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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 170. Köln, 16. Dezember 1848.

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wir Herrn Barth, zackig wie eine Blitzröhre, auf die Bühne stolpern, hören wir ihn, ganz nach Belieben, bald wie einen verschnupften arkadischen Schäfer kläglich winseln und bald wie einen englischen Porterbrauer schreien und toben, und müssen wir es gar erleben, daß Herr Barth wohl noch bei der geringsten Störung unwohl wird und mit Eclat die Bühne verläßt -- wir gestehen: da thut es uns leid um das gute Geld des Herrn Gerlach und um die schöne Zeit, die wir selbst vertödelten. Wir wünschen Herrn Barth von Herzen glückliche Reise. Möchte Fräulein J. ihn begleiten und nach Kräften trösten. Als neulich in der Jüdin dies liebenswürdige Paar zusammen musicirte, da war es uns nicht anders, als ob wir alle Wetterfahnen der heiligen Stadt Köln schwirren hörten.

Hoffentlich wird Herr Gerlach das erwähnte künstlerische Rebut bald durch etwas besseres zu ersetzen wissen. Mit wenigen Ausnahmen sind wir jetzt wirklich mit so vielen Nasen-, Röchel- und Wimmer-Stimmen gesegnet, daß einem nicht selten alle Schauer des jüngsten Gerichtes dabei einfallen.

Eine ungeheure Thätigkeit herrscht in der Möblirung des Palastes (Elysee-National) der für die Wohnung des neuen Präsidenten bestimmt ist. Marrast ist bekanntlich ein sehr feiner Mann, mit seinem Geschmack, und in der sichern Voraussicht, seine Partei an's Ruder zu bringen, hatte er sich mit der Meublirung schon längst beschäftigt. Der Geschmack Marrast's stimmt aber nun keineswegs mit dem Geschmack Napoleons überein. Seit gestern wird der Palast auf's neue meublirt, im kaiserlichen Geschmacke. Die Präsidentenwahl ist noch nicht zu Ende, und schon ist eine Präsidentengarderobe wieder in die Rumpelkammer gefallen, aus der man sie hervorgeholt hatte.

[Deutschland]

[Fortsetzung] schultern emporgehobenen Bourgeoisie und der Bvurgeoisie, die nicht mehr der Volksschultern bedurfte; zwischen der Bourgeoisie, welche scheinbar das Volk der Krone und der Bourgeoisie, die wirklich die Krone dem Volke gegenüber vertrat; zwischen der Bourgeoisie, die sich von der Revolution losschälte und der Bourgeoisie, die als Kern der Revolution herausgeschält war.

Seiner Rolle gemäß beschränkte sich das Ministerium Camphausen in jungfräulicher Schamhaftigkeit auf den passiven Widerstand gegen die Revolution.

Es verwarf sie zwar in der Theorie, aber in der Praxis sträubte es sich nur gegen ihre Anmuthungen und duldete nur die Rekonstituirung der alten Staatsgewalten.

Die Bourgeoisie glaubte unterdeß auf dem Punkte angelangt zu sein, wo der passive Widerstand in aktiven Angriff übergehen müsse. Das Ministerium Camphausen trat ab, nicht weil es diesen oder jenen Mißgriff begangen, sondern aus dem einfachen Grunde, weil es das erste Ministerium nach der Märzrevolution, weil es das Ministerium der Märzrevolution war und seinem Ursprung gemäß den Repräsentanten der Bourgeoisie noch unter dem Volksdiktator verstecken mußte. Diese seine zweideutige Entstehung und sein doppelsinniger Charakter legten ihm noch gewisse Convenancen, Rückhalte und Rücksichten gegen das souveräne Volk auf, die der Bourgeoisie lästig wurden, die ein zweites direkt aus der Vereinbarerversammlung hervorgegangenes Ministerium nicht mehr zu beobachten hatte.

Sein Rücktritt war daher ein Räthsel für die Wirthshauspolitiker. Das Ministerium der That, das Ministerium Hansemann folgte ihm, weil die Bourgeoisie aus der Periode des passiven Verraths des Volks an die Krone in die Periode der aktiven Unterwerfung des Volks unter ihre mit der Krone vereinbarte Herrschaft überzugehen gedachte. Das Ministerium der That war das zweite Ministerium nach der Märzrevolution. Das war sein ganzes Geheimniß.

(Fortsetzung folgt.)

* Köln, 13. Dezember.

Vor Kurzem prophezeiten wir, daß nach und nach ganz Preußen in Belagerungszustand versetzt werden würde. Diese Voraussagung scheint eintreffen zu wollen. Aber der Belagerungszustand ist auch eine der famosesten Erfindungen!

Wie sollte Manteuffel-Brandenburg sich nicht beeilen, den größtmöglichsten Nutzen aus ihr zu ziehen?

Bisher begnügte man sich, einzelnen Städten und deren 2 meiligen Umkreis die Wohlthaten jener Erfindung zuzuwenden. Bei uns dagegen tritt das Belagerungs-Ministerium schon großartiger auf.

Es läßt sofort durch seine Schergen einen ganzen Kreis in Belagerungszustand erklären -- den Kreis Kreutzburg, Regierungsbezirk Oppeln. Und weshalb? Weil in 2, sage in zwei, Dörfern die Bauern ein gutsherrliches Schloß angegriffen und einen gnädigen Gutsherrn mißhandelt haben. Natürlich, so lange Leute aus dem Volk von "gnädigen" Herrn zerschlagen, bis auf den Tod gepeitscht, wie das wilde Vieh malträtirt und erschossen wurden: da dachte von den hohen Herrn Niemand daran, die betreffenden Distrikte in Belagerungszustand zu versetzen. Mochte ein Baron von Falkenhausen (in der Grafschaft Glatz) unter dem Schein polizeilicher Autorität bürgerliches Pack immerhin mißhandeln: das schadete nichts. Er wurde zwar verurtheilt, aber seine Strafe war die königliche Begnadigung. Der Kreis, in dem er lebte, blieb von jeder Belagerung verschont. Der bekannte Unmensch, Graf Reichenbach in Goschütz (nicht zu verwechseln mit seinem Gegensatz, dem Abgeordneten Reichenbach) durfte verschiedene Leute fast bis zum Tode malträtiren: es krähte kein Hahn danach. Mochte der Lieutenant Herr v. Carnap immerhin einen Pferdeknecht erschießen, der Kreis Trebnitz blieb durchaus mit jeglichem Belagerungszustande verschont. Herr v. Schweinichen prügelte seinen Amtmann aus reiner adliger Wollust dergestalt, daß der, welcher Jahre lang für ihn gearbeitet, bald darauf an den Folgen der Mißhandlung starb. Der Kreis, welcher die Ehre hat, den Hrn. v. Schweinichen zu beherbergea, erfuhr nicht das Mindeste von einem Belagerungszustand.

Jetzt aber, nach den März- und November-"Errungenschaften" des Jahres 1848 bedarf es nur eines kleinen Bauerntumults in 2 Dörfern und der Mißhandlung eines gnädigen Herrn v. Gladis: und flugs beschließen die Herrn v. Schleinitz, Reaktions-Oberpräsident von Schlesien, und Herr v. Lindheim, Generallieutenant, "den Kreis Kreutzburg mit folgendem Umkreise und Demarkationslinie (preußisches deutsch!) hiermit in den Belagerungszustand" zu erklären. Der Leser denkt vielleicht, daß also zwar ein ganzer Kreis, aber doch nur dieser Kreis belagert wird. Er irrt sich. Herr Schleinitz und Monsieur Lindheim dehnen in ihrer Demarkationslinie die Belagerung auch auf einen Theil der angrenzenden Kreise: Namslau, Oppeln und Rosenberg aus. So lautet die desfallsige Bekanntmachung vom 11. d. Mts. Mit Ausführung des Belagerungszustandes wird ein Husaren-Oberst, Herr v. Bonin, beauftragt. Das von letzterem am 12. dieses M. veröffentlichte Publikandum ist so ziemlich eine Kopie des Wrangel'schen. Es muß blos noch hervorgehoben werden, daß der Bürger und königl.-preuß. Kommunist Drigalski einen Plagiarius gefunden hat. Auch Herr v. Bonin hat sofort die Censur wiederhergestellt. Zum Censor ist der Ober-Regierungs-Rath Kieschke von ihm ernannt worden. Und nun spreche einer noch von Reaktion! Jetzt wage es noch Einer, gegen die neue Verfassung zu schimpfen. Die schönste Preßfreiheit auf dem Papier in Berlin, Erfurt, Düsseldorf und im Kreuzburger Kreise nebst Demarkationslinie; und zu gleicher Zeit die vortrefflichste Censur, wie sie je vor den März-"Errungenschaften" bestanden! Alle Geschmäcker befriedigt! Sage, was willst Du mehr?

* Weßlingen, 15. Dez.

Biesinger, Präsident des hiesigen demokratischen Vereins, Johnen und Esser, Mitglieder desselben, sind durch 6 Gensdarmen, 4 Dragoner und 12 Infanteristen nach Bonn escortirt worden. Als Grund wird angegeben, es sei auf den Bürgermeister geschossen worden. Indeß behaupten die Bewohner des Dorfes, der Herr Bürgermeister selbst habe dies veranlaßt, um den demokratischen Verein auflösen zu können.

Die Pointe ist die Versetzung von Weßlingen in Belagerungszustand. Werden Nippes und Todtenjuden bald nachfolgen?

105 Dortmund, 13. Dez.

Vorgestern wurden die Herren v. Mirbach und Graumann hier verhaftet und nach Münster abgeführt. Als Grund der Verhaftung nennt man keinen andern als die Theilnahme an dem Provinzialkongresse in Münster. Die beiden vorläufig in dem Rathhausgebäude Aufbewahrten hatten die schwache Genugthuung, den Tag über von anströmenden Volkshaufen begrüßt zu werden. Ueber die Verfolgung des Herrn von Mirbach sprach sich bei der sonst so ruhigen Bürgerschaft allgemeine Entrüstung aus. -- Abends gegen 10 Uhr wurden die Volksmassen von der sogenannten Dortmunder Bürgerwehr auf ächt märkische Weise von dem Marktplatze vertrieben. Die beiden Verhafteten wagte man jedoch erst am folgenden Morgen auf der Eisenbahn nach Münster zu eskortiren.

Seegen der octroyirten Verfassung!

41 Bielefeld, 14. Dezbr.

In Westphalen wird's immer bunter; die Verhaftungen häufen sich; aus sicherer Quelle kann ich Ihnen mittheilen, daß beabsichtigt wird, etwa 120 einflußreiche Leute einzustecken. In Paderborn wurde der Redakteur der "Westfälischen Zeitung", Referendar Löher, eingezogen, ein gleiches Schicksal traf den allgemein geachteten Justizrath Groneweg in Gütersloh, einen Mann, der schon seit längerer Zeit sich von politischen Bewegungen ziemlich fern gehalten hat. In Essen arretirte man den Lehrer Mühlfeld, in Dortmund die Herren v. Mirbach und Graumann, in Soest den Kanonikus v. Schmitz. Sie wurden sämmtlich nach Münster geschleppt. Viele andere Männer, welche keine Neigung hatten, die Süffigkeit der Untersuchungshaft und das Inquisitionsverfahren nach dem "Allgemeinen Landrechte" kennen zu lernen, haben sich der Haft durch die Flucht entzogen, darunter der Oberlandesgerichts-Assessor Möllenhof in Münster, der Redakteur des "Volksfreundes", Kaufmann Rempel in Bielefeld, der Artillerielieutenant Hentze aus Hamm.

Die Verhafteten sind zum Theil ganz zahme Konstitutionelle, denen man keinen andern Vorwurf machen kann, als daß sie von ihrem Associationsrechte Gebrauch gemacht und einen Kongreß in Münster besucht haben. Es sind Leute darunter, welche in Münster nicht ein Wort gesprochen, sich nur ein paar Stunden daselbst aufgehalten haben.

Der Grund zu diesen fabelhaften "Maßregeln" ist aber darin zu suchen, daß in Münster ein Centralausschuß gebildet wurde, der auf die Wahlen in Westphalen einwirken sollte. Da in Münster 65 Vereine und Korporationen, sowohl konstitutionelle, als auch demokratische vertreten waren und sich über gemeinschaftliche Operationen einigten, so fürchtet wahrscheinlich die Regierung den Ausfall der nächsten Wahlen in Westphalen. Auch unterlag es Keinen Zweifel, daß dieselben ein ganz anderes Resultat liefern wurden, als die Wahlen zu der Vereinbarungsversammlung, wenn nicht durch die Verhaftung aller einflußreichen Männer das Volk wiederum den Umtrieben der Pfaffen und Beamten widerstandslos preisgegeben würde. Man fürchtet das Erwachen der Westphalen, weil sie zäher und hartnäckiger Natur sind. Da liegt der Hase begraben. Hoffen wir, daß trotz alledem die Manöver der Reaction nicht gelingen werden.

