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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 173. Köln, 20. Dezember 1848.

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Die "wächserne Nase des Rechts." Meyer, ist für den Commissionsvorschlag, die Gründe -- fehlen. Wehrmann versichert uns, die Stadt Magdeburg habe noch immer ihre alte Liebe zum angestammten Herrscherhaus; vertheidigt den Eid für den König, denn der König verletzt die Verfassung nie, sondern die Minister, der König ist unverletzlich und ähnlicher Wahnwitz in Menge.

Der Congreß wurde hier radical; er verwarf jede Vereidigung der Bürgerwehr. Allein nun bekommen einzelne Redner Angst und zittern und wollen sich wo möglich verwahren gegen jede Folge dieses Beschlusses. Schrecklich! Feuer und Schwert droht, und die Herren haben doch "Frauen und Kinder."

§. 5. "Jede Beschränkung der Wahl der Führer muß aufgehoben werden" wird zuerst ohne Debatte angenommen, dann doch darüber debattirt und in der Fassung angenommen: "Die Ernennung aller Führer erfolgt durch die Wahl!"

Consequenz ist Mannestugend, dieß auch der Grundsatz vieler Deputirten; In seltner Consequenz wünschen die Herren ihren Katzenjammer wegen des Beschlusses über Nicht-Vereidigung der Bürgerwehr loszuwerden. Sie bringen daher Anträge: auf Gelöbnisse der Treue gegen die Verfassung, werden aber mit 31. gegen 25. Stimmen abgewiesen. Um den ruhigen Schlaf der Gelöbnißbedürftigen ist's geschehen.

Unabhängig von den Vorlagen beantragt Simon aus Berlin: die Wahl der Führer mag alle Jahre erneuert werden und hierzu amendirt Walesrode: "Der Oberst möge auf drei Jahre sein Amt bekleiden." Bravissimo, unten im Volke mag Veränderung eintreten, die Hauptleute brauchen nur ein Jahr ihre Ehrenstellung einzunehmen; aber in den höchsten Kreisen muß es eine 3jährige Stabilität geben.

33 Olmütz, 14. Dez.

Schimpf und Schande über die Kanaille, welche in Frankreich das Ruder führt! Allen Versicherungen unterrichteter Personen, ja den lauten Aussagen unserer ministeriellen Blutblätter nach, hat diese Kanaille mit unserem Seresanerstaate wirklich Brüderschaft gemacht -- zur Unterdrückung Italiens, Ungarns und Deutschlands. -- Daraufhin hat Radetzki von hier aus den Auftrag erhalten, 30,000 Kroaten von der Armee nach Ungarn, das von einer überwiegenden Heeresmacht erwürgt wird, zu entsenden. Der moralische Eindruck, den das Bündniß Frankreichs mit dem ägyptischen Mumiendespotismus auf Italien machen muß, wird, so hofft man, alle seine Anstrengungen paralysiren; Oestreich und Neapel werden nöthigenfalls mit den Waffen dazu operiren. Früher hat Europa sich über die Greuel entsetzt und gegen sie gehandelt, welche sich die Türken erlaubten; die Greuel aber, die hier geschehen sind, noch geschehen, die bestialischer sind, als alle je dagewesenen, sieht es mit Gleichgültigkeit an, und die Republik Frankreichs, die Hoffnung der Völker, verbündet sich mit ihnen!

121 Wien, 14. Dez.

Das Ministerium läßt sich über sein Programm in die hiesigen Blätter von allen Seiten Hosiannah's schreiben, die es natürlich selber fabrizirt und theuer bezahlt. Das Programm des Ministeriums ist indessen nichts weiter als ein in Pulver und Blei metamorphosirter Kranz; ein Rosenkranz, an dem es nach Art der kalabresischen Banditen als ave Maria die Schlagworte, Gesammtmonarchie, Gleichberechtigung der Nationalitäten, Anarchie u. s. w. herableiert. Ich will Ihnen sagen, was das bedeutet. Unter Gesammtmonarchie versteht das Ministerium den Gesammtraub der Habsburger, der nur durch Verleugnung und Abstreifung aller Nationalität, außer der habsburgisch-dynastischen zu erhalten ist. Gleichberechtigung aller Nationalitäten heißt danach soviel wie: "Ihr bekommt alle nichts; eure Dummheit muß uns alles verschaffen!" Wer etwas wider diese östreichischen Axiome einzuwenden hat, treibt Anarchie, [i]hm wird mit dem Strang geholfen. Ich sage das nur zum Vortheil auswärtiger Gelehrter und Zeitungsschreiber, die sich über östreichische Wirren -- (herrliches deutsches Wort!) -- die Köpfe zerbrechen. Mit der Devise "Gleichberechtigung aller Nationalitäten" werden beliebige Barbarenhorden des Landes zu Nationen heranfanatisirt, sie erhalten beliebige Hundenamen, und werden dann wie Bestien wider einandergehetzt zur Erhaltung der Gesammtmonarchie und Vernichtung der Anarchie. Das ist das Geheimniß der östreichischen Wirren, die für's Ausland so räthselhaft erscheinen. Durch den östreichischen Gesandten in London hat das Ministerium unter Bunsens Verwendung sogar in den Morning Chronicle einen sein Programm lobenden Aufsatz einzuschmuggeln gewußt, den uns die Wienerin in der deutschen Urschrift gestern in extenso mitgetheilt hat, worauf sie im Abendblatte mit dem langen Salbader östreichischer Polizeiberedsamkeit ein ähnliches Lob aus der Kölnischen Zeitung singt, indem sie ausruft: "Es thut dem aufmerksamen Beobachter wohl, endlich einmal in der deutschen Presse die Stimme der Vernunft u. s. w. über Oestreich zu vernehmen. Oestreich beginnt, so sagt das erste Organ der deutschen Journalistik am Rheine, nach langer ängstlicher Spannung freier zu athmen und wieder einmal an eine hoffnungsreiche Zukunft zu glauben. Die neuen Formen, nach welchen es ringt, haben neue Träger gefunden, und das Bewußtsein bricht sich Bahn, daß damit die Revolution geschlossen ist." -- Wo die Gegenwart Belagerungszustand, Standrecht, Pulver und Blei, Strang, kroatische Banditen, Kanibalismus u. s. w. heißt, kann für die "Kölnische Zeitung allerdings eine hoffnungsreiche Zukunft als Frucht aufblühen.

102 Wien, 14. Dez.

Gestern sagte man, Preßburg sei nach dreistündigem Bombardement von den kaiserl. Truppen genommen worden. Da aus Galizien viele Freikorps nach Ungarn ziehen, so hat die dortige Verwaltung den Landsturm organisirt und verwendet ihn zu einen Kordon längs der ungarischen Grenze. 80,000 Russen, von denen viele ins östreichische Heer aufgenommen werden, stehen im Hintergrunde. Ungarn, von jeder Hülfe entblößt, wird von der Uebermacht erwürgt werden. Windischgrätz soll Kossuth, wider welchen unsere Tagespresse unaufhörlich giftgeschwollene Aufsätze schleudert, die entsetzlichsten Martern zugeschworen haben. -- Ein Anschlag verkündet, daß man ja nicht annehmen solle, die Einziehung und Bestrafung der an den Vorfällen des Oktober Betheiligten sei eingestellt. Zur Beseitigung einer solchen hier allerdings irrthümlichen Ansicht hat die Militärkommission, die übrigens ununterbrochen zum Strang verurtheilt, denn gestern sofort auch einen übergetretenen Bombardier erschießen lassen. Die Motivirung der Urtheile besteht jetzt nur mehr in der Angabe des "eigenen Geständnisses und des Zusammentreffens von Umständen."

Unter standrechtlichen Drohungen hat man nun auch die Wahlmänner der Frankfurter Abgeordneten zu zwingen angefangen, ihnen vorgelegte Mißtrauensvota zu unterzeichnen, die dann mit begleitendem Hallo in der Wienerin prangen. "Was ist des Deutschen Vaterland?" darf seit dem 31. Okt. von keiner Straßenorgel mehr gespielt werden, und wo die Spione es von einem Klavier hören, wo sie die deutschen Farben sehen, wird augenblicklich Untersuchung und Verhaftung gehalten.

Um Ihnen ein neues Pröbchen von der Verworfenheit unserer bessern Presse zu geben, will ich schließlich eine Stelle aus einem in der "Presse" enthaltenen "Serbische Zustände" genannten Aufsatze mittheilen. Es heißt daselbst: "Noch vor einem Jahre war der Name Serbe ein so unbekannter Laut, daß selbst genauere Kenner östreichischer Statistik die Serben als einen der vielen in das Ungarland eingesprengten Stämme ohne höhere Bedeutung betrachteten." Ein schönes Geständniß, wie die Kamarilla die Nationalitäten hervorzuzaubern versteht, um sie wider einander zu gebrauchen! "Das nationale Bewußtsein des Serben erwachte," wird fortgefahren, "die Erinnerung an Leiden (!) und Unterdrückung (!) entflammte ihn und er griff zu den Waffen. Das erste Auftreten dieser neu erwachten Nation war nicht eben sehr manirlich. Es kann nicht in Abrede gestellt werden, daß die Serben in ihrem Kriege manchen jener Gebräuche (!) verletzten, welche civilisirte Nationen als stehende Normen (!), als Etikette-Sache (!) bei dem Geschäfte (!) vielseitigen Mordens und Brennens unter sich eingeführt haben. (!!!) Das Spießen und Todtschlagen scheint in jener Gegend zur Landessitte zu gehören. (!!!!) Das Land grenzt an die Türkei, möglich daher, daß diese patriarchalische (!!!!) Landessitte auf historischen Erinnerungen beruht." (!!) In den andern östreichischen Blättern gibt es noch Entsetzlicheres zu lesen. -- Die russische Flotte ist 20 Segel stark vor Triest erschienen, und wird mit der östreichischen gemeinsam Venedig nehmen. Die franz. Bourgeois thun dem Absolutismus dabei den Gefallen, in Brüssel lange hin und her zu konferenzeln.

Gratz, 12. Dez.

Nach gestern hier eingelangten Briefen ist die russische Flotte, bestehend aus mehr als 20 größeren und kleineren Schiffen, auf der Rhede vor Triest eingetroffen (?) und vor Anker gegangen. Wie man erwartet, wird nun die österreichische Flottille aus Pola auslaufen, und gegen Venedig operiren. Wenn diese Nachricht richtig, so wird wohl die offizielle Bestätigung dieser Tage erfolgen, und dann Venedig in Kürze wieder in unseren Händen sein.

(Gr. Z.)
München, 14. Dez.

Heute mußten abermals drei Kompagnien vom Infanterie-Leibregiment in's Gebirg abmarschiren, man sagt in die Gegend von Tölz, wo wiederholt bedeutende Jagdfrevel und dergleichen begangen worden seien. Es ist dies im Lauf des Jahres schon das dritte Mal, daß Truppen nach jener Gegend beordert werden.

X Nürnberg, 15. Dez.

Was wird das für eine Kammer werden, welche in den letzten Tagen dieses Jahres in München zusammentreten soll? So fragt man sich verwundert, wenn man die Ergebnisse der baierischen Landtagswahlen durchgeht. In ganz Altbaiern, Oberbaiern, Mittelbaiern und der Pfalz mit Regensburg nichts als Pfaffen, Bauern und höchstens Regierungsräthe, die man aber als zu liberal und unchristlich in der Regel durchfallen ließ. In Schwaben nur zum Theil Demokraten, und, wie zu hoffen, einige talentvolle; in Augsburg und den meisten Orten Schwabens unbedingte Monarchisten; in Franken dagegen fast mehr Demokraten als Konstitutionelle; namentlich in Bamberg und Nürnberg haben die demokratischen Vereine gesiegt. In der Rheinpfalz endlich entschieden gute Demokraten, von denen wir namentlich erwarten, daß sie für unsere diesseitigen die Führer abgeben werden. Aber sie werden der Zahl nach immerhin schwach sein gegen die ultramontane Partei, die Hr. v. Abel unter seinem Banner sammeln wird.

