die holde Göttin der Langenweile. Der Spleen kaute an den Fingern, die Seekrankheit schaukelte sich auf ihrem Sessel und ich selbst war so entzückt über die interessanten Mittheilungen meiner Freundin, daß ich das Trinken ganz darüber vergessen hatte &#x2014; was gewiß viel heißen will.</p>
          <p>Aber seht, ihr Romanschreiber und Novellendichter: wenn ich von der Langenweile träume, so bin ich interessanter, als wenn ihr wachend Eure kurzweiligsten Schätze zu produziren versucht.</p>
          <p>
            <ref type="link">(Fortsetzung folgt.)</ref>
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          <head>Blödsinn deutscher Zeitungen.</head>
          <p>Berlin, 23. Febr. Am Hofe und in den den Hof umgebenden Kreisen soll jetzt auf ein Ereigniß gehofft werden, dessen Eintritt seit vielen Jahren für unwahrscheinlich gehalten wurde.</p>
          <p>(Kölnische Zeitung.)</p>
          <p>Pesth, 1. März. Stadtgespräch bildet gegenwärtig die Entbindung eines Eisenbahnarbeiters Namens Stephan Rußa. Dieser etwas bärtige Hermaphrodit genas am 26. Februar Nachmittags um vier Uhr eines gesunden, kräftigen Knaben und ist natürlich der Gegenstand der allgemeinen Schaulust.</p>
          <p>(C. Bl. a. B.)</p>
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      </div>
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        <head>[Deutschland]</head>
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          <p>der wichtigsten Geschäfte wegen hier. Da erinnerte sich T. zum Glück, daß er als Besitzer mehrerer Güter in Russisch-Polen auch russischer Unterthan sei, begab sich zum Gesandten, Baron von Meyendorf, und erlangte durch den Russen, zum Schmerz der hohen Inquisition, die Erlaubniß, noch hier zu bleiben.</p>
          <p>Der Redakteur der &#x201E;Neuen Preußischen Zeitung&#x201C;, Assessor <hi rendition="#g">Wagner</hi>, ist beim Oberlandesgericht in Magdeburg angestellt. Dieses hat ihn aus unbekannten Gründen beurlaubt. Hr. Wagner ist ja derselbe, der in seiner Zeitung gegen derartiges Verfahren immer zu Felde zieht. Wie kann er denn seine eigene Meinung mit der seiner Zeitung vereinbaren?</p>
          <p>Als Herr <hi rendition="#g">Wagner</hi> gestern in seinem Nachdrucksprozeß vor Gericht erschien, hatte er zu seinem persönlichen Schutze nur zwanzig Konstabler requirirt, und das ist derselbe Mensch, der in jeder Nummer seines Lügenblatts über die Feigheit der Demokratie herzieht; der noch vor Kurzem rodomontirte, es sei ihm ganz egal, ob er jetzt getödtet werde, oder in zehn Jahren an der Wassersucht sterbe. Sonderbar, daß die Verhandlung nicht vor sich gehen konnte, weil der würdige Staatsanwalt, wir wollen nicht untersuchen aus welchen Gründen, vergessen hatte zu erscheinen.</p>
          <p>An der Börse coursirte das Gerücht, <hi rendition="#g">die Reichsversammlung in Kremsier sei aufgelöst</hi>. In Folge dessen fielen sämmtliche Course.</p>
          <p>In der ersten Kammer sind schon verschiedene Verbesserungsanträge zu der Stylübung des Herrn Gruppe, genannt Adresse, angekündigt worden. Eine Einstimmigkeit wird in der hohen Versammlung wohl nicht erzielt werden, so sehr sich auch der Verfasser des Aktenstückes au niveau der Intelligenz seiner Mandanten befinden mag.</p>
          <p>Die Feier des 18. März beschäftigt jetzt fast die ganze Bevölkerung, wenn man sich überhaupt für die Kammern interessirt hätte, dann würden sie jetzt vergessen sein. Viele Versammlungen werden gehalten und der Entschluß ist Allen gemein, eine Feier unter jeder Bedingung, auch trotz des Belagerungszustandes, zu veranstalten.</p>
          <p>Der Publicist, dessen Redakteur in Gefahr ist, versetzt zu werden, wird jetzt sehr zahm. Er bricht in seiner heutigen Nummer eine Lanze gegen uns für die Urparteilichkeit des Kriminalgerichts: &#x201E;Die Richter des Kriminalgerichts hätten bewiesen, daß ihnen jeder Angeklagte vollkommen gleich sei. Wer nach den Urtheilen wider Fähndrich, Hopf, Friedrich dieser Ansicht widersprechen wolle, der müsse durch Parteigesinnung so verblendet oder von bösem Willen so erfüllt sein, wie die demokratische Correspondenz.&#x201C; Der Publicist ist in dieser Anklage gegen sich selbst aufgetreten. Wir sagten von den Mitgliedern des Gerichtshofes, sie könnten sich, auch wenn sie es wollten, dem Eindruck ihrer politischen Meinung nicht entziehen. Er erwartete von ihnen entschiedene Verrücktheit, er erwartete, daß sie die Hochverräther zu Rad und Galgen verurtheilen würden, und freuet sich nun kindlich konstitutionell, daß dem nicht so ist. Wir bemerken übrigens, daß wir allerdings so &#x201E;von Parteigesinnung verblendet und vom bösen Willen erfüllt sind&#x201C;, daß wir ein jedes Urtheil, welches der Kriminalgerichtshof nach dem antedeluvianischen Landrecht über sogenannte politische Verbrecher fällt und gefällt hat, mag es freisprechen oder verdammen, ein ungerechtes nennen, daß wir mit Recht schon am 19. März v. J. verlangen konnten, er solle sich in solchen Prozessen inkompetent erklären. Nur vom Volk gewählten Geschwornen stand es nach der Revolution zu, Recht zu sprechen, und die Gerichtshöfe waren anarchistisch im schlechten Sinne des Wortes, als sie &#x201E;die Herrschaft des Gesetzes wieder herstellen wollten.&#x201C;</p>
          <p>Herr <hi rendition="#g">Hinkeldey</hi>, der ehrenwerthe Oberkonstabler, bereichert unsere humoristische Literatur durch seine heutige Verfügung, daß Jeder, welcher vor dem Thore spazieren gehen will, mit einem Passe müsse versehen sein. Die fliegenden Buchhändler, deren Geschäft j[e]tzt sehr danieder liegt, danken dem Polizeipräsidenten, da sie wie früher in Kladderadatsch, jetzt in Pässen machen werden.</p>
          <p>Aus den kleinen Städten der Provinz Posen, welche bei der Insurrektion betheiligt waren, wird das Militär jetzt herausgezogen. So auch aus Grätz. Der dortige konstitutionelle Verein, bekannt durch seine Ergebenheitsadressen, in welchen er ganz unterthänigst um einen königlichen Fußtritt bat, geräth darob in Angst und Schrecken, und will die Soldaten wieder dahin haben. Der kommandirende General sagte aber ganz naiv, &#x201E;man brauche die Truppen jetzt zum Cerniren der revolutionären Städte, wie Berlin und Breslau. Wenn übrigens die Polen es wagten, noch einen Aufstand anzufangen, so würden die Städte wie <hi rendition="#g">Buck, der Erde gleich gemacht werden</hi>.&#x201C; Buck und Grätz liegen aber im &#x201E;<hi rendition="#g">deutschen</hi>&#x201C; Theil der Provinz!</p>