Wem aber jetzt die Augen noch nicht aufgehen über die Zwecke des Ministeriums Brandenburg-Manteufel und über die liberalen Phrasen und das Verfassungs-Blendwerk, dem werden sie wohl für immer geschlossen bleiben.

Nachschrift. Die Verhaftung Löhers zu Paderborn veranlaßte drohende Volksdemonstrationen und selbst Barrikadenbau. Auf Ersuchen des Instruktionsrichters erschien Löher, beruhigte das Volk und erklärte, daß er sich freiwillig stelle, worauf sich der Tumult legte. Es sind Husaren requirirt. Brandenburg-Manteuffel macht unendlich bessere Propaganda für die Demokraten als der westphälische Demokraten-Congreß es je vermocht hätte.

30 Münster, 12. Dezbr.

Münster scheint unter dem direkten Einfluß des Czaaren von Rußland und seines Freundes Manteuffel zu stehen. Alle freisinnigen Männer von einigem Einfluß werden verhaftet, unter dem Vorwande, "aufrührerische", d. h. das Recht der aufgelös'ten Nationalversammlung gegen die Uebergriffe der Krone vertheidigende Schriften verbreitet zu haben. Es zweifelt hier Niemand daran, daß man diese Männer nur unschädlich machen und ihnen namentlich auch allen Einfluß auf die bevorstehenden Wahlen entziehen will; denn unter den Verhafteten befinden sich angesessene und begüterte Familienväter, die schon durch ihre Geschäfte an Münster gebunden sind und unter keinen Umständen sich entfernen würden, so der Justizkommissar Gierse und der Stadtverordnete Kaufmann Hartmann. Ersterer steht aber bei den Landbewohnern des Münsterlandes, die er stets gegen den übermüthigen bauernschinderischen Adel geschützt hat, und letzterer bei der arbeitenden Klasse Münsters, um die derselbe sich sehr verdient gemacht, in hohem Ansehen und hatten beide die größte Aussicht, bei den bevorstehenden Wahlen zu Deputirten gewählt zu werden, was man nunmehr hintertrieben hat. Man sagt hier ganz laut, daß hauptsächlich feige Rachsucht hoher reaktionärer Beamten die Ursache dieser unerhörten Verfolgung ist, und wie weit jene geht, erhellt daraus, daß man, ungeachtet der Justizkommissar Gierse erkrankt ist, seinem Arzte den Zutritt zu ihm verwehrt. Ob diese rachsüchtige Maßregel vom Gerichte oder nur vom Direktor der Strafanstalt, Herrn Pohlmann, einem blasirten Menschen, dessen anmaßende Eitelkeit häufig vom Justizkommissar Gierse gekränkt worden ist, ausgeht, lasse ich dahingestellt. Die Seele dieser Verfolgungen sind die Gebrüder von Olfers, der Oberlandesgerichts-Vize- und interimistische Chefpräsident, der die Absicht hat, wirklicher Chefpräsident zu werden, ein kalter Mensch ohne Herz, mit ewig lächelnder Miene, und der Stadtrath und interimistische Oberbürgermeister, der für einen gnädigen Blick von einem hohen Herrn zehn schlaflose Nächte gibt. Die Referendare Bensi und Jakobi, die sich der Haft durch die Flucht entzogen haben und steckbrieflich verfolgt werden, sollen in Kopenhagen sein; auf viele andere wird noch gefahndet. Bei einem Referendar, der auf Urlaub ist, hat man eine Haussuchung gehalten, aber nichts Verdächtiges vorgefunden. Man hofft übrigens, daß Temme, dessen Ankunft erwartet wird, und der Direktor des Kriminalsenats, dieser saubern Reactionswirthschaft ein Ende machen werden. Es ist jetzt so weit hier gekommen, daß man nicht mehr wagt, ein freies Wort zu sprechen, ja daß man selbst die russische Knute als eine Erleichterung ansehen würde. -- Wir haben mit einem Worte, wenn er auch, weil nicht einmal ein Scheingrund vorliegt, nicht ausgesprochen ist, den Belagerungszustand. Ja der Belagerungszustand von Berlin ist gegen unsern Zustand noch Freiheit.

X Berlin, 13. Dez.

Für den Augenblick weiß ich nichts zu sagen, als daß vorgestern nach eingetroffenen Depeschen aus Paris die ganze Nacht hindurch Ministerrath gewesen; in Folge dessen an die Verwaltungsbehörden der Provinzen Posen und Preußen Verhaltungsbefehle abgegangen sein sollen, die in Bezug auf den freundlichen Empfang der russischen Truppen gestanden haben sollen. Dieses Gerücht ist wenigstens heute hier allgemein verbreitet.

Nachdem gestern die Zeitungshalle auf's neue verboten, hat die Nationalzeitung heute ein gleiches Verbot getroffen.

Die Ausweisungen, Verhaftungen, Denunziationen dauern ununterbrochen fort, und die alte Polizeiwirthschaft ist toller, als sie es jemals gewesen. Das Militär, im Anfang als es einrückte, vor Angst und Furcht zitternd, fängt an übermüthig zu werden. Schlägereien zwischen Civil und Militär sind an der Tagesordnung. Wie ich Ihnen noch aus zuverlässiger Quelle versichern kann, beabsichtigt der Hof diesen Winter einen großartigen Pomp zu entfalten, um dadurch den Gewerbestand für sich zu gewinnen.

Seitdem wir Einsicht in die preußischen Extraordinaria erhalten, wissen wir quibus auxiliis wovon der preußische Hof seinen Pomp bezahlt.

68 Berlin, 13. Dezember.

Dowiats Prozeß. Erster Tag. Heute Vormittag um 2 Uhr begannen vor der ersten Abtheilung des Kriminalgerichts, aus neun Richtern bestehend -- die Anklage muß demnach eine sehr schwere sein -- unter Vorsitz des Kriminalgerichtsdirektors Harrossewitz, die Verhandlungen gegen Dowiat und 16 Mitangeklagte. Der Staatsanwalt Sethe wird die Anklage begründen. Der einzige Vertheidiger für alle Angeklagten ist der Referendar Meyer. Die Angeklagten werden einzeln aufgerufen. Dowiat erklärt, daß er nur Literat sei, seine Stelle als deutschkatholischer Prediger habe er längst aufgegeben. In Untersuchung habe er sich bereits zwei Mal befunden. Die eine sei eine fiskalische gewesen, auf Veranlassung des Domkapitals in Culm eingeleitete, von der er aber, in Folge des geltend gemachten Beweises der Wahrheit, freigesprochen; die zweite Untersuchung war, auf Denunziation des östreichischen Gesandten, von der Danziger Regierung, wegen einer von ihm in Süddeutschland angezettelt sein sollenden Konspiration, eingeleitet aber wieder niedergeschlagen worden.

Vor Verlesung der Anklage-Akte erhebt der Vertheidiger einen Präjudizialeinwand, da nach § 95 der Verfassung alle politischen Vergehen von Geschwornengerichten abgeurtheilt werden sollen. Der Vorsitzende erklärt jedoch, daß der Gerichtshof sich gestern dahin entschieden, daß er bis zur erfolgten Einsetzung der Geschwornengerichte seine Funktionen fortzusetzen habe. Der Vertheidiger bemerkt hierauf, daß er seinen Einwand bei der Schluß-Vertheidigung dennoch geltend zu machen suchen werde. Hierauf wird der allgemeine Theil der Anklage-Akte verlesen. In Folge der am 20. Aug. in Charlottenburg vorgefallenen Exzesse gegen den dortigen demokratischen Klub war hier eine große Aufregung entstanden, welche durch ein Plakat des demokratischen Klubs vom 21. Aug. noch mehr genährt wurde. Zum 21. Abends 7 Uhr war eine Volksversammlung vor dem Opernhause angesetzt. (Die Anklage-Akte behauptet, daß dies vom demokratischen Kongreß geschehen sei, dem wird aber von den später vernommenen Zeugen widersprochen). Von der Treppe des Opernhauses herab sprachen mehrere Redner. Der Angeklagte Dowiat habe dem Volke zugerufen: "Die Bourgeoisie ist an Allem schuld und außerdem noch das aus Krämern zusammengesetzte Ministerium. Wir müssen daher das Ministerium stürzen." Hierauf sei das versammelte Volk vor das Ministerium des Innern gezogen. Das Thor wurde vom Volke mit Gewalt gesprengt, da der Minister Kühlwetter aber nicht anwesend war, zog man vor das Palais des Ministerpräsidenten in der Wilhelmstraße. Eine Deputation, bestehend aus Dowiat, Edgar Bauer und Andern, begab sich zu den Ministern und verlangte von ihnen Freilassung der politischen Gefangenen, Entlassung der Schutzmänner und strenge Untersuchung der Charlottenburger Ereignisse. Währenddessen erschienen eine Abtheilung Schutzmänner, welche (die Anklage-Akte sagt, nach geschehener mündlicher Aufforderung zum Räumung des Platzes, wovon aber die Zeugen nichts gehört haben wollen) mit blanker Waffe auf die Rampe vor dem Ministerhotel stürzten. In Folge dessen warf man die Schutzmänner mit Steinen, wodurch viele verwundet wurden, warf sämmtliche Fenster ein und brach die eisernen Gitter der Rampe und der Einfassung unter den Linden ab. Auch wurde der Anfang zum Bau einer Barrikade gemacht.

Dowiat hielt hierauf eine Rede, worin er den Richtern seinen Standpunkt klar darlegte, auch beinahe alle Anschuldigungen der Anklage-Akte zugestand.

Hierauf werden eine Menge Zeugen vernommen. Unter den Vorgeladenen befinden sich: der Regierungsrath v. Hasenkamp, die Kriminalaktuarien Stein und Thiele, Dr. Stieber und viele andere Beamte. Auch viele Schutzmänner sind unter den Zeugen. Die Zeugenverhöre werden morgen und übermorgen fortgesetzt werden.

Aus glaubwürdiger Quelle wird uns mitgetheilt, daß am Tage der Veröffentlichung der Verfassung, französische und englische Uebersetzungen derselben nebst raisonnirenden Artikeln von Seiten unserer Machthaber nach Paris und London an die dortigen reaktionären Blätter, wie Journal des Debats, Morning Chronicle etc. zur Aufnahme gesandt wurden. Der Staatsanzeiger hat nun das angenehme Geschäft, diese Reklamen der Pariser und Londoner Zeitungen ins Deutsche zurück zu übersetzen und täglich abzudrucken. Eine hohe Person legt auf die Artikel der englischen Zeitungen über unsere Verhältnisse einen besonders hohen Werth.

Nach den unausgesetzten Verfolgungen, welchen unser "Kladderadatsch" vom General Wrangel ausgesetzt war, kam es gestern um so überraschender, als derselbe, ohne jede weitere Veranlassung, gestern dem Verleger dieses Witzblattes anzeigen ließ, daß dem Erscheinen desselben während des Belagerungszustandes nichts mehr im Wege stehe. In Folge dessen ist schon heute eine neue Nummer erschienen. Auch die "Locomotive" und der "Publizist" sind wieder erlaubt.

Held's Weihnachtsstube ist gestern Abend, ebenfalls mit Erlaubniß Wrangels, dem zahlreich zuströmenden Publikum geöffnet worden.

* Berlin, 13. Dezember.

In einer der letzten Nummern der vom Hrn. Wrangel abermals unterdrückten "Zeitungshalle" lesen wir Nachstehendes:

Einige Worte eines Ausländers, der für deutsche Freiheit zweimal sein Blut vergossen hat und jetzt nach einer preußischen Festung abgeführt wird.

Wenn Ihr Arbeiter, Freunde, die Ihr mit mir in der Königstadt an den Barrikaden für Eure Freiheit gekämpft und mein Blut habt fließen sehen, wenn Ihr Kammeraden, die Ihr mit mir in Schleswig-Holstein gefochten habt, diese Zeilen leset, so habe ich bereits den Berliner Kerker mit den Kasematten zu Magdeburg vertauscht und werde vielleicht von einem Schwarz-Weißen verhöhnt.

Beklagt mich nicht, mein Loos ist das der freien Männer. Nicht die Qualen des Kerkers werden meine Gesinnung und die Liebe zu Euch ändern. Ich werde getrost in meinem Kerker verharren; vielleicht dringt bald der Schall der großen Posaune zum letzten glorreichsten Kampf für die wahre Freiheit durch meine Mauern, vielleicht springen meine Riegel vor

wir Herrn Barth, zackig wie eine Blitzröhre, auf die Bühne stolpern, hören wir ihn, ganz nach Belieben, bald wie einen verschnupften arkadischen Schäfer kläglich winseln und bald wie einen englischen Porterbrauer schreien und toben, und müssen wir es gar erleben, daß Herr Barth wohl noch bei der geringsten Störung unwohl wird und mit Eclat die Bühne verläßt — wir gestehen: da thut es uns leid um das gute Geld des Herrn Gerlach und um die schöne Zeit, die wir selbst vertödelten. Wir wünschen Herrn Barth von Herzen glückliche Reise. Möchte Fräulein J. ihn begleiten und nach Kräften trösten. Als neulich in der Jüdin dies liebenswürdige Paar zusammen musicirte, da war es uns nicht anders, als ob wir alle Wetterfahnen der heiligen Stadt Köln schwirren hörten.

