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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 183. Köln, 31. Dezember 1848.

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jetzt nichts wissen durften, oder welche den kleinen Manteuffel'schen Versammlungen beizuwohnen nicht eingeladen worden, Antheil nehmen an den Wahlkämpfen. Dazu wurde dann ein kühnes Billet an den Straßenecken angeschlagen, das da einladete zu einer Volksversammlung auf gestern Abend bei Korff am Wehrhahnen. Aber, o Schrecken! die Reaktionärs thaten das Blättlein nicht sobald entdecken, als sie auch schon alle Theaterkräfte in Bewegung setzten, Coulissen, Versenkungen u. s. w., um die gefürchtete Versammlung zu hintertreiben. Alsbald erschien die altbürgerliche Polizeischelle auf den Straßen und verkündete, daß gewarnt würde, der angesagten Volksversammlung während des Belagerungszustandes beizuwohnen. Nachmittags aber griffen die "Krieger" zu ihren Büchsen und Bajonetten, die Lanzenreiter saßen auf und nahmen den schwarz-weißen Speer zur Hand, die Husaren hingen ihren Balg um; schaarenweise durchzog man die Straßen, das gefürchtete Volkslokal wurde von 150 Mann Soldaten umstellt, und als nun die Bürger kamen den Saal zu betreten, da bedeutete ihnen Hr. v. Faldern, derzeit hier ein Polizeiinspektor, daß die Volksversammlung verboten sei. Dazu gaben ihn umstehende schnurbärtige Schandarmen durch ihr Dasein Nachdruck, ebenso die draußen stehende Militärmacht. Und siehe da, das Vaterland ist wiederum gerettet! denn die Volksversammlung unterblieb. -- So geht hier der Belagerungszustand seinen Weg; frei zu wählen ist uns bis jetzt untersagt, vielleicht ein Tag vor der Aufhebung des Ausnahmestandes erlaubt man uns eine Versammlung, wenn die Reaktionärs längst fertig sind mit ihren Wahlen. Was wollt ihr denn mehr, als eine so fest garantirte, so streng aufrechterhaltene Ruhe?! -- Und dazu werden wir hier Hrn. Wrangel beherbergen, wir werden ihn schauen von Angesicht zu Angesicht! Schon wird der Schloßflügel für ihn in Bereitschaft gesetzt, der ursprünglich zur Aufnahme des Landtages bestimmt war. Berlin und Düsseldorf werden bald in einander aufgehen, wie Deutschland in Preußen!

232 Geilenkirchen, 28. Dezember.

Die Inquisition, welche in Folge der Steuerverweigerung von einigen Beamten Altpreußens ausgeübt worden ist, hat auch in unserem ruhigen Kreisorte ihren Stuhl aufgepflanzt. Der hiesige "Bürgerverein" hatte in einer seiner Sitzungen dem Steuerverweigerungs-Beschlusse der Berliner Versammlung seine Zustimmung gegeben und diesen Beschluß durch den Druck bekannt gemacht. In der fraglichen Sitzung wurde von einem aktiven Widerstande durchaus abgerathen, die hiesigen Steuerkassen haben von den Folgen dieses Beschlusses nichts gemerkt, gar keine Aufregung hat stattgefunden: und doch haben wir eine förmliche Inquisition gegen einige Mitglieder des Bürgervereins! -- Wir können uns das nur aus Folgendem erklären. Der Groß-Inquisitor ist der hiesige kommissarische Landrath von Eynatten. Dieser hat es in der Armee bis zum Sekonde-Lieutenant und Ganzinvaliden gebracht und hat für dieses immense Verdienst ohne Examen kommissarisch die hiesige Landrathsstelle erhalten. Da ihm die definitive Ernennung etwas lange ausbleibt, so glaubt er wahrscheinlich, sich durch die Ausbeutung jenes unschuldigen Beschlusses des Bürgervereins zum unumstößlichen Landrath aufschwingen zu können. Noch nicht geübt in solchen ruhmvollen Operationen, mußte ihm die Unterstützung eines Individuums sehr willkommen sein, das in einem kürzlich abgewickelten Prozesse allerlei Handlangerdienste, wenn auch fruchtlos, geleistet hat. Dieses Individuum ist der hiesige Kohlen- und Regenwasser Verkäufer etc. etc. Herr Patrizier von Fisenne, der sich im März aus Angst Citoyen nannte, der sich aber jetzt wieder "Herr Gnaden" tituliren läßt. Dieser hatte als vormaliger Wirth eines Polizeimannes und eines andern juristischen blauen Wunders etwas von den nöthigen Kniffen los bekommen. Obgleich in früheren Verhältnissen der heftigste Gegner des kommissarischen Landraths, indem er mit allen Winden in die Segel eines andern landräthlichen Kandidaten blies, so spannte ihn doch jetzt seine saubere Denkungsart, an den Wagen unseres kommissarischen Kreisvaters. Er ging als Zeuge in die erwähnte Sitzung des Bürgervereins. Seine Taubheit kam ihm dabei gut zu Statten, indem er so Dinge, die gar nicht vorkamen, berichten konnte. Der nicht examinirte Landrath begann nun die Inquisition. Es wurden sorgfältig ausgewählte Zeugen vor den Gewaltigen citirt und protokollarisch vernommen und zwar nicht hier im Orte; sondern auf der entferntliegenden Stammburg des Inquisitors. Nicht solche Zeugen wurden geladen, die vermöge ihrer Bildung einen klaren Bericht geben konnten, sondern solche, in deren Munde man die Worte nach dem Wunsche des Protokollanten drehen kann. Und -- sonderbar! Der oben erwähnte patrizische Spekulant in Kohlen- und Regenwasser, Herr v. Fisenne, stand beim Verhör an der Seite des Inquisitors, ohne irgend eine Befugniß, dafür mußte er aber die Beschämung erleiden, daß ein Zeuge so viel gesunden Sinn hatte, nichts eher aussagen zu wollen, bis "Herr Gnaden" sich entfernt hatte.

Wir gestehen, die ganze Inquisition hat uns ein Lächeln abgenöthigt, weil gar nichts zu inquiriren ist. Aber die angeführte Thatsache wirft ein bedeutendes Licht auf genannten Personen und auf unsere gegenwärtigen Zustände.

Es fehlt nichts mehr, als daß der Nicht Examinirte für seine Heldenthat gleich definitiver Landrath wird, dann könnten wir doch wieder ein neues amusantes Faktum addiren zu den vielen andern, die schon gebucht sind.

064 Langerwehe, 27. Dez.

Vor einigen Tagen (20. d. M.) ereignete sich hier folgender nie vorgekommener Vorfall. Die verstorbene Frau eines armen Mannes, B........s mit Namen, sollte zur Erde bestattet werden. Drei Nachbarn, als Träger geladen, fanden sich an jenem Morgen im Sterbehause ein, -- der vierte Hinzugeladene, ein wohlhabender gefühlloser Bauer -- Mitglied des Gemeinderaths -- verschmähte diesen pflichtschuldigen letzten Liebesdienst, und da auch sonst keine Männer im spärlichen Gefolge, noch sonst Jemand außer dem Bereiche der Nachbarschaft Erbarmen mit dem Armen hatte, sah sich besagter Ehemann in die Nothwendigkeit versetzt, -- sein eignes Weib -- in seiner Hütte zwei arme Würmer zurücklassend, -- selbst nach dem ziemlich entlegenen Friedhofe -- zu Grabe tragen zu müssen.

"Ist das die von den Reichen dem Armen gegenüber so oftmals ausposaunte Freiheit, Gleichheit und Bruderliebe?!"

235 Münster, 27. Dez.

In den Monaten Oktober und November haben vier preußische Artillerieoffiziere incognito Frankreich bereis't um Stärke und Beschaffenheit der französischen Festungen zu visitiren. In ihrem Berichte an die Regierung sagen sie, daß alle französischen Festungen einnehmbar wären, nur nicht Paris. Paris könnte nur durch Hunger zur Uebergabe gezwungen werden. Auch russische Offiziere sollen in Frankreich viel spioniren.

35 Münster, 28. Dez.

Die Cumulation der westphälischen Verhaftungen scheint ihren Glanzpunkt erreicht zu haben. Die am gestrigen Abend erfolgte Verhaftung des O.-L.-G.- Direktors Temme erweitert das Brandenburg-Manteuffel'sche Dilemma und die Hauspolitik des Hohenzollern'schen Landrechts zu einer unerschöpflichen Fundgrube loyaler Kunstgriffe und wahrhaft erbaulicher Abnormitäten der süßen "Märzerrungenschaften." "Manteuffel und Bodelschwingh sekretirt, Herr v. Olfers exekutirt, Stadtgerichts-Direktor Hülsmann submittirt." Hier haben Sie jene liebenswürdige Trias, deren getreuer Satellit der noble Münster'sche Merkur sein und bleiben wird, so lange feige Bourgeoisseelen für ihre Verräthereien noch einen rothen Adlerorden erwarten! Man hat die so plötzlich Verhafteten, wie Sie wissen, lediglich den Wahlagitationen entziehen wollen; indessen dürfte sich für diesmal die uckermärkische Camarilla und das Potsdamer Krautjunkerthum verrechnet haben. Dabei sehen wir ganz davon ab, daß einige dieser Inhaftirten selbst innerhalb der Kerkermauern in ihrer konstitutionellen Unschuld den servilen Typus ächten, nur Sonderinteressen kennenden Spießbürgerthums niemals verleugneten. Erstaunen Sie, innerhalb der Wände des Münster'schen Zuchthauses hat sich ein Ober- und ein Unterhaus gebildet! Wenn's so am grünen, wie wird's am dürren werden? Diese höchst verzeihliche Frage kann ich Ihnen jedoch mit voller Wahrheit dahin beantworten, daß der gesunde Kern unseres zähen Volksstammes keineswegs mehr zur Race der Siebenschläfer zählt und daß wenigstens 2/3 unsres Landvolks zum praktischen Selbstbewußtsein gekommen sind und sich bereits ein Terrain erkämpft haben, worauf selbst die Manteuffel'schen Manöver, als das, was sie sind, als abgenutzte Taschenspielerkniffe, den frischen und gesunden westphälischen Bauern erkennbar werden.

Wie lange die Haft der 13 Mitglieder des westphälischen Kongresses noch dauern wird, das wissen die Götter. Die meisten sollen bereits ihr Schlußverhör bestanden haben, indessen werden die obligaten, aus der süßen altpreußischen Quelle des heiligen Landrechts, sprudelnden Urtheile noch lange auf sich warten lassen, weil selbst die Münster'sche Hermandad die Gefahren des juristisch-politischen Dilemma's zu begreifen anfängt. Sobald ein neuer Akt unserer interessanten westphälischen Komödie beginnt, sollen Sie mehr hören.

* Berlin, 28. Dezember.

Durch Ministerialverfügung vom 25. d. M. ist für die Hauptstadt abermals ein theilweiser Garnisonwechsel angeordnet worden, der nicht allein in Berücksichtigung der dadurch erwachsenden Kosten, sondern auch aus allgemein politischen Gesichtspunkten eine gewisse Bedeutung hat und öffentliche Besprechung verdient. Es wird nämlich dieser Garuisonwechsel in der Weise veranstaltet werden, daß einerseits alle die Garderegimenter, welche vor dem 19. März in Berlin gestanden und von denen einige Theile noch nicht wieder hier eingerückt sind, ganz wieder hierher kommen. Andererseits werden diejenigen Truppentheile, die seit dem Frühjahr bis zu den November-Ereignissen ununterbrochen in der Hauptstadt garnisonirten, dieselbe aber seit dem Einrücken der Garden verließen (wie z. B. das Füsilier-Bataillon des 24. Regiments), wieder nach Berlin gezogen werden. Da jedoch eine Verstärkung der Garnison nicht beabsichtigt wird, so soll eine entsprechende Anzahl jetzt hier stehender Truppentheile an die Orte geschickt werden, wo sie zuletzt sechs Monate ununterbrochen sich aufgehalten haben. Der leicht erkenntliche Zweck aller dieser Truppen-Dislocationen ist der, daß den Soldaten ihr Recht der Theilnahme an den Urwahlen gewahrt wird. Das Ministerium will nämlich betreffs der Domicilfrage für die Truppen, die Ansicht geltend machen, es sei der Ort als das gesetzliche Domicil eines Truppentheils geltend zu machen, worin er irgend einmal sechs Monate ununterbrochen seinen Aufenthalt gehabt.

In militärischen Kreisen spricht man hier sehr stark davon, daß Seitens der Preußischen Regierung, auf Befehl der Reichs-Central-Gendarmerie, Vorbereitungen getroffen werden, um Preußische Truppen als Reichs-Execution nach dem Königreich Sachsen zu senden, da es sicher scheine, daß die demokratische Partei eine bedeutende Majorität in der neuen sächsichen Kammer haben werde.

* Berlin, 28. Dez.