Es wäre zum Verzweifeln, wenn man nicht auf die Macht der Revolution seine Hoffnung setzen könnte, die ihr entscheidendes Wort vielleicht an einem andern Orte sprechen wird, bevor noch unsere Landesvertreter in München zusammenkommen. Wenn irgend ein deutsches Land bestimmt ist, von der Revolution ins Schlepptau genommen zu werden, so ist es Baiern. Von dem Grad der Verdummung bei unsern altbaierischen Bauern macht man sich auswärts keinen Begriff, und die Städter sind kaum besser. Nur in Franken ist der demokratische Geist siegreich durchgedrungen und hat Stadt und Land mächtig ergriffen. Die konstitutionellen Vereine spielen hier eine traurige Rolle, sie sind in der kläglichsten Desorganisation. Sie hatten sich beständig gerühmt, die große Mehrheit des Volks zu repräsentiren und nun konnten sie bei der letzten Wahl in Bamberg gar keinen, in Nürnberg nur einen Kandidaten durchsetzen, und diesen auf eine Weise, die nur ihre Ohnmacht beurkundet. Sie überrumpelten nämlich die bäuerlichen Wahlmänner einiger Landgerichtsbezirke, versprachen diesen für einen ihren Lokalsympathien entsprechenden Kandidaten zu stimmen, was sie natürlich nachher nicht hielten, gewannen sich aber durch diese falsche Vorspiegelung die Stimmen der politisch noch sehr unmündigen Bauern. Unser vortreffliches Wahlgesetz hat es nämlich weise also geordnet, daß die Wahlmänner eines großen Wahlkreises, die einander gar nicht kennen und die höchst verschiedenen Interessen vertreten, zusammengeworfen werden, um gemeinschaftlich 3-4 Abgeordnete zu wählen. Hier hat dann natürlich die Intrigue ein weites Feld.

14 Darmstadt, 17. Dez.

Gestern beriethen unsere Volksvertreter in dem privilegirten zweiten "Schlafkämmerchen", wie der "Mann der That", zu sagen beliebte, die abermalige Verlängerung der Finanzperiode auf 6 Monate. Es war dies eine Lebensfrage für das Ministerium Jaup, denn nur durch die unkonstitutionelle und ungebührlich lange Kammervertagung wurde die Nothwendigkeit einer nochmaligen Prorogation des Büdgets hervorgerufen. Hr. Jaup hatte noch zudem den Ständen versprochen, ihnen bei ihrer Wiedereinberufung nur das Wahlgesetz zur Berathung vorzulegen. Trotz alledem und alledem wurde jedoch gestern die Prorogation mit 32 gegen 13 Stimmen angenommen, und das Ministerium der "That" bleibt uns somit unverloren. Bürger Zitz erklärte feierlichst, er werde nie in irgend eine Verlängerung der Finanzperiode willigen, so lange der Herr Minister nicht die Gründe der Vertagung, durch die er die Majorität der Kammer verhöhnt habe, angeben werde. Abg. Behlen erklärte zum betäubenden Schrecken der Jaherren: "Ich werde nie einem Ministerium, das der Mehrheit der Kammer und des Volks so sehr in's Gesicht geschlagen hat (der Präsident unterbricht ihn durch einen Ordnungsruf, und gestirt sich dabei wie eine Gouvernante, die ihrem Zögling mit der Ruthe droht; der "Mann der That" sitzt blutroth vor Verlegenheit da) -- das der Mehrheit der Kammer so sehr in's Gesicht geschlagen, die Mittel zu fernerer Existenz gewähren.

Ergötzlich war in derselben Sitzung eine Debatte zwischen Zitz und dem Niersteiner Napoleon, Herrn Wernher, genannt der "Reichstelegraph". Abg. v. Rabenau II. hatte den Kriegsminister nach den Summen gefragt, welche die Vermehrung des stehenden Heeres bis zu 2 Prozent der Bevölkerung Hessen-Darmstadt kosten werde, und die Befürchtung geäußert, daß es mit dieser Maßregel auf die Selbstständigkeit der kleinern Staaten abgesehen sei. Zitz hielt eine sehr interessante Rede gegen diese volksfeindliche Maßregel des Reichsministeriums. Aber wie Zeus von seinem Wolkenthron herab, hub der Niersteiner Napoleon, genannt der "Reichstelegraph" an, gegen Zitz von "Einheit", "Patriotismus und der Nothwendigkeit zu donnern, daß in dem demnächstigen Kriege mit Frankreich" die deutschen Offiziere deutsche Binden um die deutschen Hüften und deutsche Feldzeichen an den Helmen hätten. Sprach von der "kühlen" Besonnenheit des Staatsmanns, und schloß mit der ergreifenden Phrase: "Königliche Hoheit haben in patriotischem Interesse so manche goldne Schnur von ihrem Herzogshute geopfert, Königl. Hoheit würden nie in irgend eine Maßregel willigen, wodurch das Interesse der Einheit verletzt würde." Also sprach Wernher von Nierstein, genannt der "Reichstelegraph". Zitz legte in seinem und seiner Meinungsgenossen Namen die Verwahrung zu Protokoll nieder:

"Sie würden nie ihre Zustimmung dazu geben, daß die Regierung Ausgaben, welche durch eine Verfügung des Reichsministeriums herbeigeführt worden wären, ohne Einwilligung der Stände vornähme. Er erklärte gegen Wernher, er sei Partikularist sobald er durch die Einheit die Interessen der Freiheit gefährdet sehe."

34 Darmstadt, 16. Dez.

Unter der Erbschaft, welche das neue Reichsministerium vom Herrn v. Schmerling übernimmt, befindet sich auch eine Untersuchung, welche hier "auf Befehl des Reichsministeriums" wegen einer Versammlung im Lokale des Volkslesevereins am 18. September, dem Tage der Frankfurter Barrikaden, geführt wird. Von diesem Lokale aus bewegte sich ein Zug, Heckerlieder singend, durch die Stadt, und dem Minister Jaup wurden am selben Abend die Fenster eingeworfen. Grund genug für die Centralpolizeigewalt, um auf eine weitere Verzweigung der "Frankfurter Verschwörung" los zu inquiriren. Da man den Leuten, auf die man's abgesehen hatte, nicht beikommen konnte, hat man sich begnügt, einige untergeordnete "Verschwörer" einzustecken.

Altenburg, 16. Dez.

In diesen Tagen haben wir wieder einmal einen sichern Maßstab für die hiesige Stimmung, bei der Wahl eines Kommandanten für unsere neu zu organisirende Bürgergarde, erhalten. Von der demokratischen Partei war Advokat Dölitzsch, von der Gegenpartei Hr. Hermann, Hauptmann der altenburgischen Jägerkompagnie, als Kandidat aufgestellt. Die demokratische Partei siegte mit großer Majorität, wenn wir nicht irren, mit 522 gegen 244 Stimmen.

* Hamburg, 16. Dezbr.

Die hiesige sogenannte konstituirende Versammlung hat sich endlich in ihrer gestrigen Sitzung nach viel unnützem Geschwätz für die "Vereinbarung" entschieden. Berlin und Bernburg haben gezeigt, wohin man damit gelangt; Hamburg will es gleichwohl ebenfalls probiren.

100 Glückstadt (in Holstein), 15. Dez.

Wie in Preußen und dem übrigen Deutschland, so wird auch in Schleswig-Holstein die Knechtung des Volks systematisch ausgeübt, jeder freiere Aufschwung unterdrückt: die Schleswig-Holsteiner sind vom Regen in die Traufe gekommen. Die Partei des Herzogs von Augustenburg, wozu vorzüglich die Bourgeoisie und die Aristokratie mit Beseler an der Spitze gehört, haben das schleswig-holsteinische Volk endlich in den sichern Hafen gebracht, wo es aus seinem Freiheitstraume, unter der Säbelherrschaft Bonins (der Wrangel der Herzogthümer), dem Polizeistock Schmerling's und den Fittichen eines Brutus-Bassermann, erwachen kann. Die Bourgeoisie zeigt aber auch hier in ihren Handlungen, daß sie mit der in andern Staaten in gleichem Range steht, doch davon nachher.

Ihren Lesern haben Sie die Adresse des 7. schleswig-holsteinischen Bataillons mitgetheilt; auch das, wenn ich nicht irre, daß der Verfasser ein gewisser Luttermersk aus Altona ist. Gestern Abend nun, mit dem Bahnzuge von Rendsburg kam um 7 Uhr dieser Luttermersk hier an, unter einer Bedeckung von 40 Badensern vom 4. badischen Regiment. Wie es sich von einem Manne erwarten ließ, der seine Feder zur Hand genommen, um den preußischen Soldaten zuzurufen, keinen Verrath ferner am Volke zu üben, so schritt Luttermerck in der Mitte seiner Schergen einher.

Um kein Aufsehen zu erregen führt man ihn nicht mitten durch die Stadt, nach dem Zuchthause; denn hier müssen die Opfer der Reaction ihre über sie verhängte Strafe erleiden. Wie sich dann die Kerkerthore öffneten, in ihren Angeln krächsten, und auf vier Jahre sich hinter ihm schlossen, -- da unwillkührlich stieß ich die Drohung hervor, es am Tage der Vergeltung, der hoffentlich nicht mehr fern ist, den rothen Monarchisten zu gedenken und keine Schonung zu üben, und es trieb die Wuth mir Thränen in die Augen.

Wenn es übrigens hier bei uns so fort geht und immerfort Militär nach dem Zuchthause geschickt wird, muß noch ein besonderes für dasselbe gebaut oder eingerichtet werden.

Was Bonin anbelangt, so ist dem schon vor 8-10 Wochen, wenn auch nicht direkt, so doch indirekt, durch eine Mißtrauensadresse, der Wunsch seiner Entfernung zu erkennen gegeben; und auch jetzt geschieht es von vielen Seiten. Hier aber zeigt sich die Bourgeoisie wie schon oben bemerkt in ihrem Lichte. In Rendsburg ist vom altstädter Bürgerverein eine Deputation mit einer Vertrauensadresse abgeschickt um den General Bonin zu bitten, sein Ohr nicht dem Gerede einiger Uebelwollenden zu öffnen, und für die Stimmung des ganzen Landes zu halten. Ebenfalls soll hier in der Stadt eine Adresse in gleichem Sinne zu Stande gebracht werden, und gehen zu dem Ende zwei der angesehensten Bourgeois damit von Haus zu Haus um Unterschriften zu sammeln. An vielen Stellen müssen die Herren vom Geldsacke aber mit der Antwort abziehen: "Es ist mir schon recht wenn Bonin geht oder "Wir brauchen uns nicht von Bonin knuten zu lassen, laß ihn nur gehen woher er gekommen ist" und spottweise wird dann noch hinzu gefügt "zu seinem guten König."

Man ist soweit bei dem hier in Kantonnement liegenden 4. Battaillon gegangen, daß man erst zu den Soldaten sagte: "Wer Bonin nicht mehr behalten will, der trete vor." Es trat aber selbstverständlich keiner vor, denn ein oder zwei Jahre Zuchthaus hätten den sicher getroffen. Jetzt aber fordert man die Soldaten auf die Adresse zu unterschreiben.

Italien.
* Turin, 12. Dezbr.

Ein von Civita-Vecchia kommendes Dampfboot brachte am 16. Dez. die Nachricht nach Genua, daß der Pabst die an ihn von Rom abgesandte Deputation zu empfangen verweigert und daß man in Folge dieser Weigerung an Bildung einer provisorischen Regierung dachte.

Die Wahl Pellegrinis von Genua, der sich noch im Gefängnisse befindet, wurde am 11. durch die Turiner Deputirten-Kammer bestätigt und trotz der Opposition des Ministeriums verordnete die Kammer unmittelbare Freilassung. Eine Estafette wurde sofort nach Genua expedirt. Die ministerielle Krise dauert fort, aber nach der Sitzung vom 11. sind die jetzigen Minister, wie die "Concordia" sagt, unmöglich geworden.

Zu Genua haben neue Demonstrationen stattgefunden. Am 10. Dez. war Jahrestag der Vertreibung der Oestreicher aus Genua im Jahre 1748. Die ganze Bevölkerung nahm Theil an dem Feste. Das Volk trug vier Fahnen. Auf der ersten las man: Gott und das Volk; auf der zweiten: es lebe die italienische Constituante; die dritte enthielt die Namen der Heroen von 1746 und auf der vierten las man: Gott behüte uns 1849 vor einem neuen Verrath. 1400 Fr. wurden für Venedig gesammelt. Die Carabiniers verfuhren äußerst gewaltsam bei den von ihnen gemachten Verhaftungen. Als man die Sturmglocken läuten hörte, ließ die Obrigkeit in allen Straßen Generalmarsch schlagen und alle Nationalgarden bewaffneten sich schleunigst. Gegen Abend war die Aufregung am lebhaftesten. Es bildeten sich Zusammenschaarungen im Stadthause, schreiend: Wir wollen die italienische Constituante! Da die Munizipalität nicht im Sinne des Volks auf diese Manifestation einging, wurden die Massen stürmischer. Nach dem Corriere mercantile waren die Rufe des Volkes am Abende des 11.: Tod für Oestreich! Tod den östreichischen Spitzbuben! Hülfe den unterdrückten lombardischen Brüdern! Wir wollen ein demokratisches Ministerium! Nieder mit den retrograden Ministern! Es lebe die italienische Constitution!