Hoffentlich wird Herr Gerlach das erwähnte künstlerische Rebut bald durch etwas besseres zu ersetzen wissen. Mit wenigen Ausnahmen sind wir jetzt wirklich mit so vielen Nasen-, Röchel- und Wimmer-Stimmen gesegnet, daß einem nicht selten alle Schauer des jüngsten Gerichtes dabei einfallen.

Eine ungeheure Thätigkeit herrscht in der Möblirung des Palastes (Elysée-National) der für die Wohnung des neuen Präsidenten bestimmt ist. Marrast ist bekanntlich ein sehr feiner Mann, mit seinem Geschmack, und in der sichern Voraussicht, seine Partei an's Ruder zu bringen, hatte er sich mit der Meublirung schon längst beschäftigt. Der Geschmack Marrast's stimmt aber nun keineswegs mit dem Geschmack Napoleons überein. Seit gestern wird der Palast auf's neue meublirt, im kaiserlichen Geschmacke. Die Präsidentenwahl ist noch nicht zu Ende, und schon ist eine Präsidentengarderobe wieder in die Rumpelkammer gefallen, aus der man sie hervorgeholt hatte.

[Deutschland]

[Fortsetzung] schultern emporgehobenen Bourgeoisie und der Bvurgeoisie, die nicht mehr der Volksschultern bedurfte; zwischen der Bourgeoisie, welche scheinbar das Volk der Krone und der Bourgeoisie, die wirklich die Krone dem Volke gegenüber vertrat; zwischen der Bourgeoisie, die sich von der Revolution losschälte und der Bourgeoisie, die als Kern der Revolution herausgeschält war.

Seiner Rolle gemäß beschränkte sich das Ministerium Camphausen in jungfräulicher Schamhaftigkeit auf den passiven Widerstand gegen die Revolution.

Es verwarf sie zwar in der Theorie, aber in der Praxis sträubte es sich nur gegen ihre Anmuthungen und duldete nur die Rekonstituirung der alten Staatsgewalten.

Die Bourgeoisie glaubte unterdeß auf dem Punkte angelangt zu sein, wo der passive Widerstand in aktiven Angriff übergehen müsse. Das Ministerium Camphausen trat ab, nicht weil es diesen oder jenen Mißgriff begangen, sondern aus dem einfachen Grunde, weil es das erste Ministerium nach der Märzrevolution, weil es das Ministerium der Märzrevolution war und seinem Ursprung gemäß den Repräsentanten der Bourgeoisie noch unter dem Volksdiktator verstecken mußte. Diese seine zweideutige Entstehung und sein doppelsinniger Charakter legten ihm noch gewisse Convenancen, Rückhalte und Rücksichten gegen das souveräne Volk auf, die der Bourgeoisie lästig wurden, die ein zweites direkt aus der Vereinbarerversammlung hervorgegangenes Ministerium nicht mehr zu beobachten hatte.

Sein Rücktritt war daher ein Räthsel für die Wirthshauspolitiker. Das Ministerium der That, das Ministerium Hansemann folgte ihm, weil die Bourgeoisie aus der Periode des passiven Verraths des Volks an die Krone in die Periode der aktiven Unterwerfung des Volks unter ihre mit der Krone vereinbarte Herrschaft überzugehen gedachte. Das Ministerium der That war das zweite Ministerium nach der Märzrevolution. Das war sein ganzes Geheimniß.

(Fortsetzung folgt.)

* Köln, 13. Dezember.

Vor Kurzem prophezeiten wir, daß nach und nach ganz Preußen in Belagerungszustand versetzt werden würde. Diese Voraussagung scheint eintreffen zu wollen. Aber der Belagerungszustand ist auch eine der famosesten Erfindungen!

Wie sollte Manteuffel-Brandenburg sich nicht beeilen, den größtmöglichsten Nutzen aus ihr zu ziehen?

Bisher begnügte man sich, einzelnen Städten und deren 2 meiligen Umkreis die Wohlthaten jener Erfindung zuzuwenden. Bei uns dagegen tritt das Belagerungs-Ministerium schon großartiger auf.

Es läßt sofort durch seine Schergen einen ganzen Kreis in Belagerungszustand erklären — den Kreis Kreutzburg, Regierungsbezirk Oppeln. Und weshalb? Weil in 2, sage in zwei, Dörfern die Bauern ein gutsherrliches Schloß angegriffen und einen gnädigen Gutsherrn mißhandelt haben. Natürlich, so lange Leute aus dem Volk von „gnädigen“ Herrn zerschlagen, bis auf den Tod gepeitscht, wie das wilde Vieh malträtirt und erschossen wurden: da dachte von den hohen Herrn Niemand daran, die betreffenden Distrikte in Belagerungszustand zu versetzen. Mochte ein Baron von Falkenhausen (in der Grafschaft Glatz) unter dem Schein polizeilicher Autorität bürgerliches Pack immerhin mißhandeln: das schadete nichts. Er wurde zwar verurtheilt, aber seine Strafe war die königliche Begnadigung. Der Kreis, in dem er lebte, blieb von jeder Belagerung verschont. Der bekannte Unmensch, Graf Reichenbach in Goschütz (nicht zu verwechseln mit seinem Gegensatz, dem Abgeordneten Reichenbach) durfte verschiedene Leute fast bis zum Tode malträtiren: es krähte kein Hahn danach. Mochte der Lieutenant Herr v. Carnap immerhin einen Pferdeknecht erschießen, der Kreis Trebnitz blieb durchaus mit jeglichem Belagerungszustande verschont. Herr v. Schweinichen prügelte seinen Amtmann aus reiner adliger Wollust dergestalt, daß der, welcher Jahre lang für ihn gearbeitet, bald darauf an den Folgen der Mißhandlung starb. Der Kreis, welcher die Ehre hat, den Hrn. v. Schweinichen zu beherbergea, erfuhr nicht das Mindeste von einem Belagerungszustand.

Jetzt aber, nach den März- und November-„Errungenschaften“ des Jahres 1848 bedarf es nur eines kleinen Bauerntumults in 2 Dörfern und der Mißhandlung eines gnädigen Herrn v. Gladis: und flugs beschließen die Herrn v. Schleinitz, Reaktions-Oberpräsident von Schlesien, und Herr v. Lindheim, Generallieutenant, „den Kreis Kreutzburg mit folgendem Umkreise und Demarkationslinie (preußisches deutsch!) hiermit in den Belagerungszustand“ zu erklären. Der Leser denkt vielleicht, daß also zwar ein ganzer Kreis, aber doch nur dieser Kreis belagert wird. Er irrt sich. Herr Schleinitz und Monsieur Lindheim dehnen in ihrer Demarkationslinie die Belagerung auch auf einen Theil der angrenzenden Kreise: Namslau, Oppeln und Rosenberg aus. So lautet die desfallsige Bekanntmachung vom 11. d. Mts. Mit Ausführung des Belagerungszustandes wird ein Husaren-Oberst, Herr v. Bonin, beauftragt. Das von letzterem am 12. dieses M. veröffentlichte Publikandum ist so ziemlich eine Kopie des Wrangel'schen. Es muß blos noch hervorgehoben werden, daß der Bürger und königl.-preuß. Kommunist Drigalski einen Plagiarius gefunden hat. Auch Herr v. Bonin hat sofort die Censur wiederhergestellt. Zum Censor ist der Ober-Regierungs-Rath Kieschke von ihm ernannt worden. Und nun spreche einer noch von Reaktion! Jetzt wage es noch Einer, gegen die neue Verfassung zu schimpfen. Die schönste Preßfreiheit auf dem Papier in Berlin, Erfurt, Düsseldorf und im Kreuzburger Kreise nebst Demarkationslinie; und zu gleicher Zeit die vortrefflichste Censur, wie sie je vor den März-„Errungenschaften“ bestanden! Alle Geschmäcker befriedigt! Sage, was willst Du mehr?

* Weßlingen, 15. Dez.

Biesinger, Präsident des hiesigen demokratischen Vereins, Johnen und Esser, Mitglieder desselben, sind durch 6 Gensdarmen, 4 Dragoner und 12 Infanteristen nach Bonn escortirt worden. Als Grund wird angegeben, es sei auf den Bürgermeister geschossen worden. Indeß behaupten die Bewohner des Dorfes, der Herr Bürgermeister selbst habe dies veranlaßt, um den demokratischen Verein auflösen zu können.

Die Pointe ist die Versetzung von Weßlingen in Belagerungszustand. Werden Nippes und Todtenjuden bald nachfolgen?

105 Dortmund, 13. Dez.

Vorgestern wurden die Herren v. Mirbach und Graumann hier verhaftet und nach Münster abgeführt. Als Grund der Verhaftung nennt man keinen andern als die Theilnahme an dem Provinzialkongresse in Münster. Die beiden vorläufig in dem Rathhausgebäude Aufbewahrten hatten die schwache Genugthuung, den Tag über von anströmenden Volkshaufen begrüßt zu werden. Ueber die Verfolgung des Herrn von Mirbach sprach sich bei der sonst so ruhigen Bürgerschaft allgemeine Entrüstung aus. — Abends gegen 10 Uhr wurden die Volksmassen von der sogenannten Dortmunder Bürgerwehr auf ächt märkische Weise von dem Marktplatze vertrieben. Die beiden Verhafteten wagte man jedoch erst am folgenden Morgen auf der Eisenbahn nach Münster zu eskortiren.

Seegen der octroyirten Verfassung!

41 Bielefeld, 14. Dezbr.

In Westphalen wird's immer bunter; die Verhaftungen häufen sich; aus sicherer Quelle kann ich Ihnen mittheilen, daß beabsichtigt wird, etwa 120 einflußreiche Leute einzustecken. In Paderborn wurde der Redakteur der „Westfälischen Zeitung“, Referendar Löher, eingezogen, ein gleiches Schicksal traf den allgemein geachteten Justizrath Groneweg in Gütersloh, einen Mann, der schon seit längerer Zeit sich von politischen Bewegungen ziemlich fern gehalten hat. In Essen arretirte man den Lehrer Mühlfeld, in Dortmund die Herren v. Mirbach und Graumann, in Soest den Kanonikus v. Schmitz. Sie wurden sämmtlich nach Münster geschleppt. Viele andere Männer, welche keine Neigung hatten, die Süffigkeit der Untersuchungshaft und das Inquisitionsverfahren nach dem „Allgemeinen Landrechte“ kennen zu lernen, haben sich der Haft durch die Flucht entzogen, darunter der Oberlandesgerichts-Assessor Möllenhof in Münster, der Redakteur des „Volksfreundes“, Kaufmann Rempel in Bielefeld, der Artillerielieutenant Hentze aus Hamm.

Die Verhafteten sind zum Theil ganz zahme Konstitutionelle, denen man keinen andern Vorwurf machen kann, als daß sie von ihrem Associationsrechte Gebrauch gemacht und einen Kongreß in Münster besucht haben. Es sind Leute darunter, welche in Münster nicht ein Wort gesprochen, sich nur ein paar Stunden daselbst aufgehalten haben.

Der Grund zu diesen fabelhaften „Maßregeln“ ist aber darin zu suchen, daß in Münster ein Centralausschuß gebildet wurde, der auf die Wahlen in Westphalen einwirken sollte. Da in Münster 65 Vereine und Korporationen, sowohl konstitutionelle, als auch demokratische vertreten waren und sich über gemeinschaftliche Operationen einigten, so fürchtet wahrscheinlich die Regierung den Ausfall der nächsten Wahlen in Westphalen. Auch unterlag es Keinen Zweifel, daß dieselben ein ganz anderes Resultat liefern wurden, als die Wahlen zu der Vereinbarungsversammlung, wenn nicht durch die Verhaftung aller einflußreichen Männer das Volk wiederum den Umtrieben der Pfaffen und Beamten widerstandslos preisgegeben würde. Man fürchtet das Erwachen der Westphalen, weil sie zäher und hartnäckiger Natur sind. Da liegt der Hase begraben. Hoffen wir, daß trotz alledem die Manöver der Reaction nicht gelingen werden.

Wem aber jetzt die Augen noch nicht aufgehen über die Zwecke des Ministeriums Brandenburg-Manteufel und über die liberalen Phrasen und das Verfassungs-Blendwerk, dem werden sie wohl für immer geschlossen bleiben.

Nachschrift. Die Verhaftung Löhers zu Paderborn veranlaßte drohende Volksdemonstrationen und selbst Barrikadenbau. Auf Ersuchen des Instruktionsrichters erschien Löher, beruhigte das Volk und erklärte, daß er sich freiwillig stelle, worauf sich der Tumult legte. Es sind Husaren requirirt. Brandenburg-Manteuffel macht unendlich bessere Propaganda für die Demokraten als der westphälische Demokraten-Congreß es je vermocht hätte.