          <p>Je mehr sich der Belagerungszustand seinem Ende naht, steigt der Uebermuth dieser Soldaten, welche jetzt unsere Herrscher sind. Es ist an der Tagesordnung, daß Leute, welche an Kasernen vorübergehen, insultirt werden.</p>
          <p>In Frankfurt a. O. darf es kein Soldat wagen, die deutsche Kokarde zu tragen. Bei dem geringsten Vergehen wird er unnachsichtlich bestraft! Es lebe das einige Deutschland!</p>
          <p>In der Herrencurie kamen heute allerlei spaßhafte Dinge zur Verhandlung. Die Octroyirte wurde zur Berathung in die Abtheilungen verwiesen. Die Sache war ganz einfach, hielt aber Herrn v. Schleinitz nicht ab, auf der Tribüne zu erscheinen. <hi rendition="#g">Schleinitz</hi>, der Don Quixote aller Orden verpflichtet sich die Zeitungen zu ewiger Dankbarkeit. Seine Rede ist schon lange gedruckt, ehe er noch daran dachte, sie zu halten. (<gap reason="illegible"/>f. die stenogr Berichte der Nat.-Vers. zu Berlin, Frankfurt u. Wien). Er sprach von dem hohen Beruf der Versammlung, von der Sehnsucht, mit welcher das Land die Verfassung erwarte u. s. w. Sodann erschien Herr <hi rendition="#g">Leue</hi>, der eine lange juristische Deduction zum Besten gab und die omnibus rebus etc. Forckenbeck machte einige kurze Bemerkungen und jetzt kommt der Glanzpunkt der Sitzung. <hi rendition="#g">Rintelen</hi> erhebt sich. Mit majestätischem Anstand hält er stotternd eine Apologie für seine bekannte Reform der Gerichte. &#x201E;Eine Veränderung&#x201C;, sagte er, &#x201E;war nothwendig und diese Veränderung, das nennt man Reorganisation.&#x201C; Würdiger Rintelen! &#x2014; Große Blamage! &#x2014; Diesen Ausspruch wird man unter Dein Portrait setzen. Er wird Deinen Namen der dankbaren Nachwelt erhalten. Du wirst belohnt werden für Deine Treue und wirst vergessen die spottende Heiterkeit der Kammer, Papageno Milde's Lachen und das Ehren-Baumstark's. Der Antrag wird nach der ziemlich guten Rede Daniels in die Abtheilungen geschickt. &#x2014;</p>
          <p>In der <hi rendition="#g">zweiten Kammer</hi> haben wir heute Gelegenheit gehabt die sogenannten Koryphäen der Versammlung zu hören. <hi rendition="#g">Manteuffel</hi> hat mit blutendem Herzen den Belagerungszustand verhängt, aus Liebe zu Berlin, &#x201E;denn wen der Herr liebt, den züchtigt er.&#x201C; <hi rendition="#g">Kirchmann</hi> sprach sehr gut gegen die Adresse. Der Abg. <hi rendition="#g">Urlichs</hi>, der Substitut Ehren-Baumstark's, will eine Adresse aus mancherlei Ursachen und bringt das arme Troja wieder vor, indem er die Versammlung mit den Helden vergleicht, welche nach dem Kampfe von Troja sich die Hände reichen und Geschenke wechseln (octroyiren). &#x2014; Zuletzt erhebt sich noch Herr v. <hi rendition="#g">Vinke</hi> für seinen Antrag eine Adresse zu erlassen. Er spricht nach der Weise der Frankfurter sehr lang, verspricht aber bei der Adreß-Debatte kurz zu sein. Ueber seinen Horizont geht es, daß viele Juristen sich auf Grund einer ungültig erklärten Verfassung hätten wählen lassen. Der Horizont eines westphälischen Krautjunkers ist eng. &#x2014; Bei der Debatte über den Antrag <hi rendition="#g">Behnsch</hi>, einen Ausschuß über die Vorberathung der Octroyirten einzusetzen, heben wir besonders Herrn <hi rendition="#g">Stiel</hi>, Teltower Abgeordneten, hervor, der sich mit seltener Arroganz der Intelligenz seiner Wähler würdig zeigte.</p>
          <p>&#x2014; <hi rendition="#g">D'Ester</hi> behauptet zum Schrecken der Rechten, er sei nicht auf Grund der Verfassung, sondern des allgemeinen Stimmrechts gewählt. Natürlich muß <hi rendition="#g">Vinke</hi> darauf noch einigen Unsinn sprechen, indem es wieder über seinen Horizont geht, daß das Volk die Versammlung nicht gebilligt habe. &#x2014; <hi rendition="#g">Schwerin</hi> ist sein würdiger Nachfolger und nachdem sich noch Herr <hi rendition="#g">Ziegler</hi> blamirt hat, wird der Antrag zurückgewiesen. &#x2014; Zu guter Letzt ereifert sich die Kammer noch bei der Portofreiheit. <hi rendition="#g">Berg</hi> griff die octroyirten Minister mit ziemlichem Witz an und v. d. <hi rendition="#g">Heydt</hi> blamirte sich gründlich, indem er Verwahrung einlegte gegen den Vorwurf, er habe mit Hohn von der Versammlung gesprochen.</p>
          <p> <hi rendition="#b">Sitzung der ersten Kammer.</hi> </p>
          <p>Präsident Auerswald.</p>
          <p>Anfang bald nach 10 Uhr.</p>
          <p>Das Protokoll der vorigen Sitzung wird verlesen und ohne Aenderung angenommen.</p>
          <p>Der Präsident zeigt den Eintritt folgender Mitglieder an: Diterici, Goltdammer, v. Daniels, Grem, Knoblauch und Hesse. Zwei Mitglieder, der Regierungsrath Ner<gap reason="illegible"/>el und Land- und Stadtgerichtsrath Müchel (Posen) haben die auf sie gefallenen Wahlen abgelehnt. Polizeidirektor Braun (Köslin) bittet um unbestimmten Urlaub, um in der Paulskirche anwesend zu sein, damit es gelinge, die Versuche einer der Einheit feindlichen &#x201E;Reaktion&#x201C; vereiteln zu helfen.</p>
          <p>Die zweite Kammer zeigt ihre Konstituirung und die Wahl ihrer Präsidenten und Schriftführer an.</p>
          <p>Die Versammlung geht nach diesen einleitenden Mittheilungen zur Tagesordnung über, d. h. zunächst zur weiteren Prüfung der Wahlprotokolle. Die Wahlen werden sämmtlich ohne Widerspruch für gültig erkannt.</p>
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          <p>Nach der Geschäftsordnung findet zunächst in der Kammer nur die vorläufige Berathung Statt, worauf der Antrag zur weiteren Erwägung an die Abtheilungen geht.</p>
          <p><hi rendition="#g">Schleinitz</hi> spricht seinen von uns schon erwähnten Unsinn.</p>
          <p><hi rendition="#g">Präsident</hi>: Ich frage, ob der Antrag Unterstützung findet?</p>
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          <p>Minister <hi rendition="#g">Rintelen</hi>: Durch das Reichsgesetz vom 27. November v. J ist für Deutschland eine gemeinsame Wechselordnung erlassen worde. Die Regierung hat keinen Anstand genommen, diese Wechselordnung anzunehmen, konnte jedoch nicht umhin, einige abändernde Bestimmungen hinzuzusetzen. Auf Grund des Artikel 105 ist deshalb eine vorläufige Verordnung erlassen, die ich hiermit der hohen Kammer vorlege. Ebenso lege ich Ihnen eine Verordnung, betreffend die Aufhebung der bäuerlichen Erbfolge in Westphalen vor.</p>