Die edle "Kreuzritterin" enthält folgende amüsante Mittheilung über die Leiden und Freuden Berliner Reaktionärs:

"In einem Privathause auf der Lindenstraße fand gestern Abend, wie wir bereits im Voraus annoncirt, eine ächt demokratische Versammlung statt, um über die Wahlen zu berathen. Zu gleicher Zeit hatte sich in der Wohnung des Ob.- Bergrath Kühne auf der Orangenstraße eine große Anzahl Bewohner des Bezirks zu gleicher Absicht, nur in entgegengesetzter Tendenz, versammelt. In der letzten wurde der Antrag gestellt, durch eine schriftliche Erklärung sich dahin zu verbinden, kein Mitglied der Fraktion Unruh wählen zu wollen. Als die Nachricht von dieser Versammlung in der demokratischen bekannt wurde, beschloß man sofort zu interveniren, und einige der Hauptleiter eilten in die Privatwohnung, in welcher die konservative Versammlung gehalten wurde, verlangten mit großer Frechheit das Wort, protestirten gegen die Beschlüsse, erklärten die ganze Berathung für Wahlumtriebe und wußten namentlich den kleinern Bürgern die Leiter und die Absichten der Versammlung so zu verdächtigen, daß sie am Ende eine Anzahl derselben, obschon Viele früher jene Erklärung unterzeichnet hatten, mit sich fort und in die demokratische Versammlung schleppten."

* Berlin, 28. Dez.

Das "konservative Wahlcomite" hat gut agitiren; denn es ist ihr, wie die "lithographische Korresp." mitttheilt, vollständige Portofreiheit gestattet. Somit läßt sich die Geschichte für die konservativen Geldbeutel wohlfeil betreiben. Man würde vielleicht an der Richtigkeit dieser Mittheilung hie und da zu zweifeln versucht sein, allein die Sache hat seine Richtigkeit, denn die neueste Nr. der "Neuen Preußischen Zeitung" stellt sie in Abrede.

102 Wien, 26. Dez.

Windischgrätz ist vor Raab so bedeutend aufs Haupt geschlagen worden, daß er in einem vorgestern veröffentlichten Armee-Bülletin, unter welchem auffallenderweise diesmal sein fürstlicher Feldmarschallsname fehlt, zu einer Lüge und zu einem Nichts seine Zuflucht hat nehmen müssen, blos um der gespannten Bevölkerung der Hauptstadt doch etwas mitzutheilen. Zu einer Lüge, weil es darin heißt, die Avantgarde sei bis über die Rabnitz vorgerückt, ohne auf einen Feind zu stoßen. -- Dem widersprechen nicht nur die bestimmtesten Privatnachrichten über eine bei Raab -- eine offene Stadt -- erlittene Niederlage, sondern auch alle Umstände und selbst die Berichte der entfernteren Hofblätter, denen die Parole des Schweigens noch nicht zugekommen war, um wirklich zu schweigen. Daß er den Wienern die wenigstens ein Siegesbülletin erwarteten, statt dessen nur eine Armeeaufstellung zum Besten gab, ist aber das Nichts und die Bestätigung der Nothlüge und der kaiserl. königl. Niederlage. Und was die Umstände anlangt, so fragt sich Jeder: Woher kommen, wenn ihr auf keinen Feind gestoßen sind, die großen Zufuhren von Verwundeten, von durchschossenen Uniformen, von unbrauchbar gewordenen Gewehren, und die 18 demontirten Kanonen, welche noch gestern hier angekommen seid? Warum werden das Neugebäude und die Türkenschanze so ängstlich mächtig verschanzt und besetzt? Warum fällt die Börse ungeachtet der so schmählich bewilligten 80 Mill. immer tiefer? -- Kein Mensch hat darauf eine andere Antwort, kann eine andere als die haben: Weil die Armee vor Raab, einer offenen Stadt, eine Schlappe bekommen hat und es nicht abzusehen ist, wie es ihr erst vor den Festungen Komorn und Osen ergehen wird!

Die schwarzgelbe Klike meinte nicht anders, als die Eroberung Ungarns sei, weil man hunderte wilder Natiönchen wider die Magyaren gehetzt, eine Bagatelle. Man besetzte einige absichtlich verlassene Städte an der Grenze und rückte gen Raab vor. Jelachich bekommt den Auftrag, die Stadt zu stürmen. Er stellt nach dem Befehle des Feldmarschall Wütherich die 15,000 aus Wien verschwundenen Proletarier -- worunter sich übrigens Greise, Nationalgarden, Studenten, kurz alle Klassen befinden -- in die erste Sturmkolonne, um ihnen so den sichern Untergang zu bereiten. In der zweiten Kolonne dicht dahinter folgen, den Hahn auf das s. g. Proletariat gespannt, die Oguliner, Ottochaner und Seresaner Rothmäntel, die auserwähltesten Banditen der Kroatenarmee, und dann erst das reguläre Militär. Nun beginnt der Sturm, das Proletariat wird in den dichtesten Kugelregen gejagt und viele finden ihren Tod. Die magyarischen Streitkräfte entwickeln sich aber immer beträchtlicher, der Kampf wird hartnäckig und das Proletariat ergreift die Gelegenheit, in Masse zu den Magyaren überzutreten und sich, mit ihnen vereint, von der unendlichsten Wuth beseelt, auf die kais. Banditen zu werfen. Sie werden zurückgeworfen, das Militär wird geworfen, ganze Bataillone sollen niedergestreckt sein. Jelachichs Armeekorps muß weichen, er selbst soll nebst dem Sohne des Windischgrätz gefangen sein. -- Die Magyaren verfolgten die Kroaten dann bis zum Neusiedler See und trieben Tausende dort hinein.

Hier stand aber Windischgrätz mit dem 1. Armeekorps und die Verfolgung hatte ein Ende. 30,000 Menschen sollen auf beiden Seiten gefallen und verwundet sein. So lauten die Nachrichten, die hier verbreitet sind.

Bedenkt man, daß Ungarn ein 6000 O.-Meilen großes, von Gebirgen wie die Karpathen durchzogenes, von muthigen Völkern bewohntes Land ist, an dessen Spitze sich der große Genius Kossuth befindet; bedenkt man, daß die noch jungfräuliche Festung Komorn, ferner die Festungen Munkacs, Arad, Eszek, das famose Peterwardein u. s. w. nebst Osen in den Händen der Magyaren sind, daß dieselben eine Streitmacht von 150,000 Soldaten besitzen und 8 Mill. von den 13, die die ungarischen Länder bewohnen, es mit ihnen halten, so dürfte Windischgrätz jedenfalls noch einige pikante Partien auszuspielen haben, bevor er seinem "jugendlichen" Kroatenhäuptling nach Olmütz schreiben kann: "L'ordre regne aBuda-Pesth!" insofern der Verrath in Ungarn nicht die Rolle fortspielt, mit der er hier angefangen. Die heute erschienenen Zeitungen beobachten über Ungarn ein bedeutsames offizielles Schweigen.

121 Wien, 26. Dez.

In der Wiener Zeitung vom 24. werden Sie einen aus dem National übersetzten Brief, "Ein Gefangener des Windischgrätz" überschrieben, gefunden haben, der in der Hauptsache eine Bestätigung Ihnen von mir bereits mitgetheilter Thatsachen enthält. Dieser Brief macht hier, eben weil er in der Wienerin steht, das ungeheuerste Aufsehen, so daß die heutige "Presse" die Redaktion derselben auffordert, darüber eine Erklärung zu geben. Wir erwarten dieselbe, sind aber gewiß, daß man nicht verfehlen wird, zu sagen, man habe den Brief blos aufgenommen, um den guten Oestreichern zu zeigen, wie ihr Wohlthäter Windischgrätz verleumdet werde. Mir scheint, der National hat sich für die Artikel des ministeriellen "Lloyd", welche den Sturz der Republik unverholen predigten, obzwar nur bourgeoismäßig, rächen wollen. -- In ganz Europa mag es in diesem Augenblicke kein verworfeneres Gesindel geben, als der Gemeinderath von Wien. Seine hündische Unterwürfigkeit ist so enorm, daß selbst Welden ihn nur verachtet und der Olmützer Korrespondent sich schon mehrmals über die selbst vor dem Absolutismus unerhörte Gesinnungslosigkeit dieses Auswurfs der Bourgeoisie verwundert hat. Nicht nur daß er die Kinder der von den Kroaten verbrannten Familien, deren sich arme Dienstmädchen erbarmt, mit Ignoriren des Faktums, hülflos auf die Straße wirft, hält er trotz des fürchterlichen Nothstandes auch die Summen zurück, welche von außen für die Freiheitskämpfer eingeschickt worden sind. So besitzt er gegenwärtig an 25,000 fl. C. M. dafür, welche er unvertheilt läßt, um sie auf den ersten standrechtlichen Wink vielleicht unter die Kroaten zu verschenken. So hat er die Polizei beauftragt, alle Literaten zu verfolgen und nach Gutdünken damit zu verfahren; und als in der Sitzung vom 18. die Direktion des Wiener Schuldentilgungs- und Hülfsvereins um Bevorwortung bei der Militärbehörde wegen Fortbestehens desselben unter dem Belagerungszustande bot, beschloß er nicht nur, darauf keine Antwort zu geben, sondern forderte in Berücksichtigung der Gefährlichkeit dieses Vereins (!) die Polizei noch obendrein auf, denselben zu verfolgen. -- Das Militärgericht treibt mittlerweile den bestialischen Terrorismus soweit, daß es vor einigen Tagen einen Korporal zu 5 Jahren Schanzarbeit in schwerem Eisen begnadigte, weil er, nachdem er nachgewiesen, daß er bei der Vertheidigung Wiens nur unfreiwillig betheiligt war, nicht desertirt sei. Die Wuth geht also so weit, daß sie, eines "negativen Faktums" wegen verurtheilt, indem sie die Desertion ungeachtet ihrer erwiesenen Unmöglichkeit verlangte. Ungeheuer! -- Und der "jugendliche" Dalai-Lama von Olmütz, hat die Unverschämtheit, sich in Frankfurt zum Kaiser-Kandidaten des deutschen Volks anzubieten! Wahrlich, eine solche Zumuthung ist nur in Deutschland und nur vor einer Gesellschaft möglich, die Subjekte, wie Gagern, Welkers, Dahlmänner, Biedermänner, Bassermänner, Eisenmänner, Buschmänner u. s. w. an ihrer Spitze duldet, welche die Ehrlosigkeit soweit treiben, den Tritt Oestreichs damit zu beantworten, daß sie ihm die deutschen Provinzen preisgeben. Die hiesigen Gutgesinnten sind entrüstet über unsere Banditen, aber noch entrüsteter sind sie über die Gesellschaft, welche in Frankfurt das deutsche Volk verschachert. Das deutsche Volk Oestreichs erwartete die Reichsarmee von 50,000 Mann, mit welcher man die Schweiz chikanirt, an den Grenzen Böhmens. Oestreich würde bei seinen Zuständen vor ihr erzittert sein, noch erzittern; es würde seine deutschen Provinzen nicht ferner zu malträtiren wagen; aber es wird von Frankfurt aus der czechischen Wuth preisgegeben. Das heißt "Deutschland in seiner tiefsten Erniedrigung!"

Wien, 26. Dezember.

Wiederholt versichert man, daß unsere Truppen in Raab eingerückt seien; ist es auch noch nicht geschehen, so steht es jedenfalls in größter Bälde zu erwarten. -- Unsere Truppen fanden überall nur fliehende Feinde und die Offiziere, namentlich die jungen, klagen, daß ihnen die Gelegenheit entzogen erscheint, sich Lorbeeren zu sammeln. Selbst die Einnahme der als stärkster Stein des Anstoßes dargestellten Festung Komorn wurde in nahe Aussicht gestellt, indem der dort kommandirende Ober Maitheny seine Willfährigkeit, sich den k. k. Truppen zu ergeben, bereits erklärt haben soll. -- Die heutige Wiener Zeitung enthält einen offiziellen Artikel, worin die Wiederanknüpfung direkter diplomatischer Verbindungen mit dem Papste, an welchen auch sofort ein k. k. Gesandter nach Gaeta abgeht, kund gegeben wird.

Kremsier.

Uebersicht der Abgeordneten des österr. Landtags nach Provinzen, Klubs und nach ihrer Gesinnung bei Abstimmung über Hauptfragen.

Provinz.Abgeordnete im Ganzen.Im slawischen Klub, rechts.Im deutsch-östr. und öster. Klub, Centrum.Unentschiedene.Klub der Linken.Ansonst.
Galizien10935--39269
Böhmen905022954
Mähren48132357--
Nied.-Oesterr.37--94213
Steiermark21310242
Ober-Oesterr.20--6--122
Tyrol19--12421
Illyrien1775113
Küstenland1232421
Dalmatien113--521
Zusammen38311489738226
(Pra. Ztg.)
24 Breslau, 27. Dezbr.