30 Münster, 12. Dezbr.

Münster scheint unter dem direkten Einfluß des Czaaren von Rußland und seines Freundes Manteuffel zu stehen. Alle freisinnigen Männer von einigem Einfluß werden verhaftet, unter dem Vorwande, „aufrührerische“, d. h. das Recht der aufgelös'ten Nationalversammlung gegen die Uebergriffe der Krone vertheidigende Schriften verbreitet zu haben. Es zweifelt hier Niemand daran, daß man diese Männer nur unschädlich machen und ihnen namentlich auch allen Einfluß auf die bevorstehenden Wahlen entziehen will; denn unter den Verhafteten befinden sich angesessene und begüterte Familienväter, die schon durch ihre Geschäfte an Münster gebunden sind und unter keinen Umständen sich entfernen würden, so der Justizkommissar Gierse und der Stadtverordnete Kaufmann Hartmann. Ersterer steht aber bei den Landbewohnern des Münsterlandes, die er stets gegen den übermüthigen bauernschinderischen Adel geschützt hat, und letzterer bei der arbeitenden Klasse Münsters, um die derselbe sich sehr verdient gemacht, in hohem Ansehen und hatten beide die größte Aussicht, bei den bevorstehenden Wahlen zu Deputirten gewählt zu werden, was man nunmehr hintertrieben hat. Man sagt hier ganz laut, daß hauptsächlich feige Rachsucht hoher reaktionärer Beamten die Ursache dieser unerhörten Verfolgung ist, und wie weit jene geht, erhellt daraus, daß man, ungeachtet der Justizkommissar Gierse erkrankt ist, seinem Arzte den Zutritt zu ihm verwehrt. Ob diese rachsüchtige Maßregel vom Gerichte oder nur vom Direktor der Strafanstalt, Herrn Pohlmann, einem blasirten Menschen, dessen anmaßende Eitelkeit häufig vom Justizkommissar Gierse gekränkt worden ist, ausgeht, lasse ich dahingestellt. Die Seele dieser Verfolgungen sind die Gebrüder von Olfers, der Oberlandesgerichts-Vize- und interimistische Chefpräsident, der die Absicht hat, wirklicher Chefpräsident zu werden, ein kalter Mensch ohne Herz, mit ewig lächelnder Miene, und der Stadtrath und interimistische Oberbürgermeister, der für einen gnädigen Blick von einem hohen Herrn zehn schlaflose Nächte gibt. Die Referendare Bensi und Jakobi, die sich der Haft durch die Flucht entzogen haben und steckbrieflich verfolgt werden, sollen in Kopenhagen sein; auf viele andere wird noch gefahndet. Bei einem Referendar, der auf Urlaub ist, hat man eine Haussuchung gehalten, aber nichts Verdächtiges vorgefunden. Man hofft übrigens, daß Temme, dessen Ankunft erwartet wird, und der Direktor des Kriminalsenats, dieser saubern Reactionswirthschaft ein Ende machen werden. Es ist jetzt so weit hier gekommen, daß man nicht mehr wagt, ein freies Wort zu sprechen, ja daß man selbst die russische Knute als eine Erleichterung ansehen würde. — Wir haben mit einem Worte, wenn er auch, weil nicht einmal ein Scheingrund vorliegt, nicht ausgesprochen ist, den Belagerungszustand. Ja der Belagerungszustand von Berlin ist gegen unsern Zustand noch Freiheit.

X Berlin, 13. Dez.

Für den Augenblick weiß ich nichts zu sagen, als daß vorgestern nach eingetroffenen Depeschen aus Paris die ganze Nacht hindurch Ministerrath gewesen; in Folge dessen an die Verwaltungsbehörden der Provinzen Posen und Preußen Verhaltungsbefehle abgegangen sein sollen, die in Bezug auf den freundlichen Empfang der russischen Truppen gestanden haben sollen. Dieses Gerücht ist wenigstens heute hier allgemein verbreitet.

Nachdem gestern die Zeitungshalle auf's neue verboten, hat die Nationalzeitung heute ein gleiches Verbot getroffen.

Die Ausweisungen, Verhaftungen, Denunziationen dauern ununterbrochen fort, und die alte Polizeiwirthschaft ist toller, als sie es jemals gewesen. Das Militär, im Anfang als es einrückte, vor Angst und Furcht zitternd, fängt an übermüthig zu werden. Schlägereien zwischen Civil und Militär sind an der Tagesordnung. Wie ich Ihnen noch aus zuverlässiger Quelle versichern kann, beabsichtigt der Hof diesen Winter einen großartigen Pomp zu entfalten, um dadurch den Gewerbestand für sich zu gewinnen.

Seitdem wir Einsicht in die preußischen Extraordinaria erhalten, wissen wir quibus auxiliis wovon der preußische Hof seinen Pomp bezahlt.

68 Berlin, 13. Dezember.

Dowiats Prozeß. Erster Tag. Heute Vormittag um 2 Uhr begannen vor der ersten Abtheilung des Kriminalgerichts, aus neun Richtern bestehend — die Anklage muß demnach eine sehr schwere sein — unter Vorsitz des Kriminalgerichtsdirektors Harrossewitz, die Verhandlungen gegen Dowiat und 16 Mitangeklagte. Der Staatsanwalt Sethe wird die Anklage begründen. Der einzige Vertheidiger für alle Angeklagten ist der Referendar Meyer. Die Angeklagten werden einzeln aufgerufen. Dowiat erklärt, daß er nur Literat sei, seine Stelle als deutschkatholischer Prediger habe er längst aufgegeben. In Untersuchung habe er sich bereits zwei Mal befunden. Die eine sei eine fiskalische gewesen, auf Veranlassung des Domkapitals in Culm eingeleitete, von der er aber, in Folge des geltend gemachten Beweises der Wahrheit, freigesprochen; die zweite Untersuchung war, auf Denunziation des östreichischen Gesandten, von der Danziger Regierung, wegen einer von ihm in Süddeutschland angezettelt sein sollenden Konspiration, eingeleitet aber wieder niedergeschlagen worden.

Vor Verlesung der Anklage-Akte erhebt der Vertheidiger einen Präjudizialeinwand, da nach § 95 der Verfassung alle politischen Vergehen von Geschwornengerichten abgeurtheilt werden sollen. Der Vorsitzende erklärt jedoch, daß der Gerichtshof sich gestern dahin entschieden, daß er bis zur erfolgten Einsetzung der Geschwornengerichte seine Funktionen fortzusetzen habe. Der Vertheidiger bemerkt hierauf, daß er seinen Einwand bei der Schluß-Vertheidigung dennoch geltend zu machen suchen werde. Hierauf wird der allgemeine Theil der Anklage-Akte verlesen. In Folge der am 20. Aug. in Charlottenburg vorgefallenen Exzesse gegen den dortigen demokratischen Klub war hier eine große Aufregung entstanden, welche durch ein Plakat des demokratischen Klubs vom 21. Aug. noch mehr genährt wurde. Zum 21. Abends 7 Uhr war eine Volksversammlung vor dem Opernhause angesetzt. (Die Anklage-Akte behauptet, daß dies vom demokratischen Kongreß geschehen sei, dem wird aber von den später vernommenen Zeugen widersprochen). Von der Treppe des Opernhauses herab sprachen mehrere Redner. Der Angeklagte Dowiat habe dem Volke zugerufen: „Die Bourgeoisie ist an Allem schuld und außerdem noch das aus Krämern zusammengesetzte Ministerium. Wir müssen daher das Ministerium stürzen.“ Hierauf sei das versammelte Volk vor das Ministerium des Innern gezogen. Das Thor wurde vom Volke mit Gewalt gesprengt, da der Minister Kühlwetter aber nicht anwesend war, zog man vor das Palais des Ministerpräsidenten in der Wilhelmstraße. Eine Deputation, bestehend aus Dowiat, Edgar Bauer und Andern, begab sich zu den Ministern und verlangte von ihnen Freilassung der politischen Gefangenen, Entlassung der Schutzmänner und strenge Untersuchung der Charlottenburger Ereignisse. Währenddessen erschienen eine Abtheilung Schutzmänner, welche (die Anklage-Akte sagt, nach geschehener mündlicher Aufforderung zum Räumung des Platzes, wovon aber die Zeugen nichts gehört haben wollen) mit blanker Waffe auf die Rampe vor dem Ministerhotel stürzten. In Folge dessen warf man die Schutzmänner mit Steinen, wodurch viele verwundet wurden, warf sämmtliche Fenster ein und brach die eisernen Gitter der Rampe und der Einfassung unter den Linden ab. Auch wurde der Anfang zum Bau einer Barrikade gemacht.

Dowiat hielt hierauf eine Rede, worin er den Richtern seinen Standpunkt klar darlegte, auch beinahe alle Anschuldigungen der Anklage-Akte zugestand.

Hierauf werden eine Menge Zeugen vernommen. Unter den Vorgeladenen befinden sich: der Regierungsrath v. Hasenkamp, die Kriminalaktuarien Stein und Thiele, Dr. Stieber und viele andere Beamte. Auch viele Schutzmänner sind unter den Zeugen. Die Zeugenverhöre werden morgen und übermorgen fortgesetzt werden.

Aus glaubwürdiger Quelle wird uns mitgetheilt, daß am Tage der Veröffentlichung der Verfassung, französische und englische Uebersetzungen derselben nebst raisonnirenden Artikeln von Seiten unserer Machthaber nach Paris und London an die dortigen reaktionären Blätter, wie Journal des Debats, Morning Chronicle etc. zur Aufnahme gesandt wurden. Der Staatsanzeiger hat nun das angenehme Geschäft, diese Reklamen der Pariser und Londoner Zeitungen ins Deutsche zurück zu übersetzen und täglich abzudrucken. Eine hohe Person legt auf die Artikel der englischen Zeitungen über unsere Verhältnisse einen besonders hohen Werth.

Nach den unausgesetzten Verfolgungen, welchen unser „Kladderadatsch“ vom General Wrangel ausgesetzt war, kam es gestern um so überraschender, als derselbe, ohne jede weitere Veranlassung, gestern dem Verleger dieses Witzblattes anzeigen ließ, daß dem Erscheinen desselben während des Belagerungszustandes nichts mehr im Wege stehe. In Folge dessen ist schon heute eine neue Nummer erschienen. Auch die „Locomotive“ und der „Publizist“ sind wieder erlaubt.

Held's Weihnachtsstube ist gestern Abend, ebenfalls mit Erlaubniß Wrangels, dem zahlreich zuströmenden Publikum geöffnet worden.

* Berlin, 13. Dezember.

In einer der letzten Nummern der vom Hrn. Wrangel abermals unterdrückten „Zeitungshalle“ lesen wir Nachstehendes:

Einige Worte eines Ausländers, der für deutsche Freiheit zweimal sein Blut vergossen hat und jetzt nach einer preußischen Festung abgeführt wird.

Wenn Ihr Arbeiter, Freunde, die Ihr mit mir in der Königstadt an den Barrikaden für Eure Freiheit gekämpft und mein Blut habt fließen sehen, wenn Ihr Kammeraden, die Ihr mit mir in Schleswig-Holstein gefochten habt, diese Zeilen leset, so habe ich bereits den Berliner Kerker mit den Kasematten zu Magdeburg vertauscht und werde vielleicht von einem Schwarz-Weißen verhöhnt.