* Turin, 12. Dezember.

Fortdauer der Ministerkrisis. Es soll jetzt, wie es heißt, ein Courier an den Marquis Massimo Azeglio abgegangen sein, um ihn mit Bildung des neuen Kabinets zu beauftragen. In der gestrigen Kammersitzung interpellirte Reta wegen des Kongresses in Brüssel. Pinelli erwidert: daß Oesterreich

Die „wächserne Nase des Rechts.“ Meyer, ist für den Commissionsvorschlag, die Gründe — fehlen. Wehrmann versichert uns, die Stadt Magdeburg habe noch immer ihre alte Liebe zum angestammten Herrscherhaus; vertheidigt den Eid für den König, denn der König verletzt die Verfassung nie, sondern die Minister, der König ist unverletzlich und ähnlicher Wahnwitz in Menge.

Der Congreß wurde hier radical; er verwarf jede Vereidigung der Bürgerwehr. Allein nun bekommen einzelne Redner Angst und zittern und wollen sich wo möglich verwahren gegen jede Folge dieses Beschlusses. Schrecklich! Feuer und Schwert droht, und die Herren haben doch „Frauen und Kinder.“

§. 5. „Jede Beschränkung der Wahl der Führer muß aufgehoben werden“ wird zuerst ohne Debatte angenommen, dann doch darüber debattirt und in der Fassung angenommen: „Die Ernennung aller Führer erfolgt durch die Wahl!“

Consequenz ist Mannestugend, dieß auch der Grundsatz vieler Deputirten; In seltner Consequenz wünschen die Herren ihren Katzenjammer wegen des Beschlusses über Nicht-Vereidigung der Bürgerwehr loszuwerden. Sie bringen daher Anträge: auf Gelöbnisse der Treue gegen die Verfassung, werden aber mit 31. gegen 25. Stimmen abgewiesen. Um den ruhigen Schlaf der Gelöbnißbedürftigen ist's geschehen.

Unabhängig von den Vorlagen beantragt Simon aus Berlin: die Wahl der Führer mag alle Jahre erneuert werden und hierzu amendirt Walesrode: „Der Oberst möge auf drei Jahre sein Amt bekleiden.“ Bravissimo, unten im Volke mag Veränderung eintreten, die Hauptleute brauchen nur ein Jahr ihre Ehrenstellung einzunehmen; aber in den höchsten Kreisen muß es eine 3jährige Stabilität geben.

33 Olmütz, 14. Dez.

Schimpf und Schande über die Kanaille, welche in Frankreich das Ruder führt! Allen Versicherungen unterrichteter Personen, ja den lauten Aussagen unserer ministeriellen Blutblätter nach, hat diese Kanaille mit unserem Seresanerstaate wirklich Brüderschaft gemacht — zur Unterdrückung Italiens, Ungarns und Deutschlands. — Daraufhin hat Radetzki von hier aus den Auftrag erhalten, 30,000 Kroaten von der Armee nach Ungarn, das von einer überwiegenden Heeresmacht erwürgt wird, zu entsenden. Der moralische Eindruck, den das Bündniß Frankreichs mit dem ägyptischen Mumiendespotismus auf Italien machen muß, wird, so hofft man, alle seine Anstrengungen paralysiren; Oestreich und Neapel werden nöthigenfalls mit den Waffen dazu operiren. Früher hat Europa sich über die Greuel entsetzt und gegen sie gehandelt, welche sich die Türken erlaubten; die Greuel aber, die hier geschehen sind, noch geschehen, die bestialischer sind, als alle je dagewesenen, sieht es mit Gleichgültigkeit an, und die Republik Frankreichs, die Hoffnung der Völker, verbündet sich mit ihnen!

121 Wien, 14. Dez.

Das Ministerium läßt sich über sein Programm in die hiesigen Blätter von allen Seiten Hosiannah's schreiben, die es natürlich selber fabrizirt und theuer bezahlt. Das Programm des Ministeriums ist indessen nichts weiter als ein in Pulver und Blei metamorphosirter Kranz; ein Rosenkranz, an dem es nach Art der kalabresischen Banditen als ave Maria die Schlagworte, Gesammtmonarchie, Gleichberechtigung der Nationalitäten, Anarchie u. s. w. herableiert. Ich will Ihnen sagen, was das bedeutet. Unter Gesammtmonarchie versteht das Ministerium den Gesammtraub der Habsburger, der nur durch Verleugnung und Abstreifung aller Nationalität, außer der habsburgisch-dynastischen zu erhalten ist. Gleichberechtigung aller Nationalitäten heißt danach soviel wie: „Ihr bekommt alle nichts; eure Dummheit muß uns alles verschaffen!“ Wer etwas wider diese östreichischen Axiome einzuwenden hat, treibt Anarchie, [i]hm wird mit dem Strang geholfen. Ich sage das nur zum Vortheil auswärtiger Gelehrter und Zeitungsschreiber, die sich über östreichische Wirren — (herrliches deutsches Wort!) — die Köpfe zerbrechen. Mit der Devise „Gleichberechtigung aller Nationalitäten“ werden beliebige Barbarenhorden des Landes zu Nationen heranfanatisirt, sie erhalten beliebige Hundenamen, und werden dann wie Bestien wider einandergehetzt zur Erhaltung der Gesammtmonarchie und Vernichtung der Anarchie. Das ist das Geheimniß der östreichischen Wirren, die für's Ausland so räthselhaft erscheinen. Durch den östreichischen Gesandten in London hat das Ministerium unter Bunsens Verwendung sogar in den Morning Chronicle einen sein Programm lobenden Aufsatz einzuschmuggeln gewußt, den uns die Wienerin in der deutschen Urschrift gestern in extenso mitgetheilt hat, worauf sie im Abendblatte mit dem langen Salbader östreichischer Polizeiberedsamkeit ein ähnliches Lob aus der Kölnischen Zeitung singt, indem sie ausruft: „Es thut dem aufmerksamen Beobachter wohl, endlich einmal in der deutschen Presse die Stimme der Vernunft u. s. w. über Oestreich zu vernehmen. Oestreich beginnt, so sagt das erste Organ der deutschen Journalistik am Rheine, nach langer ängstlicher Spannung freier zu athmen und wieder einmal an eine hoffnungsreiche Zukunft zu glauben. Die neuen Formen, nach welchen es ringt, haben neue Träger gefunden, und das Bewußtsein bricht sich Bahn, daß damit die Revolution geschlossen ist.“ — Wo die Gegenwart Belagerungszustand, Standrecht, Pulver und Blei, Strang, kroatische Banditen, Kanibalismus u. s. w. heißt, kann für die „Kölnische Zeitung allerdings eine hoffnungsreiche Zukunft als Frucht aufblühen.

102 Wien, 14. Dez.

Gestern sagte man, Preßburg sei nach dreistündigem Bombardement von den kaiserl. Truppen genommen worden. Da aus Galizien viele Freikorps nach Ungarn ziehen, so hat die dortige Verwaltung den Landsturm organisirt und verwendet ihn zu einen Kordon längs der ungarischen Grenze. 80,000 Russen, von denen viele ins östreichische Heer aufgenommen werden, stehen im Hintergrunde. Ungarn, von jeder Hülfe entblößt, wird von der Uebermacht erwürgt werden. Windischgrätz soll Kossuth, wider welchen unsere Tagespresse unaufhörlich giftgeschwollene Aufsätze schleudert, die entsetzlichsten Martern zugeschworen haben. — Ein Anschlag verkündet, daß man ja nicht annehmen solle, die Einziehung und Bestrafung der an den Vorfällen des Oktober Betheiligten sei eingestellt. Zur Beseitigung einer solchen hier allerdings irrthümlichen Ansicht hat die Militärkommission, die übrigens ununterbrochen zum Strang verurtheilt, denn gestern sofort auch einen übergetretenen Bombardier erschießen lassen. Die Motivirung der Urtheile besteht jetzt nur mehr in der Angabe des „eigenen Geständnisses und des Zusammentreffens von Umständen.“

Unter standrechtlichen Drohungen hat man nun auch die Wahlmänner der Frankfurter Abgeordneten zu zwingen angefangen, ihnen vorgelegte Mißtrauensvota zu unterzeichnen, die dann mit begleitendem Hallo in der Wienerin prangen. „Was ist des Deutschen Vaterland?“ darf seit dem 31. Okt. von keiner Straßenorgel mehr gespielt werden, und wo die Spione es von einem Klavier hören, wo sie die deutschen Farben sehen, wird augenblicklich Untersuchung und Verhaftung gehalten.

Um Ihnen ein neues Pröbchen von der Verworfenheit unserer bessern Presse zu geben, will ich schließlich eine Stelle aus einem in der „Presse“ enthaltenen „Serbische Zustände“ genannten Aufsatze mittheilen. Es heißt daselbst: „Noch vor einem Jahre war der Name Serbe ein so unbekannter Laut, daß selbst genauere Kenner östreichischer Statistik die Serben als einen der vielen in das Ungarland eingesprengten Stämme ohne höhere Bedeutung betrachteten.“ Ein schönes Geständniß, wie die Kamarilla die Nationalitäten hervorzuzaubern versteht, um sie wider einander zu gebrauchen! „Das nationale Bewußtsein des Serben erwachte,“ wird fortgefahren, „die Erinnerung an Leiden (!) und Unterdrückung (!) entflammte ihn und er griff zu den Waffen. Das erste Auftreten dieser neu erwachten Nation war nicht eben sehr manirlich. Es kann nicht in Abrede gestellt werden, daß die Serben in ihrem Kriege manchen jener Gebräuche (!) verletzten, welche civilisirte Nationen als stehende Normen (!), als Etikette-Sache (!) bei dem Geschäfte (!) vielseitigen Mordens und Brennens unter sich eingeführt haben. (!!!) Das Spießen und Todtschlagen scheint in jener Gegend zur Landessitte zu gehören. (!!!!) Das Land grenzt an die Türkei, möglich daher, daß diese patriarchalische (!!!!) Landessitte auf historischen Erinnerungen beruht.“ (!!) In den andern östreichischen Blättern gibt es noch Entsetzlicheres zu lesen. — Die russische Flotte ist 20 Segel stark vor Triest erschienen, und wird mit der östreichischen gemeinsam Venedig nehmen. Die franz. Bourgeois thun dem Absolutismus dabei den Gefallen, in Brüssel lange hin und her zu konferenzeln.

Gratz, 12. Dez.

Nach gestern hier eingelangten Briefen ist die russische Flotte, bestehend aus mehr als 20 größeren und kleineren Schiffen, auf der Rhede vor Triest eingetroffen (?) und vor Anker gegangen. Wie man erwartet, wird nun die österreichische Flottille aus Pola auslaufen, und gegen Venedig operiren. Wenn diese Nachricht richtig, so wird wohl die offizielle Bestätigung dieser Tage erfolgen, und dann Venedig in Kürze wieder in unseren Händen sein.

(Gr. Z.)
München, 14. Dez.

Heute mußten abermals drei Kompagnien vom Infanterie-Leibregiment in's Gebirg abmarschiren, man sagt in die Gegend von Tölz, wo wiederholt bedeutende Jagdfrevel und dergleichen begangen worden seien. Es ist dies im Lauf des Jahres schon das dritte Mal, daß Truppen nach jener Gegend beordert werden.

X Nürnberg, 15. Dez.

Was wird das für eine Kammer werden, welche in den letzten Tagen dieses Jahres in München zusammentreten soll? So fragt man sich verwundert, wenn man die Ergebnisse der baierischen Landtagswahlen durchgeht. In ganz Altbaiern, Oberbaiern, Mittelbaiern und der Pfalz mit Regensburg nichts als Pfaffen, Bauern und höchstens Regierungsräthe, die man aber als zu liberal und unchristlich in der Regel durchfallen ließ. In Schwaben nur zum Theil Demokraten, und, wie zu hoffen, einige talentvolle; in Augsburg und den meisten Orten Schwabens unbedingte Monarchisten; in Franken dagegen fast mehr Demokraten als Konstitutionelle; namentlich in Bamberg und Nürnberg haben die demokratischen Vereine gesiegt. In der Rheinpfalz endlich entschieden gute Demokraten, von denen wir namentlich erwarten, daß sie für unsere diesseitigen die Führer abgeben werden. Aber sie werden der Zahl nach immerhin schwach sein gegen die ultramontane Partei, die Hr. v. Abel unter seinem Banner sammeln wird.