          <p>Auf der Tagesordnung folgt ferner ein dringender Antrag von Leue und Milde:</p>
          <p>&#x201E;Die Verfassungsurkunde vom 5. Dezember 1848, § 105 bestimmt:</p>
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          <p>&#x201E;In Folge dieser Bestimmung sind zwei Verordnungen publizirt:</p>
          <p>1. vom 2. Januar d. J. über die Aufhebung der Privatgerichtsbarkeit und des eximirten Gerichtsstandes, so wie über die anderweitige Organisation der Gerichte,</p>
          <p>2. vom 3. Januar d. J. über die Einführung des mündlichen und öffentlichen Verfahrens mit Geschwornen.</p>
          <p>&#x201E;Beide Verordnungen sollen mit dem 1. April in Kraft treten und der Justizminister ist mit der Ausfuhrung dieser neuen Einrichtungen beauftragt. Erst heute sind sie als Gesetzesvorlagen der Staatsregierung der ersten Kammer übergeben und mit der Ausführung der neuen Organisation wird ohne Unterbrechung fortgefahren.</p>
          <p>&#x201E;Unter den dringenden Fällen des § 105, welche den ungesäumten Erlaß einer provisorischen Verordnung erfordern, können aber nicht solche organische Gesetze verstanden werden, welche eine völlige Umgestaltung des ganzen bisherigen Gerichtswesens bewirken und neue Formen für das Staatsleben erschaffen. Noch weniger scheint es mit dem gegenwärtigen Staatsrecht des Königreichs und den Rechten der Kammern vereinbar, daß solche provisorische Verordnungen vor deren Eröffnung erlassen und während ihrer Sitzungen unter ihren Augen ausgeführt werden.</p>
          <p>&#x201E;Dazu kömmt, daß beide Verordnungen in sich mangelhaft und sehr weit davon entfernt sind, ihren Zweck zu erfüllen, das Recht und die bürgerliche Freiheit zu sichern. Bei der voraussichtlich kurzen Dauer ihrer Gültigkeit werden die Gerichte und die Gerichtseingesessenen aus einem alten und gewohnten, wenn auch sehr unvollkommenen Zustande, in ein Provisorium versetzt, dessen Ungewißheit immer etwas Peinliches für alle Theile an sich hat, und die Kosten der jetzt ausgeführten Einrichtungen sind vergeblich aufgewendet. Besser ist es, daß der alte und gewohnte Zustand noch einige Zeit erhalten werde und an dessen Stelle die neue Organisation auf einmal tritt, deren ungewohnte Formen Jeder gern annehmen wird, wenn er weiß daß es nur ein einziger Uebergang ist.</p>
          <p>&#x201E;Aus diesen Gründen stellen die Unterzeichneten den Antrag:</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;Die hohe Kammer wolle die Bitte an Se. Majestät den König beschließen, den Justizminister anzuweisen, mit Ausführung der beiden Verordnungen vom 2. und 3. Januar d. J. einzuhalten.&#x201C;</p>
          <p>Der Abg. Leue begehrt sogleich gehört zu werden.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Leue</hi>: Ich habe einen formellen und materiellen Grund, weshalb ich zu meinem Antrag genöthigt werde. Der erste ist, daß solche die Gerichtsverfassung des Landes betreffende Verordnungen, nicht zu denjenigen gehören können, die in Artikel 105 der Verfassung &#x2014; eine Bestimmung, die ich übrigens vertheidigen werde &#x2014; zu den &#x201E;dringenden&#x201C; gezählt werden. Der andere Grund ist, daß jene Verordnung zu mangelhaft ist. Die Gerichtsverfassung eines Lands darf nicht anders, als im organischen Zusammenhange mit der Staatsverfassung berathen werden. Von den vielen materiellen Mängeln hebe ich nur zwei hervor: die Einrichtung der Civilgerichte und die Geschwornengerichte. Die Erfahrung lehrt: je kleiner die Gerichte, desto schlechter die Justiz. Das lehrt Frankreich, und man kann auch das Andenken des seligen Kanzlers Beyme nicht besser ehren, als durch Einrichtung großer Gerichte. Führt man kleine Kreisgerichte ein von 6 bis 7 Mitgliedern, so versauern und verbauern die Richter. Die schwierigsten Rechtssachen, die Streitigkeiten zwischen Gutsbesitzern und Pächtern will man aber solchen Richtern anvertrauen. Sobald der Prozeß ein Kunstwerk wird, erfordert er ein großes Gericht. Für kleine Sachen dienen die Friedensrichter. &#x2014; Was ferner die Geschwornengerichte betrifft, so muß man diese so unabhängig und frei hinstellen, daß kein Mißtrauen gegen sie aufkommen kann. Durch jene Verordnung ist aber ein solcher Schein der Parteilichkeit möglich gemacht, daß die ungerechtesten Urtheile zu Stande kommen werden. Ich will auf andere Mängel nicht eingehen, ich will nur hervorheben, daß es so mangelhaft ist, daß ich eher das alte schriftliche Verfahren haben möchte, als diese Geschwornengerichte. Noch ist es Zeit, einen schleunigen Beschluß zu fassen. Bewahren wir das Land vor einem neuen Provisorium. (Beifall).</p>
          <p>Der Antrag wird zahlreich unterstützt.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Forkenbeck</hi>: Den Motiven, welche der Vorredner anführt, kann ich nicht beistimmen. Dem Antrage in seiner Allgemeinheit glaube ich mich widersetzen zu müssen. Zwar halte ich die verordnete Einrichtung der Geschwornengerichte ebenfalls für mangelhaft. Doch ist es unmöglich, länger in dem gegenwärtigen Provisorium zu verharren. Wir müssen Maßregeln treffen, daß die Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit baldigst in das Leben trete. Mein Wunsch wäre es, die Verbesserung der Verordnungen und ihre praktische Ausführung zu vereinigen. Deshalb scheint mir eine Vertagung des Antrags zweckmäßig.</p>
          <p>Es wird hierauf folgender Unterantrag von Leue und Milde verlesen:</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;Bei der Dringlichkeit, der die Aufhebung der Privatgerichtsbarkeit und des eximirten Gerichtsstandes ins Leben führenden Maßregeln eine Kommission von 15 Gliedern, aus allen Abtheilungen gebildet, zu ernennen, um der hohen Kammer schleunig Bericht darüber zu erstatten, auf welche Weise, unerachtet jener Suspension, die Aufhebung der Privatgerichtsbarkeit und des eximirten Gerichtsstandes in möglichst kürzester Zeit ausgeführt werden könne und um den diesfalls an die Staatsregierung zu stellenden Antrag vorzubereiten.&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Motive</hi>.</p>