Beklagt mich nicht, mein Loos ist das der freien Männer. Nicht die Qualen des Kerkers werden meine Gesinnung und die Liebe zu Euch ändern. Ich werde getrost in meinem Kerker verharren; vielleicht dringt bald der Schall der großen Posaune zum letzten glorreichsten Kampf für die wahre Freiheit durch meine Mauern, vielleicht springen meine Riegel vor

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wir Herrn Barth, zackig wie eine Blitzröhre, auf die Bühne stolpern, hören wir ihn, ganz nach Belieben, bald wie einen verschnupften arkadischen Schäfer kläglich winseln und bald wie einen englischen Porterbrauer schreien und toben, und müssen wir es gar erleben, daß Herr Barth wohl noch bei der geringsten Störung unwohl wird und mit Eclat die Bühne verläßt &#x2014; wir gestehen: da thut es uns leid um das gute Geld des Herrn Gerlach und um die schöne Zeit, die wir selbst vertödelten. Wir wünschen Herrn Barth von Herzen glückliche Reise. Möchte Fräulein J. ihn begleiten und nach Kräften trösten. Als neulich in der Jüdin dies liebenswürdige Paar zusammen musicirte, da war es uns nicht anders, als ob wir alle Wetterfahnen der heiligen Stadt Köln schwirren hörten.</p>
          <p>Hoffentlich wird Herr Gerlach das erwähnte künstlerische Rebut bald durch etwas besseres zu ersetzen wissen. Mit wenigen Ausnahmen sind wir jetzt wirklich mit so vielen Nasen-, Röchel- und Wimmer-Stimmen gesegnet, daß einem nicht selten alle Schauer des jüngsten Gerichtes dabei einfallen.</p>
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          <p>Eine ungeheure Thätigkeit herrscht in der Möblirung des Palastes (Elysée-National) der für die Wohnung des neuen Präsidenten bestimmt ist. Marrast ist bekanntlich ein sehr feiner Mann, mit seinem Geschmack, und in der sichern Voraussicht, seine Partei an's Ruder zu bringen, hatte er sich mit der Meublirung schon längst beschäftigt. Der Geschmack Marrast's stimmt aber nun keineswegs mit dem Geschmack Napoleons überein. Seit gestern wird der Palast auf's neue meublirt, im kaiserlichen Geschmacke. Die Präsidentenwahl ist noch nicht zu Ende, und schon ist eine Präsidentengarderobe wieder in die Rumpelkammer gefallen, aus der man sie hervorgeholt hatte.</p>
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        <head>[Deutschland]</head>
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          <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> schultern emporgehobenen Bourgeoisie und der Bvurgeoisie, die nicht mehr der Volksschultern bedurfte; zwischen der Bourgeoisie, welche scheinbar das Volk der Krone und der Bourgeoisie, die wirklich die Krone dem Volke gegenüber vertrat; zwischen der Bourgeoisie, die sich von der Revolution losschälte und der Bourgeoisie, die als Kern der Revolution herausgeschält war.</p>
          <p>Seiner Rolle gemäß beschränkte sich das Ministerium Camphausen in jungfräulicher Schamhaftigkeit auf den <hi rendition="#g">passiven Widerstand</hi> gegen die Revolution.</p>
          <p>Es verwarf sie zwar in der Theorie, aber in der Praxis <hi rendition="#g">sträubte</hi> es sich nur gegen ihre Anmuthungen und <hi rendition="#g">duldete</hi> nur die Rekonstituirung der alten Staatsgewalten.</p>
          <p>Die Bourgeoisie glaubte unterdeß auf dem Punkte angelangt zu sein, wo der <hi rendition="#g">passive Widerstand</hi> in <hi rendition="#g">aktiven Angriff</hi> übergehen müsse. Das Ministerium <hi rendition="#g">Camphausen</hi> trat ab, nicht weil es diesen oder jenen Mißgriff begangen, sondern aus dem einfachen Grunde, weil es das <hi rendition="#g">erste</hi> Ministerium nach der Märzrevolution, weil es das <hi rendition="#g">Ministerium der Märzrevolution</hi> war und seinem Ursprung gemäß den Repräsentanten der Bourgeoisie noch unter dem Volksdiktator verstecken mußte. Diese seine zweideutige Entstehung und sein doppelsinniger Charakter legten ihm noch gewisse Convenancen, Rückhalte und Rücksichten gegen das souveräne Volk auf, die der Bourgeoisie lästig wurden, die ein zweites direkt aus der Vereinbarerversammlung hervorgegangenes Ministerium nicht mehr zu beobachten hatte.</p>
          <p>Sein Rücktritt war daher ein Räthsel für die Wirthshauspolitiker. Das <hi rendition="#g">Ministerium der That,</hi> das Ministerium <hi rendition="#g">Hansemann</hi> folgte ihm, weil die Bourgeoisie aus der Periode des <hi rendition="#g">passiven</hi> Verraths des Volks an die Krone in die Periode der <hi rendition="#g">aktiven</hi> Unterwerfung des Volks unter ihre mit der Krone vereinbarte Herrschaft überzugehen gedachte. Das <hi rendition="#g">Ministerium der That</hi> war das <hi rendition="#g">zweite</hi> Ministerium <hi rendition="#g">nach</hi> der Märzrevolution. Das war sein ganzes Geheimniß.</p>
          <p>
            <ref type="link">(Fortsetzung folgt.)</ref>
          </p>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 13. Dezember.</head>
          <p>Vor Kurzem prophezeiten wir, daß nach und nach ganz Preußen in Belagerungszustand versetzt werden würde. Diese Voraussagung scheint eintreffen zu wollen. Aber der Belagerungszustand ist auch eine der famosesten Erfindungen!</p>
          <p>Wie sollte Manteuffel-Brandenburg sich nicht beeilen, den größtmöglichsten Nutzen aus ihr zu ziehen?</p>
          <p>Bisher begnügte man sich, einzelnen Städten und deren 2 meiligen Umkreis die Wohlthaten jener Erfindung zuzuwenden. Bei uns dagegen tritt das Belagerungs-Ministerium schon großartiger auf.</p>
          <p>Es läßt sofort durch seine Schergen einen <hi rendition="#g">ganzen Kreis</hi> in Belagerungszustand erklären &#x2014; den Kreis Kreutzburg, Regierungsbezirk Oppeln. Und weshalb? Weil in 2, sage in <hi rendition="#g">zwei,</hi> Dörfern die Bauern ein gutsherrliches Schloß angegriffen und einen gnädigen Gutsherrn mißhandelt haben. Natürlich, so lange Leute aus dem Volk von &#x201E;gnädigen&#x201C; Herrn zerschlagen, bis auf den Tod gepeitscht, wie das wilde Vieh malträtirt und erschossen wurden: da dachte von den hohen Herrn Niemand daran, die betreffenden Distrikte in Belagerungszustand zu versetzen. Mochte ein Baron von Falkenhausen (in der Grafschaft Glatz) unter dem Schein polizeilicher Autorität bürgerliches Pack immerhin mißhandeln: das schadete nichts. Er wurde zwar verurtheilt, aber seine Strafe war die königliche Begnadigung. Der Kreis, in dem er lebte, blieb von jeder Belagerung verschont. Der bekannte Unmensch, Graf Reichenbach in Goschütz (nicht zu verwechseln mit seinem Gegensatz, dem Abgeordneten Reichenbach) durfte verschiedene Leute fast bis zum Tode malträtiren: es krähte kein Hahn danach. Mochte der Lieutenant Herr v. Carnap immerhin einen Pferdeknecht erschießen, der Kreis Trebnitz blieb durchaus mit jeglichem Belagerungszustande verschont. Herr v. Schweinichen prügelte seinen Amtmann aus reiner adliger Wollust dergestalt, daß der, welcher Jahre lang für ihn gearbeitet, bald darauf an den Folgen der Mißhandlung starb. Der Kreis, welcher die Ehre hat, den Hrn. v. Schweinichen zu beherbergea, erfuhr nicht das Mindeste von einem Belagerungszustand.</p>
          <p>Jetzt aber, nach den März- und November-&#x201E;Errungenschaften&#x201C; des Jahres 1848 bedarf es nur eines kleinen Bauerntumults in 2 Dörfern und der Mißhandlung eines gnädigen Herrn v. Gladis: und flugs beschließen die Herrn v. Schleinitz, Reaktions-Oberpräsident von Schlesien, und Herr v. Lindheim, Generallieutenant, <hi rendition="#et">&#x201E;den Kreis Kreutzburg mit folgendem Umkreise und Demarkationslinie (preußisches deutsch!) hiermit in den Belagerungszustand&#x201C;</hi> zu erklären. Der Leser denkt vielleicht, daß also zwar ein ganzer Kreis, aber doch nur dieser Kreis belagert wird. Er irrt sich. Herr Schleinitz und Monsieur Lindheim dehnen in ihrer Demarkationslinie die Belagerung auch auf einen Theil der angrenzenden Kreise: Namslau, Oppeln und Rosenberg aus. So lautet die desfallsige Bekanntmachung vom 11. d. Mts. Mit Ausführung des Belagerungszustandes wird ein Husaren-Oberst, Herr v. Bonin, beauftragt. Das von letzterem am 12. dieses M. veröffentlichte Publikandum ist so ziemlich eine Kopie des Wrangel'schen. Es muß blos noch hervorgehoben werden, daß der Bürger und königl.-preuß. Kommunist Drigalski einen Plagiarius gefunden hat. Auch Herr v. Bonin hat sofort die <hi rendition="#g">Censur</hi> wiederhergestellt. Zum Censor ist der Ober-Regierungs-Rath Kieschke von ihm ernannt worden. Und nun spreche einer noch von Reaktion! Jetzt wage es noch Einer, gegen die neue Verfassung zu schimpfen. Die schönste Preßfreiheit auf dem Papier in Berlin, Erfurt, Düsseldorf und im Kreuzburger Kreise nebst Demarkationslinie; und zu gleicher Zeit die vortrefflichste Censur, wie sie je vor den März-&#x201E;Errungenschaften&#x201C; bestanden! Alle Geschmäcker befriedigt! Sage, was willst Du mehr?</p>
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        <div xml:id="ar170_007" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Weßlingen, 15. Dez.</head>
          <p><hi rendition="#g">Biesinger,</hi> Präsident des hiesigen demokratischen Vereins, <hi rendition="#g">Johnen</hi> und <hi rendition="#g">Esser,</hi> Mitglieder desselben, sind durch 6 Gensdarmen, 4 Dragoner und 12 Infanteristen nach Bonn escortirt worden. Als Grund wird angegeben, es sei auf den Bürgermeister geschossen worden. Indeß behaupten die Bewohner des Dorfes, der Herr Bürgermeister selbst habe dies veranlaßt, um den demokratischen Verein auflösen zu können.</p>
          <p>Die Pointe ist die Versetzung von <hi rendition="#g">Weßlingen</hi> in <hi rendition="#g">Belagerungszustand</hi>. Werden <hi rendition="#g">Nippes</hi> und <hi rendition="#g">Todtenjuden</hi> bald nachfolgen?</p>
        </div>
        <div xml:id="ar170_008" type="jArticle">
          <head><bibl><author>105</author></bibl> Dortmund, 13. Dez.</head>
          <p>Vorgestern wurden die Herren v. Mirbach und Graumann hier verhaftet und nach Münster abgeführt. Als Grund der Verhaftung nennt man keinen andern als die Theilnahme an dem Provinzialkongresse in Münster. Die beiden vorläufig in dem Rathhausgebäude Aufbewahrten hatten die schwache Genugthuung, den Tag über von anströmenden Volkshaufen begrüßt zu werden. Ueber die Verfolgung des Herrn von Mirbach sprach sich bei der sonst so ruhigen Bürgerschaft allgemeine Entrüstung aus. &#x2014; Abends gegen 10 Uhr wurden die Volksmassen von der sogenannten Dortmunder Bürgerwehr auf ächt märkische Weise von dem Marktplatze vertrieben. Die beiden Verhafteten wagte man jedoch erst am folgenden Morgen auf der Eisenbahn nach Münster zu eskortiren.</p>
          <p>Seegen der octroyirten Verfassung!</p>
        </div>
        <div xml:id="ar170_009" type="jArticle">
          <head><bibl><author>41</author></bibl> Bielefeld, 14. Dezbr.</head>
          <p>In Westphalen wird's immer bunter; die Verhaftungen häufen sich; aus sicherer Quelle kann ich Ihnen mittheilen, daß beabsichtigt wird, etwa <hi rendition="#g">120 einflußreiche Leute</hi> einzustecken. In <hi rendition="#g">Paderborn</hi> wurde der Redakteur der &#x201E;Westfälischen Zeitung&#x201C;, Referendar Löher, eingezogen, ein gleiches Schicksal traf den allgemein geachteten Justizrath Groneweg in <hi rendition="#g">Gütersloh,</hi> einen Mann, der schon seit längerer Zeit sich von politischen Bewegungen ziemlich fern gehalten hat. In <hi rendition="#g">Essen</hi> arretirte man den Lehrer Mühlfeld, in <hi rendition="#g">Dortmund</hi> die Herren v. Mirbach und Graumann, in <hi rendition="#g">Soest</hi> den Kanonikus v. Schmitz. Sie wurden sämmtlich nach Münster geschleppt. Viele andere Männer, welche keine Neigung hatten, die Süffigkeit der Untersuchungshaft und das Inquisitionsverfahren nach dem &#x201E;Allgemeinen Landrechte&#x201C; kennen zu lernen, haben sich der Haft durch die Flucht entzogen, darunter der Oberlandesgerichts-Assessor Möllenhof in <hi rendition="#g">Münster,</hi> der Redakteur des &#x201E;Volksfreundes&#x201C;, Kaufmann Rempel in Bielefeld, der Artillerielieutenant Hentze aus <hi rendition="#g">Hamm</hi>.</p>