Das Comite des schlesischen Handwerker-Vereins, in welchem unter andern reactionären Subjekten sich auch ein Herr Möcke befindet, hatte eine Deputation nach Berlin zu senden beschlossen (cf. Nr. 180 der N. Rh. Z.), um bei dem (Siehe den Verfolg in der Beilage.)

jetzt nichts wissen durften, oder welche den kleinen Manteuffel'schen Versammlungen beizuwohnen nicht eingeladen worden, Antheil nehmen an den Wahlkämpfen. Dazu wurde dann ein kühnes Billet an den Straßenecken angeschlagen, das da einladete zu einer Volksversammlung auf gestern Abend bei Korff am Wehrhahnen. Aber, o Schrecken! die Reaktionärs thaten das Blättlein nicht sobald entdecken, als sie auch schon alle Theaterkräfte in Bewegung setzten, Coulissen, Versenkungen u. s. w., um die gefürchtete Versammlung zu hintertreiben. Alsbald erschien die altbürgerliche Polizeischelle auf den Straßen und verkündete, daß gewarnt würde, der angesagten Volksversammlung während des Belagerungszustandes beizuwohnen. Nachmittags aber griffen die „Krieger“ zu ihren Büchsen und Bajonetten, die Lanzenreiter saßen auf und nahmen den schwarz-weißen Speer zur Hand, die Husaren hingen ihren Balg um; schaarenweise durchzog man die Straßen, das gefürchtete Volkslokal wurde von 150 Mann Soldaten umstellt, und als nun die Bürger kamen den Saal zu betreten, da bedeutete ihnen Hr. v. Faldern, derzeit hier ein Polizeiinspektor, daß die Volksversammlung verboten sei. Dazu gaben ihn umstehende schnurbärtige Schandarmen durch ihr Dasein Nachdruck, ebenso die draußen stehende Militärmacht. Und siehe da, das Vaterland ist wiederum gerettet! denn die Volksversammlung unterblieb. — So geht hier der Belagerungszustand seinen Weg; frei zu wählen ist uns bis jetzt untersagt, vielleicht ein Tag vor der Aufhebung des Ausnahmestandes erlaubt man uns eine Versammlung, wenn die Reaktionärs längst fertig sind mit ihren Wahlen. Was wollt ihr denn mehr, als eine so fest garantirte, so streng aufrechterhaltene Ruhe?! — Und dazu werden wir hier Hrn. Wrangel beherbergen, wir werden ihn schauen von Angesicht zu Angesicht! Schon wird der Schloßflügel für ihn in Bereitschaft gesetzt, der ursprünglich zur Aufnahme des Landtages bestimmt war. Berlin und Düsseldorf werden bald in einander aufgehen, wie Deutschland in Preußen!

232 Geilenkirchen, 28. Dezember.

Die Inquisition, welche in Folge der Steuerverweigerung von einigen Beamten Altpreußens ausgeübt worden ist, hat auch in unserem ruhigen Kreisorte ihren Stuhl aufgepflanzt. Der hiesige „Bürgerverein“ hatte in einer seiner Sitzungen dem Steuerverweigerungs-Beschlusse der Berliner Versammlung seine Zustimmung gegeben und diesen Beschluß durch den Druck bekannt gemacht. In der fraglichen Sitzung wurde von einem aktiven Widerstande durchaus abgerathen, die hiesigen Steuerkassen haben von den Folgen dieses Beschlusses nichts gemerkt, gar keine Aufregung hat stattgefunden: und doch haben wir eine förmliche Inquisition gegen einige Mitglieder des Bürgervereins! — Wir können uns das nur aus Folgendem erklären. Der Groß-Inquisitor ist der hiesige kommissarische Landrath von Eynatten. Dieser hat es in der Armee bis zum Sekonde-Lieutenant und Ganzinvaliden gebracht und hat für dieses immense Verdienst ohne Examen kommissarisch die hiesige Landrathsstelle erhalten. Da ihm die definitive Ernennung etwas lange ausbleibt, so glaubt er wahrscheinlich, sich durch die Ausbeutung jenes unschuldigen Beschlusses des Bürgervereins zum unumstößlichen Landrath aufschwingen zu können. Noch nicht geübt in solchen ruhmvollen Operationen, mußte ihm die Unterstützung eines Individuums sehr willkommen sein, das in einem kürzlich abgewickelten Prozesse allerlei Handlangerdienste, wenn auch fruchtlos, geleistet hat. Dieses Individuum ist der hiesige Kohlen- und Regenwasser Verkäufer etc. etc. Herr Patrizier von Fisenne, der sich im März aus Angst Citoyen nannte, der sich aber jetzt wieder „Herr Gnaden“ tituliren läßt. Dieser hatte als vormaliger Wirth eines Polizeimannes und eines andern juristischen blauen Wunders etwas von den nöthigen Kniffen los bekommen. Obgleich in früheren Verhältnissen der heftigste Gegner des kommissarischen Landraths, indem er mit allen Winden in die Segel eines andern landräthlichen Kandidaten blies, so spannte ihn doch jetzt seine saubere Denkungsart, an den Wagen unseres kommissarischen Kreisvaters. Er ging als Zeuge in die erwähnte Sitzung des Bürgervereins. Seine Taubheit kam ihm dabei gut zu Statten, indem er so Dinge, die gar nicht vorkamen, berichten konnte. Der nicht examinirte Landrath begann nun die Inquisition. Es wurden sorgfältig ausgewählte Zeugen vor den Gewaltigen citirt und protokollarisch vernommen und zwar nicht hier im Orte; sondern auf der entferntliegenden Stammburg des Inquisitors. Nicht solche Zeugen wurden geladen, die vermöge ihrer Bildung einen klaren Bericht geben konnten, sondern solche, in deren Munde man die Worte nach dem Wunsche des Protokollanten drehen kann. Und — sonderbar! Der oben erwähnte patrizische Spekulant in Kohlen- und Regenwasser, Herr v. Fisenne, stand beim Verhör an der Seite des Inquisitors, ohne irgend eine Befugniß, dafür mußte er aber die Beschämung erleiden, daß ein Zeuge so viel gesunden Sinn hatte, nichts eher aussagen zu wollen, bis „Herr Gnaden“ sich entfernt hatte.

Wir gestehen, die ganze Inquisition hat uns ein Lächeln abgenöthigt, weil gar nichts zu inquiriren ist. Aber die angeführte Thatsache wirft ein bedeutendes Licht auf genannten Personen und auf unsere gegenwärtigen Zustände.

Es fehlt nichts mehr, als daß der Nicht Examinirte für seine Heldenthat gleich definitiver Landrath wird, dann könnten wir doch wieder ein neues amusantes Faktum addiren zu den vielen andern, die schon gebucht sind.

064 Langerwehe, 27. Dez.

Vor einigen Tagen (20. d. M.) ereignete sich hier folgender nie vorgekommener Vorfall. Die verstorbene Frau eines armen Mannes, B……‥s mit Namen, sollte zur Erde bestattet werden. Drei Nachbarn, als Träger geladen, fanden sich an jenem Morgen im Sterbehause ein, — der vierte Hinzugeladene, ein wohlhabender gefühlloser Bauer — Mitglied des Gemeinderaths — verschmähte diesen pflichtschuldigen letzten Liebesdienst, und da auch sonst keine Männer im spärlichen Gefolge, noch sonst Jemand außer dem Bereiche der Nachbarschaft Erbarmen mit dem Armen hatte, sah sich besagter Ehemann in die Nothwendigkeit versetzt, — sein eignes Weib — in seiner Hütte zwei arme Würmer zurücklassend, — selbst nach dem ziemlich entlegenen Friedhofe — zu Grabe tragen zu müssen.

„Ist das die von den Reichen dem Armen gegenüber so oftmals ausposaunte Freiheit, Gleichheit und Bruderliebe?!“

235 Münster, 27. Dez.

In den Monaten Oktober und November haben vier preußische Artillerieoffiziere incognito Frankreich bereis't um Stärke und Beschaffenheit der französischen Festungen zu visitiren. In ihrem Berichte an die Regierung sagen sie, daß alle französischen Festungen einnehmbar wären, nur nicht Paris. Paris könnte nur durch Hunger zur Uebergabe gezwungen werden. Auch russische Offiziere sollen in Frankreich viel spioniren.

35 Münster, 28. Dez.

Die Cumulation der westphälischen Verhaftungen scheint ihren Glanzpunkt erreicht zu haben. Die am gestrigen Abend erfolgte Verhaftung des O.-L.-G.- Direktors Temme erweitert das Brandenburg-Manteuffel'sche Dilemma und die Hauspolitik des Hohenzollern'schen Landrechts zu einer unerschöpflichen Fundgrube loyaler Kunstgriffe und wahrhaft erbaulicher Abnormitäten der süßen „Märzerrungenschaften.“ „Manteuffel und Bodelschwingh sekretirt, Herr v. Olfers exekutirt, Stadtgerichts-Direktor Hülsmann submittirt.“ Hier haben Sie jene liebenswürdige Trias, deren getreuer Satellit der noble Münster'sche Merkur sein und bleiben wird, so lange feige Bourgeoisseelen für ihre Verräthereien noch einen rothen Adlerorden erwarten! Man hat die so plötzlich Verhafteten, wie Sie wissen, lediglich den Wahlagitationen entziehen wollen; indessen dürfte sich für diesmal die uckermärkische Camarilla und das Potsdamer Krautjunkerthum verrechnet haben. Dabei sehen wir ganz davon ab, daß einige dieser Inhaftirten selbst innerhalb der Kerkermauern in ihrer konstitutionellen Unschuld den servilen Typus ächten, nur Sonderinteressen kennenden Spießbürgerthums niemals verleugneten. Erstaunen Sie, innerhalb der Wände des Münster'schen Zuchthauses hat sich ein Ober- und ein Unterhaus gebildet! Wenn's so am grünen, wie wird's am dürren werden? Diese höchst verzeihliche Frage kann ich Ihnen jedoch mit voller Wahrheit dahin beantworten, daß der gesunde Kern unseres zähen Volksstammes keineswegs mehr zur Race der Siebenschläfer zählt und daß wenigstens 2/3 unsres Landvolks zum praktischen Selbstbewußtsein gekommen sind und sich bereits ein Terrain erkämpft haben, worauf selbst die Manteuffel'schen Manöver, als das, was sie sind, als abgenutzte Taschenspielerkniffe, den frischen und gesunden westphälischen Bauern erkennbar werden.

Wie lange die Haft der 13 Mitglieder des westphälischen Kongresses noch dauern wird, das wissen die Götter. Die meisten sollen bereits ihr Schlußverhör bestanden haben, indessen werden die obligaten, aus der süßen altpreußischen Quelle des heiligen Landrechts, sprudelnden Urtheile noch lange auf sich warten lassen, weil selbst die Münster'sche Hermandad die Gefahren des juristisch-politischen Dilemma's zu begreifen anfängt. Sobald ein neuer Akt unserer interessanten westphälischen Komödie beginnt, sollen Sie mehr hören.

* Berlin, 28. Dezember.

Durch Ministerialverfügung vom 25. d. M. ist für die Hauptstadt abermals ein theilweiser Garnisonwechsel angeordnet worden, der nicht allein in Berücksichtigung der dadurch erwachsenden Kosten, sondern auch aus allgemein politischen Gesichtspunkten eine gewisse Bedeutung hat und öffentliche Besprechung verdient. Es wird nämlich dieser Garuisonwechsel in der Weise veranstaltet werden, daß einerseits alle die Garderegimenter, welche vor dem 19. März in Berlin gestanden und von denen einige Theile noch nicht wieder hier eingerückt sind, ganz wieder hierher kommen. Andererseits werden diejenigen Truppentheile, die seit dem Frühjahr bis zu den November-Ereignissen ununterbrochen in der Hauptstadt garnisonirten, dieselbe aber seit dem Einrücken der Garden verließen (wie z. B. das Füsilier-Bataillon des 24. Regiments), wieder nach Berlin gezogen werden. Da jedoch eine Verstärkung der Garnison nicht beabsichtigt wird, so soll eine entsprechende Anzahl jetzt hier stehender Truppentheile an die Orte geschickt werden, wo sie zuletzt sechs Monate ununterbrochen sich aufgehalten haben. Der leicht erkenntliche Zweck aller dieser Truppen-Dislocationen ist der, daß den Soldaten ihr Recht der Theilnahme an den Urwahlen gewahrt wird. Das Ministerium will nämlich betreffs der Domicilfrage für die Truppen, die Ansicht geltend machen, es sei der Ort als das gesetzliche Domicil eines Truppentheils geltend zu machen, worin er irgend einmal sechs Monate ununterbrochen seinen Aufenthalt gehabt.

In militärischen Kreisen spricht man hier sehr stark davon, daß Seitens der Preußischen Regierung, auf Befehl der Reichs-Central-Gendarmerie, Vorbereitungen getroffen werden, um Preußische Truppen als Reichs-Execution nach dem Königreich Sachsen zu senden, da es sicher scheine, daß die demokratische Partei eine bedeutende Majorität in der neuen sächsichen Kammer haben werde.

* Berlin, 28. Dez.

Die edle „Kreuzritterin“ enthält folgende amüsante Mittheilung über die Leiden und Freuden Berliner Reaktionärs:

„In einem Privathause auf der Lindenstraße fand gestern Abend, wie wir bereits im Voraus annoncirt, eine ächt demokratische Versammlung statt, um über die Wahlen zu berathen. Zu gleicher Zeit hatte sich in der Wohnung des Ob.- Bergrath Kühne auf der Orangenstraße eine große Anzahl Bewohner des Bezirks zu gleicher Absicht, nur in entgegengesetzter Tendenz, versammelt. In der letzten wurde der Antrag gestellt, durch eine schriftliche Erklärung sich dahin zu verbinden, kein Mitglied der Fraktion Unruh wählen zu wollen. Als die Nachricht von dieser Versammlung in der demokratischen bekannt wurde, beschloß man sofort zu interveniren, und einige der Hauptleiter eilten in die Privatwohnung, in welcher die konservative Versammlung gehalten wurde, verlangten mit großer Frechheit das Wort, protestirten gegen die Beschlüsse, erklärten die ganze Berathung für Wahlumtriebe und wußten namentlich den kleinern Bürgern die Leiter und die Absichten der Versammlung so zu verdächtigen, daß sie am Ende eine Anzahl derselben, obschon Viele früher jene Erklärung unterzeichnet hatten, mit sich fort und in die demokratische Versammlung schleppten.“

* Berlin, 28. Dez.