          <p rendition="#et">So wohl begründet im Allgemeinen der obengenannte Hauptantrag erscheint, so ist es doch bei der allgemeinen Stimmung des Landes, namentlich der Provinz Schlesien, dringend nöthig, dem längst gehegten Wunsche nach Aufhebung der Privatgerichtsbarkeit und des eximirten Gerichtsstandes, welcher in der Verordnung vom 2. Jan. 1849 seine Erfüllung gefunden hat, die schleunige Ausführung der dadurch gebotenen Maßregeln folgen zu lassen. Es dürfte nicht schwer sein, diesen Zweck trotz der beantragten allgemeinen Suspension zu erreichen, und es wird die Aufgabe der zu bildenden Kommission sein, der Hohen Kammer einen darauf bezüglichen Antrag zur Berathung und Beschlußnahme vorzulegen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Kuh</hi>. K. Graf <hi rendition="#g">Dyhrn. Goebel.</hi></p>
          <p><hi rendition="#g">Rintelen</hi> hält die Apologie für seine Reorganisation.</p>
          <p><hi rendition="#g">Daniels:</hi> Ich erkläre, daß ich keinen einzigen der von dem Herrn Justizminister vorgetragenen Gründe für triftig anerkennen kann. Es handelt sich nicht so sehr um die formelle Berechtigung jener Verordnungen, als um ihre Zweckmäßigkeit. Nichts bedarf Deutschland so sehr als der Einheit in jenen Formen, nach denen der Richter das Recht spricht. Diese Einheit werden die Verordnungen des 2. und 3. Jan. herbeiführen. Ob es zweckmäßig war, der Krone mit solchen Vorschlägen entgegen zu kommen, ist sehr zweifelhaft. Wenn man Bedenken trägt, die Patrimonialgerichte fortbestehen zu lassen, konnten sie nicht fortan im Namen des Königs Recht sprechen oder mit einem benachbarten Kollegium vereinigt werden?</p>
          <p>Was die Geschwornengerichte betrifft, so spricht gegen die Gestalt, wie sie die Verordnung will, sowohl Erfahrung als Wissenschaft Mit diesem Flickwerk kommen wir nicht in eine bessere Lage. Was war einfacher, als uns eine Revision der Verordnungen vorzubehalten. Eine weise Einrichtung ist so beschaffen, daß sie sich den örtlichen Bedürfnissen anpassen kann. Dies ist der Fall mit der rheinischen Gerichtsverfassung. Ich bin grundsätzlich für nichts so sehr, als für eine achtungswerthe Einrichtung der Gerichte erster Instanz. Hier leidet die Rheinprovinz an einem bedeutenden Mangel. Dort hat man Modifikationen beliebt und dem Uebel nicht abgeholfen. Es ist deshalb keine Nothwendigkeit vorhanden, örtliche Rücksichten ausschließlich vorwalten zu lassen. Es hat der Herr Justizminister gesagt, das Land habe nicht remonstrirt, ich will es glauben, daß die Gerichte bei der Schwierigkeit der Ausführung zum Remonstriren gar keine Zeit gehabt haben. (Heiterkeit) Aber man hätte auch die Stimme des Publikums hören sollen. Ich werde in die Details nicht eingehen, daß aber dem Lande große Kosten erspart und daß das Unvollkommene nicht das Bessere hindere, halte ich für sehr wesentlich. (Beifall und Ruf nach Schluß).</p>
          <p>Abgeordneter <hi rendition="#g">Baumstark</hi> gegen den Schluß: Ich bin durch die Gründe des Herrn Justiz-Ministers nicht überzeugt, möchte aber gern noch Gründe der Gegner hören. Auch muß dem Justiz-Minister Zeit und Gelegenheit zur Erwiderung bleiben.</p>
          <p><hi rendition="#g">Justiz-Minister</hi>: Ich fürchte, daß wenn der Antrag auf Suspension der Verordnungen angenommen wird, die reorganisation der Gerichte in nächster Zeit gar nicht zu Stande kommen werde. Die in den Verordnungen in Aussicht gestellte Einrichtung von Kreisgerichten halte ich für durchaus zweckmäßig.</p>
          <p rendition="#et">Der Antrag auf Schluß wird hierauf genehmigt und ebenso der Hauptantrag zur weitern Erwägung der Abtheilung überwiesen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Präsident</hi>: Im Laufe der Sitzung ist mir eine Mittheilung des Staats-Ministeriums zugegangen. Ich bitte den Schriftführer, dieselbe zu verlesen.</p>
          <p rendition="#et">(Geschieht. Die Mittheilung betrifft die der zweiten Kammer vorgelegte Denkschrift in Ansehung des Belagerungszustandes.)</p>
          <p>Schluß der Sitzung 12 1/2 Uhr.</p>
          <p>Nächste Sitzung Sonnabend 10 Uhr.</p>
          <p> <hi rendition="#b">Sitzung der zweiten Kammer.</hi> </p>
          <p><hi rendition="#g">Präsident-Grabow</hi>. Auf der Ministerbank befinden sich Graf Brandenburg, v. Ladenberg, v. Strotha, v. Manteuffel und. Raabe.</p>
          <p>Das Protokoll wird durch den Schriftführer Gellern verlesen und genehmigt.</p>
          <p><hi rendition="#g">Minister des Innern</hi>: Ich habe mir das Wort erbeten, um die angekündigten Vorlagen in Betreff des über Berlin verhängten Belagerungszustandes einzubringen. Dieselben sind doppelter Natur:</p>
          <p>1. Bestehen sie in drei Gesetzentwürfen, zum Schutze der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, und zwar:</p>
          <p rendition="#et">a) in dem Entwurfe eines Gesetzes gegen den Mißbrauch des Versammlungs- und Vereinigungsrechts,<lb/>
b) in einem Gesetzentwurfe, öffentliche Anschläge und Plakate betreffend,<lb/>
c) in dem Entwurfe eines Gesetzes gegen den Mißbrauch der Presse.</p>
          <p>Die Vorlagen überreiche ich der hohen Kammer zur verfassungsmäßigen Berathung und Beschlußnahme.</p>
          <p>2. Habe ich eine Denkschrift über die Gründe der Verhängung des Belagerungszustandes zur Prüfung und Beurtheilung zu überreichen.</p>
          <p>Nach §. 23. des Geschäfts-Reglements werden die Vorlagen erst zu drucken und an die Deputirten zu vertheilen sein. Ich kann mich daher einstweilen eines Eingehens auf den Inhalt dieser Vorlagen enthalten. Nur Eins will ich aussprechen: Die Regierung hat nur widerstrebend und nur um deshalb den Belagerungszustand verhängt, weil sie darin das einzige Mittel sah, einer großen drohenden Gefahr wirksam entgegen zu treten. Sie hat sich nicht verhehlt, daß diese Maßregel heftigen Angriffen ausgesetzt sein würde, wenn der Belagerungszustand noch während der Kammerdebatten fortdauer. Indeß hat die Ueberzeugung den Ausschlag gegeben, daß ohne die größten Gefahren für das Land der Belagerungszustand jetzt noch nicht aufgehoben werden kann. Das Ministerium wünscht aber dringend, sobald als möglich der schwerlastenden Verantwortlichkeit für diese Maßregel überhoben zu werden, oder aber eine Erleichterung in Betreff des Belagerungszustandes herbeiführen zu können. Wenn Sie die Gründe der Verhängung billigen, so nehmen Sie die Verantwortlichkeit von unsern Schultern und wenn Sie den drei Gesetzvorlagen Ihre Genehmigung ertheilen, so wird der Zeitpunkt näher gerückt, wo der Belagerungszustand aufgehoben werden kann.</p>