Es wäre zum Verzweifeln, wenn man nicht auf die Macht der Revolution seine Hoffnung setzen könnte, die ihr entscheidendes Wort vielleicht an einem andern Orte sprechen wird, bevor noch unsere Landesvertreter in München zusammenkommen. Wenn irgend ein deutsches Land bestimmt ist, von der Revolution ins Schlepptau genommen zu werden, so ist es Baiern. Von dem Grad der Verdummung bei unsern altbaierischen Bauern macht man sich auswärts keinen Begriff, und die Städter sind kaum besser. Nur in Franken ist der demokratische Geist siegreich durchgedrungen und hat Stadt und Land mächtig ergriffen. Die konstitutionellen Vereine spielen hier eine traurige Rolle, sie sind in der kläglichsten Desorganisation. Sie hatten sich beständig gerühmt, die große Mehrheit des Volks zu repräsentiren und nun konnten sie bei der letzten Wahl in Bamberg gar keinen, in Nürnberg nur einen Kandidaten durchsetzen, und diesen auf eine Weise, die nur ihre Ohnmacht beurkundet. Sie überrumpelten nämlich die bäuerlichen Wahlmänner einiger Landgerichtsbezirke, versprachen diesen für einen ihren Lokalsympathien entsprechenden Kandidaten zu stimmen, was sie natürlich nachher nicht hielten, gewannen sich aber durch diese falsche Vorspiegelung die Stimmen der politisch noch sehr unmündigen Bauern. Unser vortreffliches Wahlgesetz hat es nämlich weise also geordnet, daß die Wahlmänner eines großen Wahlkreises, die einander gar nicht kennen und die höchst verschiedenen Interessen vertreten, zusammengeworfen werden, um gemeinschaftlich 3-4 Abgeordnete zu wählen. Hier hat dann natürlich die Intrigue ein weites Feld.

14 Darmstadt, 17. Dez.

Gestern beriethen unsere Volksvertreter in dem privilegirten zweiten „Schlafkämmerchen“, wie der „Mann der That“, zu sagen beliebte, die abermalige Verlängerung der Finanzperiode auf 6 Monate. Es war dies eine Lebensfrage für das Ministerium Jaup, denn nur durch die unkonstitutionelle und ungebührlich lange Kammervertagung wurde die Nothwendigkeit einer nochmaligen Prorogation des Büdgets hervorgerufen. Hr. Jaup hatte noch zudem den Ständen versprochen, ihnen bei ihrer Wiedereinberufung nur das Wahlgesetz zur Berathung vorzulegen. Trotz alledem und alledem wurde jedoch gestern die Prorogation mit 32 gegen 13 Stimmen angenommen, und das Ministerium der „That“ bleibt uns somit unverloren. Bürger Zitz erklärte feierlichst, er werde nie in irgend eine Verlängerung der Finanzperiode willigen, so lange der Herr Minister nicht die Gründe der Vertagung, durch die er die Majorität der Kammer verhöhnt habe, angeben werde. Abg. Behlen erklärte zum betäubenden Schrecken der Jaherren: „Ich werde nie einem Ministerium, das der Mehrheit der Kammer und des Volks so sehr in's Gesicht geschlagen hat (der Präsident unterbricht ihn durch einen Ordnungsruf, und gestirt sich dabei wie eine Gouvernante, die ihrem Zögling mit der Ruthe droht; der „Mann der That“ sitzt blutroth vor Verlegenheit da) — das der Mehrheit der Kammer so sehr in's Gesicht geschlagen, die Mittel zu fernerer Existenz gewähren.

Ergötzlich war in derselben Sitzung eine Debatte zwischen Zitz und dem Niersteiner Napoleon, Herrn Wernher, genannt der „Reichstelegraph“. Abg. v. Rabenau II. hatte den Kriegsminister nach den Summen gefragt, welche die Vermehrung des stehenden Heeres bis zu 2 Prozent der Bevölkerung Hessen-Darmstadt kosten werde, und die Befürchtung geäußert, daß es mit dieser Maßregel auf die Selbstständigkeit der kleinern Staaten abgesehen sei. Zitz hielt eine sehr interessante Rede gegen diese volksfeindliche Maßregel des Reichsministeriums. Aber wie Zeus von seinem Wolkenthron herab, hub der Niersteiner Napoleon, genannt der „Reichstelegraph“ an, gegen Zitz von „Einheit“, „Patriotismus und der Nothwendigkeit zu donnern, daß in dem demnächstigen Kriege mit Frankreich“ die deutschen Offiziere deutsche Binden um die deutschen Hüften und deutsche Feldzeichen an den Helmen hätten. Sprach von der „kühlen“ Besonnenheit des Staatsmanns, und schloß mit der ergreifenden Phrase: „Königliche Hoheit haben in patriotischem Interesse so manche goldne Schnur von ihrem Herzogshute geopfert, Königl. Hoheit würden nie in irgend eine Maßregel willigen, wodurch das Interesse der Einheit verletzt würde.“ Also sprach Wernher von Nierstein, genannt der „Reichstelegraph“. Zitz legte in seinem und seiner Meinungsgenossen Namen die Verwahrung zu Protokoll nieder:

„Sie würden nie ihre Zustimmung dazu geben, daß die Regierung Ausgaben, welche durch eine Verfügung des Reichsministeriums herbeigeführt worden wären, ohne Einwilligung der Stände vornähme. Er erklärte gegen Wernher, er sei Partikularist sobald er durch die Einheit die Interessen der Freiheit gefährdet sehe.“

34 Darmstadt, 16. Dez.

Unter der Erbschaft, welche das neue Reichsministerium vom Herrn v. Schmerling übernimmt, befindet sich auch eine Untersuchung, welche hier „auf Befehl des Reichsministeriums“ wegen einer Versammlung im Lokale des Volkslesevereins am 18. September, dem Tage der Frankfurter Barrikaden, geführt wird. Von diesem Lokale aus bewegte sich ein Zug, Heckerlieder singend, durch die Stadt, und dem Minister Jaup wurden am selben Abend die Fenster eingeworfen. Grund genug für die Centralpolizeigewalt, um auf eine weitere Verzweigung der „Frankfurter Verschwörung“ los zu inquiriren. Da man den Leuten, auf die man's abgesehen hatte, nicht beikommen konnte, hat man sich begnügt, einige untergeordnete „Verschwörer“ einzustecken.

Altenburg, 16. Dez.

In diesen Tagen haben wir wieder einmal einen sichern Maßstab für die hiesige Stimmung, bei der Wahl eines Kommandanten für unsere neu zu organisirende Bürgergarde, erhalten. Von der demokratischen Partei war Advokat Dölitzsch, von der Gegenpartei Hr. Hermann, Hauptmann der altenburgischen Jägerkompagnie, als Kandidat aufgestellt. Die demokratische Partei siegte mit großer Majorität, wenn wir nicht irren, mit 522 gegen 244 Stimmen.

* Hamburg, 16. Dezbr.

Die hiesige sogenannte konstituirende Versammlung hat sich endlich in ihrer gestrigen Sitzung nach viel unnützem Geschwätz für die „Vereinbarung“ entschieden. Berlin und Bernburg haben gezeigt, wohin man damit gelangt; Hamburg will es gleichwohl ebenfalls probiren.

100 Glückstadt (in Holstein), 15. Dez.

Wie in Preußen und dem übrigen Deutschland, so wird auch in Schleswig-Holstein die Knechtung des Volks systematisch ausgeübt, jeder freiere Aufschwung unterdrückt: die Schleswig-Holsteiner sind vom Regen in die Traufe gekommen. Die Partei des Herzogs von Augustenburg, wozu vorzüglich die Bourgeoisie und die Aristokratie mit Beseler an der Spitze gehört, haben das schleswig-holsteinische Volk endlich in den sichern Hafen gebracht, wo es aus seinem Freiheitstraume, unter der Säbelherrschaft Bonins (der Wrangel der Herzogthümer), dem Polizeistock Schmerling's und den Fittichen eines Brutus-Bassermann, erwachen kann. Die Bourgeoisie zeigt aber auch hier in ihren Handlungen, daß sie mit der in andern Staaten in gleichem Range steht, doch davon nachher.

Ihren Lesern haben Sie die Adresse des 7. schleswig-holsteinischen Bataillons mitgetheilt; auch das, wenn ich nicht irre, daß der Verfasser ein gewisser Luttermersk aus Altona ist. Gestern Abend nun, mit dem Bahnzuge von Rendsburg kam um 7 Uhr dieser Luttermersk hier an, unter einer Bedeckung von 40 Badensern vom 4. badischen Regiment. Wie es sich von einem Manne erwarten ließ, der seine Feder zur Hand genommen, um den preußischen Soldaten zuzurufen, keinen Verrath ferner am Volke zu üben, so schritt Luttermerck in der Mitte seiner Schergen einher.

Um kein Aufsehen zu erregen führt man ihn nicht mitten durch die Stadt, nach dem Zuchthause; denn hier müssen die Opfer der Reaction ihre über sie verhängte Strafe erleiden. Wie sich dann die Kerkerthore öffneten, in ihren Angeln krächsten, und auf vier Jahre sich hinter ihm schlossen, — da unwillkührlich stieß ich die Drohung hervor, es am Tage der Vergeltung, der hoffentlich nicht mehr fern ist, den rothen Monarchisten zu gedenken und keine Schonung zu üben, und es trieb die Wuth mir Thränen in die Augen.

Wenn es übrigens hier bei uns so fort geht und immerfort Militär nach dem Zuchthause geschickt wird, muß noch ein besonderes für dasselbe gebaut oder eingerichtet werden.

Was Bonin anbelangt, so ist dem schon vor 8-10 Wochen, wenn auch nicht direkt, so doch indirekt, durch eine Mißtrauensadresse, der Wunsch seiner Entfernung zu erkennen gegeben; und auch jetzt geschieht es von vielen Seiten. Hier aber zeigt sich die Bourgeoisie wie schon oben bemerkt in ihrem Lichte. In Rendsburg ist vom altstädter Bürgerverein eine Deputation mit einer Vertrauensadresse abgeschickt um den General Bonin zu bitten, sein Ohr nicht dem Gerede einiger Uebelwollenden zu öffnen, und für die Stimmung des ganzen Landes zu halten. Ebenfalls soll hier in der Stadt eine Adresse in gleichem Sinne zu Stande gebracht werden, und gehen zu dem Ende zwei der angesehensten Bourgeois damit von Haus zu Haus um Unterschriften zu sammeln. An vielen Stellen müssen die Herren vom Geldsacke aber mit der Antwort abziehen: „Es ist mir schon recht wenn Bonin geht oder „Wir brauchen uns nicht von Bonin knuten zu lassen, laß ihn nur gehen woher er gekommen ist“ und spottweise wird dann noch hinzu gefügt „zu seinem guten König.“

Man ist soweit bei dem hier in Kantonnement liegenden 4. Battaillon gegangen, daß man erst zu den Soldaten sagte: „Wer Bonin nicht mehr behalten will, der trete vor.“ Es trat aber selbstverständlich keiner vor, denn ein oder zwei Jahre Zuchthaus hätten den sicher getroffen. Jetzt aber fordert man die Soldaten auf die Adresse zu unterschreiben.

Italien.
* Turin, 12. Dezbr.

Ein von Civita-Vecchia kommendes Dampfboot brachte am 16. Dez. die Nachricht nach Genua, daß der Pabst die an ihn von Rom abgesandte Deputation zu empfangen verweigert und daß man in Folge dieser Weigerung an Bildung einer provisorischen Regierung dachte.

Die Wahl Pellegrinis von Genua, der sich noch im Gefängnisse befindet, wurde am 11. durch die Turiner Deputirten-Kammer bestätigt und trotz der Opposition des Ministeriums verordnete die Kammer unmittelbare Freilassung. Eine Estafette wurde sofort nach Genua expedirt. Die ministerielle Krise dauert fort, aber nach der Sitzung vom 11. sind die jetzigen Minister, wie die „Concordia“ sagt, unmöglich geworden.

Zu Genua haben neue Demonstrationen stattgefunden. Am 10. Dez. war Jahrestag der Vertreibung der Oestreicher aus Genua im Jahre 1748. Die ganze Bevölkerung nahm Theil an dem Feste. Das Volk trug vier Fahnen. Auf der ersten las man: Gott und das Volk; auf der zweiten: es lebe die italienische Constituante; die dritte enthielt die Namen der Heroen von 1746 und auf der vierten las man: Gott behüte uns 1849 vor einem neuen Verrath. 1400 Fr. wurden für Venedig gesammelt. Die Carabiniers verfuhren äußerst gewaltsam bei den von ihnen gemachten Verhaftungen. Als man die Sturmglocken läuten hörte, ließ die Obrigkeit in allen Straßen Generalmarsch schlagen und alle Nationalgarden bewaffneten sich schleunigst. Gegen Abend war die Aufregung am lebhaftesten. Es bildeten sich Zusammenschaarungen im Stadthause, schreiend: Wir wollen die italienische Constituante! Da die Munizipalität nicht im Sinne des Volks auf diese Manifestation einging, wurden die Massen stürmischer. Nach dem Corriere mercantile waren die Rufe des Volkes am Abende des 11.: Tod für Oestreich! Tod den östreichischen Spitzbuben! Hülfe den unterdrückten lombardischen Brüdern! Wir wollen ein demokratisches Ministerium! Nieder mit den retrograden Ministern! Es lebe die italienische Constitution!