Das „konservative Wahlcomité“ hat gut agitiren; denn es ist ihr, wie die „lithographische Korresp.“ mitttheilt, vollständige Portofreiheit gestattet. Somit läßt sich die Geschichte für die konservativen Geldbeutel wohlfeil betreiben. Man würde vielleicht an der Richtigkeit dieser Mittheilung hie und da zu zweifeln versucht sein, allein die Sache hat seine Richtigkeit, denn die neueste Nr. der „Neuen Preußischen Zeitung“ stellt sie in Abrede.

102 Wien, 26. Dez.

Windischgrätz ist vor Raab so bedeutend aufs Haupt geschlagen worden, daß er in einem vorgestern veröffentlichten Armee-Bülletin, unter welchem auffallenderweise diesmal sein fürstlicher Feldmarschallsname fehlt, zu einer Lüge und zu einem Nichts seine Zuflucht hat nehmen müssen, blos um der gespannten Bevölkerung der Hauptstadt doch etwas mitzutheilen. Zu einer Lüge, weil es darin heißt, die Avantgarde sei bis über die Rabnitz vorgerückt, ohne auf einen Feind zu stoßen. — Dem widersprechen nicht nur die bestimmtesten Privatnachrichten über eine bei Raab — eine offene Stadt — erlittene Niederlage, sondern auch alle Umstände und selbst die Berichte der entfernteren Hofblätter, denen die Parole des Schweigens noch nicht zugekommen war, um wirklich zu schweigen. Daß er den Wienern die wenigstens ein Siegesbülletin erwarteten, statt dessen nur eine Armeeaufstellung zum Besten gab, ist aber das Nichts und die Bestätigung der Nothlüge und der kaiserl. königl. Niederlage. Und was die Umstände anlangt, so fragt sich Jeder: Woher kommen, wenn ihr auf keinen Feind gestoßen sind, die großen Zufuhren von Verwundeten, von durchschossenen Uniformen, von unbrauchbar gewordenen Gewehren, und die 18 demontirten Kanonen, welche noch gestern hier angekommen seid? Warum werden das Neugebäude und die Türkenschanze so ängstlich mächtig verschanzt und besetzt? Warum fällt die Börse ungeachtet der so schmählich bewilligten 80 Mill. immer tiefer? — Kein Mensch hat darauf eine andere Antwort, kann eine andere als die haben: Weil die Armee vor Raab, einer offenen Stadt, eine Schlappe bekommen hat und es nicht abzusehen ist, wie es ihr erst vor den Festungen Komorn und Osen ergehen wird!

Die schwarzgelbe Klike meinte nicht anders, als die Eroberung Ungarns sei, weil man hunderte wilder Natiönchen wider die Magyaren gehetzt, eine Bagatelle. Man besetzte einige absichtlich verlassene Städte an der Grenze und rückte gen Raab vor. Jelachich bekommt den Auftrag, die Stadt zu stürmen. Er stellt nach dem Befehle des Feldmarschall Wütherich die 15,000 aus Wien verschwundenen Proletarier — worunter sich übrigens Greise, Nationalgarden, Studenten, kurz alle Klassen befinden — in die erste Sturmkolonne, um ihnen so den sichern Untergang zu bereiten. In der zweiten Kolonne dicht dahinter folgen, den Hahn auf das s. g. Proletariat gespannt, die Oguliner, Ottochaner und Seresaner Rothmäntel, die auserwähltesten Banditen der Kroatenarmee, und dann erst das reguläre Militär. Nun beginnt der Sturm, das Proletariat wird in den dichtesten Kugelregen gejagt und viele finden ihren Tod. Die magyarischen Streitkräfte entwickeln sich aber immer beträchtlicher, der Kampf wird hartnäckig und das Proletariat ergreift die Gelegenheit, in Masse zu den Magyaren überzutreten und sich, mit ihnen vereint, von der unendlichsten Wuth beseelt, auf die kais. Banditen zu werfen. Sie werden zurückgeworfen, das Militär wird geworfen, ganze Bataillone sollen niedergestreckt sein. Jelachichs Armeekorps muß weichen, er selbst soll nebst dem Sohne des Windischgrätz gefangen sein. — Die Magyaren verfolgten die Kroaten dann bis zum Neusiedler See und trieben Tausende dort hinein.

Hier stand aber Windischgrätz mit dem 1. Armeekorps und die Verfolgung hatte ein Ende. 30,000 Menschen sollen auf beiden Seiten gefallen und verwundet sein. So lauten die Nachrichten, die hier verbreitet sind.

Bedenkt man, daß Ungarn ein 6000 O.-Meilen großes, von Gebirgen wie die Karpathen durchzogenes, von muthigen Völkern bewohntes Land ist, an dessen Spitze sich der große Genius Kossuth befindet; bedenkt man, daß die noch jungfräuliche Festung Komorn, ferner die Festungen Munkacs, Arad, Eszek, das famose Peterwardein u. s. w. nebst Osen in den Händen der Magyaren sind, daß dieselben eine Streitmacht von 150,000 Soldaten besitzen und 8 Mill. von den 13, die die ungarischen Länder bewohnen, es mit ihnen halten, so dürfte Windischgrätz jedenfalls noch einige pikante Partien auszuspielen haben, bevor er seinem „jugendlichen“ Kroatenhäuptling nach Olmütz schreiben kann: »L'ordre regne àBuda-Pesth!« insofern der Verrath in Ungarn nicht die Rolle fortspielt, mit der er hier angefangen. Die heute erschienenen Zeitungen beobachten über Ungarn ein bedeutsames offizielles Schweigen.

121 Wien, 26. Dez.

In der Wiener Zeitung vom 24. werden Sie einen aus dem National übersetzten Brief, „Ein Gefangener des Windischgrätz“ überschrieben, gefunden haben, der in der Hauptsache eine Bestätigung Ihnen von mir bereits mitgetheilter Thatsachen enthält. Dieser Brief macht hier, eben weil er in der Wienerin steht, das ungeheuerste Aufsehen, so daß die heutige „Presse“ die Redaktion derselben auffordert, darüber eine Erklärung zu geben. Wir erwarten dieselbe, sind aber gewiß, daß man nicht verfehlen wird, zu sagen, man habe den Brief blos aufgenommen, um den guten Oestreichern zu zeigen, wie ihr Wohlthäter Windischgrätz verleumdet werde. Mir scheint, der National hat sich für die Artikel des ministeriellen „Lloyd“, welche den Sturz der Republik unverholen predigten, obzwar nur bourgeoismäßig, rächen wollen. — In ganz Europa mag es in diesem Augenblicke kein verworfeneres Gesindel geben, als der Gemeinderath von Wien. Seine hündische Unterwürfigkeit ist so enorm, daß selbst Welden ihn nur verachtet und der Olmützer Korrespondent sich schon mehrmals über die selbst vor dem Absolutismus unerhörte Gesinnungslosigkeit dieses Auswurfs der Bourgeoisie verwundert hat. Nicht nur daß er die Kinder der von den Kroaten verbrannten Familien, deren sich arme Dienstmädchen erbarmt, mit Ignoriren des Faktums, hülflos auf die Straße wirft, hält er trotz des fürchterlichen Nothstandes auch die Summen zurück, welche von außen für die Freiheitskämpfer eingeschickt worden sind. So besitzt er gegenwärtig an 25,000 fl. C. M. dafür, welche er unvertheilt läßt, um sie auf den ersten standrechtlichen Wink vielleicht unter die Kroaten zu verschenken. So hat er die Polizei beauftragt, alle Literaten zu verfolgen und nach Gutdünken damit zu verfahren; und als in der Sitzung vom 18. die Direktion des Wiener Schuldentilgungs- und Hülfsvereins um Bevorwortung bei der Militärbehörde wegen Fortbestehens desselben unter dem Belagerungszustande bot, beschloß er nicht nur, darauf keine Antwort zu geben, sondern forderte in Berücksichtigung der Gefährlichkeit dieses Vereins (!) die Polizei noch obendrein auf, denselben zu verfolgen. — Das Militärgericht treibt mittlerweile den bestialischen Terrorismus soweit, daß es vor einigen Tagen einen Korporal zu 5 Jahren Schanzarbeit in schwerem Eisen begnadigte, weil er, nachdem er nachgewiesen, daß er bei der Vertheidigung Wiens nur unfreiwillig betheiligt war, nicht desertirt sei. Die Wuth geht also so weit, daß sie, eines „negativen Faktums“ wegen verurtheilt, indem sie die Desertion ungeachtet ihrer erwiesenen Unmöglichkeit verlangte. Ungeheuer! — Und der „jugendliche“ Dalai-Lama von Olmütz, hat die Unverschämtheit, sich in Frankfurt zum Kaiser-Kandidaten des deutschen Volks anzubieten! Wahrlich, eine solche Zumuthung ist nur in Deutschland und nur vor einer Gesellschaft möglich, die Subjekte, wie Gagern, Welkers, Dahlmänner, Biedermänner, Bassermänner, Eisenmänner, Buschmänner u. s. w. an ihrer Spitze duldet, welche die Ehrlosigkeit soweit treiben, den Tritt Oestreichs damit zu beantworten, daß sie ihm die deutschen Provinzen preisgeben. Die hiesigen Gutgesinnten sind entrüstet über unsere Banditen, aber noch entrüsteter sind sie über die Gesellschaft, welche in Frankfurt das deutsche Volk verschachert. Das deutsche Volk Oestreichs erwartete die Reichsarmee von 50,000 Mann, mit welcher man die Schweiz chikanirt, an den Grenzen Böhmens. Oestreich würde bei seinen Zuständen vor ihr erzittert sein, noch erzittern; es würde seine deutschen Provinzen nicht ferner zu malträtiren wagen; aber es wird von Frankfurt aus der czechischen Wuth preisgegeben. Das heißt „Deutschland in seiner tiefsten Erniedrigung!“

Wien, 26. Dezember.

Wiederholt versichert man, daß unsere Truppen in Raab eingerückt seien; ist es auch noch nicht geschehen, so steht es jedenfalls in größter Bälde zu erwarten. — Unsere Truppen fanden überall nur fliehende Feinde und die Offiziere, namentlich die jungen, klagen, daß ihnen die Gelegenheit entzogen erscheint, sich Lorbeeren zu sammeln. Selbst die Einnahme der als stärkster Stein des Anstoßes dargestellten Festung Komorn wurde in nahe Aussicht gestellt, indem der dort kommandirende Ober Maitheny seine Willfährigkeit, sich den k. k. Truppen zu ergeben, bereits erklärt haben soll. — Die heutige Wiener Zeitung enthält einen offiziellen Artikel, worin die Wiederanknüpfung direkter diplomatischer Verbindungen mit dem Papste, an welchen auch sofort ein k. k. Gesandter nach Gaëta abgeht, kund gegeben wird.

Kremsier.

Uebersicht der Abgeordneten des österr. Landtags nach Provinzen, Klubs und nach ihrer Gesinnung bei Abstimmung über Hauptfragen.

Provinz.Abgeordnete im Ganzen.Im slawischen Klub, rechts.Im deutsch-östr. und öster. Klub, Centrum.Unentschiedene.Klub der Linken.Ansonst.
Galizien1093539269
Böhmen905022954
Mähren48132357
Nied.-Oesterr.3794213
Steiermark21310242
Ober-Oesterr.206122
Tyrol1912421
Illyrien1775113
Küstenland1232421
Dalmatien113521
Zusammen38311489738226
(Pra. Ztg.)
24 Breslau, 27. Dezbr.

Das Comite des schlesischen Handwerker-Vereins, in welchem unter andern reactionären Subjekten sich auch ein Herr Möcke befindet, hatte eine Deputation nach Berlin zu senden beschlossen (cf. Nr. 180 der N. Rh. Z.), um bei dem (Siehe den Verfolg in der Beilage.)