          <p><hi rendition="#g">Präsident Grabow</hi>: Ich werde den Druck der Gesetzesvorlagen
</p>
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</TEI>
[1343/0003] die beiden Offiziere. Sein Glück war aber gemacht. Er war der Mann des Tages. Die englischen Journale machten sich ein Vergnügen daraus, ihre Spalten durch die abentheuerlichen Berichte des Doktors zu würzen, und der Doktor selbst stieg auf alle Kanzeln und Tribünen, um auch mündlich den erstaunten Pfarrkindern seine Don-Quixotiaden vorzutragen. Eine Pfarre, die etwa 600 Pfund einbrachte, und eine Lady mit ebensoviel Rente, waren bald die Belohnung des jüdisch-römisch-anglikanischen Frankfurters, und nie hat wohl Jemand den frommen Bewohnern Großbritanniens eine entsetzlichere Nase gedreht, als unser Wölffchen.“ Hier schwieg die holde Göttin der Langenweile. Der Spleen kaute an den Fingern, die Seekrankheit schaukelte sich auf ihrem Sessel und ich selbst war so entzückt über die interessanten Mittheilungen meiner Freundin, daß ich das Trinken ganz darüber vergessen hatte — was gewiß viel heißen will. Aber seht, ihr Romanschreiber und Novellendichter: wenn ich von der Langenweile träume, so bin ich interessanter, als wenn ihr wachend Eure kurzweiligsten Schätze zu produziren versucht. (Fortsetzung folgt.) Blödsinn deutscher Zeitungen. Berlin, 23. Febr. Am Hofe und in den den Hof umgebenden Kreisen soll jetzt auf ein Ereigniß gehofft werden, dessen Eintritt seit vielen Jahren für unwahrscheinlich gehalten wurde. (Kölnische Zeitung.) Pesth, 1. März. Stadtgespräch bildet gegenwärtig die Entbindung eines Eisenbahnarbeiters Namens Stephan Rußa. Dieser etwas bärtige Hermaphrodit genas am 26. Februar Nachmittags um vier Uhr eines gesunden, kräftigen Knaben und ist natürlich der Gegenstand der allgemeinen Schaulust. (C. Bl. a. B.) [Deutschland] der wichtigsten Geschäfte wegen hier. Da erinnerte sich T. zum Glück, daß er als Besitzer mehrerer Güter in Russisch-Polen auch russischer Unterthan sei, begab sich zum Gesandten, Baron von Meyendorf, und erlangte durch den Russen, zum Schmerz der hohen Inquisition, die Erlaubniß, noch hier zu bleiben. Der Redakteur der „Neuen Preußischen Zeitung“, Assessor Wagner, ist beim Oberlandesgericht in Magdeburg angestellt. Dieses hat ihn aus unbekannten Gründen beurlaubt. Hr. Wagner ist ja derselbe, der in seiner Zeitung gegen derartiges Verfahren immer zu Felde zieht. Wie kann er denn seine eigene Meinung mit der seiner Zeitung vereinbaren? Als Herr Wagner gestern in seinem Nachdrucksprozeß vor Gericht erschien, hatte er zu seinem persönlichen Schutze nur zwanzig Konstabler requirirt, und das ist derselbe Mensch, der in jeder Nummer seines Lügenblatts über die Feigheit der Demokratie herzieht; der noch vor Kurzem rodomontirte, es sei ihm ganz egal, ob er jetzt getödtet werde, oder in zehn Jahren an der Wassersucht sterbe. Sonderbar, daß die Verhandlung nicht vor sich gehen konnte, weil der würdige Staatsanwalt, wir wollen nicht untersuchen aus welchen Gründen, vergessen hatte zu erscheinen. An der Börse coursirte das Gerücht, die Reichsversammlung in Kremsier sei aufgelöst. In Folge dessen fielen sämmtliche Course. In der ersten Kammer sind schon verschiedene Verbesserungsanträge zu der Stylübung des Herrn Gruppe, genannt Adresse, angekündigt worden. Eine Einstimmigkeit wird in der hohen Versammlung wohl nicht erzielt werden, so sehr sich auch der Verfasser des Aktenstückes au niveau der Intelligenz seiner Mandanten befinden mag. Die Feier des 18. März beschäftigt jetzt fast die ganze Bevölkerung, wenn man sich überhaupt für die Kammern interessirt hätte, dann würden sie jetzt vergessen sein. Viele Versammlungen werden gehalten und der Entschluß ist Allen gemein, eine Feier unter jeder Bedingung, auch trotz des Belagerungszustandes, zu veranstalten. Der Publicist, dessen Redakteur in Gefahr ist, versetzt zu werden, wird jetzt sehr zahm. Er bricht in seiner heutigen Nummer eine Lanze gegen uns für die Urparteilichkeit des Kriminalgerichts: „Die Richter des Kriminalgerichts hätten bewiesen, daß ihnen jeder Angeklagte vollkommen gleich sei. Wer nach den Urtheilen wider Fähndrich, Hopf, Friedrich dieser Ansicht widersprechen wolle, der müsse durch Parteigesinnung so verblendet oder von bösem Willen so erfüllt sein, wie die demokratische Correspondenz.“ Der Publicist ist in dieser Anklage gegen sich selbst aufgetreten. Wir sagten von den Mitgliedern des Gerichtshofes, sie könnten sich, auch wenn sie es wollten, dem Eindruck ihrer politischen Meinung nicht entziehen. Er erwartete von ihnen entschiedene Verrücktheit, er erwartete, daß sie die Hochverräther zu Rad und Galgen verurtheilen würden, und freuet sich nun kindlich konstitutionell, daß dem nicht so ist. Wir bemerken übrigens, daß wir allerdings so „von Parteigesinnung verblendet und vom bösen Willen erfüllt sind“, daß wir ein jedes Urtheil, welches der Kriminalgerichtshof nach dem antedeluvianischen Landrecht über sogenannte politische Verbrecher fällt und gefällt hat, mag es freisprechen oder verdammen, ein ungerechtes nennen, daß wir mit Recht schon am 19. März v. J. verlangen konnten, er solle sich in solchen Prozessen inkompetent erklären. Nur vom Volk gewählten Geschwornen stand es nach der Revolution zu, Recht zu sprechen, und die Gerichtshöfe waren anarchistisch im schlechten Sinne des Wortes, als sie „die Herrschaft des Gesetzes wieder herstellen wollten.“ Herr Hinkeldey, der ehrenwerthe Oberkonstabler, bereichert unsere humoristische Literatur durch seine heutige Verfügung, daß Jeder, welcher vor dem Thore spazieren gehen will, mit einem Passe müsse versehen sein. Die fliegenden Buchhändler, deren Geschäft j[e]tzt sehr danieder liegt, danken dem Polizeipräsidenten, da sie wie früher in Kladderadatsch, jetzt in Pässen machen werden. Aus den kleinen Städten der Provinz Posen, welche bei der Insurrektion betheiligt waren, wird das Militär jetzt herausgezogen. So auch aus Grätz. Der dortige konstitutionelle Verein, bekannt durch seine Ergebenheitsadressen, in welchen er ganz unterthänigst um einen königlichen Fußtritt bat, geräth darob in Angst und Schrecken, und will die Soldaten wieder dahin haben. Der kommandirende General sagte aber ganz naiv, „man brauche die Truppen jetzt zum Cerniren der revolutionären Städte, wie Berlin und Breslau. Wenn übrigens die Polen es wagten, noch einen Aufstand anzufangen, so würden die Städte wie Buck, der Erde gleich gemacht werden.