* Turin, 12. Dezember.

Fortdauer der Ministerkrisis. Es soll jetzt, wie es heißt, ein Courier an den Marquis Massimo Azeglio abgegangen sein, um ihn mit Bildung des neuen Kabinets zu beauftragen. In der gestrigen Kammersitzung interpellirte Reta wegen des Kongresses in Brüssel. Pinelli erwidert: daß Oesterreich

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          <p>Die &#x201E;wächserne Nase des Rechts.&#x201C; Meyer, ist für den Commissionsvorschlag, die Gründe &#x2014; fehlen. Wehrmann versichert uns, die Stadt Magdeburg habe noch immer ihre alte Liebe zum angestammten Herrscherhaus; vertheidigt den Eid für den König, denn der König verletzt die Verfassung nie, sondern die Minister, der König ist unverletzlich und ähnlicher Wahnwitz in Menge.</p>
          <p>Der Congreß wurde hier radical; er verwarf jede Vereidigung der Bürgerwehr. Allein nun bekommen einzelne Redner Angst und zittern und wollen sich wo möglich verwahren gegen jede Folge dieses Beschlusses. Schrecklich! Feuer und Schwert droht, und die Herren haben doch &#x201E;Frauen und Kinder.&#x201C;</p>
          <p>§. 5. &#x201E;Jede Beschränkung der Wahl der Führer muß aufgehoben werden&#x201C; wird zuerst ohne Debatte angenommen, dann doch darüber debattirt und in der Fassung angenommen: &#x201E;Die Ernennung aller Führer erfolgt durch die Wahl!&#x201C;</p>
          <p>Consequenz ist Mannestugend, dieß auch der Grundsatz vieler Deputirten; In seltner Consequenz wünschen die Herren ihren Katzenjammer wegen des Beschlusses über Nicht-Vereidigung der Bürgerwehr loszuwerden. Sie bringen daher Anträge: auf Gelöbnisse der Treue gegen die Verfassung, werden aber mit 31. gegen 25. Stimmen abgewiesen. Um den ruhigen Schlaf der Gelöbnißbedürftigen ist's geschehen.</p>
          <p>Unabhängig von den Vorlagen beantragt Simon aus Berlin: die Wahl der Führer mag alle Jahre erneuert werden und hierzu amendirt Walesrode: &#x201E;Der Oberst möge auf drei Jahre sein Amt bekleiden.&#x201C; Bravissimo, unten im Volke mag Veränderung eintreten, die Hauptleute brauchen nur ein Jahr ihre Ehrenstellung einzunehmen; aber in den höchsten Kreisen muß es eine 3jährige Stabilität geben.</p>
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          <head><bibl><author>33</author></bibl> Olmütz, 14. Dez.</head>
          <p>Schimpf und Schande über die Kanaille, welche in Frankreich das Ruder führt! Allen Versicherungen unterrichteter Personen, ja den lauten Aussagen unserer ministeriellen Blutblätter nach, hat diese Kanaille mit unserem Seresanerstaate wirklich Brüderschaft gemacht &#x2014; zur Unterdrückung Italiens, Ungarns und Deutschlands. &#x2014; Daraufhin hat Radetzki von hier aus den Auftrag erhalten, 30,000 Kroaten von der Armee nach Ungarn, das von einer überwiegenden Heeresmacht erwürgt wird, zu entsenden. Der moralische Eindruck, den das Bündniß Frankreichs mit dem ägyptischen Mumiendespotismus auf Italien machen muß, wird, so hofft man, alle seine Anstrengungen paralysiren; Oestreich und Neapel werden nöthigenfalls mit den Waffen dazu operiren. Früher hat Europa sich über die Greuel entsetzt und gegen sie gehandelt, welche sich die Türken erlaubten; die Greuel aber, die hier geschehen sind, noch geschehen, die bestialischer sind, als alle je dagewesenen, sieht es mit Gleichgültigkeit an, und die Republik Frankreichs, die Hoffnung der Völker, verbündet sich mit ihnen!</p>
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          <head><bibl><author>121</author></bibl> Wien, 14. Dez.</head>
          <p>Das Ministerium läßt sich über sein Programm in die hiesigen Blätter von allen Seiten Hosiannah's schreiben, die es natürlich selber fabrizirt und theuer bezahlt. Das Programm des Ministeriums ist indessen nichts weiter als ein in Pulver und Blei metamorphosirter Kranz; ein Rosenkranz, an dem es nach Art der kalabresischen Banditen als ave Maria die Schlagworte, <hi rendition="#g">Gesammtmonarchie, Gleichberechtigung der Nationalitäten, Anarchie u. s. w.</hi> herableiert. Ich will Ihnen sagen, was das bedeutet. Unter Gesammtmonarchie versteht das Ministerium den Gesammtraub der Habsburger, der nur durch Verleugnung und Abstreifung aller Nationalität, außer der habsburgisch-dynastischen zu erhalten ist. Gleichberechtigung aller Nationalitäten heißt danach soviel wie: &#x201E;Ihr bekommt alle nichts; eure Dummheit muß uns alles verschaffen!&#x201C; Wer etwas wider diese östreichischen Axiome einzuwenden hat, treibt Anarchie, [i]hm wird mit dem Strang geholfen. Ich sage das nur zum Vortheil auswärtiger Gelehrter und Zeitungsschreiber, die sich über östreichische Wirren &#x2014; (herrliches deutsches Wort!) &#x2014; die Köpfe zerbrechen. Mit der Devise &#x201E;Gleichberechtigung aller Nationalitäten&#x201C; werden beliebige Barbarenhorden des Landes zu Nationen heranfanatisirt, sie erhalten beliebige Hundenamen, und werden dann wie Bestien wider einandergehetzt zur Erhaltung der Gesammtmonarchie und Vernichtung der Anarchie. Das ist das Geheimniß der östreichischen Wirren, die für's Ausland so räthselhaft erscheinen. Durch den östreichischen Gesandten in London hat das Ministerium unter Bunsens Verwendung sogar in den Morning Chronicle einen sein Programm lobenden Aufsatz einzuschmuggeln gewußt, den uns die Wienerin in der deutschen Urschrift gestern in extenso mitgetheilt hat, worauf sie im Abendblatte mit dem langen Salbader östreichischer Polizeiberedsamkeit ein ähnliches Lob aus der <hi rendition="#g">Kölnischen Zeitung</hi> singt, indem sie ausruft: &#x201E;Es thut dem aufmerksamen Beobachter wohl, endlich einmal in der deutschen Presse die Stimme der Vernunft u. s. w. über Oestreich zu vernehmen. Oestreich beginnt, so sagt das erste Organ der deutschen Journalistik am Rheine, nach langer ängstlicher Spannung freier zu athmen und wieder einmal an eine hoffnungsreiche Zukunft zu glauben. Die neuen Formen, nach welchen es ringt, haben neue Träger gefunden, und das Bewußtsein bricht sich Bahn, daß damit die Revolution geschlossen ist.&#x201C; &#x2014; Wo die Gegenwart Belagerungszustand, Standrecht, Pulver und Blei, Strang, kroatische Banditen, Kanibalismus u. s. w. heißt, kann für die &#x201E;Kölnische Zeitung allerdings eine hoffnungsreiche Zukunft als Frucht aufblühen.</p>
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        <div xml:id="ar173_009" type="jArticle">
          <head><bibl><author>102</author></bibl> Wien, 14. Dez.</head>
          <p>Gestern sagte man, Preßburg sei nach dreistündigem Bombardement von den kaiserl. Truppen genommen worden. Da aus Galizien viele Freikorps nach Ungarn ziehen, so hat die dortige Verwaltung den Landsturm organisirt und verwendet ihn zu einen Kordon längs der ungarischen Grenze. 80,000 Russen, von denen viele ins östreichische Heer aufgenommen werden, stehen im Hintergrunde. Ungarn, von jeder Hülfe entblößt, wird von der Uebermacht erwürgt werden. Windischgrätz soll Kossuth, wider welchen unsere Tagespresse unaufhörlich giftgeschwollene Aufsätze schleudert, die entsetzlichsten Martern zugeschworen haben. &#x2014; Ein Anschlag verkündet, daß man ja nicht annehmen solle, die Einziehung und Bestrafung der an den Vorfällen des Oktober Betheiligten sei eingestellt. Zur Beseitigung einer solchen hier allerdings irrthümlichen Ansicht hat die Militärkommission, die übrigens ununterbrochen zum Strang verurtheilt, denn gestern sofort auch einen übergetretenen Bombardier erschießen lassen. Die Motivirung der Urtheile besteht jetzt nur mehr in der Angabe des &#x201E;eigenen Geständnisses und des Zusammentreffens von Umständen.&#x201C;</p>
          <p>Unter standrechtlichen Drohungen hat man nun auch die Wahlmänner der Frankfurter Abgeordneten zu zwingen angefangen, ihnen vorgelegte Mißtrauensvota zu unterzeichnen, die dann mit begleitendem Hallo in der Wienerin prangen. &#x201E;Was ist des Deutschen Vaterland?&#x201C; darf seit dem 31. Okt. von keiner Straßenorgel mehr gespielt werden, und wo die Spione es von einem Klavier hören, wo sie die deutschen Farben sehen, wird augenblicklich Untersuchung und Verhaftung gehalten.</p>
          <p>Um Ihnen ein neues Pröbchen von der Verworfenheit unserer bessern Presse zu geben, will ich schließlich eine Stelle aus einem in der &#x201E;Presse&#x201C; enthaltenen &#x201E;Serbische Zustände&#x201C; genannten Aufsatze mittheilen. Es heißt daselbst: &#x201E;Noch vor einem Jahre war der Name Serbe ein so unbekannter Laut, daß selbst genauere Kenner östreichischer Statistik die Serben als einen der vielen in das Ungarland eingesprengten Stämme ohne höhere Bedeutung betrachteten.&#x201C; Ein schönes Geständniß, wie die Kamarilla die Nationalitäten hervorzuzaubern versteht, um sie wider einander zu gebrauchen! &#x201E;Das nationale Bewußtsein des Serben erwachte,&#x201C; wird fortgefahren, &#x201E;die Erinnerung an Leiden (!) und Unterdrückung (!) entflammte ihn und er griff zu den Waffen. Das erste Auftreten dieser neu erwachten Nation war nicht eben sehr manirlich. Es kann nicht in Abrede gestellt werden, daß die Serben in ihrem Kriege manchen jener Gebräuche (!) verletzten, welche civilisirte Nationen als stehende Normen (!), als Etikette-Sache (!) bei dem Geschäfte (!) vielseitigen Mordens und Brennens unter sich eingeführt haben. (!!!) Das Spießen und Todtschlagen scheint in jener Gegend zur Landessitte zu gehören. (!!!!) Das Land grenzt an die Türkei, möglich daher, daß diese patriarchalische (!!!!) Landessitte auf historischen Erinnerungen beruht.&#x201C; (!!) In den andern östreichischen Blättern gibt es noch Entsetzlicheres zu lesen. &#x2014; Die russische Flotte ist 20 Segel stark vor Triest erschienen, und wird mit der östreichischen gemeinsam Venedig nehmen. Die franz. Bourgeois thun dem Absolutismus dabei den Gefallen, in Brüssel lange hin und her zu konferenzeln.</p>
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          <head>Gratz, 12. Dez.</head>
          <p>Nach gestern hier eingelangten Briefen ist die russische Flotte, bestehend aus mehr als 20 größeren und kleineren Schiffen, auf der Rhede vor Triest eingetroffen (?) und vor Anker gegangen. Wie man erwartet, wird nun die österreichische Flottille aus Pola auslaufen, und gegen Venedig operiren. Wenn diese Nachricht richtig, so wird wohl die offizielle Bestätigung dieser Tage erfolgen, und dann Venedig in Kürze wieder in unseren Händen sein.</p>
          <bibl>(Gr. Z.)</bibl>
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          <head>München, 14. Dez.</head>
          <p>Heute mußten abermals drei Kompagnien vom Infanterie-Leibregiment in's Gebirg abmarschiren, man sagt in die Gegend von Tölz, wo wiederholt bedeutende Jagdfrevel und dergleichen begangen worden seien. Es ist dies im Lauf des Jahres schon das dritte Mal, daß Truppen nach jener Gegend beordert werden.</p>
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          <head><bibl><author>X</author></bibl> Nürnberg, 15. Dez.</head>