          <p>Die Verhafteten sind zum Theil ganz zahme Konstitutionelle, denen man keinen andern Vorwurf machen kann, als daß sie von ihrem Associationsrechte Gebrauch gemacht und einen Kongreß in Münster besucht haben. Es sind Leute darunter, welche in Münster nicht ein Wort gesprochen, sich nur ein paar Stunden daselbst aufgehalten haben.</p>
          <p>Der Grund zu diesen fabelhaften &#x201E;Maßregeln&#x201C; ist aber darin zu suchen, daß in Münster ein Centralausschuß gebildet wurde, der auf die Wahlen in Westphalen einwirken sollte. Da in Münster 65 Vereine und Korporationen, sowohl konstitutionelle, als auch demokratische vertreten waren und sich über gemeinschaftliche Operationen einigten, so fürchtet wahrscheinlich die Regierung den Ausfall der nächsten Wahlen in Westphalen. Auch unterlag es Keinen Zweifel, daß dieselben ein ganz anderes Resultat liefern wurden, als die Wahlen zu der Vereinbarungsversammlung, wenn nicht <hi rendition="#g">durch die Verhaftung aller einflußreichen Männer</hi> das Volk wiederum den Umtrieben der Pfaffen und Beamten widerstandslos preisgegeben würde. Man fürchtet das Erwachen der Westphalen, weil sie zäher und hartnäckiger Natur sind. Da liegt der Hase begraben. Hoffen wir, daß trotz alledem die Manöver der Reaction nicht gelingen werden.</p>
          <p>Wem aber jetzt die Augen noch nicht aufgehen über die Zwecke des Ministeriums Brandenburg-Manteufel und über die liberalen Phrasen und das Verfassungs-Blendwerk, dem werden sie wohl für immer geschlossen bleiben.</p>
          <p><hi rendition="#g">Nachschrift</hi>. Die Verhaftung Löhers zu Paderborn veranlaßte drohende Volksdemonstrationen und selbst Barrikadenbau. Auf Ersuchen des Instruktionsrichters erschien Löher, beruhigte das Volk und erklärte, daß er sich freiwillig stelle, worauf sich der Tumult legte. Es sind Husaren requirirt. Brandenburg-Manteuffel macht unendlich bessere Propaganda für die Demokraten als der westphälische Demokraten-Congreß es je vermocht hätte.</p>
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          <head><bibl><author>30</author></bibl> Münster, 12. Dezbr.</head>
          <p>Münster scheint unter dem direkten Einfluß des Czaaren von Rußland und seines Freundes Manteuffel zu stehen. Alle freisinnigen Männer von einigem Einfluß werden verhaftet, unter dem Vorwande, &#x201E;aufrührerische&#x201C;, d. h. das Recht der aufgelös'ten Nationalversammlung gegen die Uebergriffe der Krone vertheidigende Schriften verbreitet zu haben. Es zweifelt hier Niemand daran, daß man diese Männer nur unschädlich machen und ihnen namentlich auch allen Einfluß auf die bevorstehenden Wahlen entziehen will; denn unter den Verhafteten befinden sich angesessene und begüterte Familienväter, die schon durch ihre Geschäfte an Münster gebunden sind und unter keinen Umständen sich entfernen würden, so der Justizkommissar <hi rendition="#g">Gierse</hi> und der Stadtverordnete Kaufmann <hi rendition="#g">Hartmann</hi>. Ersterer steht aber bei den Landbewohnern des Münsterlandes, die er stets gegen den übermüthigen bauernschinderischen Adel geschützt hat, und letzterer bei der arbeitenden Klasse Münsters, um die derselbe sich sehr verdient gemacht, in hohem Ansehen und hatten beide die größte Aussicht, bei den bevorstehenden Wahlen zu Deputirten gewählt zu werden, was man nunmehr hintertrieben hat. Man sagt hier ganz laut, daß hauptsächlich feige Rachsucht hoher reaktionärer Beamten die Ursache dieser unerhörten Verfolgung ist, und wie weit jene geht, erhellt daraus, daß man, ungeachtet der Justizkommissar Gierse erkrankt ist, seinem Arzte den Zutritt zu ihm verwehrt. Ob diese rachsüchtige Maßregel vom Gerichte oder nur vom Direktor der Strafanstalt, Herrn Pohlmann, einem blasirten Menschen, dessen anmaßende Eitelkeit häufig vom Justizkommissar Gierse gekränkt worden ist, ausgeht, lasse ich dahingestellt. Die Seele dieser Verfolgungen sind die Gebrüder von Olfers, der Oberlandesgerichts-Vize- und interimistische Chefpräsident, der die Absicht hat, wirklicher Chefpräsident zu werden, ein kalter Mensch ohne Herz, mit ewig lächelnder Miene, und der Stadtrath und interimistische Oberbürgermeister, der für einen gnädigen Blick von einem hohen Herrn zehn schlaflose Nächte gibt. Die Referendare Bensi und Jakobi, die sich der Haft durch die Flucht entzogen haben und steckbrieflich verfolgt werden, sollen in Kopenhagen sein; auf viele andere wird noch gefahndet. Bei einem Referendar, der auf Urlaub ist, hat man eine Haussuchung gehalten, aber nichts Verdächtiges vorgefunden. Man hofft übrigens, daß Temme, dessen Ankunft erwartet wird, und der Direktor des Kriminalsenats, dieser saubern Reactionswirthschaft ein Ende machen werden. Es ist jetzt so weit hier gekommen, daß man nicht mehr wagt, ein freies Wort zu sprechen, ja daß man selbst die russische Knute als eine Erleichterung ansehen würde. &#x2014; Wir haben mit einem Worte, wenn er auch, weil nicht einmal ein Scheingrund vorliegt, nicht ausgesprochen ist, den Belagerungszustand. Ja der Belagerungszustand von Berlin ist gegen unsern Zustand noch Freiheit.</p>
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          <p>Nachdem gestern die Zeitungshalle auf's neue verboten, hat die <hi rendition="#g">Nationalzeitung</hi> heute ein gleiches Verbot getroffen.</p>
          <p>Die Ausweisungen, Verhaftungen, Denunziationen dauern ununterbrochen fort, und die alte Polizeiwirthschaft ist toller, als sie es jemals gewesen. Das Militär, im Anfang als es einrückte, vor Angst und Furcht zitternd, fängt an übermüthig zu werden. Schlägereien zwischen Civil und Militär sind an der Tagesordnung. Wie ich Ihnen noch aus zuverlässiger Quelle versichern kann, beabsichtigt der Hof diesen Winter einen großartigen Pomp zu entfalten, um dadurch den Gewerbestand für sich zu gewinnen.</p>
          <p>Seitdem wir Einsicht in die preußischen Extraordinaria erhalten, wissen wir quibus auxiliis wovon der preußische Hof seinen Pomp bezahlt.</p>
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          <head><bibl><author>68</author></bibl> Berlin, 13. Dezember.</head>
          <p>Dowiats Prozeß. Erster Tag. Heute Vormittag um 2 Uhr begannen vor der ersten Abtheilung des Kriminalgerichts, aus neun Richtern bestehend &#x2014; die Anklage muß demnach eine sehr schwere sein &#x2014; unter Vorsitz des Kriminalgerichtsdirektors Harrossewitz, die Verhandlungen gegen Dowiat und 16 Mitangeklagte. Der Staatsanwalt Sethe wird die Anklage begründen. Der einzige Vertheidiger für alle Angeklagten ist der Referendar Meyer. Die Angeklagten werden einzeln aufgerufen. Dowiat erklärt, daß er nur Literat sei, seine Stelle als deutschkatholischer Prediger habe er längst aufgegeben. In Untersuchung habe er sich bereits zwei Mal befunden. Die eine sei eine fiskalische gewesen, auf Veranlassung des Domkapitals in Culm eingeleitete, von der er aber, in Folge des geltend gemachten Beweises der Wahrheit, freigesprochen; die zweite Untersuchung war, auf Denunziation des östreichischen Gesandten, von der Danziger Regierung, wegen einer von ihm in Süddeutschland angezettelt sein sollenden Konspiration, eingeleitet aber wieder niedergeschlagen worden.</p>
          <p>Vor Verlesung der Anklage-Akte erhebt der Vertheidiger einen Präjudizialeinwand, da nach § 95 der Verfassung alle politischen Vergehen von Geschwornengerichten abgeurtheilt werden sollen. Der Vorsitzende erklärt jedoch, daß der Gerichtshof sich gestern dahin entschieden, daß er bis zur erfolgten Einsetzung der Geschwornengerichte seine Funktionen fortzusetzen habe. Der Vertheidiger bemerkt hierauf, daß er seinen Einwand bei der Schluß-Vertheidigung dennoch geltend zu machen suchen werde. Hierauf wird der allgemeine Theil der Anklage-Akte verlesen. In Folge der am 20. Aug. in Charlottenburg vorgefallenen Exzesse gegen den dortigen demokratischen Klub war hier eine große Aufregung entstanden, welche durch ein Plakat des demokratischen Klubs vom 21. Aug. noch mehr genährt wurde. Zum 21. Abends 7 Uhr war eine Volksversammlung vor dem Opernhause angesetzt. (Die Anklage-Akte behauptet, daß dies vom demokratischen Kongreß geschehen sei, dem wird aber von den später vernommenen Zeugen widersprochen). Von der Treppe des Opernhauses herab sprachen mehrere Redner. Der Angeklagte Dowiat habe dem Volke zugerufen: &#x201E;Die Bourgeoisie ist an Allem schuld und außerdem noch das aus Krämern zusammengesetzte Ministerium. Wir müssen daher das Ministerium stürzen.&#x201C; Hierauf sei das versammelte Volk vor das Ministerium des Innern gezogen. Das Thor wurde vom Volke mit Gewalt gesprengt, da der Minister Kühlwetter aber nicht anwesend war, zog man vor das Palais des Ministerpräsidenten in der Wilhelmstraße. Eine Deputation, bestehend aus Dowiat, Edgar Bauer und Andern, begab sich zu den Ministern und verlangte von ihnen Freilassung der politischen Gefangenen, Entlassung der Schutzmänner und strenge Untersuchung der Charlottenburger Ereignisse. Währenddessen erschienen eine Abtheilung Schutzmänner, welche (die Anklage-Akte sagt, nach geschehener mündlicher Aufforderung zum Räumung des Platzes, wovon aber die Zeugen nichts gehört haben wollen) mit blanker Waffe auf die Rampe vor dem Ministerhotel stürzten. In Folge dessen warf man die Schutzmänner mit Steinen, wodurch viele verwundet wurden, warf sämmtliche Fenster ein und brach die eisernen Gitter der Rampe und der Einfassung unter den Linden ab. Auch wurde der Anfang zum Bau einer Barrikade gemacht.</p>
          <p>Dowiat hielt hierauf eine Rede, worin er den Richtern seinen Standpunkt klar darlegte, auch beinahe alle Anschuldigungen der Anklage-Akte zugestand.</p>
          <p>Hierauf werden eine Menge Zeugen vernommen. Unter den Vorgeladenen befinden sich: der Regierungsrath v. Hasenkamp, die Kriminalaktuarien Stein und Thiele, Dr. Stieber und viele andere Beamte. Auch viele Schutzmänner sind unter den Zeugen. Die Zeugenverhöre werden morgen und übermorgen fortgesetzt werden.</p>
          <p>Aus glaubwürdiger Quelle wird uns mitgetheilt, daß am Tage der Veröffentlichung der Verfassung, französische und englische Uebersetzungen derselben nebst raisonnirenden Artikeln von Seiten unserer Machthaber nach Paris und London an die dortigen reaktionären Blätter, wie Journal des Debats, Morning Chronicle etc. zur Aufnahme gesandt wurden. Der Staatsanzeiger hat nun das angenehme Geschäft, diese Reklamen der Pariser und Londoner Zeitungen ins Deutsche zurück zu übersetzen und täglich abzudrucken. Eine hohe Person legt auf die Artikel der englischen Zeitungen über unsere Verhältnisse einen besonders hohen Werth.</p>
          <p>Nach den unausgesetzten Verfolgungen, welchen unser &#x201E;Kladderadatsch&#x201C; vom General Wrangel ausgesetzt war, kam es gestern um so überraschender, als derselbe, ohne jede weitere Veranlassung, gestern dem Verleger dieses Witzblattes anzeigen ließ, daß dem Erscheinen desselben während des Belagerungszustandes nichts mehr im Wege stehe. In Folge dessen ist schon heute eine neue Nummer erschienen. Auch die &#x201E;Locomotive&#x201C; und der &#x201E;Publizist&#x201C; sind wieder erlaubt.</p>