“ Buck und Grätz liegen aber im „deutschen“ Theil der Provinz! Je mehr sich der Belagerungszustand seinem Ende naht, steigt der Uebermuth dieser Soldaten, welche jetzt unsere Herrscher sind. Es ist an der Tagesordnung, daß Leute, welche an Kasernen vorübergehen, insultirt werden. In Frankfurt a. O. darf es kein Soldat wagen, die deutsche Kokarde zu tragen. Bei dem geringsten Vergehen wird er unnachsichtlich bestraft! Es lebe das einige Deutschland! In der Herrencurie kamen heute allerlei spaßhafte Dinge zur Verhandlung. Die Octroyirte wurde zur Berathung in die Abtheilungen verwiesen. Die Sache war ganz einfach, hielt aber Herrn v. Schleinitz nicht ab, auf der Tribüne zu erscheinen. Schleinitz, der Don Quixote aller Orden verpflichtet sich die Zeitungen zu ewiger Dankbarkeit. Seine Rede ist schon lange gedruckt, ehe er noch daran dachte, sie zu halten. (_ f. die stenogr Berichte der Nat.-Vers. zu Berlin, Frankfurt u. Wien). Er sprach von dem hohen Beruf der Versammlung, von der Sehnsucht, mit welcher das Land die Verfassung erwarte u. s. w. Sodann erschien Herr Leue, der eine lange juristische Deduction zum Besten gab und die omnibus rebus etc. Forckenbeck machte einige kurze Bemerkungen und jetzt kommt der Glanzpunkt der Sitzung. Rintelen erhebt sich. Mit majestätischem Anstand hält er stotternd eine Apologie für seine bekannte Reform der Gerichte. „Eine Veränderung“, sagte er, „war nothwendig und diese Veränderung, das nennt man Reorganisation.“ Würdiger Rintelen! — Große Blamage! — Diesen Ausspruch wird man unter Dein Portrait setzen. Er wird Deinen Namen der dankbaren Nachwelt erhalten. Du wirst belohnt werden für Deine Treue und wirst vergessen die spottende Heiterkeit der Kammer, Papageno Milde's Lachen und das Ehren-Baumstark's. Der Antrag wird nach der ziemlich guten Rede Daniels in die Abtheilungen geschickt. — In der zweiten Kammer haben wir heute Gelegenheit gehabt die sogenannten Koryphäen der Versammlung zu hören. Manteuffel hat mit blutendem Herzen den Belagerungszustand verhängt, aus Liebe zu Berlin, „denn wen der Herr liebt, den züchtigt er.“ Kirchmann sprach sehr gut gegen die Adresse. Der Abg. Urlichs, der Substitut Ehren-Baumstark's, will eine Adresse aus mancherlei Ursachen und bringt das arme Troja wieder vor, indem er die Versammlung mit den Helden vergleicht, welche nach dem Kampfe von Troja sich die Hände reichen und Geschenke wechseln (octroyiren). — Zuletzt erhebt sich noch Herr v. Vinke für seinen Antrag eine Adresse zu erlassen. Er spricht nach der Weise der Frankfurter sehr lang, verspricht aber bei der Adreß-Debatte kurz zu sein. Ueber seinen Horizont geht es, daß viele Juristen sich auf Grund einer ungültig erklärten Verfassung hätten wählen lassen. Der Horizont eines westphälischen Krautjunkers ist eng. — Bei der Debatte über den Antrag Behnsch, einen Ausschuß über die Vorberathung der Octroyirten einzusetzen, heben wir besonders Herrn Stiel, Teltower Abgeordneten, hervor, der sich mit seltener Arroganz der Intelligenz seiner Wähler würdig zeigte. — D'Ester behauptet zum Schrecken der Rechten, er sei nicht auf Grund der Verfassung, sondern des allgemeinen Stimmrechts gewählt. Natürlich muß Vinke darauf noch einigen Unsinn sprechen, indem es wieder über seinen Horizont geht, daß das Volk die Versammlung nicht gebilligt habe. — Schwerin ist sein würdiger Nachfolger und nachdem sich noch Herr Ziegler blamirt hat, wird der Antrag zurückgewiesen. — Zu guter Letzt ereifert sich die Kammer noch bei der Portofreiheit. Berg griff die octroyirten Minister mit ziemlichem Witz an und v. d. Heydt blamirte sich gründlich, indem er Verwahrung einlegte gegen den Vorwurf, er habe mit Hohn von der Versammlung gesprochen. Sitzung der ersten Kammer. Präsident Auerswald. Anfang bald nach 10 Uhr. Das Protokoll der vorigen Sitzung wird verlesen und ohne Aenderung angenommen. Der Präsident zeigt den Eintritt folgender Mitglieder an: Diterici, Goltdammer, v. Daniels, Grem, Knoblauch und Hesse. Zwei Mitglieder, der Regierungsrath Ner_ el und Land- und Stadtgerichtsrath Müchel (Posen) haben die auf sie gefallenen Wahlen abgelehnt. Polizeidirektor Braun (Köslin) bittet um unbestimmten Urlaub, um in der Paulskirche anwesend zu sein, damit es gelinge, die Versuche einer der Einheit feindlichen „Reaktion“ vereiteln zu helfen. Die zweite Kammer zeigt ihre Konstituirung und die Wahl ihrer Präsidenten und Schriftführer an. Die Versammlung geht nach diesen einleitenden Mittheilungen zur Tagesordnung über, d. h. zunächst zur weiteren Prüfung der Wahlprotokolle. Die Wahlen werden sämmtlich ohne Widerspruch für gültig erkannt. Auf der Tagesordnung steht ferner folgender Antrag des Abgeordneten Schleinitz und Genossen: „Die hohe Kammer wolle beschließen: daß die Verfassungsurkunde vom 5. Dezember 1848 den Abtheilungen zur Vorberathung über die vorbehaltene Revision überwiesen werde.“ Motive. Da die Verfassungsurkunde von 5. Dezember als rechtsgültig anerkannt werden muß, und daher nicht anzunehmen ist, daß die Staatsregierung über die darin vorbehaltene Revision der hohen Kammer besondere Vorlagen wird zugehen lassen, da es aber von hoher Wichtigkeit erscheint, daß durch die Erledigung der vorbehaltenen Revision das Verfassungswerk zum Segen des theuren Vaterlandes seine endliche Vollendung erhalte, so erscheint der vorstehende Antrag gerechtfertigt. Schleinitz. Triest. Schroeder. Berens. Wittgenstein. v. Frantzius. u. s. w. Nach der Geschäftsordnung findet zunächst in der Kammer nur die vorläufige Berathung Statt, worauf der Antrag zur weiteren Erwägung an die Abtheilungen geht. Schleinitz spricht seinen von uns schon erwähnten Unsinn. Präsident: Ich frage, ob der Antrag Unterstützung findet? Fast die ganze Versammlung erhebt sich und da sich Niemand zum Worte meldet, wird die Frage gestellt: „ob der Antrag zu einer weiteren Berathung in die Abtheilungen verwiesen werden soll. Abg. Milde zur Fragestellung: Die Frage muß