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jetzt nichts wissen durften, oder welche den kleinen Manteuffel'schen Versammlungen beizuwohnen nicht eingeladen worden, Antheil nehmen an den Wahlkämpfen. Dazu wurde dann ein kühnes Billet an den Straßenecken angeschlagen, das da einladete zu einer Volksversammlung auf gestern Abend bei Korff am Wehrhahnen. Aber, o Schrecken! die Reaktionärs thaten das Blättlein nicht sobald entdecken, als sie auch schon alle Theaterkräfte in Bewegung setzten, Coulissen, Versenkungen u. s. w., um die gefürchtete Versammlung zu hintertreiben. Alsbald erschien die altbürgerliche Polizeischelle auf den Straßen und verkündete, daß <hi rendition="#g">gewarnt</hi> würde, der angesagten Volksversammlung während des Belagerungszustandes beizuwohnen. Nachmittags aber griffen die &#x201E;Krieger&#x201C; zu ihren Büchsen und Bajonetten, die Lanzenreiter saßen auf und nahmen den schwarz-weißen Speer zur Hand, die Husaren hingen ihren Balg um; schaarenweise durchzog man die Straßen, das gefürchtete Volkslokal wurde von 150 Mann Soldaten umstellt, und als nun die Bürger kamen den Saal zu betreten, da bedeutete ihnen Hr. v. Faldern, derzeit hier ein Polizeiinspektor, daß die Volksversammlung verboten sei. Dazu gaben ihn umstehende schnurbärtige Schandarmen durch ihr Dasein Nachdruck, ebenso die draußen stehende Militärmacht. Und siehe da, das Vaterland ist wiederum gerettet! denn die Volksversammlung unterblieb. &#x2014; So geht hier der Belagerungszustand seinen Weg; frei zu wählen ist uns bis jetzt untersagt, vielleicht ein Tag vor der Aufhebung des Ausnahmestandes erlaubt man uns eine Versammlung, wenn die Reaktionärs längst fertig sind mit ihren Wahlen. Was wollt ihr denn mehr, als eine so fest garantirte, so streng aufrechterhaltene Ruhe?! &#x2014; Und dazu werden wir hier Hrn. Wrangel beherbergen, wir werden ihn schauen von Angesicht zu Angesicht! Schon wird der Schloßflügel für ihn in Bereitschaft gesetzt, der ursprünglich zur Aufnahme des Landtages bestimmt war. Berlin und Düsseldorf werden bald in einander aufgehen, wie Deutschland in Preußen!</p>
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        <head><bibl><author>232</author></bibl> Geilenkirchen, 28. Dezember.</head>
        <p>Die Inquisition, welche in Folge der Steuerverweigerung von einigen Beamten Altpreußens ausgeübt worden ist, hat auch in unserem ruhigen Kreisorte ihren Stuhl aufgepflanzt. Der hiesige &#x201E;Bürgerverein&#x201C; hatte in einer seiner Sitzungen dem Steuerverweigerungs-Beschlusse der Berliner Versammlung seine Zustimmung gegeben und diesen Beschluß durch den Druck bekannt gemacht. In der fraglichen Sitzung wurde von einem aktiven Widerstande durchaus abgerathen, die hiesigen Steuerkassen haben von den Folgen dieses Beschlusses nichts gemerkt, gar keine Aufregung hat stattgefunden: und doch haben wir eine förmliche Inquisition gegen einige Mitglieder des Bürgervereins! &#x2014; Wir können uns das nur aus Folgendem erklären. Der Groß-Inquisitor ist der hiesige kommissarische Landrath von Eynatten. Dieser hat es in der Armee bis zum Sekonde-Lieutenant und Ganzinvaliden gebracht und hat für dieses immense Verdienst ohne Examen kommissarisch die hiesige Landrathsstelle erhalten. Da ihm die definitive Ernennung etwas lange ausbleibt, so glaubt er wahrscheinlich, sich durch die Ausbeutung jenes unschuldigen Beschlusses des Bürgervereins zum unumstößlichen Landrath aufschwingen zu können. Noch nicht geübt in solchen ruhmvollen Operationen, mußte ihm die Unterstützung eines Individuums sehr willkommen sein, das in einem kürzlich abgewickelten Prozesse allerlei Handlangerdienste, wenn auch fruchtlos, geleistet hat. Dieses Individuum ist der hiesige Kohlen- und Regenwasser Verkäufer etc. etc. Herr Patrizier von Fisenne, der sich im März aus Angst Citoyen nannte, der sich aber jetzt wieder &#x201E;Herr Gnaden&#x201C; tituliren läßt. Dieser hatte als vormaliger Wirth eines Polizeimannes und eines andern juristischen blauen Wunders etwas von den nöthigen Kniffen los bekommen. Obgleich in früheren Verhältnissen der heftigste Gegner des kommissarischen Landraths, indem er mit allen Winden in die Segel eines andern landräthlichen Kandidaten blies, so spannte ihn doch jetzt seine saubere Denkungsart, an den Wagen unseres kommissarischen Kreisvaters. Er ging als Zeuge in die erwähnte Sitzung des Bürgervereins. Seine Taubheit kam ihm dabei gut zu Statten, indem er so Dinge, die gar nicht vorkamen, berichten konnte. Der <hi rendition="#g">nicht examinirte</hi> Landrath begann nun die Inquisition. Es wurden sorgfältig ausgewählte Zeugen vor den Gewaltigen citirt und protokollarisch vernommen und zwar nicht hier im Orte; sondern auf der entferntliegenden Stammburg des Inquisitors. Nicht solche Zeugen wurden geladen, die vermöge ihrer Bildung einen klaren Bericht geben konnten, sondern solche, in deren Munde man die Worte nach dem Wunsche des Protokollanten drehen kann. Und &#x2014; sonderbar! Der oben erwähnte patrizische Spekulant in Kohlen- und Regenwasser, Herr v. Fisenne, stand beim Verhör an der Seite des Inquisitors, ohne irgend eine Befugniß, dafür mußte er aber die Beschämung erleiden, daß ein Zeuge so viel gesunden Sinn hatte, nichts eher aussagen zu wollen, bis &#x201E;Herr Gnaden&#x201C; sich entfernt hatte.</p>
        <p>Wir gestehen, die ganze Inquisition hat uns ein Lächeln abgenöthigt, weil gar nichts zu inquiriren ist. Aber die angeführte Thatsache wirft ein bedeutendes Licht auf genannten Personen und auf unsere gegenwärtigen Zustände.</p>
        <p>Es fehlt nichts mehr, als daß der <hi rendition="#g">Nicht Examinirte</hi> für seine Heldenthat gleich definitiver Landrath wird, dann könnten wir doch wieder ein neues amusantes Faktum addiren zu den vielen andern, die schon gebucht sind.</p>
      </div>
      <div xml:id="ar183_006" type="jArticle">
        <head><bibl><author>064</author></bibl> Langerwehe, 27. Dez.</head>
        <p>Vor einigen Tagen (20. d. M.) ereignete sich hier folgender nie vorgekommener Vorfall. Die verstorbene Frau eines armen Mannes, B&#x2026;&#x2026;&#x2025;s mit Namen, sollte zur Erde bestattet werden. Drei Nachbarn, als Träger geladen, fanden sich an jenem Morgen im Sterbehause ein, &#x2014; der vierte Hinzugeladene, ein wohlhabender gefühlloser Bauer &#x2014; Mitglied des Gemeinderaths &#x2014; verschmähte diesen pflichtschuldigen letzten Liebesdienst, und da auch sonst keine Männer im spärlichen Gefolge, noch sonst Jemand außer dem Bereiche der Nachbarschaft Erbarmen mit dem Armen hatte, sah sich besagter Ehemann in die Nothwendigkeit versetzt, &#x2014; sein eignes Weib &#x2014; in seiner Hütte zwei arme Würmer zurücklassend, &#x2014; selbst nach dem ziemlich entlegenen Friedhofe &#x2014; zu Grabe tragen zu müssen.</p>
        <p>&#x201E;Ist das die von den Reichen dem Armen gegenüber so oftmals ausposaunte Freiheit, Gleichheit und Bruderliebe?!&#x201C;</p>
      </div>
      <div xml:id="ar183_007" type="jArticle">
        <head><bibl><author>235</author></bibl> Münster, 27. Dez.</head>
        <p>In den Monaten Oktober und November haben vier preußische Artillerieoffiziere incognito Frankreich bereis't um Stärke und Beschaffenheit der französischen Festungen zu visitiren. In ihrem Berichte an die Regierung sagen sie, daß alle französischen Festungen <hi rendition="#g">einnehmbar</hi> wären, nur nicht Paris. Paris könnte nur durch Hunger zur Uebergabe gezwungen werden. Auch russische Offiziere sollen in Frankreich viel spioniren.</p>
      </div>
      <div xml:id="ar183_008" type="jArticle">
        <head><bibl><author>35</author></bibl> Münster, 28. Dez.</head>
        <p>Die Cumulation der westphälischen Verhaftungen scheint ihren Glanzpunkt erreicht zu haben. Die am gestrigen Abend erfolgte Verhaftung des O.-L.-G.- Direktors Temme erweitert das Brandenburg-Manteuffel'sche Dilemma und die Hauspolitik des Hohenzollern'schen Landrechts zu einer unerschöpflichen Fundgrube loyaler Kunstgriffe und wahrhaft erbaulicher Abnormitäten der süßen &#x201E;Märzerrungenschaften.&#x201C; &#x201E;Manteuffel und Bodelschwingh sekretirt, Herr v. Olfers exekutirt, Stadtgerichts-Direktor Hülsmann submittirt.&#x201C; Hier haben Sie jene liebenswürdige Trias, deren getreuer Satellit der noble Münster'sche Merkur sein und bleiben wird, so lange feige Bourgeoisseelen für ihre Verräthereien noch einen rothen Adlerorden erwarten! Man hat die so plötzlich Verhafteten, wie Sie wissen, lediglich den Wahlagitationen entziehen wollen; indessen dürfte sich für diesmal die uckermärkische Camarilla und das Potsdamer Krautjunkerthum verrechnet haben. Dabei sehen wir ganz davon ab, daß einige dieser Inhaftirten selbst innerhalb der Kerkermauern in ihrer konstitutionellen Unschuld den servilen Typus ächten, nur Sonderinteressen kennenden Spießbürgerthums niemals verleugneten. Erstaunen Sie, innerhalb der Wände des Münster'schen Zuchthauses hat sich ein Ober- und ein Unterhaus gebildet! Wenn's so am grünen, wie wird's am dürren werden? Diese höchst verzeihliche Frage kann ich Ihnen jedoch mit voller Wahrheit dahin beantworten, daß der gesunde Kern unseres zähen Volksstammes keineswegs mehr zur Race der Siebenschläfer zählt und daß wenigstens 2/3 unsres Landvolks zum praktischen Selbstbewußtsein gekommen sind und sich bereits ein Terrain erkämpft haben, worauf selbst die Manteuffel'schen Manöver, als das, was sie sind, als abgenutzte Taschenspielerkniffe, den frischen und gesunden westphälischen Bauern erkennbar werden.</p>
        <p>Wie lange die Haft der 13 Mitglieder des westphälischen Kongresses noch dauern wird, das wissen die Götter. Die meisten sollen bereits ihr Schlußverhör bestanden haben, indessen werden die obligaten, aus der süßen altpreußischen Quelle des heiligen Landrechts, sprudelnden Urtheile noch lange auf sich warten lassen, weil selbst die Münster'sche Hermandad die Gefahren des juristisch-politischen Dilemma's zu begreifen anfängt. Sobald ein neuer Akt unserer interessanten westphälischen Komödie beginnt, sollen Sie mehr hören.</p>
      </div>
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        <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 28. Dezember.</head>
        <p>Durch Ministerialverfügung vom 25. d. M. ist für die Hauptstadt abermals ein theilweiser Garnisonwechsel angeordnet worden, der nicht allein in Berücksichtigung der dadurch erwachsenden Kosten, sondern auch aus allgemein politischen Gesichtspunkten eine gewisse Bedeutung hat und öffentliche Besprechung verdient. Es wird nämlich dieser Garuisonwechsel in der Weise veranstaltet werden, daß einerseits alle die Garderegimenter, welche vor dem 19. März in Berlin gestanden und von denen einige Theile noch nicht wieder hier eingerückt sind, ganz wieder hierher kommen. Andererseits werden diejenigen Truppentheile, die seit dem Frühjahr bis zu den November-Ereignissen ununterbrochen in der Hauptstadt garnisonirten, dieselbe aber seit dem Einrücken der Garden verließen (wie z. B. das Füsilier-Bataillon des 24. Regiments), wieder nach Berlin gezogen werden. Da jedoch eine Verstärkung der Garnison nicht beabsichtigt wird, so soll eine entsprechende Anzahl jetzt hier stehender Truppentheile an die Orte geschickt werden, wo sie zuletzt sechs Monate ununterbrochen sich aufgehalten haben. Der leicht erkenntliche Zweck aller dieser Truppen-Dislocationen ist der, daß den Soldaten ihr Recht der Theilnahme an den Urwahlen gewahrt wird. Das Ministerium will nämlich betreffs der Domicilfrage für die Truppen, die Ansicht geltend machen, es sei der Ort als das gesetzliche Domicil eines Truppentheils geltend zu machen, worin er irgend einmal sechs Monate ununterbrochen seinen Aufenthalt gehabt.</p>