          <p>Held's Weihnachtsstube ist gestern Abend, ebenfalls mit Erlaubniß Wrangels, dem zahlreich zuströmenden Publikum geöffnet worden.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar170_013" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 13. Dezember.</head>
          <p>In einer der letzten Nummern der vom Hrn. Wrangel abermals unterdrückten &#x201E;Zeitungshalle&#x201C; lesen wir Nachstehendes:</p>
          <p> <hi rendition="#g">Einige Worte eines Ausländers, der für deutsche Freiheit zweimal sein Blut vergossen hat und jetzt nach einer preußischen Festung abgeführt wird.</hi> </p>
          <p>Wenn Ihr Arbeiter, Freunde, die Ihr mit mir in der Königstadt an den Barrikaden für Eure Freiheit gekämpft und mein Blut habt fließen sehen, wenn Ihr Kammeraden, die Ihr mit mir in Schleswig-Holstein gefochten habt, diese Zeilen leset, so habe ich bereits den Berliner Kerker mit den Kasematten zu Magdeburg vertauscht und werde vielleicht von einem Schwarz-Weißen verhöhnt.</p>
          <p>Beklagt mich nicht, mein Loos ist das der freien Männer. Nicht die Qualen des Kerkers werden meine Gesinnung und die Liebe zu Euch ändern. Ich werde getrost in meinem Kerker verharren; vielleicht dringt bald der Schall der großen Posaune zum letzten glorreichsten Kampf für die wahre Freiheit durch meine Mauern, vielleicht springen meine Riegel vor
</p>
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</TEI>
[0914/0002] wir Herrn Barth, zackig wie eine Blitzröhre, auf die Bühne stolpern, hören wir ihn, ganz nach Belieben, bald wie einen verschnupften arkadischen Schäfer kläglich winseln und bald wie einen englischen Porterbrauer schreien und toben, und müssen wir es gar erleben, daß Herr Barth wohl noch bei der geringsten Störung unwohl wird und mit Eclat die Bühne verläßt — wir gestehen: da thut es uns leid um das gute Geld des Herrn Gerlach und um die schöne Zeit, die wir selbst vertödelten. Wir wünschen Herrn Barth von Herzen glückliche Reise. Möchte Fräulein J. ihn begleiten und nach Kräften trösten. Als neulich in der Jüdin dies liebenswürdige Paar zusammen musicirte, da war es uns nicht anders, als ob wir alle Wetterfahnen der heiligen Stadt Köln schwirren hörten. Hoffentlich wird Herr Gerlach das erwähnte künstlerische Rebut bald durch etwas besseres zu ersetzen wissen. Mit wenigen Ausnahmen sind wir jetzt wirklich mit so vielen Nasen-, Röchel- und Wimmer-Stimmen gesegnet, daß einem nicht selten alle Schauer des jüngsten Gerichtes dabei einfallen. Eine ungeheure Thätigkeit herrscht in der Möblirung des Palastes (Elysée-National) der für die Wohnung des neuen Präsidenten bestimmt ist. Marrast ist bekanntlich ein sehr feiner Mann, mit seinem Geschmack, und in der sichern Voraussicht, seine Partei an's Ruder zu bringen, hatte er sich mit der Meublirung schon längst beschäftigt. Der Geschmack Marrast's stimmt aber nun keineswegs mit dem Geschmack Napoleons überein. Seit gestern wird der Palast auf's neue meublirt, im kaiserlichen Geschmacke. Die Präsidentenwahl ist noch nicht zu Ende, und schon ist eine Präsidentengarderobe wieder in die Rumpelkammer gefallen, aus der man sie hervorgeholt hatte. [Deutschland] [Fortsetzung] schultern emporgehobenen Bourgeoisie und der Bvurgeoisie, die nicht mehr der Volksschultern bedurfte; zwischen der Bourgeoisie, welche scheinbar das Volk der Krone und der Bourgeoisie, die wirklich die Krone dem Volke gegenüber vertrat; zwischen der Bourgeoisie, die sich von der Revolution losschälte und der Bourgeoisie, die als Kern der Revolution herausgeschält war. Seiner Rolle gemäß beschränkte sich das Ministerium Camphausen in jungfräulicher Schamhaftigkeit auf den passiven Widerstand gegen die Revolution. Es verwarf sie zwar in der Theorie, aber in der Praxis sträubte es sich nur gegen ihre Anmuthungen und duldete nur die Rekonstituirung der alten Staatsgewalten. Die Bourgeoisie glaubte unterdeß auf dem Punkte angelangt zu sein, wo der passive Widerstand in aktiven Angriff übergehen müsse. Das Ministerium Camphausen trat ab, nicht weil es diesen oder jenen Mißgriff begangen, sondern aus dem einfachen Grunde, weil es das erste Ministerium nach der Märzrevolution, weil es das Ministerium der Märzrevolution war und seinem Ursprung gemäß den Repräsentanten der Bourgeoisie noch unter dem Volksdiktator verstecken mußte. Diese seine zweideutige Entstehung und sein doppelsinniger Charakter legten ihm noch gewisse Convenancen, Rückhalte und Rücksichten gegen das souveräne Volk auf, die der Bourgeoisie lästig wurden, die ein zweites direkt aus der Vereinbarerversammlung hervorgegangenes Ministerium nicht mehr zu beobachten hatte. Sein Rücktritt war daher ein Räthsel für die Wirthshauspolitiker. Das Ministerium der That, das Ministerium Hansemann folgte ihm, weil die Bourgeoisie aus der Periode des passiven Verraths des Volks an die Krone in die Periode der aktiven Unterwerfung des Volks unter ihre mit der Krone vereinbarte Herrschaft überzugehen gedachte. Das Ministerium der That war das zweite Ministerium nach der Märzrevolution. Das war sein ganzes Geheimniß. (Fortsetzung folgt.) * Köln, 13. Dezember. Vor Kurzem prophezeiten wir, daß nach und nach ganz Preußen in Belagerungszustand versetzt werden würde. Diese Voraussagung scheint eintreffen zu wollen. Aber der Belagerungszustand ist auch eine der famosesten Erfindungen! Wie sollte Manteuffel-Brandenburg sich nicht beeilen, den größtmöglichsten Nutzen aus ihr zu ziehen? Bisher begnügte man sich, einzelnen Städten und deren 2 meiligen Umkreis die Wohlthaten jener Erfindung zuzuwenden. Bei uns dagegen tritt das Belagerungs-Ministerium schon großartiger auf. Es läßt sofort durch seine Schergen einen ganzen Kreis in Belagerungszustand erklären — den Kreis Kreutzburg, Regierungsbezirk Oppeln. Und weshalb? Weil in 2, sage in zwei, Dörfern die Bauern ein gutsherrliches Schloß angegriffen und einen gnädigen Gutsherrn mißhandelt haben. Natürlich, so lange Leute aus dem Volk von „gnädigen“ Herrn zerschlagen, bis auf den Tod gepeitscht, wie das wilde Vieh malträtirt und erschossen wurden: da dachte von den hohen Herrn Niemand daran, die betreffenden Distrikte in Belagerungszustand zu versetzen. Mochte ein Baron von Falkenhausen (in der Grafschaft Glatz) unter dem Schein polizeilicher Autorität bürgerliches Pack immerhin mißhandeln: das schadete nichts. Er wurde zwar verurtheilt, aber seine Strafe war die königliche Begnadigung. Der Kreis, in dem er lebte, blieb von jeder Belagerung verschont. Der bekannte Unmensch, Graf Reichenbach in Goschütz (nicht zu verwechseln mit seinem Gegensatz, dem Abgeordneten Reichenbach) durfte verschiedene Leute fast bis zum Tode malträtiren: es krähte kein Hahn danach. Mochte der Lieutenant Herr v. Carnap immerhin einen Pferdeknecht erschießen, der Kreis Trebnitz blieb durchaus mit jeglichem Belagerungszustande verschont. Herr v. Schweinichen prügelte seinen Amtmann aus reiner adliger Wollust dergestalt, daß der, welcher Jahre lang für ihn gearbeitet, bald darauf an den Folgen der Mißhandlung starb. Der Kreis, welcher die Ehre hat, den Hrn. v. Schweinichen zu beherbergea, erfuhr nicht das Mindeste von einem Belagerungszustand. Jetzt aber, nach den März- und November-„Errungenschaften“ des Jahres 1848 bedarf es nur eines kleinen Bauerntumults in 2 Dörfern und der Mißhandlung eines gnädigen Herrn v. Gladis: und flugs beschließen die Herrn v. Schleinitz, Reaktions-Oberpräsident von Schlesien, und Herr v. Lindheim, Generallieutenant, „den Kreis Kreutzburg mit folgendem Umkreise und Demarkationslinie (preußisches deutsch!) hiermit in den Belagerungszustand“ zu erklären. Der Leser denkt vielleicht, daß also zwar ein ganzer Kreis, aber doch nur dieser Kreis belagert wird. Er irrt sich. Herr Schleinitz und Monsieur Lindheim dehnen in ihrer Demarkationslinie die Belagerung auch auf einen Theil der angrenzenden Kreise: Namslau, Oppeln und Rosenberg aus. So lautet die desfallsige Bekanntmachung vom 11. d. Mts. Mit Ausführung des Belagerungszustandes wird ein Husaren-Oberst, Herr v. Bonin, beauftragt. Das von letzterem am 12. dieses M. veröffentlichte Publikandum ist so ziemlich eine Kopie des Wrangel'schen. Es muß blos noch hervorgehoben werden, daß der Bürger und königl.-preuß. Kommunist Drigalski einen Plagiarius gefunden hat. Auch Herr v. Bonin hat sofort die Censur wiederhergestellt. Zum Censor ist der Ober-Regierungs-Rath Kieschke von ihm ernannt worden. Und nun spreche einer noch von Reaktion! Jetzt wage es noch Einer, gegen die neue Verfassung zu schimpfen. Die schönste Preßfreiheit auf dem Papier in Berlin, Erfurt, Düsseldorf und im Kreuzburger Kreise nebst Demarkationslinie; und zu gleicher Zeit die vortrefflichste Censur, wie sie je vor den März-„Errungenschaften“ bestanden! Alle Geschmäcker befriedigt! Sage, was willst Du mehr? * Weßlingen, 15. Dez. Biesinger, Präsident des hiesigen demokratischen Vereins, Johnen und Esser, Mitglieder desselben, sind durch 6 Gensdarmen, 4 Dragoner und 12 Infanteristen nach Bonn escortirt worden. Als Grund wird angegeben, es sei auf den Bürgermeister geschossen worden. Indeß behaupten die Bewohner des Dorfes, der Herr Bürgermeister selbst habe dies veranlaßt, um den demokratischen Verein auflösen zu können. Die Pointe ist die Versetzung von Weßlingen in Belagerungszustand. Werden Nippes und Todtenjuden bald nachfolgen? 105 Dortmund, 13. Dez. Vorgestern wurden die Herren v. Mirbach und Graumann hier verhaftet und nach Münster abgeführt. Als Grund der Verhaftung nennt man keinen andern als die Theilnahme an dem Provinzialkongresse in Münster. Die beiden vorläufig in dem Rathhausgebäude Aufbewahrten hatten die schwache Genugthuung, den Tag über von anströmenden Volkshaufen begrüßt zu werden. Ueber die Verfolgung des Herrn von Mirbach sprach sich bei der sonst so ruhigen Bürgerschaft allgemeine Entrüstung aus. — Abends gegen 10 Uhr wurden die Volksmassen von der sogenannten Dortmunder Bürgerwehr auf ächt märkische Weise von dem Marktplatze vertrieben. Die beiden Verhafteten wagte man jedoch erst am folgenden Morgen auf der Eisenbahn nach Münster zu eskortiren. Seegen der octroyirten Verfassung! 41 Bielefeld, 14. Dezbr. In Westphalen wird's immer bunter; die Verhaftungen häufen sich; aus sicherer Quelle kann ich Ihnen mittheilen, daß beabsichtigt wird, etwa 120 einflußreiche Leute einzustecken. In Paderborn wurde der Redakteur der „Westfälischen Zeitung“, Referendar Löher, eingezogen, ein gleiches Schicksal traf den allgemein geachteten Justizrath Groneweg in Gütersloh, einen Mann, der schon seit längerer Zeit sich von politischen Bewegungen ziemlich fern gehalten hat. In Essen arretirte man den Lehrer Mühlfeld, in Dortmund die Herren v. Mirbach und Graumann, in Soest den Kanonikus v. Schmitz. Sie wurden sämmtlich nach Münster geschleppt. Viele andere Männer, welche keine Neigung hatten, die Süffigkeit der Untersuchungshaft und das Inquisitionsverfahren nach dem „Allgemeinen Landrechte“ kennen zu lernen, haben sich der Haft durch die Flucht entzogen, darunter der Oberlandesgerichts-Assessor Möllenhof in Münster, der Redakteur des „Volksfreundes“, Kaufmann Rempel in Bielefeld, der Artillerielieutenant Hentze aus Hamm. Die Verhafteten sind zum Theil ganz zahme Konstitutionelle, denen man keinen andern Vorwurf machen kann, als daß sie von ihrem Associationsrechte Gebrauch gemacht und einen Kongreß in Münster besucht haben. Es sind Leute darunter, welche in Münster nicht ein Wort gesprochen, sich nur ein paar Stunden daselbst aufgehalten haben. Der Grund zu diesen fabelhaften „Maßregeln“ ist aber darin zu suchen, daß in Münster ein Centralausschuß gebildet wurde, der auf die Wahlen in Westphalen einwirken sollte. Da in Münster 65 Vereine und Korporationen, sowohl konstitutionelle, als auch demokratische vertreten waren und sich über gemeinschaftliche Operationen einigten, so fürchtet wahrscheinlich die Regierung den Ausfall der nächsten Wahlen in Westphalen. Auch unterlag es Keinen Zweifel, daß dieselben ein ganz anderes Resultat liefern wurden, als die Wahlen zu der Vereinbarungsversammlung, wenn nicht durch die Verhaftung aller einflußreichen Männer das Volk wiederum den Umtrieben der Pfaffen und Beamten widerstandslos preisgegeben würde. Man fürchtet das Erwachen der Westphalen, weil sie zäher und hartnäckiger Natur sind. Da liegt der Hase begraben. Hoffen wir, daß trotz alledem die Manöver der Reaction nicht gelingen werden. Wem aber jetzt die Augen noch nicht aufgehen über die Zwecke des Ministeriums Brandenburg-Manteufel und über die liberalen Phrasen und das Verfassungs-Blendwerk, dem werden sie wohl für immer geschlossen bleiben. Nachschrift. Die Verhaftung Löhers zu Paderborn veranlaßte drohende Volksdemonstrationen und selbst Barrikadenbau. Auf Ersuchen des Instruktionsrichters erschien Löher, beruhigte das Volk und erklärte, daß er sich freiwillig stelle, worauf sich der Tumult legte. Es sind Husaren requirirt. Brandenburg-Manteuffel macht unendlich bessere Propaganda für die Demokraten als der westphälische Demokraten-Congreß es je vermocht hätte. 