so gestellt werden, daß damit nicht denjenigen Mitgliedern präjudizirt wird, welche weit entfernt sind, eine Berathung der Verfassung in den Abtheilungen zu veranlassen. Durch ein solches Verfahren werden wir dahin geführt, wo wir am 9. November waren. Die Frage des Präsidenten wird hierauf fast einstimmig bejaht. Minister Rintelen: Durch das Reichsgesetz vom 27. November v. J ist für Deutschland eine gemeinsame Wechselordnung erlassen worde. Die Regierung hat keinen Anstand genommen, diese Wechselordnung anzunehmen, konnte jedoch nicht umhin, einige abändernde Bestimmungen hinzuzusetzen. Auf Grund des Artikel 105 ist deshalb eine vorläufige Verordnung erlassen, die ich hiermit der hohen Kammer vorlege. Ebenso lege ich Ihnen eine Verordnung, betreffend die Aufhebung der bäuerlichen Erbfolge in Westphalen vor. Auf der Tagesordnung folgt ferner ein dringender Antrag von Leue und Milde: „Die Verfassungsurkunde vom 5. Dezember 1848, § 105 bestimmt: „Wenn die Kammern nicht versammelt sind, können in dringenden Fällen Verordnungen mit Gesetzeskraft erlassen werden, dieselben sind aber den Kammern bei ihrem nächsten Zusammentritt zur Genehmigung sofort vorzulegen. „In Folge dieser Bestimmung sind zwei Verordnungen publizirt: 1. vom 2. Januar d. J. über die Aufhebung der Privatgerichtsbarkeit und des eximirten Gerichtsstandes, so wie über die anderweitige Organisation der Gerichte, 2. vom 3. Januar d. J. über die Einführung des mündlichen und öffentlichen Verfahrens mit Geschwornen. „Beide Verordnungen sollen mit dem 1. April in Kraft treten und der Justizminister ist mit der Ausfuhrung dieser neuen Einrichtungen beauftragt. Erst heute sind sie als Gesetzesvorlagen der Staatsregierung der ersten Kammer übergeben und mit der Ausführung der neuen Organisation wird ohne Unterbrechung fortgefahren. „Unter den dringenden Fällen des § 105, welche den ungesäumten Erlaß einer provisorischen Verordnung erfordern, können aber nicht solche organische Gesetze verstanden werden, welche eine völlige Umgestaltung des ganzen bisherigen Gerichtswesens bewirken und neue Formen für das Staatsleben erschaffen. Noch weniger scheint es mit dem gegenwärtigen Staatsrecht des Königreichs und den Rechten der Kammern vereinbar, daß solche provisorische Verordnungen vor deren Eröffnung erlassen und während ihrer Sitzungen unter ihren Augen ausgeführt werden. „Dazu kömmt, daß beide Verordnungen in sich mangelhaft und sehr weit davon entfernt sind, ihren Zweck zu erfüllen, das Recht und die bürgerliche Freiheit zu sichern. Bei der voraussichtlich kurzen Dauer ihrer Gültigkeit werden die Gerichte und die Gerichtseingesessenen aus einem alten und gewohnten, wenn auch sehr unvollkommenen Zustande, in ein Provisorium versetzt, dessen Ungewißheit immer etwas Peinliches für alle Theile an sich hat, und die Kosten der jetzt ausgeführten Einrichtungen sind vergeblich aufgewendet. Besser ist es, daß der alte und gewohnte Zustand noch einige Zeit erhalten werde und an dessen Stelle die neue Organisation auf einmal tritt, deren ungewohnte Formen Jeder gern annehmen wird, wenn er weiß daß es nur ein einziger Uebergang ist. „Aus diesen Gründen stellen die Unterzeichneten den Antrag: „Die hohe Kammer wolle die Bitte an Se. Majestät den König beschließen, den Justizminister anzuweisen, mit Ausführung der beiden Verordnungen vom 2. und 3. Januar d. J. einzuhalten.“ Der Abg. Leue begehrt sogleich gehört zu werden. Abg. Leue: Ich habe einen formellen und materiellen Grund, weshalb ich zu meinem Antrag genöthigt werde. Der erste ist, daß solche die Gerichtsverfassung des Landes betreffende Verordnungen, nicht zu denjenigen gehören können, die in Artikel 105 der Verfassung — eine Bestimmung, die ich übrigens vertheidigen werde — zu den „dringenden“ gezählt werden. Der andere Grund ist, daß jene Verordnung zu mangelhaft ist. Die Gerichtsverfassung eines Lands darf nicht anders, als im organischen Zusammenhange mit der Staatsverfassung berathen werden. Von den vielen materiellen Mängeln hebe ich nur zwei hervor: die Einrichtung der Civilgerichte und die Geschwornengerichte. Die Erfahrung lehrt: je kleiner die Gerichte, desto schlechter die Justiz. Das lehrt Frankreich, und man kann auch das Andenken des seligen Kanzlers Beyme nicht besser ehren, als durch Einrichtung großer Gerichte. Führt man kleine Kreisgerichte ein von 6 bis 7 Mitgliedern, so versauern und verbauern die Richter. Die schwierigsten Rechtssachen, die Streitigkeiten zwischen Gutsbesitzern und Pächtern will man aber solchen Richtern anvertrauen. Sobald der Prozeß ein Kunstwerk wird, erfordert er ein großes Gericht. Für kleine Sachen dienen die Friedensrichter. — Was ferner die Geschwornengerichte betrifft, so muß man diese so unabhängig und frei hinstellen, daß kein Mißtrauen gegen sie aufkommen kann. Durch jene Verordnung ist aber ein solcher Schein der Parteilichkeit möglich gemacht, daß die ungerechtesten Urtheile zu Stande kommen werden. Ich will auf andere Mängel nicht eingehen, ich will nur hervorheben, daß es so mangelhaft ist, daß ich eher das alte schriftliche Verfahren haben möchte, als diese Geschwornengerichte. Noch ist es Zeit, einen schleunigen Beschluß zu fassen. Bewahren wir das Land vor einem neuen Provisorium. (Beifall). Der Antrag wird zahlreich unterstützt. Abg. Forkenbeck: Den Motiven, welche der Vorredner anführt, kann ich nicht beistimmen. Dem Antrage in seiner Allgemeinheit glaube ich mich widersetzen zu müssen. Zwar halte ich die verordnete Einrichtung der Geschwornengerichte ebenfalls für mangelhaft. Doch ist es unmöglich, länger in dem gegenwärtigen Provisorium zu verharren. Wir müssen Maßregeln treffen, daß die Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit baldigst in das Leben trete. Mein Wunsch wäre es, die Verbesserung der Verordnungen und ihre praktische Ausführung zu vereinigen. Deshalb scheint mir eine Vertagung des Antrags zweckmäßig. Es wird hierauf folgender Unterantrag von Leue und Milde verlesen: „Bei der Dringlichkeit, der die Aufhebung der Privatgerichtsbarkeit und des eximirten Gerichtsstandes ins Leben führenden Maßregeln eine Kommission von 15 Gliedern, aus allen Abtheilungen gebildet, zu ernennen, um der hohen Kammer schleunig Bericht darüber zu erstatten, auf welche Weise, unerachtet jener Suspension, die Aufhebung der Privatgerichtsbarkeit und des eximirten Gerichtsstandes in möglichst kürzester Zeit ausgeführt werden könne und um den diesfalls an die Staatsregierung zu stellenden Antrag vorzubereiten.