        <p>In militärischen Kreisen spricht man hier sehr stark davon, daß Seitens der Preußischen Regierung, auf Befehl der Reichs-Central-Gendarmerie, Vorbereitungen getroffen werden, um Preußische Truppen als Reichs-Execution nach dem Königreich Sachsen zu senden, da es sicher scheine, daß die demokratische Partei eine bedeutende Majorität in der neuen sächsichen Kammer haben werde.</p>
      </div>
      <div xml:id="ar183_010" type="jArticle">
        <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 28. Dez.</head>
        <p>Die edle &#x201E;Kreuzritterin&#x201C; enthält folgende amüsante Mittheilung über die Leiden und Freuden Berliner Reaktionärs:</p>
        <p>&#x201E;In einem Privathause auf der Lindenstraße fand gestern Abend, wie wir bereits im Voraus annoncirt, eine ächt demokratische Versammlung statt, um über die Wahlen zu berathen. Zu gleicher Zeit hatte sich in der Wohnung des Ob.- Bergrath Kühne auf der Orangenstraße eine große Anzahl Bewohner des Bezirks zu gleicher Absicht, nur in entgegengesetzter Tendenz, versammelt. In der letzten wurde der Antrag gestellt, durch eine schriftliche Erklärung sich dahin zu verbinden, kein Mitglied der Fraktion Unruh wählen zu wollen. Als die Nachricht von dieser Versammlung in der demokratischen bekannt wurde, beschloß man sofort zu interveniren, und einige der Hauptleiter eilten in die Privatwohnung, in welcher die konservative Versammlung gehalten wurde, verlangten mit großer Frechheit das Wort, protestirten gegen die Beschlüsse, erklärten die ganze Berathung für Wahlumtriebe und wußten namentlich den kleinern Bürgern die Leiter und die Absichten der Versammlung so zu verdächtigen, daß sie am Ende eine Anzahl derselben, obschon Viele früher jene Erklärung unterzeichnet hatten, mit sich fort und in die demokratische Versammlung schleppten.&#x201C;</p>
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        <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 28. Dez.</head>
        <p>Das &#x201E;konservative Wahlcomité&#x201C; hat gut agitiren; denn es ist ihr, wie die &#x201E;lithographische Korresp.&#x201C; mitttheilt, vollständige Portofreiheit gestattet. Somit läßt sich die Geschichte für die konservativen Geldbeutel wohlfeil betreiben. Man würde vielleicht an der Richtigkeit dieser Mittheilung hie und da zu zweifeln versucht sein, allein die Sache hat seine Richtigkeit, denn die neueste Nr. der &#x201E;Neuen Preußischen Zeitung&#x201C; stellt sie in Abrede.</p>
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        <head><bibl><author>102</author></bibl> Wien, 26. Dez.</head>
        <p>Windischgrätz ist vor Raab so bedeutend aufs Haupt geschlagen worden, daß er in einem vorgestern veröffentlichten Armee-Bülletin, unter welchem auffallenderweise diesmal sein fürstlicher Feldmarschallsname fehlt, zu einer Lüge und zu einem Nichts seine Zuflucht hat nehmen müssen, blos um der gespannten Bevölkerung der Hauptstadt doch etwas mitzutheilen. Zu einer Lüge, weil es darin heißt, die Avantgarde sei bis über die Rabnitz vorgerückt, <hi rendition="#g">ohne auf einen Feind zu stoßen</hi>. &#x2014; Dem widersprechen nicht nur die bestimmtesten Privatnachrichten über eine bei Raab &#x2014; eine offene Stadt &#x2014; erlittene Niederlage, sondern auch alle Umstände und selbst die Berichte der entfernteren Hofblätter, denen die Parole des Schweigens noch nicht zugekommen war, um wirklich zu schweigen. Daß er den Wienern die wenigstens ein Siegesbülletin erwarteten, statt dessen nur eine Armeeaufstellung zum Besten gab, ist aber das Nichts und die Bestätigung der Nothlüge und der kaiserl. königl. Niederlage. Und was die Umstände anlangt, so fragt sich Jeder: Woher kommen, wenn ihr auf keinen Feind gestoßen sind, die großen Zufuhren von Verwundeten, von durchschossenen Uniformen, von unbrauchbar gewordenen Gewehren, und die 18 demontirten Kanonen, welche noch gestern hier angekommen seid? Warum werden das Neugebäude und die Türkenschanze so ängstlich mächtig verschanzt und besetzt? Warum fällt die Börse ungeachtet der so schmählich bewilligten 80 Mill. immer tiefer? &#x2014; Kein Mensch hat darauf eine andere Antwort, kann eine andere als die haben: Weil die Armee vor Raab, einer offenen Stadt, eine Schlappe bekommen hat und es nicht abzusehen ist, wie es ihr erst vor den Festungen Komorn und Osen ergehen wird!</p>
        <p>Die schwarzgelbe Klike meinte nicht anders, als die Eroberung Ungarns sei, weil man hunderte wilder Natiönchen wider die Magyaren gehetzt, eine Bagatelle. Man besetzte einige absichtlich verlassene Städte an der Grenze und rückte gen Raab vor. Jelachich bekommt den Auftrag, die Stadt zu stürmen. Er stellt nach dem Befehle des Feldmarschall Wütherich die 15,000 aus Wien verschwundenen Proletarier &#x2014; worunter sich übrigens Greise, Nationalgarden, Studenten, kurz alle Klassen befinden &#x2014; in die erste Sturmkolonne, um ihnen so den sichern Untergang zu bereiten. In der zweiten Kolonne dicht dahinter folgen, den Hahn auf das s. g. Proletariat gespannt, die Oguliner, Ottochaner und Seresaner Rothmäntel, die auserwähltesten Banditen der Kroatenarmee, und dann erst das reguläre Militär. Nun beginnt der Sturm, das Proletariat wird in den dichtesten Kugelregen gejagt und viele finden ihren Tod. Die magyarischen Streitkräfte entwickeln sich aber immer beträchtlicher, der Kampf wird hartnäckig und das Proletariat ergreift die Gelegenheit, in Masse zu den Magyaren überzutreten und sich, mit ihnen vereint, von der unendlichsten Wuth beseelt, auf die kais. Banditen zu werfen. Sie werden zurückgeworfen, das Militär wird geworfen, ganze Bataillone sollen niedergestreckt sein. Jelachichs Armeekorps muß weichen, er selbst soll nebst dem Sohne des Windischgrätz gefangen sein. &#x2014; Die Magyaren verfolgten die Kroaten dann bis zum Neusiedler See und trieben Tausende dort hinein.</p>
        <p>Hier stand aber Windischgrätz mit dem 1. Armeekorps und die Verfolgung hatte ein Ende. 30,000 Menschen sollen auf beiden Seiten gefallen und verwundet sein. So lauten die Nachrichten, die hier verbreitet sind.</p>
        <p>Bedenkt man, daß Ungarn ein 6000 O.-Meilen großes, von Gebirgen wie die Karpathen durchzogenes, von muthigen Völkern bewohntes Land ist, an dessen Spitze sich der große Genius Kossuth befindet; bedenkt man, daß die noch jungfräuliche Festung Komorn, ferner die Festungen Munkacs, Arad, Eszek, das famose Peterwardein u. s. w. nebst Osen in den Händen der Magyaren sind, daß dieselben eine Streitmacht von 150,000 Soldaten besitzen und 8 Mill. von den 13, die die ungarischen Länder bewohnen, es mit ihnen halten, so dürfte Windischgrätz jedenfalls noch einige pikante Partien auszuspielen haben, bevor er seinem &#x201E;jugendlichen&#x201C; Kroatenhäuptling nach Olmütz schreiben kann: »L'ordre regne àBuda-Pesth!« insofern der Verrath in Ungarn nicht die Rolle fortspielt, mit der er hier angefangen. Die heute erschienenen Zeitungen beobachten über Ungarn ein bedeutsames <hi rendition="#g">offizielles</hi> Schweigen.</p>
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        <head><bibl><author>121</author></bibl> Wien, 26. Dez.</head>
        <p>In der Wiener Zeitung vom 24. werden Sie einen aus dem National übersetzten Brief, &#x201E;Ein Gefangener des Windischgrätz&#x201C; überschrieben, gefunden haben, der in der Hauptsache eine Bestätigung Ihnen von mir bereits mitgetheilter Thatsachen enthält. Dieser Brief macht hier, eben weil er in der Wienerin steht, das ungeheuerste Aufsehen, so daß die heutige &#x201E;Presse&#x201C; die Redaktion derselben auffordert, darüber eine Erklärung zu geben. Wir erwarten dieselbe, sind aber gewiß, daß man nicht verfehlen wird, zu sagen, man habe den Brief blos aufgenommen, um den guten Oestreichern zu zeigen, wie ihr Wohlthäter Windischgrätz verleumdet werde. Mir scheint, der National hat sich für die Artikel des ministeriellen &#x201E;Lloyd&#x201C;, welche den Sturz der Republik unverholen predigten, obzwar nur bourgeoismäßig, rächen wollen. &#x2014; In ganz Europa mag es in diesem Augenblicke kein verworfeneres Gesindel geben, als der Gemeinderath von Wien. Seine hündische Unterwürfigkeit ist so enorm, daß selbst <hi rendition="#g">Welden</hi> ihn nur verachtet und der Olmützer Korrespondent sich schon mehrmals über die selbst vor dem Absolutismus unerhörte Gesinnungslosigkeit dieses Auswurfs der Bourgeoisie verwundert hat. Nicht nur daß er die Kinder der von den Kroaten verbrannten Familien, deren sich arme Dienstmädchen erbarmt, mit Ignoriren des Faktums, hülflos auf die Straße wirft, hält er trotz des fürchterlichen Nothstandes auch die Summen zurück, welche von außen für die Freiheitskämpfer eingeschickt worden sind. So besitzt er gegenwärtig an 25,000 fl. C. M. dafür, welche er unvertheilt läßt, um sie auf den ersten standrechtlichen Wink vielleicht unter die Kroaten zu verschenken. So hat er die Polizei beauftragt, alle Literaten zu verfolgen und nach Gutdünken damit zu verfahren; und als in der Sitzung vom 18. die Direktion des Wiener Schuldentilgungs- und Hülfsvereins um Bevorwortung bei der Militärbehörde wegen Fortbestehens desselben unter dem Belagerungszustande bot, beschloß er nicht nur, darauf keine Antwort zu geben, sondern forderte in Berücksichtigung <hi rendition="#g">der Gefährlichkeit dieses Vereins</hi> (!) die Polizei noch obendrein auf, denselben zu verfolgen. &#x2014; Das Militärgericht treibt mittlerweile den bestialischen Terrorismus soweit, daß es vor einigen Tagen einen Korporal zu 5 Jahren Schanzarbeit in schwerem Eisen begnadigte, weil er, nachdem er nachgewiesen, daß er bei der Vertheidigung Wiens nur unfreiwillig betheiligt war, nicht desertirt sei. Die Wuth geht also so weit, daß sie, eines &#x201E;negativen Faktums&#x201C; wegen verurtheilt, indem sie die Desertion ungeachtet ihrer erwiesenen Unmöglichkeit verlangte. Ungeheuer! &#x2014; Und der &#x201E;jugendliche&#x201C; Dalai-Lama von Olmütz, hat die Unverschämtheit, sich in Frankfurt zum Kaiser-Kandidaten des deutschen Volks anzubieten! Wahrlich, eine solche Zumuthung ist nur in Deutschland und nur vor einer Gesellschaft möglich, die Subjekte, wie Gagern, Welkers, Dahlmänner, Biedermänner, Bassermänner, Eisenmänner, Buschmänner u. s. w. an ihrer Spitze duldet, welche die Ehrlosigkeit soweit treiben, den Tritt Oestreichs damit zu beantworten, daß sie ihm die deutschen Provinzen preisgeben. Die hiesigen Gutgesinnten sind entrüstet über unsere Banditen, aber noch entrüsteter sind sie über die Gesellschaft, welche in Frankfurt das deutsche Volk verschachert. Das deutsche Volk Oestreichs erwartete die Reichsarmee von 50,000 Mann, mit welcher man die Schweiz chikanirt, an den Grenzen Böhmens. Oestreich würde bei seinen Zuständen vor ihr erzittert sein, noch erzittern; es würde seine deutschen Provinzen nicht ferner zu malträtiren wagen; aber es wird von Frankfurt aus der czechischen Wuth preisgegeben. Das heißt &#x201E;Deutschland in seiner tiefsten Erniedrigung!&#x201C;</p>
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        <head>Wien, 26. Dezember.</head>
        <p>Wiederholt versichert man, daß unsere Truppen in Raab eingerückt seien; ist es auch noch nicht geschehen, so steht es jedenfalls in größter Bälde zu erwarten. &#x2014; Unsere Truppen fanden überall nur fliehende Feinde und die Offiziere, namentlich die jungen, klagen, daß ihnen die Gelegenheit entzogen erscheint, sich Lorbeeren zu sammeln. Selbst die Einnahme der als stärkster Stein des Anstoßes dargestellten Festung Komorn wurde in nahe Aussicht gestellt, indem der dort kommandirende Ober Maitheny seine Willfährigkeit, sich den k. k. Truppen zu ergeben, bereits erklärt haben soll. &#x2014; Die heutige Wiener Zeitung enthält einen offiziellen Artikel, worin die Wiederanknüpfung direkter diplomatischer Verbindungen mit dem Papste, an welchen auch sofort ein k. k. Gesandter nach Gaëta abgeht, kund gegeben wird.</p>