          <p>Was wird das für eine Kammer werden, welche in den letzten Tagen dieses Jahres in München zusammentreten soll? So fragt man sich verwundert, wenn man die Ergebnisse der baierischen Landtagswahlen durchgeht. In ganz Altbaiern, Oberbaiern, Mittelbaiern und der Pfalz mit Regensburg nichts als Pfaffen, Bauern und höchstens Regierungsräthe, die man aber als zu liberal und unchristlich in der Regel durchfallen ließ. In Schwaben nur zum Theil Demokraten, und, wie zu hoffen, einige talentvolle; in Augsburg und den meisten Orten Schwabens unbedingte Monarchisten; in Franken dagegen fast mehr Demokraten als Konstitutionelle; namentlich in Bamberg und Nürnberg haben die demokratischen Vereine gesiegt. In der Rheinpfalz endlich entschieden gute Demokraten, von denen wir namentlich erwarten, daß sie für unsere diesseitigen die Führer abgeben werden. Aber sie werden der Zahl nach immerhin schwach sein gegen die ultramontane Partei, die Hr. v. Abel unter seinem Banner sammeln wird.</p>
          <p>Es wäre zum Verzweifeln, wenn man nicht auf die Macht der Revolution seine Hoffnung setzen könnte, die ihr entscheidendes Wort vielleicht an einem andern Orte sprechen wird, bevor noch unsere Landesvertreter in München zusammenkommen. Wenn irgend ein deutsches Land bestimmt ist, von der Revolution ins Schlepptau genommen zu werden, so ist es Baiern. Von dem Grad der Verdummung bei unsern altbaierischen Bauern macht man sich auswärts keinen Begriff, und die Städter sind kaum besser. Nur in Franken ist der demokratische Geist siegreich durchgedrungen und hat Stadt und Land mächtig ergriffen. Die konstitutionellen Vereine spielen hier eine traurige Rolle, sie sind in der kläglichsten Desorganisation. Sie hatten sich beständig gerühmt, die große Mehrheit des Volks zu repräsentiren und nun konnten sie bei der letzten Wahl in Bamberg gar keinen, in Nürnberg nur einen Kandidaten durchsetzen, und diesen auf eine Weise, die nur ihre Ohnmacht beurkundet. Sie überrumpelten nämlich die bäuerlichen Wahlmänner einiger Landgerichtsbezirke, versprachen diesen für einen ihren Lokalsympathien entsprechenden Kandidaten zu stimmen, was sie natürlich nachher nicht hielten, gewannen sich aber durch diese falsche Vorspiegelung die Stimmen der politisch noch sehr unmündigen Bauern. Unser vortreffliches Wahlgesetz hat es nämlich weise also geordnet, daß die Wahlmänner eines großen Wahlkreises, die einander gar nicht kennen und die höchst verschiedenen Interessen vertreten, zusammengeworfen werden, um gemeinschaftlich 3-4 Abgeordnete zu wählen. Hier hat dann natürlich die Intrigue ein weites Feld.</p>
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          <head><bibl><author>14</author></bibl> Darmstadt, 17. Dez.</head>
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          <p>&#x201E;Sie würden nie ihre Zustimmung dazu geben, daß die Regierung Ausgaben, welche durch eine Verfügung des Reichsministeriums herbeigeführt worden wären, ohne Einwilligung der Stände vornähme. Er erklärte gegen Wernher, er sei Partikularist sobald er durch die Einheit die Interessen der Freiheit gefährdet sehe.&#x201C;</p>
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          <head><bibl><author>34</author></bibl> Darmstadt, 16. Dez.</head>
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          <head>Altenburg, 16. Dez.</head>
          <p>In diesen Tagen haben wir wieder einmal einen sichern Maßstab für die hiesige Stimmung, bei der Wahl eines Kommandanten für unsere neu zu organisirende Bürgergarde, erhalten. Von der demokratischen Partei war Advokat Dölitzsch, von der Gegenpartei Hr. Hermann, Hauptmann der altenburgischen Jägerkompagnie, als Kandidat aufgestellt. Die demokratische Partei siegte mit großer Majorität, wenn wir nicht irren, mit 522 gegen 244 Stimmen.</p>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Hamburg, 16. Dezbr.</head>
          <p>Die hiesige sogenannte konstituirende Versammlung hat sich endlich in ihrer gestrigen Sitzung nach viel unnützem Geschwätz für die &#x201E;Vereinbarung&#x201C; entschieden. Berlin und Bernburg haben gezeigt, wohin man damit gelangt; Hamburg will es gleichwohl ebenfalls probiren.</p>
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          <head><bibl><author>100</author></bibl> Glückstadt (in Holstein), 15. Dez.</head>
          <p>Wie in Preußen und dem übrigen Deutschland, so wird auch in Schleswig-Holstein die Knechtung des Volks systematisch ausgeübt, jeder freiere Aufschwung unterdrückt: die Schleswig-Holsteiner sind vom Regen in die Traufe gekommen. Die Partei des Herzogs von Augustenburg, wozu vorzüglich die Bourgeoisie und die Aristokratie mit Beseler an der Spitze gehört, haben das schleswig-holsteinische Volk endlich in den sichern Hafen gebracht, wo es aus seinem Freiheitstraume, unter der Säbelherrschaft Bonins (der Wrangel der Herzogthümer), dem Polizeistock Schmerling's und den Fittichen eines Brutus-Bassermann, erwachen kann. Die Bourgeoisie zeigt aber auch hier in ihren Handlungen, daß sie mit der in andern Staaten in gleichem Range steht, doch davon nachher.</p>
          <p>Ihren Lesern haben Sie die Adresse des 7. schleswig-holsteinischen Bataillons mitgetheilt; auch das, wenn ich nicht irre, daß der Verfasser ein gewisser Luttermersk aus Altona ist. Gestern Abend nun, mit dem Bahnzuge von Rendsburg kam um 7 Uhr dieser Luttermersk hier an, unter einer Bedeckung von 40 Badensern vom 4. badischen Regiment. Wie es sich von einem Manne erwarten ließ, der seine Feder zur Hand genommen, um den preußischen Soldaten zuzurufen, keinen Verrath ferner am Volke zu üben, so schritt Luttermerck in der Mitte seiner Schergen einher.</p>
          <p>Um kein Aufsehen zu erregen führt man ihn nicht mitten durch die Stadt, nach dem Zuchthause; denn hier müssen die Opfer der Reaction ihre über sie verhängte Strafe erleiden. Wie sich dann die Kerkerthore öffneten, in ihren Angeln krächsten, und auf <hi rendition="#g">vier</hi> Jahre sich hinter ihm schlossen, &#x2014; da unwillkührlich stieß ich die Drohung hervor, es am Tage der Vergeltung, der hoffentlich nicht mehr fern ist, den rothen Monarchisten zu gedenken und keine Schonung zu üben, und es trieb die Wuth mir Thränen in die Augen.</p>
          <p>Wenn es übrigens hier bei uns so fort geht und immerfort Militär nach dem Zuchthause geschickt wird, muß noch ein besonderes für dasselbe gebaut oder eingerichtet werden.</p>
          <p>Was Bonin anbelangt, so ist dem schon vor 8-10 Wochen, wenn auch nicht direkt, so doch indirekt, durch eine Mißtrauensadresse, der Wunsch seiner Entfernung zu erkennen gegeben; und auch jetzt geschieht es von vielen Seiten. Hier aber zeigt sich die Bourgeoisie wie schon oben bemerkt in ihrem Lichte. In Rendsburg ist vom altstädter Bürgerverein eine Deputation mit einer Vertrauensadresse abgeschickt um den General Bonin zu bitten, sein Ohr nicht dem Gerede <hi rendition="#g">einiger</hi> Uebelwollenden zu öffnen, und für die Stimmung des ganzen Landes zu halten. Ebenfalls soll hier in der Stadt eine Adresse in gleichem Sinne zu Stande gebracht werden, und gehen zu dem Ende zwei der angesehensten Bourgeois damit von Haus zu Haus um Unterschriften zu sammeln. An vielen Stellen müssen die Herren vom Geldsacke aber mit der Antwort abziehen: &#x201E;Es ist mir schon recht wenn Bonin geht oder &#x201E;Wir brauchen uns nicht von Bonin knuten zu lassen, laß ihn nur gehen woher er gekommen ist&#x201C; und spottweise wird dann noch hinzu gefügt &#x201E;zu seinem <hi rendition="#g">guten</hi> König.&#x201C;</p>
          <p>Man ist soweit bei dem hier in Kantonnement liegenden 4. Battaillon gegangen, daß man erst zu den Soldaten sagte: &#x201E;Wer Bonin nicht mehr behalten will, der trete vor.&#x201C; Es trat aber selbstverständlich keiner vor, denn ein oder zwei Jahre Zuchthaus hätten den sicher getroffen. Jetzt aber fordert man die Soldaten auf die Adresse zu unterschreiben.</p>
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        <head>Italien.</head>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Turin, 12. Dezbr.</head>
          <p>Ein von Civita-Vecchia kommendes Dampfboot brachte am 16. Dez. die Nachricht nach Genua, daß der Pabst die an ihn von Rom abgesandte Deputation zu empfangen verweigert und daß man in Folge dieser Weigerung an Bildung einer provisorischen Regierung dachte.</p>
          <p>Die Wahl <hi rendition="#g">Pellegrinis</hi> von Genua, der sich noch im Gefängnisse befindet, wurde am 11. durch die Turiner Deputirten-Kammer bestätigt und trotz der Opposition des Ministeriums verordnete die Kammer unmittelbare Freilassung. Eine Estafette wurde sofort nach Genua expedirt. Die ministerielle Krise dauert fort, aber nach der Sitzung vom 11. sind die jetzigen Minister, wie die &#x201E;Concordia&#x201C; sagt, unmöglich geworden.</p>
          <p>Zu Genua haben neue Demonstrationen stattgefunden. Am 10. Dez. war Jahrestag der Vertreibung der Oestreicher aus Genua im Jahre 1748. Die ganze Bevölkerung nahm Theil an dem Feste. Das Volk trug vier Fahnen. Auf der ersten las man: Gott und das Volk; auf der zweiten: es lebe die italienische Constituante; die dritte enthielt die Namen der Heroen von 1746 und auf der vierten las man: Gott behüte uns 1849 vor einem neuen Verrath. 1400 Fr. wurden für Venedig gesammelt. Die Carabiniers verfuhren äußerst gewaltsam bei den von ihnen gemachten Verhaftungen. Als man die Sturmglocken läuten hörte, ließ die Obrigkeit in allen Straßen Generalmarsch schlagen und alle Nationalgarden bewaffneten sich schleunigst. Gegen Abend war die Aufregung am lebhaftesten. Es bildeten sich Zusammenschaarungen im Stadthause, schreiend: Wir wollen die italienische Constituante! Da die Munizipalität nicht im Sinne des Volks auf diese Manifestation einging, wurden die Massen stürmischer. Nach dem <hi rendition="#g">Corriere mercantile</hi> waren die Rufe des Volkes am Abende des 11.: Tod für Oestreich! Tod den östreichischen Spitzbuben! Hülfe den unterdrückten lombardischen Brüdern! Wir wollen ein demokratisches Ministerium! Nieder mit den retrograden Ministern! Es lebe die italienische Constitution!</p>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Turin, 12. Dezember.</head>
          <p>Fortdauer der Ministerkrisis. Es soll jetzt, wie es heißt, ein Courier an den Marquis Massimo Azeglio abgegangen sein, um ihn mit Bildung des neuen Kabinets zu beauftragen. In der gestrigen Kammersitzung interpellirte Reta wegen des Kongresses in Brüssel. Pinelli erwidert: daß Oesterreich