“ Motive. So wohl begründet im Allgemeinen der obengenannte Hauptantrag erscheint, so ist es doch bei der allgemeinen Stimmung des Landes, namentlich der Provinz Schlesien, dringend nöthig, dem längst gehegten Wunsche nach Aufhebung der Privatgerichtsbarkeit und des eximirten Gerichtsstandes, welcher in der Verordnung vom 2. Jan. 1849 seine Erfüllung gefunden hat, die schleunige Ausführung der dadurch gebotenen Maßregeln folgen zu lassen. Es dürfte nicht schwer sein, diesen Zweck trotz der beantragten allgemeinen Suspension zu erreichen, und es wird die Aufgabe der zu bildenden Kommission sein, der Hohen Kammer einen darauf bezüglichen Antrag zur Berathung und Beschlußnahme vorzulegen. Kuh. K. Graf Dyhrn. Goebel. Rintelen hält die Apologie für seine Reorganisation. Daniels: Ich erkläre, daß ich keinen einzigen der von dem Herrn Justizminister vorgetragenen Gründe für triftig anerkennen kann. Es handelt sich nicht so sehr um die formelle Berechtigung jener Verordnungen, als um ihre Zweckmäßigkeit. Nichts bedarf Deutschland so sehr als der Einheit in jenen Formen, nach denen der Richter das Recht spricht. Diese Einheit werden die Verordnungen des 2. und 3. Jan. herbeiführen. Ob es zweckmäßig war, der Krone mit solchen Vorschlägen entgegen zu kommen, ist sehr zweifelhaft. Wenn man Bedenken trägt, die Patrimonialgerichte fortbestehen zu lassen, konnten sie nicht fortan im Namen des Königs Recht sprechen oder mit einem benachbarten Kollegium vereinigt werden? Was die Geschwornengerichte betrifft, so spricht gegen die Gestalt, wie sie die Verordnung will, sowohl Erfahrung als Wissenschaft Mit diesem Flickwerk kommen wir nicht in eine bessere Lage. Was war einfacher, als uns eine Revision der Verordnungen vorzubehalten. Eine weise Einrichtung ist so beschaffen, daß sie sich den örtlichen Bedürfnissen anpassen kann. Dies ist der Fall mit der rheinischen Gerichtsverfassung. Ich bin grundsätzlich für nichts so sehr, als für eine achtungswerthe Einrichtung der Gerichte erster Instanz. Hier leidet die Rheinprovinz an einem bedeutenden Mangel. Dort hat man Modifikationen beliebt und dem Uebel nicht abgeholfen. Es ist deshalb keine Nothwendigkeit vorhanden, örtliche Rücksichten ausschließlich vorwalten zu lassen. Es hat der Herr Justizminister gesagt, das Land habe nicht remonstrirt, ich will es glauben, daß die Gerichte bei der Schwierigkeit der Ausführung zum Remonstriren gar keine Zeit gehabt haben. (Heiterkeit) Aber man hätte auch die Stimme des Publikums hören sollen. Ich werde in die Details nicht eingehen, daß aber dem Lande große Kosten erspart und daß das Unvollkommene nicht das Bessere hindere, halte ich für sehr wesentlich. (Beifall und Ruf nach Schluß). Abgeordneter Baumstark gegen den Schluß: Ich bin durch die Gründe des Herrn Justiz-Ministers nicht überzeugt, möchte aber gern noch Gründe der Gegner hören. Auch muß dem Justiz-Minister Zeit und Gelegenheit zur Erwiderung bleiben. Justiz-Minister: Ich fürchte, daß wenn der Antrag auf Suspension der Verordnungen angenommen wird, die reorganisation der Gerichte in nächster Zeit gar nicht zu Stande kommen werde. Die in den Verordnungen in Aussicht gestellte Einrichtung von Kreisgerichten halte ich für durchaus zweckmäßig. Der Antrag auf Schluß wird hierauf genehmigt und ebenso der Hauptantrag zur weitern Erwägung der Abtheilung überwiesen. Präsident: Im Laufe der Sitzung ist mir eine Mittheilung des Staats-Ministeriums zugegangen. Ich bitte den Schriftführer, dieselbe zu verlesen. (Geschieht. Die Mittheilung betrifft die der zweiten Kammer vorgelegte Denkschrift in Ansehung des Belagerungszustandes.) Schluß der Sitzung 12 1/2 Uhr. Nächste Sitzung Sonnabend 10 Uhr. Sitzung der zweiten Kammer. Präsident-Grabow. Auf der Ministerbank befinden sich Graf Brandenburg, v. Ladenberg, v. Strotha, v. Manteuffel und. Raabe. Das Protokoll wird durch den Schriftführer Gellern verlesen und genehmigt. Minister des Innern: Ich habe mir das Wort erbeten, um die angekündigten Vorlagen in Betreff des über Berlin verhängten Belagerungszustandes einzubringen. Dieselben sind doppelter Natur: 1. Bestehen sie in drei Gesetzentwürfen, zum Schutze der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, und zwar: a) in dem Entwurfe eines Gesetzes gegen den Mißbrauch des Versammlungs- und Vereinigungsrechts, b) in einem Gesetzentwurfe, öffentliche Anschläge und Plakate betreffend, c) in dem Entwurfe eines Gesetzes gegen den Mißbrauch der Presse. Die Vorlagen überreiche ich der hohen Kammer zur verfassungsmäßigen Berathung und Beschlußnahme. 2. Habe ich eine Denkschrift über die Gründe der Verhängung des Belagerungszustandes zur Prüfung und Beurtheilung zu überreichen. Nach §. 23. des Geschäfts-Reglements werden die Vorlagen erst zu drucken und an die Deputirten zu vertheilen sein. Ich kann mich daher einstweilen eines Eingehens auf den Inhalt dieser Vorlagen enthalten. Nur Eins will ich aussprechen: Die Regierung hat nur widerstrebend und nur um deshalb den Belagerungszustand verhängt, weil sie darin das einzige Mittel sah, einer großen drohenden Gefahr wirksam entgegen zu treten. Sie hat sich nicht verhehlt, daß diese Maßregel heftigen Angriffen ausgesetzt sein würde, wenn der Belagerungszustand noch während der Kammerdebatten fortdauer. Indeß hat die Ueberzeugung den Ausschlag gegeben, daß ohne die größten Gefahren für das Land der Belagerungszustand jetzt noch nicht aufgehoben werden kann. Das Ministerium wünscht aber dringend, sobald als möglich der schwerlastenden Verantwortlichkeit für diese Maßregel überhoben zu werden, oder aber eine Erleichterung in Betreff des Belagerungszustandes herbeiführen zu können. Wenn Sie die Gründe der Verhängung billigen, so nehmen Sie die Verantwortlichkeit von unsern Schultern und wenn Sie den drei Gesetzvorlagen Ihre Genehmigung ertheilen, so wird der Zeitpunkt näher gerückt, wo der Belagerungszustand aufgehoben werden kann. Präsident Grabow: Ich werde den Druck der Gesetzesvorlagen

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 243. Köln, 11. März 1849, S. 1343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz243i_1849/3>, abgerufen am 25.04.2024.