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        <head>Kremsier.</head>
        <p>Uebersicht der Abgeordneten des österr. Landtags nach Provinzen, Klubs und nach ihrer Gesinnung bei Abstimmung über Hauptfragen.</p>
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            <cell>Im deutsch-östr. und öster. Klub, Centrum.</cell>
            <cell>Unentschiedene.</cell>
            <cell>Klub der Linken.</cell>
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        <bibl>(Pra. Ztg.)</bibl>
      </div>
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        <head><bibl><author>24</author></bibl> Breslau, 27. Dezbr.</head>
        <p>Das Comite des schlesischen Handwerker-Vereins, in welchem unter andern reactionären Subjekten sich auch ein Herr Möcke befindet, hatte eine Deputation nach Berlin zu senden beschlossen (cf. Nr. 180 der N. Rh. Z.), um bei dem <ref type="link"><hi rendition="#b">(Siehe den Verfolg in der Beilage.)</hi></ref>             </p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0987/0003] jetzt nichts wissen durften, oder welche den kleinen Manteuffel'schen Versammlungen beizuwohnen nicht eingeladen worden, Antheil nehmen an den Wahlkämpfen. Dazu wurde dann ein kühnes Billet an den Straßenecken angeschlagen, das da einladete zu einer Volksversammlung auf gestern Abend bei Korff am Wehrhahnen. Aber, o Schrecken! die Reaktionärs thaten das Blättlein nicht sobald entdecken, als sie auch schon alle Theaterkräfte in Bewegung setzten, Coulissen, Versenkungen u. s. w., um die gefürchtete Versammlung zu hintertreiben. Alsbald erschien die altbürgerliche Polizeischelle auf den Straßen und verkündete, daß gewarnt würde, der angesagten Volksversammlung während des Belagerungszustandes beizuwohnen. Nachmittags aber griffen die „Krieger“ zu ihren Büchsen und Bajonetten, die Lanzenreiter saßen auf und nahmen den schwarz-weißen Speer zur Hand, die Husaren hingen ihren Balg um; schaarenweise durchzog man die Straßen, das gefürchtete Volkslokal wurde von 150 Mann Soldaten umstellt, und als nun die Bürger kamen den Saal zu betreten, da bedeutete ihnen Hr. v. Faldern, derzeit hier ein Polizeiinspektor, daß die Volksversammlung verboten sei. Dazu gaben ihn umstehende schnurbärtige Schandarmen durch ihr Dasein Nachdruck, ebenso die draußen stehende Militärmacht. Und siehe da, das Vaterland ist wiederum gerettet! denn die Volksversammlung unterblieb. — So geht hier der Belagerungszustand seinen Weg; frei zu wählen ist uns bis jetzt untersagt, vielleicht ein Tag vor der Aufhebung des Ausnahmestandes erlaubt man uns eine Versammlung, wenn die Reaktionärs längst fertig sind mit ihren Wahlen. Was wollt ihr denn mehr, als eine so fest garantirte, so streng aufrechterhaltene Ruhe?! — Und dazu werden wir hier Hrn. Wrangel beherbergen, wir werden ihn schauen von Angesicht zu Angesicht! Schon wird der Schloßflügel für ihn in Bereitschaft gesetzt, der ursprünglich zur Aufnahme des Landtages bestimmt war. Berlin und Düsseldorf werden bald in einander aufgehen, wie Deutschland in Preußen! 232 Geilenkirchen, 28. Dezember. Die Inquisition, welche in Folge der Steuerverweigerung von einigen Beamten Altpreußens ausgeübt worden ist, hat auch in unserem ruhigen Kreisorte ihren Stuhl aufgepflanzt. Der hiesige „Bürgerverein“ hatte in einer seiner Sitzungen dem Steuerverweigerungs-Beschlusse der Berliner Versammlung seine Zustimmung gegeben und diesen Beschluß durch den Druck bekannt gemacht. In der fraglichen Sitzung wurde von einem aktiven Widerstande durchaus abgerathen, die hiesigen Steuerkassen haben von den Folgen dieses Beschlusses nichts gemerkt, gar keine Aufregung hat stattgefunden: und doch haben wir eine förmliche Inquisition gegen einige Mitglieder des Bürgervereins! — Wir können uns das nur aus Folgendem erklären. Der Groß-Inquisitor ist der hiesige kommissarische Landrath von Eynatten. Dieser hat es in der Armee bis zum Sekonde-Lieutenant und Ganzinvaliden gebracht und hat für dieses immense Verdienst ohne Examen kommissarisch die hiesige Landrathsstelle erhalten. Da ihm die definitive Ernennung etwas lange ausbleibt, so glaubt er wahrscheinlich, sich durch die Ausbeutung jenes unschuldigen Beschlusses des Bürgervereins zum unumstößlichen Landrath aufschwingen zu können. Noch nicht geübt in solchen ruhmvollen Operationen, mußte ihm die Unterstützung eines Individuums sehr willkommen sein, das in einem kürzlich abgewickelten Prozesse allerlei Handlangerdienste, wenn auch fruchtlos, geleistet hat. Dieses Individuum ist der hiesige Kohlen- und Regenwasser Verkäufer etc. etc. Herr Patrizier von Fisenne, der sich im März aus Angst Citoyen nannte, der sich aber jetzt wieder „Herr Gnaden“ tituliren läßt. Dieser hatte als vormaliger Wirth eines Polizeimannes und eines andern juristischen blauen Wunders etwas von den nöthigen Kniffen los bekommen. Obgleich in früheren Verhältnissen der heftigste Gegner des kommissarischen Landraths, indem er mit allen Winden in die Segel eines andern landräthlichen Kandidaten blies, so spannte ihn doch jetzt seine saubere Denkungsart, an den Wagen unseres kommissarischen Kreisvaters. Er ging als Zeuge in die erwähnte Sitzung des Bürgervereins. Seine Taubheit kam ihm dabei gut zu Statten, indem er so Dinge, die gar nicht vorkamen, berichten konnte. Der nicht examinirte Landrath begann nun die Inquisition. Es wurden sorgfältig ausgewählte Zeugen vor den Gewaltigen citirt und protokollarisch vernommen und zwar nicht hier im Orte; sondern auf der entferntliegenden Stammburg des Inquisitors. Nicht solche Zeugen wurden geladen, die vermöge ihrer Bildung einen klaren Bericht geben konnten, sondern solche, in deren Munde man die Worte nach dem Wunsche des Protokollanten drehen kann. Und — sonderbar! Der oben erwähnte patrizische Spekulant in Kohlen- und Regenwasser, Herr v. Fisenne, stand beim Verhör an der Seite des Inquisitors, ohne irgend eine Befugniß, dafür mußte er aber die Beschämung erleiden, daß ein Zeuge so viel gesunden Sinn hatte, nichts eher aussagen zu wollen, bis „Herr Gnaden“ sich entfernt hatte. Wir gestehen, die ganze Inquisition hat uns ein Lächeln abgenöthigt, weil gar nichts zu inquiriren ist. Aber die angeführte Thatsache wirft ein bedeutendes Licht auf genannten Personen und auf unsere gegenwärtigen Zustände. Es fehlt nichts mehr, als daß der Nicht Examinirte für seine Heldenthat gleich definitiver Landrath wird, dann könnten wir doch wieder ein neues amusantes Faktum addiren zu den vielen andern, die schon gebucht sind. 064 Langerwehe, 27. Dez. Vor einigen Tagen (20. d. M.) ereignete sich hier folgender nie vorgekommener Vorfall. Die verstorbene Frau eines armen Mannes, B……‥s mit Namen, sollte zur Erde bestattet werden. Drei Nachbarn, als Träger geladen, fanden sich an jenem Morgen im Sterbehause ein, — der vierte Hinzugeladene, ein wohlhabender gefühlloser Bauer — Mitglied des Gemeinderaths — verschmähte diesen pflichtschuldigen letzten Liebesdienst, und da auch sonst keine Männer im spärlichen Gefolge, noch sonst Jemand außer dem Bereiche der Nachbarschaft Erbarmen mit dem Armen hatte, sah sich besagter Ehemann in die Nothwendigkeit versetzt, — sein eignes Weib — in seiner Hütte zwei arme Würmer zurücklassend, — selbst nach dem ziemlich entlegenen Friedhofe — zu Grabe tragen zu müssen. „Ist das die von den Reichen dem Armen gegenüber so oftmals ausposaunte Freiheit, Gleichheit und Bruderliebe?!“ 235 Münster, 27. Dez. In den Monaten Oktober und November haben vier preußische Artillerieoffiziere incognito Frankreich bereis't um Stärke und Beschaffenheit der französischen Festungen zu visitiren. In ihrem Berichte an die Regierung sagen sie, daß alle französischen Festungen einnehmbar wären, nur nicht Paris. Paris könnte nur durch Hunger zur Uebergabe gezwungen werden. Auch russische Offiziere sollen in Frankreich viel spioniren. 35 Münster, 28. Dez. Die Cumulation der westphälischen Verhaftungen scheint ihren Glanzpunkt erreicht zu haben. Die am gestrigen Abend erfolgte Verhaftung des O.-L.-G.- Direktors Temme erweitert das Brandenburg-Manteuffel'sche Dilemma und die Hauspolitik des Hohenzollern'schen Landrechts zu einer unerschöpflichen Fundgrube loyaler Kunstgriffe und wahrhaft erbaulicher Abnormitäten der süßen „Märzerrungenschaften.“ „Manteuffel und Bodelschwingh sekretirt, Herr v. Olfers exekutirt, Stadtgerichts-Direktor Hülsmann submittirt.“ Hier haben Sie jene liebenswürdige Trias, deren getreuer Satellit der noble Münster'sche Merkur sein und bleiben wird, so lange feige Bourgeoisseelen für ihre Verräthereien noch einen rothen Adlerorden erwarten! Man hat die so plötzlich Verhafteten, wie Sie wissen, lediglich den Wahlagitationen entziehen wollen; indessen dürfte sich für diesmal die uckermärkische Camarilla und das Potsdamer Krautjunkerthum verrechnet haben. Dabei sehen wir ganz davon ab, daß einige dieser Inhaftirten selbst innerhalb der Kerkermauern in ihrer konstitutionellen Unschuld den servilen Typus ächten, nur Sonderinteressen kennenden Spießbürgerthums niemals verleugneten. Erstaunen Sie, innerhalb der Wände des Münster'schen Zuchthauses hat sich ein Ober- und ein Unterhaus gebildet! Wenn's so am grünen, wie wird's am dürren werden? Diese höchst verzeihliche Frage kann ich Ihnen jedoch mit voller Wahrheit dahin beantworten, daß der gesunde Kern unseres zähen Volksstammes keineswegs mehr zur Race der Siebenschläfer zählt und daß wenigstens 2/3 unsres Landvolks zum praktischen Selbstbewußtsein gekommen sind und sich bereits ein Terrain erkämpft haben, worauf selbst die Manteuffel'schen Manöver, als das, was sie sind, als abgenutzte Taschenspielerkniffe, den frischen und gesunden westphälischen Bauern erkennbar werden. Wie lange die Haft der 13 Mitglieder des westphälischen Kongresses noch dauern wird, das wissen die Götter. Die meisten sollen bereits ihr Schlußverhör bestanden haben, indessen werden die obligaten, aus der süßen altpreußischen Quelle des heiligen Landrechts, sprudelnden Urtheile noch lange auf sich warten lassen, weil selbst die Münster'sche Hermandad die Gefahren des juristisch-politischen Dilemma's zu begreifen anfängt. Sobald ein neuer Akt unserer interessanten westphälischen Komödie beginnt, sollen Sie mehr hören. * Berlin, 28. Dezember. Durch Ministerialverfügung vom 25. d. M. ist für die Hauptstadt abermals ein theilweiser Garnisonwechsel angeordnet worden, der nicht allein in Berücksichtigung der dadurch erwachsenden Kosten, sondern auch aus allgemein politischen Gesichtspunkten eine gewisse Bedeutung hat und öffentliche Besprechung verdient. Es wird nämlich dieser Garuisonwechsel in der Weise veranstaltet werden, daß einerseits alle die Garderegimenter, welche vor dem 19. März in Berlin gestanden und von denen einige Theile noch nicht wieder hier eingerückt sind, ganz wieder hierher kommen. Andererseits werden diejenigen Truppentheile, die seit dem Frühjahr bis zu den November-Ereignissen ununterbrochen in der Hauptstadt garnisonirten, dieselbe aber seit dem Einrücken der Garden verließen (wie z. B. das Füsilier-Bataillon des 24. Regiments), wieder nach Berlin gezogen werden. Da jedoch eine Verstärkung der Garnison nicht beabsichtigt wird, so soll eine entsprechende Anzahl jetzt hier stehender Truppentheile an die Orte geschickt werden, wo sie zuletzt sechs Monate ununterbrochen sich aufgehalten haben. Der leicht erkenntliche Zweck aller dieser Truppen-Dislocationen ist der, daß den Soldaten ihr Recht der Theilnahme an den Urwahlen gewahrt wird. Das Ministerium will nämlich betreffs der Domicilfrage für die Truppen, die Ansicht geltend machen, es sei der Ort als das gesetzliche Domicil eines Truppentheils geltend zu machen, worin er irgend einmal sechs Monate ununterbrochen seinen Aufenthalt gehabt. In militärischen Kreisen spricht man hier sehr stark davon, daß Seitens der Preußischen Regierung, auf Befehl der Reichs-Central-Gendarmerie, Vorbereitungen getroffen werden, um Preußische Truppen als Reichs-Execution nach dem Königreich Sachsen zu senden, da es sicher scheine, daß die demokratische Partei eine bedeutende Majorität in der neuen sächsichen Kammer haben werde. * Berlin, 28. Dez. Die edle „Kreuzritterin“ enthält folgende amüsante Mittheilung über die Leiden und Freuden Berliner Reaktionärs: „In einem Privathause auf der Lindenstraße fand gestern Abend, wie wir bereits im Voraus annoncirt, eine ächt demokratische Versammlung statt, um über die Wahlen zu berathen. Zu gleicher Zeit hatte sich in der Wohnung des Ob.