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[0934/0002] Die „wächserne Nase des Rechts.“ Meyer, ist für den Commissionsvorschlag, die Gründe — fehlen. Wehrmann versichert uns, die Stadt Magdeburg habe noch immer ihre alte Liebe zum angestammten Herrscherhaus; vertheidigt den Eid für den König, denn der König verletzt die Verfassung nie, sondern die Minister, der König ist unverletzlich und ähnlicher Wahnwitz in Menge. Der Congreß wurde hier radical; er verwarf jede Vereidigung der Bürgerwehr. Allein nun bekommen einzelne Redner Angst und zittern und wollen sich wo möglich verwahren gegen jede Folge dieses Beschlusses. Schrecklich! Feuer und Schwert droht, und die Herren haben doch „Frauen und Kinder.“ §. 5. „Jede Beschränkung der Wahl der Führer muß aufgehoben werden“ wird zuerst ohne Debatte angenommen, dann doch darüber debattirt und in der Fassung angenommen: „Die Ernennung aller Führer erfolgt durch die Wahl!“ Consequenz ist Mannestugend, dieß auch der Grundsatz vieler Deputirten; In seltner Consequenz wünschen die Herren ihren Katzenjammer wegen des Beschlusses über Nicht-Vereidigung der Bürgerwehr loszuwerden. Sie bringen daher Anträge: auf Gelöbnisse der Treue gegen die Verfassung, werden aber mit 31. gegen 25. Stimmen abgewiesen. Um den ruhigen Schlaf der Gelöbnißbedürftigen ist's geschehen. Unabhängig von den Vorlagen beantragt Simon aus Berlin: die Wahl der Führer mag alle Jahre erneuert werden und hierzu amendirt Walesrode: „Der Oberst möge auf drei Jahre sein Amt bekleiden.“ Bravissimo, unten im Volke mag Veränderung eintreten, die Hauptleute brauchen nur ein Jahr ihre Ehrenstellung einzunehmen; aber in den höchsten Kreisen muß es eine 3jährige Stabilität geben. 33 Olmütz, 14. Dez. Schimpf und Schande über die Kanaille, welche in Frankreich das Ruder führt! Allen Versicherungen unterrichteter Personen, ja den lauten Aussagen unserer ministeriellen Blutblätter nach, hat diese Kanaille mit unserem Seresanerstaate wirklich Brüderschaft gemacht — zur Unterdrückung Italiens, Ungarns und Deutschlands. — Daraufhin hat Radetzki von hier aus den Auftrag erhalten, 30,000 Kroaten von der Armee nach Ungarn, das von einer überwiegenden Heeresmacht erwürgt wird, zu entsenden. Der moralische Eindruck, den das Bündniß Frankreichs mit dem ägyptischen Mumiendespotismus auf Italien machen muß, wird, so hofft man, alle seine Anstrengungen paralysiren; Oestreich und Neapel werden nöthigenfalls mit den Waffen dazu operiren. Früher hat Europa sich über die Greuel entsetzt und gegen sie gehandelt, welche sich die Türken erlaubten; die Greuel aber, die hier geschehen sind, noch geschehen, die bestialischer sind, als alle je dagewesenen, sieht es mit Gleichgültigkeit an, und die Republik Frankreichs, die Hoffnung der Völker, verbündet sich mit ihnen! 121 Wien, 14. Dez. Das Ministerium läßt sich über sein Programm in die hiesigen Blätter von allen Seiten Hosiannah's schreiben, die es natürlich selber fabrizirt und theuer bezahlt. Das Programm des Ministeriums ist indessen nichts weiter als ein in Pulver und Blei metamorphosirter Kranz; ein Rosenkranz, an dem es nach Art der kalabresischen Banditen als ave Maria die Schlagworte, Gesammtmonarchie, Gleichberechtigung der Nationalitäten, Anarchie u. s. w. herableiert. Ich will Ihnen sagen, was das bedeutet. Unter Gesammtmonarchie versteht das Ministerium den Gesammtraub der Habsburger, der nur durch Verleugnung und Abstreifung aller Nationalität, außer der habsburgisch-dynastischen zu erhalten ist. Gleichberechtigung aller Nationalitäten heißt danach soviel wie: „Ihr bekommt alle nichts; eure Dummheit muß uns alles verschaffen!“ Wer etwas wider diese östreichischen Axiome einzuwenden hat, treibt Anarchie, [i]hm wird mit dem Strang geholfen. Ich sage das nur zum Vortheil auswärtiger Gelehrter und Zeitungsschreiber, die sich über östreichische Wirren — (herrliches deutsches Wort!) — die Köpfe zerbrechen. Mit der Devise „Gleichberechtigung aller Nationalitäten“ werden beliebige Barbarenhorden des Landes zu Nationen heranfanatisirt, sie erhalten beliebige Hundenamen, und werden dann wie Bestien wider einandergehetzt zur Erhaltung der Gesammtmonarchie und Vernichtung der Anarchie. Das ist das Geheimniß der östreichischen Wirren, die für's Ausland so räthselhaft erscheinen. Durch den östreichischen Gesandten in London hat das Ministerium unter Bunsens Verwendung sogar in den Morning Chronicle einen sein Programm lobenden Aufsatz einzuschmuggeln gewußt, den uns die Wienerin in der deutschen Urschrift gestern in extenso mitgetheilt hat, worauf sie im Abendblatte mit dem langen Salbader östreichischer Polizeiberedsamkeit ein ähnliches Lob aus der Kölnischen Zeitung singt, indem sie ausruft: „Es thut dem aufmerksamen Beobachter wohl, endlich einmal in der deutschen Presse die Stimme der Vernunft u. s. w. über Oestreich zu vernehmen. Oestreich beginnt, so sagt das erste Organ der deutschen Journalistik am Rheine, nach langer ängstlicher Spannung freier zu athmen und wieder einmal an eine hoffnungsreiche Zukunft zu glauben. Die neuen Formen, nach welchen es ringt, haben neue Träger gefunden, und das Bewußtsein bricht sich Bahn, daß damit die Revolution geschlossen ist.“ — Wo die Gegenwart Belagerungszustand, Standrecht, Pulver und Blei, Strang, kroatische Banditen, Kanibalismus u. s. w. heißt, kann für die „Kölnische Zeitung allerdings eine hoffnungsreiche Zukunft als Frucht aufblühen. 102 Wien, 14. Dez. Gestern sagte man, Preßburg sei nach dreistündigem Bombardement von den kaiserl. Truppen genommen worden. Da aus Galizien viele Freikorps nach Ungarn ziehen, so hat die dortige Verwaltung den Landsturm organisirt und verwendet ihn zu einen Kordon längs der ungarischen Grenze. 80,000 Russen, von denen viele ins östreichische Heer aufgenommen werden, stehen im Hintergrunde. Ungarn, von jeder Hülfe entblößt, wird von der Uebermacht erwürgt werden. Windischgrätz soll Kossuth, wider welchen unsere Tagespresse unaufhörlich giftgeschwollene Aufsätze schleudert, die entsetzlichsten Martern zugeschworen haben. — Ein Anschlag verkündet, daß man ja nicht annehmen solle, die Einziehung und Bestrafung der an den Vorfällen des Oktober Betheiligten sei eingestellt. Zur Beseitigung einer solchen hier allerdings irrthümlichen Ansicht hat die Militärkommission, die übrigens ununterbrochen zum Strang verurtheilt, denn gestern sofort auch einen übergetretenen Bombardier erschießen lassen. Die Motivirung der Urtheile besteht jetzt nur mehr in der Angabe des „eigenen Geständnisses und des Zusammentreffens von Umständen.“ Unter standrechtlichen Drohungen hat man nun auch die Wahlmänner der Frankfurter Abgeordneten zu zwingen angefangen, ihnen vorgelegte Mißtrauensvota zu unterzeichnen, die dann mit begleitendem Hallo in der Wienerin prangen. „Was ist des Deutschen Vaterland?“ darf seit dem 31. Okt. von keiner Straßenorgel mehr gespielt werden, und wo die Spione es von einem Klavier hören, wo sie die deutschen Farben sehen, wird augenblicklich Untersuchung und Verhaftung gehalten. Um Ihnen ein neues Pröbchen von der Verworfenheit unserer bessern Presse zu geben, will ich schließlich eine Stelle aus einem in der „Presse“ enthaltenen „Serbische Zustände“ genannten Aufsatze mittheilen. Es heißt daselbst: „Noch vor einem Jahre war der Name Serbe ein so unbekannter Laut, daß selbst genauere Kenner östreichischer Statistik die Serben als einen der vielen in das Ungarland eingesprengten Stämme ohne höhere Bedeutung betrachteten.“ Ein schönes Geständniß, wie die Kamarilla die Nationalitäten hervorzuzaubern versteht, um sie wider einander zu gebrauchen! „Das nationale Bewußtsein des Serben erwachte,“ wird fortgefahren, „die Erinnerung an Leiden (!) und Unterdrückung (!) entflammte ihn und er griff zu den Waffen. Das erste Auftreten dieser neu erwachten Nation war nicht eben sehr manirlich. Es kann nicht in Abrede gestellt werden, daß die Serben in ihrem Kriege manchen jener Gebräuche (!) verletzten, welche civilisirte Nationen als stehende Normen (!), als Etikette-Sache (!) bei dem Geschäfte (!) vielseitigen Mordens und Brennens unter sich eingeführt haben. (!!!) Das Spießen und Todtschlagen scheint in jener Gegend zur Landessitte zu gehören. (!!!!) Das Land grenzt an die Türkei, möglich daher, daß diese patriarchalische (!!!!) Landessitte auf historischen Erinnerungen beruht.“ (!!) In den andern östreichischen Blättern gibt es noch Entsetzlicheres zu lesen. — Die russische Flotte ist 20 Segel stark vor Triest erschienen, und wird mit der östreichischen gemeinsam Venedig nehmen. Die franz. Bourgeois thun dem Absolutismus dabei den Gefallen, in Brüssel lange hin und her zu konferenzeln. Gratz, 12. Dez. Nach gestern hier eingelangten Briefen ist die russische Flotte, bestehend aus mehr als 20 größeren und kleineren Schiffen, auf der Rhede vor Triest eingetroffen (?) und vor Anker gegangen. Wie man erwartet, wird nun die österreichische Flottille aus Pola auslaufen, und gegen Venedig operiren. Wenn diese Nachricht richtig, so wird wohl die offizielle Bestätigung dieser Tage erfolgen, und dann Venedig in Kürze wieder in unseren Händen sein. (Gr. Z.) München, 14. Dez. Heute mußten abermals drei Kompagnien vom Infanterie-Leibregiment in's Gebirg abmarschiren, man sagt in die Gegend von Tölz, wo wiederholt bedeutende Jagdfrevel und dergleichen begangen worden seien. Es ist dies im Lauf des Jahres schon das dritte Mal, daß Truppen nach jener Gegend beordert werden. X Nürnberg, 15. Dez. Was wird das für eine Kammer werden, welche in den letzten Tagen dieses Jahres in München zusammentreten soll? So fragt man sich verwundert, wenn man die Ergebnisse der baierischen Landtagswahlen durchgeht. In ganz Altbaiern, Oberbaiern, Mittelbaiern und der Pfalz mit Regensburg nichts als Pfaffen, Bauern und höchstens Regierungsräthe, die man aber als zu liberal und unchristlich in der Regel durchfallen ließ. In Schwaben nur zum Theil Demokraten, und, wie zu hoffen, einige talentvolle; in Augsburg und den meisten Orten Schwabens unbedingte Monarchisten; in Franken dagegen fast mehr Demokraten als Konstitutionelle; namentlich in Bamberg und Nürnberg haben die demokratischen Vereine gesiegt. In der Rheinpfalz endlich entschieden gute Demokraten, von denen wir namentlich erwarten, daß sie für unsere diesseitigen die Führer abgeben werden. Aber sie werden der Zahl nach immerhin schwach sein gegen die ultramontane Partei, die Hr. v. Abel unter seinem Banner sammeln wird. Es wäre zum Verzweifeln, wenn man nicht auf die Macht der Revolution seine Hoffnung setzen könnte, die ihr entscheidendes Wort vielleicht an einem andern Orte sprechen wird, bevor noch unsere Landesvertreter in München zusammenkommen. Wenn irgend ein deutsches Land bestimmt ist, von der Revolution ins Schlepptau genommen zu werden, so ist es Baiern. Von dem Grad der Verdummung bei unsern altbaierischen Bauern macht man sich auswärts keinen Begriff, und die Städter sind kaum besser. Nur in Franken ist der demokratische Geist siegreich durchgedrungen und hat Stadt und Land mächtig ergriffen. Die konstitutionellen Vereine spielen hier eine traurige Rolle, sie sind in der kläglichsten Desorganisation. Sie hatten sich beständig gerühmt, die große Mehrheit des Volks zu repräsentiren und nun konnten sie bei der letzten Wahl in Bamberg gar keinen, in Nürnberg nur einen Kandidaten durchsetzen, und diesen auf eine Weise, die nur ihre Ohnmacht beurkundet. Sie überrumpelten nämlich die bäuerlichen Wahlmänner einiger Landgerichtsbezirke, versprachen