30 Münster, 12. Dezbr. Münster scheint unter dem direkten Einfluß des Czaaren von Rußland und seines Freundes Manteuffel zu stehen. Alle freisinnigen Männer von einigem Einfluß werden verhaftet, unter dem Vorwande, „aufrührerische“, d. h. das Recht der aufgelös'ten Nationalversammlung gegen die Uebergriffe der Krone vertheidigende Schriften verbreitet zu haben. Es zweifelt hier Niemand daran, daß man diese Männer nur unschädlich machen und ihnen namentlich auch allen Einfluß auf die bevorstehenden Wahlen entziehen will; denn unter den Verhafteten befinden sich angesessene und begüterte Familienväter, die schon durch ihre Geschäfte an Münster gebunden sind und unter keinen Umständen sich entfernen würden, so der Justizkommissar Gierse und der Stadtverordnete Kaufmann Hartmann. Ersterer steht aber bei den Landbewohnern des Münsterlandes, die er stets gegen den übermüthigen bauernschinderischen Adel geschützt hat, und letzterer bei der arbeitenden Klasse Münsters, um die derselbe sich sehr verdient gemacht, in hohem Ansehen und hatten beide die größte Aussicht, bei den bevorstehenden Wahlen zu Deputirten gewählt zu werden, was man nunmehr hintertrieben hat. Man sagt hier ganz laut, daß hauptsächlich feige Rachsucht hoher reaktionärer Beamten die Ursache dieser unerhörten Verfolgung ist, und wie weit jene geht, erhellt daraus, daß man, ungeachtet der Justizkommissar Gierse erkrankt ist, seinem Arzte den Zutritt zu ihm verwehrt. Ob diese rachsüchtige Maßregel vom Gerichte oder nur vom Direktor der Strafanstalt, Herrn Pohlmann, einem blasirten Menschen, dessen anmaßende Eitelkeit häufig vom Justizkommissar Gierse gekränkt worden ist, ausgeht, lasse ich dahingestellt. Die Seele dieser Verfolgungen sind die Gebrüder von Olfers, der Oberlandesgerichts-Vize- und interimistische Chefpräsident, der die Absicht hat, wirklicher Chefpräsident zu werden, ein kalter Mensch ohne Herz, mit ewig lächelnder Miene, und der Stadtrath und interimistische Oberbürgermeister, der für einen gnädigen Blick von einem hohen Herrn zehn schlaflose Nächte gibt. Die Referendare Bensi und Jakobi, die sich der Haft durch die Flucht entzogen haben und steckbrieflich verfolgt werden, sollen in Kopenhagen sein; auf viele andere wird noch gefahndet. Bei einem Referendar, der auf Urlaub ist, hat man eine Haussuchung gehalten, aber nichts Verdächtiges vorgefunden. Man hofft übrigens, daß Temme, dessen Ankunft erwartet wird, und der Direktor des Kriminalsenats, dieser saubern Reactionswirthschaft ein Ende machen werden. Es ist jetzt so weit hier gekommen, daß man nicht mehr wagt, ein freies Wort zu sprechen, ja daß man selbst die russische Knute als eine Erleichterung ansehen würde. — Wir haben mit einem Worte, wenn er auch, weil nicht einmal ein Scheingrund vorliegt, nicht ausgesprochen ist, den Belagerungszustand. Ja der Belagerungszustand von Berlin ist gegen unsern Zustand noch Freiheit. X Berlin, 13. Dez. Für den Augenblick weiß ich nichts zu sagen, als daß vorgestern nach eingetroffenen Depeschen aus Paris die ganze Nacht hindurch Ministerrath gewesen; in Folge dessen an die Verwaltungsbehörden der Provinzen Posen und Preußen Verhaltungsbefehle abgegangen sein sollen, die in Bezug auf den freundlichen Empfang der russischen Truppen gestanden haben sollen. Dieses Gerücht ist wenigstens heute hier allgemein verbreitet. Nachdem gestern die Zeitungshalle auf's neue verboten, hat die Nationalzeitung heute ein gleiches Verbot getroffen. Die Ausweisungen, Verhaftungen, Denunziationen dauern ununterbrochen fort, und die alte Polizeiwirthschaft ist toller, als sie es jemals gewesen. Das Militär, im Anfang als es einrückte, vor Angst und Furcht zitternd, fängt an übermüthig zu werden. Schlägereien zwischen Civil und Militär sind an der Tagesordnung. Wie ich Ihnen noch aus zuverlässiger Quelle versichern kann, beabsichtigt der Hof diesen Winter einen großartigen Pomp zu entfalten, um dadurch den Gewerbestand für sich zu gewinnen. Seitdem wir Einsicht in die preußischen Extraordinaria erhalten, wissen wir quibus auxiliis wovon der preußische Hof seinen Pomp bezahlt. 68 Berlin, 13. Dezember. Dowiats Prozeß. Erster Tag. Heute Vormittag um 2 Uhr begannen vor der ersten Abtheilung des Kriminalgerichts, aus neun Richtern bestehend — die Anklage muß demnach eine sehr schwere sein — unter Vorsitz des Kriminalgerichtsdirektors Harrossewitz, die Verhandlungen gegen Dowiat und 16 Mitangeklagte. Der Staatsanwalt Sethe wird die Anklage begründen. Der einzige Vertheidiger für alle Angeklagten ist der Referendar Meyer. Die Angeklagten werden einzeln aufgerufen. Dowiat erklärt, daß er nur Literat sei, seine Stelle als deutschkatholischer Prediger habe er längst aufgegeben. In Untersuchung habe er sich bereits zwei Mal befunden. Die eine sei eine fiskalische gewesen, auf Veranlassung des Domkapitals in Culm eingeleitete, von der er aber, in Folge des geltend gemachten Beweises der Wahrheit, freigesprochen; die zweite Untersuchung war, auf Denunziation des östreichischen Gesandten, von der Danziger Regierung, wegen einer von ihm in Süddeutschland angezettelt sein sollenden Konspiration, eingeleitet aber wieder niedergeschlagen worden. Vor Verlesung der Anklage-Akte erhebt der Vertheidiger einen Präjudizialeinwand, da nach § 95 der Verfassung alle politischen Vergehen von Geschwornengerichten abgeurtheilt werden sollen. Der Vorsitzende erklärt jedoch, daß der Gerichtshof sich gestern dahin entschieden, daß er bis zur erfolgten Einsetzung der Geschwornengerichte seine Funktionen fortzusetzen habe. Der Vertheidiger bemerkt hierauf, daß er seinen Einwand bei der Schluß-Vertheidigung dennoch geltend zu machen suchen werde. Hierauf wird der allgemeine Theil der Anklage-Akte verlesen. In Folge der am 20. Aug. in Charlottenburg vorgefallenen Exzesse gegen den dortigen demokratischen Klub war hier eine große Aufregung entstanden, welche durch ein Plakat des demokratischen Klubs vom 21. Aug. noch mehr genährt wurde. Zum 21. Abends 7 Uhr war eine Volksversammlung vor dem Opernhause angesetzt. (Die Anklage-Akte behauptet, daß dies vom demokratischen Kongreß geschehen sei, dem wird aber von den später vernommenen Zeugen widersprochen). Von der Treppe des Opernhauses herab sprachen mehrere Redner. Der Angeklagte Dowiat habe dem Volke zugerufen: „Die Bourgeoisie ist an Allem schuld und außerdem noch das aus Krämern zusammengesetzte Ministerium. Wir müssen daher das Ministerium stürzen.“ Hierauf sei das versammelte Volk vor das Ministerium des Innern gezogen. Das Thor wurde vom Volke mit Gewalt gesprengt, da der Minister Kühlwetter aber nicht anwesend war, zog man vor das Palais des Ministerpräsidenten in der Wilhelmstraße. Eine Deputation, bestehend aus Dowiat, Edgar Bauer und Andern, begab sich zu den Ministern und verlangte von ihnen Freilassung der politischen Gefangenen, Entlassung der Schutzmänner und strenge Untersuchung der Charlottenburger Ereignisse. Währenddessen erschienen eine Abtheilung Schutzmänner, welche (die Anklage-Akte sagt, nach geschehener mündlicher Aufforderung zum Räumung des Platzes, wovon aber die Zeugen nichts gehört haben wollen) mit blanker Waffe auf die Rampe vor dem Ministerhotel stürzten. In Folge dessen warf man die Schutzmänner mit Steinen, wodurch viele verwundet wurden, warf sämmtliche Fenster ein und brach die eisernen Gitter der Rampe und der Einfassung unter den Linden ab. Auch wurde der Anfang zum Bau einer Barrikade gemacht. Dowiat hielt hierauf eine Rede, worin er den Richtern seinen Standpunkt klar darlegte, auch beinahe alle Anschuldigungen der Anklage-Akte zugestand. Hierauf werden eine Menge Zeugen vernommen. Unter den Vorgeladenen befinden sich: der Regierungsrath v. Hasenkamp, die Kriminalaktuarien Stein und Thiele, Dr. Stieber und viele andere Beamte. Auch viele Schutzmänner sind unter den Zeugen. Die Zeugenverhöre werden morgen und übermorgen fortgesetzt werden. Aus glaubwürdiger Quelle wird uns mitgetheilt, daß am Tage der Veröffentlichung der Verfassung, französische und englische Uebersetzungen derselben nebst raisonnirenden Artikeln von Seiten unserer Machthaber nach Paris und London an die dortigen reaktionären Blätter, wie Journal des Debats, Morning Chronicle etc. zur Aufnahme gesandt wurden. Der Staatsanzeiger hat nun das angenehme Geschäft, diese Reklamen der Pariser und Londoner Zeitungen ins Deutsche zurück zu übersetzen und täglich abzudrucken. Eine hohe Person legt auf die Artikel der englischen Zeitungen über unsere Verhältnisse einen besonders hohen Werth. Nach den unausgesetzten Verfolgungen, welchen unser „Kladderadatsch“ vom General Wrangel ausgesetzt war, kam es gestern um so überraschender, als derselbe, ohne jede weitere Veranlassung, gestern dem Verleger dieses Witzblattes anzeigen ließ, daß dem Erscheinen desselben während des Belagerungszustandes nichts mehr im Wege stehe. In Folge dessen ist schon heute eine neue Nummer erschienen. Auch die „Locomotive“ und der „Publizist“ sind wieder erlaubt. Held's Weihnachtsstube ist gestern Abend, ebenfalls mit Erlaubniß Wrangels, dem zahlreich zuströmenden Publikum geöffnet worden. * Berlin, 13. Dezember. In einer der letzten Nummern der vom Hrn. Wrangel abermals unterdrückten „Zeitungshalle“ lesen wir Nachstehendes: Einige Worte eines Ausländers, der für deutsche Freiheit zweimal sein Blut vergossen hat und jetzt nach einer preußischen Festung abgeführt wird. Wenn Ihr Arbeiter, Freunde, die Ihr mit mir in der Königstadt an den Barrikaden für Eure Freiheit gekämpft und mein Blut habt fließen sehen, wenn Ihr Kammeraden, die Ihr mit mir in Schleswig-Holstein gefochten habt, diese Zeilen leset, so habe ich bereits den Berliner Kerker mit den Kasematten zu Magdeburg vertauscht und werde vielleicht von einem Schwarz-Weißen verhöhnt. Beklagt mich nicht, mein Loos ist das der freien Männer. Nicht die Qualen des Kerkers werden meine Gesinnung und die Liebe zu Euch ändern. Ich werde getrost in meinem Kerker verharren; vielleicht dringt bald der Schall der großen Posaune zum letzten glorreichsten Kampf für die wahre Freiheit durch meine Mauern, vielleicht springen meine Riegel vor

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 170. Köln, 16. Dezember 1848, S. 0914. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz170_1848/2>, abgerufen am 08.12.2024.