- Bergrath Kühne auf der Orangenstraße eine große Anzahl Bewohner des Bezirks zu gleicher Absicht, nur in entgegengesetzter Tendenz, versammelt. In der letzten wurde der Antrag gestellt, durch eine schriftliche Erklärung sich dahin zu verbinden, kein Mitglied der Fraktion Unruh wählen zu wollen. Als die Nachricht von dieser Versammlung in der demokratischen bekannt wurde, beschloß man sofort zu interveniren, und einige der Hauptleiter eilten in die Privatwohnung, in welcher die konservative Versammlung gehalten wurde, verlangten mit großer Frechheit das Wort, protestirten gegen die Beschlüsse, erklärten die ganze Berathung für Wahlumtriebe und wußten namentlich den kleinern Bürgern die Leiter und die Absichten der Versammlung so zu verdächtigen, daß sie am Ende eine Anzahl derselben, obschon Viele früher jene Erklärung unterzeichnet hatten, mit sich fort und in die demokratische Versammlung schleppten.“ * Berlin, 28. Dez. Das „konservative Wahlcomité“ hat gut agitiren; denn es ist ihr, wie die „lithographische Korresp.“ mitttheilt, vollständige Portofreiheit gestattet. Somit läßt sich die Geschichte für die konservativen Geldbeutel wohlfeil betreiben. Man würde vielleicht an der Richtigkeit dieser Mittheilung hie und da zu zweifeln versucht sein, allein die Sache hat seine Richtigkeit, denn die neueste Nr. der „Neuen Preußischen Zeitung“ stellt sie in Abrede. 102 Wien, 26. Dez. Windischgrätz ist vor Raab so bedeutend aufs Haupt geschlagen worden, daß er in einem vorgestern veröffentlichten Armee-Bülletin, unter welchem auffallenderweise diesmal sein fürstlicher Feldmarschallsname fehlt, zu einer Lüge und zu einem Nichts seine Zuflucht hat nehmen müssen, blos um der gespannten Bevölkerung der Hauptstadt doch etwas mitzutheilen. Zu einer Lüge, weil es darin heißt, die Avantgarde sei bis über die Rabnitz vorgerückt, ohne auf einen Feind zu stoßen. — Dem widersprechen nicht nur die bestimmtesten Privatnachrichten über eine bei Raab — eine offene Stadt — erlittene Niederlage, sondern auch alle Umstände und selbst die Berichte der entfernteren Hofblätter, denen die Parole des Schweigens noch nicht zugekommen war, um wirklich zu schweigen. Daß er den Wienern die wenigstens ein Siegesbülletin erwarteten, statt dessen nur eine Armeeaufstellung zum Besten gab, ist aber das Nichts und die Bestätigung der Nothlüge und der kaiserl. königl. Niederlage. Und was die Umstände anlangt, so fragt sich Jeder: Woher kommen, wenn ihr auf keinen Feind gestoßen sind, die großen Zufuhren von Verwundeten, von durchschossenen Uniformen, von unbrauchbar gewordenen Gewehren, und die 18 demontirten Kanonen, welche noch gestern hier angekommen seid? Warum werden das Neugebäude und die Türkenschanze so ängstlich mächtig verschanzt und besetzt? Warum fällt die Börse ungeachtet der so schmählich bewilligten 80 Mill. immer tiefer? — Kein Mensch hat darauf eine andere Antwort, kann eine andere als die haben: Weil die Armee vor Raab, einer offenen Stadt, eine Schlappe bekommen hat und es nicht abzusehen ist, wie es ihr erst vor den Festungen Komorn und Osen ergehen wird! Die schwarzgelbe Klike meinte nicht anders, als die Eroberung Ungarns sei, weil man hunderte wilder Natiönchen wider die Magyaren gehetzt, eine Bagatelle. Man besetzte einige absichtlich verlassene Städte an der Grenze und rückte gen Raab vor. Jelachich bekommt den Auftrag, die Stadt zu stürmen. Er stellt nach dem Befehle des Feldmarschall Wütherich die 15,000 aus Wien verschwundenen Proletarier — worunter sich übrigens Greise, Nationalgarden, Studenten, kurz alle Klassen befinden — in die erste Sturmkolonne, um ihnen so den sichern Untergang zu bereiten. In der zweiten Kolonne dicht dahinter folgen, den Hahn auf das s. g. Proletariat gespannt, die Oguliner, Ottochaner und Seresaner Rothmäntel, die auserwähltesten Banditen der Kroatenarmee, und dann erst das reguläre Militär. Nun beginnt der Sturm, das Proletariat wird in den dichtesten Kugelregen gejagt und viele finden ihren Tod. Die magyarischen Streitkräfte entwickeln sich aber immer beträchtlicher, der Kampf wird hartnäckig und das Proletariat ergreift die Gelegenheit, in Masse zu den Magyaren überzutreten und sich, mit ihnen vereint, von der unendlichsten Wuth beseelt, auf die kais. Banditen zu werfen. Sie werden zurückgeworfen, das Militär wird geworfen, ganze Bataillone sollen niedergestreckt sein. Jelachichs Armeekorps muß weichen, er selbst soll nebst dem Sohne des Windischgrätz gefangen sein. — Die Magyaren verfolgten die Kroaten dann bis zum Neusiedler See und trieben Tausende dort hinein. Hier stand aber Windischgrätz mit dem 1. Armeekorps und die Verfolgung hatte ein Ende. 30,000 Menschen sollen auf beiden Seiten gefallen und verwundet sein. So lauten die Nachrichten, die hier verbreitet sind. Bedenkt man, daß Ungarn ein 6000 O.-Meilen großes, von Gebirgen wie die Karpathen durchzogenes, von muthigen Völkern bewohntes Land ist, an dessen Spitze sich der große Genius Kossuth befindet; bedenkt man, daß die noch jungfräuliche Festung Komorn, ferner die Festungen Munkacs, Arad, Eszek, das famose Peterwardein u. s. w. nebst Osen in den Händen der Magyaren sind, daß dieselben eine Streitmacht von 150,000 Soldaten besitzen und 8 Mill. von den 13, die die ungarischen Länder bewohnen, es mit ihnen halten, so dürfte Windischgrätz jedenfalls noch einige pikante Partien auszuspielen haben, bevor er seinem „jugendlichen“ Kroatenhäuptling nach Olmütz schreiben kann: »L'ordre regne àBuda-Pesth!« insofern der Verrath in Ungarn nicht die Rolle fortspielt, mit der er hier angefangen. Die heute erschienenen Zeitungen beobachten über Ungarn ein bedeutsames offizielles Schweigen. 121 Wien, 26. Dez. In der Wiener Zeitung vom 24. werden Sie einen aus dem National übersetzten Brief, „Ein Gefangener des Windischgrätz“ überschrieben, gefunden haben, der in der Hauptsache eine Bestätigung Ihnen von mir bereits mitgetheilter Thatsachen enthält. Dieser Brief macht hier, eben weil er in der Wienerin steht, das ungeheuerste Aufsehen, so daß die heutige „Presse“ die Redaktion derselben auffordert, darüber eine Erklärung zu geben. Wir erwarten dieselbe, sind aber gewiß, daß man nicht verfehlen wird, zu sagen, man habe den Brief blos aufgenommen, um den guten Oestreichern zu zeigen, wie ihr Wohlthäter Windischgrätz verleumdet werde. Mir scheint, der National hat sich für die Artikel des ministeriellen „Lloyd“, welche den Sturz der Republik unverholen predigten, obzwar nur bourgeoismäßig, rächen wollen. — In ganz Europa mag es in diesem Augenblicke kein verworfeneres Gesindel geben, als der Gemeinderath von Wien. Seine hündische Unterwürfigkeit ist so enorm, daß selbst Welden ihn nur verachtet und der Olmützer Korrespondent sich schon mehrmals über die selbst vor dem Absolutismus unerhörte Gesinnungslosigkeit dieses Auswurfs der Bourgeoisie verwundert hat. Nicht nur daß er die Kinder der von den Kroaten verbrannten Familien, deren sich arme Dienstmädchen erbarmt, mit Ignoriren des Faktums, hülflos auf die Straße wirft, hält er trotz des fürchterlichen Nothstandes auch die Summen zurück, welche von außen für die Freiheitskämpfer eingeschickt worden sind. So besitzt er gegenwärtig an 25,000 fl. C. M. dafür, welche er unvertheilt läßt, um sie auf den ersten standrechtlichen Wink vielleicht unter die Kroaten zu verschenken. So hat er die Polizei beauftragt, alle Literaten zu verfolgen und nach Gutdünken damit zu verfahren; und als in der Sitzung vom 18. die Direktion des Wiener Schuldentilgungs- und Hülfsvereins um Bevorwortung bei der Militärbehörde wegen Fortbestehens desselben unter dem Belagerungszustande bot, beschloß er nicht nur, darauf keine Antwort zu geben, sondern forderte in Berücksichtigung der Gefährlichkeit dieses Vereins (!) die Polizei noch obendrein auf, denselben zu verfolgen. — Das Militärgericht treibt mittlerweile den bestialischen Terrorismus soweit, daß es vor einigen Tagen einen Korporal zu 5 Jahren Schanzarbeit in schwerem Eisen begnadigte, weil er, nachdem er nachgewiesen, daß er bei der Vertheidigung Wiens nur unfreiwillig betheiligt war, nicht desertirt sei. Die Wuth geht also so weit, daß sie, eines „negativen Faktums“ wegen verurtheilt, indem sie die Desertion ungeachtet ihrer erwiesenen Unmöglichkeit verlangte. Ungeheuer! — Und der „jugendliche“ Dalai-Lama von Olmütz, hat die Unverschämtheit, sich in Frankfurt zum Kaiser-Kandidaten des deutschen Volks anzubieten! Wahrlich, eine solche Zumuthung ist nur in Deutschland und nur vor einer Gesellschaft möglich, die Subjekte, wie Gagern, Welkers, Dahlmänner, Biedermänner, Bassermänner, Eisenmänner, Buschmänner u. s. w. an ihrer Spitze duldet, welche die Ehrlosigkeit soweit treiben, den Tritt Oestreichs damit zu beantworten, daß sie ihm die deutschen Provinzen preisgeben. Die hiesigen Gutgesinnten sind entrüstet über unsere Banditen, aber noch entrüsteter sind sie über die Gesellschaft, welche in Frankfurt das deutsche Volk verschachert. Das deutsche Volk Oestreichs erwartete die Reichsarmee von 50,000 Mann, mit welcher man die Schweiz chikanirt, an den Grenzen Böhmens. Oestreich würde bei seinen Zuständen vor ihr erzittert sein, noch erzittern; es würde seine deutschen Provinzen nicht ferner zu malträtiren wagen; aber es wird von Frankfurt aus der czechischen Wuth preisgegeben. Das heißt „Deutschland in seiner tiefsten Erniedrigung!“ Wien, 26. Dezember. Wiederholt versichert man, daß unsere Truppen in Raab eingerückt seien; ist es auch noch nicht geschehen, so steht es jedenfalls in größter Bälde zu erwarten. — Unsere Truppen fanden überall nur fliehende Feinde und die Offiziere, namentlich die jungen, klagen, daß ihnen die Gelegenheit entzogen erscheint, sich Lorbeeren zu sammeln. Selbst die Einnahme der als stärkster Stein des Anstoßes dargestellten Festung Komorn wurde in nahe Aussicht gestellt, indem der dort kommandirende Ober Maitheny seine Willfährigkeit, sich den k. k. Truppen zu ergeben, bereits erklärt haben soll. — Die heutige Wiener Zeitung enthält einen offiziellen Artikel, worin die Wiederanknüpfung direkter diplomatischer Verbindungen mit dem Papste, an welchen auch sofort ein k. k. Gesandter nach Gaëta abgeht, kund gegeben wird. Kremsier. Uebersicht der Abgeordneten des österr. Landtags nach Provinzen, Klubs und nach ihrer Gesinnung bei Abstimmung über Hauptfragen. Provinz. Abgeordnete im Ganzen. Im slawischen Klub, rechts. Im deutsch-östr. und öster. Klub, Centrum. Unentschiedene. Klub der Linken. Ansonst. Galizien 109 35 — 39 26 9 Böhmen 90 50 22 9 5 4 Mähren 48 13 23 5 7 — Nied.-Oesterr. 37 — 9 4 21 3 Steiermark 21 3 10 2 4 2 Ober-Oesterr. 20 — 6 — 12 2 Tyrol 19 — 12 4 2 1 Illyrien 17 7 5 1 1 3 Küstenland 12 3 2 4 2 1 Dalmatien 11 3 — 5 2 1 Zusammen 383 114 89 73 82 26 (Pra. Ztg.) 24 Breslau, 27. Dezbr. Das Comite des schlesischen Handwerker-Vereins, in welchem unter andern reactionären Subjekten sich auch ein Herr Möcke befindet, hatte eine Deputation nach Berlin zu senden beschlossen (cf. Nr. 180 der N. Rh. Z.), um bei dem (Siehe den Verfolg in der Beilage.)

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 183. Köln, 31. Dezember 1848, S. 0987. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz183_1848/3>, abgerufen am 21.11.2024.