diesen für einen ihren Lokalsympathien entsprechenden Kandidaten zu stimmen, was sie natürlich nachher nicht hielten, gewannen sich aber durch diese falsche Vorspiegelung die Stimmen der politisch noch sehr unmündigen Bauern. Unser vortreffliches Wahlgesetz hat es nämlich weise also geordnet, daß die Wahlmänner eines großen Wahlkreises, die einander gar nicht kennen und die höchst verschiedenen Interessen vertreten, zusammengeworfen werden, um gemeinschaftlich 3-4 Abgeordnete zu wählen. Hier hat dann natürlich die Intrigue ein weites Feld. 14 Darmstadt, 17. Dez. Gestern beriethen unsere Volksvertreter in dem privilegirten zweiten „Schlafkämmerchen“, wie der „Mann der That“, zu sagen beliebte, die abermalige Verlängerung der Finanzperiode auf 6 Monate. Es war dies eine Lebensfrage für das Ministerium Jaup, denn nur durch die unkonstitutionelle und ungebührlich lange Kammervertagung wurde die Nothwendigkeit einer nochmaligen Prorogation des Büdgets hervorgerufen. Hr. Jaup hatte noch zudem den Ständen versprochen, ihnen bei ihrer Wiedereinberufung nur das Wahlgesetz zur Berathung vorzulegen. Trotz alledem und alledem wurde jedoch gestern die Prorogation mit 32 gegen 13 Stimmen angenommen, und das Ministerium der „That“ bleibt uns somit unverloren. Bürger Zitz erklärte feierlichst, er werde nie in irgend eine Verlängerung der Finanzperiode willigen, so lange der Herr Minister nicht die Gründe der Vertagung, durch die er die Majorität der Kammer verhöhnt habe, angeben werde. Abg. Behlen erklärte zum betäubenden Schrecken der Jaherren: „Ich werde nie einem Ministerium, das der Mehrheit der Kammer und des Volks so sehr in's Gesicht geschlagen hat (der Präsident unterbricht ihn durch einen Ordnungsruf, und gestirt sich dabei wie eine Gouvernante, die ihrem Zögling mit der Ruthe droht; der „Mann der That“ sitzt blutroth vor Verlegenheit da) — das der Mehrheit der Kammer so sehr in's Gesicht geschlagen, die Mittel zu fernerer Existenz gewähren. Ergötzlich war in derselben Sitzung eine Debatte zwischen Zitz und dem Niersteiner Napoleon, Herrn Wernher, genannt der „Reichstelegraph“. Abg. v. Rabenau II. hatte den Kriegsminister nach den Summen gefragt, welche die Vermehrung des stehenden Heeres bis zu 2 Prozent der Bevölkerung Hessen-Darmstadt kosten werde, und die Befürchtung geäußert, daß es mit dieser Maßregel auf die Selbstständigkeit der kleinern Staaten abgesehen sei. Zitz hielt eine sehr interessante Rede gegen diese volksfeindliche Maßregel des Reichsministeriums. Aber wie Zeus von seinem Wolkenthron herab, hub der Niersteiner Napoleon, genannt der „Reichstelegraph“ an, gegen Zitz von „Einheit“, „Patriotismus und der Nothwendigkeit zu donnern, daß in dem demnächstigen Kriege mit Frankreich“ die deutschen Offiziere deutsche Binden um die deutschen Hüften und deutsche Feldzeichen an den Helmen hätten. Sprach von der „kühlen“ Besonnenheit des Staatsmanns, und schloß mit der ergreifenden Phrase: „Königliche Hoheit haben in patriotischem Interesse so manche goldne Schnur von ihrem Herzogshute geopfert, Königl. Hoheit würden nie in irgend eine Maßregel willigen, wodurch das Interesse der Einheit verletzt würde.“ Also sprach Wernher von Nierstein, genannt der „Reichstelegraph“. Zitz legte in seinem und seiner Meinungsgenossen Namen die Verwahrung zu Protokoll nieder: „Sie würden nie ihre Zustimmung dazu geben, daß die Regierung Ausgaben, welche durch eine Verfügung des Reichsministeriums herbeigeführt worden wären, ohne Einwilligung der Stände vornähme. Er erklärte gegen Wernher, er sei Partikularist sobald er durch die Einheit die Interessen der Freiheit gefährdet sehe.“ 34 Darmstadt, 16. Dez. Unter der Erbschaft, welche das neue Reichsministerium vom Herrn v. Schmerling übernimmt, befindet sich auch eine Untersuchung, welche hier „auf Befehl des Reichsministeriums“ wegen einer Versammlung im Lokale des Volkslesevereins am 18. September, dem Tage der Frankfurter Barrikaden, geführt wird. Von diesem Lokale aus bewegte sich ein Zug, Heckerlieder singend, durch die Stadt, und dem Minister Jaup wurden am selben Abend die Fenster eingeworfen. Grund genug für die Centralpolizeigewalt, um auf eine weitere Verzweigung der „Frankfurter Verschwörung“ los zu inquiriren. Da man den Leuten, auf die man's abgesehen hatte, nicht beikommen konnte, hat man sich begnügt, einige untergeordnete „Verschwörer“ einzustecken. Altenburg, 16. Dez. In diesen Tagen haben wir wieder einmal einen sichern Maßstab für die hiesige Stimmung, bei der Wahl eines Kommandanten für unsere neu zu organisirende Bürgergarde, erhalten. Von der demokratischen Partei war Advokat Dölitzsch, von der Gegenpartei Hr. Hermann, Hauptmann der altenburgischen Jägerkompagnie, als Kandidat aufgestellt. Die demokratische Partei siegte mit großer Majorität, wenn wir nicht irren, mit 522 gegen 244 Stimmen. * Hamburg, 16. Dezbr. Die hiesige sogenannte konstituirende Versammlung hat sich endlich in ihrer gestrigen Sitzung nach viel unnützem Geschwätz für die „Vereinbarung“ entschieden. Berlin und Bernburg haben gezeigt, wohin man damit gelangt; Hamburg will es gleichwohl ebenfalls probiren. 100 Glückstadt (in Holstein), 15. Dez. Wie in Preußen und dem übrigen Deutschland, so wird auch in Schleswig-Holstein die Knechtung des Volks systematisch ausgeübt, jeder freiere Aufschwung unterdrückt: die Schleswig-Holsteiner sind vom Regen in die Traufe gekommen. Die Partei des Herzogs von Augustenburg, wozu vorzüglich die Bourgeoisie und die Aristokratie mit Beseler an der Spitze gehört, haben das schleswig-holsteinische Volk endlich in den sichern Hafen gebracht, wo es aus seinem Freiheitstraume, unter der Säbelherrschaft Bonins (der Wrangel der Herzogthümer), dem Polizeistock Schmerling's und den Fittichen eines Brutus-Bassermann, erwachen kann. Die Bourgeoisie zeigt aber auch hier in ihren Handlungen, daß sie mit der in andern Staaten in gleichem Range steht, doch davon nachher. Ihren Lesern haben Sie die Adresse des 7. schleswig-holsteinischen Bataillons mitgetheilt; auch das, wenn ich nicht irre, daß der Verfasser ein gewisser Luttermersk aus Altona ist. Gestern Abend nun, mit dem Bahnzuge von Rendsburg kam um 7 Uhr dieser Luttermersk hier an, unter einer Bedeckung von 40 Badensern vom 4. badischen Regiment. Wie es sich von einem Manne erwarten ließ, der seine Feder zur Hand genommen, um den preußischen Soldaten zuzurufen, keinen Verrath ferner am Volke zu üben, so schritt Luttermerck in der Mitte seiner Schergen einher. Um kein Aufsehen zu erregen führt man ihn nicht mitten durch die Stadt, nach dem Zuchthause; denn hier müssen die Opfer der Reaction ihre über sie verhängte Strafe erleiden. Wie sich dann die Kerkerthore öffneten, in ihren Angeln krächsten, und auf vier Jahre sich hinter ihm schlossen, — da unwillkührlich stieß ich die Drohung hervor, es am Tage der Vergeltung, der hoffentlich nicht mehr fern ist, den rothen Monarchisten zu gedenken und keine Schonung zu üben, und es trieb die Wuth mir Thränen in die Augen. Wenn es übrigens hier bei uns so fort geht und immerfort Militär nach dem Zuchthause geschickt wird, muß noch ein besonderes für dasselbe gebaut oder eingerichtet werden. Was Bonin anbelangt, so ist dem schon vor 8-10 Wochen, wenn auch nicht direkt, so doch indirekt, durch eine Mißtrauensadresse, der Wunsch seiner Entfernung zu erkennen gegeben; und auch jetzt geschieht es von vielen Seiten. Hier aber zeigt sich die Bourgeoisie wie schon oben bemerkt in ihrem Lichte. In Rendsburg ist vom altstädter Bürgerverein eine Deputation mit einer Vertrauensadresse abgeschickt um den General Bonin zu bitten, sein Ohr nicht dem Gerede einiger Uebelwollenden zu öffnen, und für die Stimmung des ganzen Landes zu halten. Ebenfalls soll hier in der Stadt eine Adresse in gleichem Sinne zu Stande gebracht werden, und gehen zu dem Ende zwei der angesehensten Bourgeois damit von Haus zu Haus um Unterschriften zu sammeln. An vielen Stellen müssen die Herren vom Geldsacke aber mit der Antwort abziehen: „Es ist mir schon recht wenn Bonin geht oder „Wir brauchen uns nicht von Bonin knuten zu lassen, laß ihn nur gehen woher er gekommen ist“ und spottweise wird dann noch hinzu gefügt „zu seinem guten König.“ Man ist soweit bei dem hier in Kantonnement liegenden 4. Battaillon gegangen, daß man erst zu den Soldaten sagte: „Wer Bonin nicht mehr behalten will, der trete vor.“ Es trat aber selbstverständlich keiner vor, denn ein oder zwei Jahre Zuchthaus hätten den sicher getroffen. Jetzt aber fordert man die Soldaten auf die Adresse zu unterschreiben. Italien. * Turin, 12. Dezbr. Ein von Civita-Vecchia kommendes Dampfboot brachte am 16. Dez. die Nachricht nach Genua, daß der Pabst die an ihn von Rom abgesandte Deputation zu empfangen verweigert und daß man in Folge dieser Weigerung an Bildung einer provisorischen Regierung dachte. Die Wahl Pellegrinis von Genua, der sich noch im Gefängnisse befindet, wurde am 11. durch die Turiner Deputirten-Kammer bestätigt und trotz der Opposition des Ministeriums verordnete die Kammer unmittelbare Freilassung. Eine Estafette wurde sofort nach Genua expedirt. Die ministerielle Krise dauert fort, aber nach der Sitzung vom 11. sind die jetzigen Minister, wie die „Concordia“ sagt, unmöglich geworden. Zu Genua haben neue Demonstrationen stattgefunden. Am 10. Dez. war Jahrestag der Vertreibung der Oestreicher aus Genua im Jahre 1748. Die ganze Bevölkerung nahm Theil an dem Feste. Das Volk trug vier Fahnen. Auf der ersten las man: Gott und das Volk; auf der zweiten: es lebe die italienische Constituante; die dritte enthielt die Namen der Heroen von 1746 und auf der vierten las man: Gott behüte uns 1849 vor einem neuen Verrath. 1400 Fr. wurden für Venedig gesammelt. Die Carabiniers verfuhren äußerst gewaltsam bei den von ihnen gemachten Verhaftungen. Als man die Sturmglocken läuten hörte, ließ die Obrigkeit in allen Straßen Generalmarsch schlagen und alle Nationalgarden bewaffneten sich schleunigst. Gegen Abend war die Aufregung am lebhaftesten. Es bildeten sich Zusammenschaarungen im Stadthause, schreiend: Wir wollen die italienische Constituante! Da die Munizipalität nicht im Sinne des Volks auf diese Manifestation einging, wurden die Massen stürmischer. Nach dem Corriere mercantile waren die Rufe des Volkes am Abende des 11.: Tod für Oestreich! Tod den östreichischen Spitzbuben! Hülfe den unterdrückten lombardischen Brüdern! Wir wollen ein demokratisches Ministerium! Nieder mit den retrograden Ministern! Es lebe die italienische Constitution! * Turin, 12. Dezember. Fortdauer der Ministerkrisis. Es soll jetzt, wie es heißt, ein Courier an den Marquis Massimo Azeglio abgegangen sein, um ihn mit Bildung des neuen Kabinets zu beauftragen. In der gestrigen Kammersitzung interpellirte Reta wegen des Kongresses in Brüssel. Pinelli erwidert: daß Oesterreich

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 173. Köln, 20. Dezember 1848, S. 0934. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz173_1848/2>, abgerufen am 25.04.2024.