Neue Rheinische Zeitung. Nr. 166. Köln, 12. Dezember 1848.Lehrer der Emeute, dieser ganze Schwarm sollte nachträglich beschenkt werden mit dem mühsam eingetriebenen Gelde der Steuerpflichtigen. Aber die öffentliche Meinung erhob sich drohend gegen diese Verhöhnung der Moral, und mit Recht rief Herr v. Larochejacquelin (einer der verrücktesten Junker alten Schlages notabene): "das Projekt falle ja schon vor dem allgemeinen Unwillen!" Die Demokratie hat sich folgende Freiheitskämpfer auf diesem Verzeichniß zu merken: Erste Klasse jährlich 500 Frs. Pension: Arbogast, Sackträger, 1839 ein Monat Kerker, hat jedesmal mitgekämpft. Augias, Modellirer, Juliverwundeter, 1846 verurtheilt wegen Verkaufs der Brustbilder Robespierre's. Bainse, Buchbinder, nach dem republikanischen Aufstande von 1832 zum Tode verdammt. Baune, von 1835 bis 37 auf Pairsurtheil im Kerker, jetzt Volksvertreter. Blondeau, Gemüsehändler, 1832 nach dem Juniaufstande der Republikaner fünf Jahre Galeeren, (und ein Emil Girardin nebst Frau laufen frei herum und mokiren sich über ihn!!). Boucheron, Holzsäger, wegen Attentat auf die Herren Söhne Sr. Maj. Louis Philipp's und Widersetzlichkeit gegen die Polizeigewalt zehn Jahre Kerker. Tricotel, Unteroffizier, zehn Jahre Kerker wegen des republikanischen Komplottes in Lüneville. Trümloup, Professor der Baukunst, erwarb in seinem Fach den zweiten großen Preis, focht 1830, 1833 im Kerker, focht im April 1834, ward revolutionärer Sektionsvorsteher, hat seit 27 Jahren Tag und Nacht das alte System befehdet. Rogat, Kupferstecher, 1834 wegen einer aufrührerischen Medaille verurtheilt. Wittwe des Bürgers Minton, den Louis Philipp wegen Attentat auf ihn zu den Galeeren schickte, wo er starb. Pillot, sechs Monate Kerker wegen Association, ungesetzlichem Tragen des Priesterkleides 1839, 300 Franken Strafe; 1840 dito wegen Attentat auf die Regierung. Samuel Koch, auf der Insel Martinique 1834 als Insurgent zum Tode verdammt, darnach fünfzehn Jahre Galeeren und fünf Jahre Kerker (und Delphine Gay und Girardin laufen frank und frei herum und höhnen!!). Wittwe des B. Colombier, wegen fehlgeschlagenem Königsmord auf den Galeeren, wo er starb. Degeorges 1824 im Kampf gegen die Pfaffen- und Adelssoldaten der Restauration, in Koutumaz zum Tode verdammt. Lecomte im Kerker 1831 wegen Aufruf zur Emeute. Schwester B. Lecomte's, der als Königsmörder hingerichtet ward. Coffineau, Hausbesitzer und Kommunist, sieben Jahre Kerker, angeblich wegen Diebstahl, in Wahrheit wegen seiner Propaganda. -- Cabet, Marrast, Caussidiere, Gervais (heute Dr. med. und Polizeipräfekt), Trelat (Dr. med. und Exminister der Staatsarbeiten), Sobrier, Redakteur der "Commune de Paris" und jetzt Maigefangener zu Vincennes nebst Barbes; Flocon, Exminister des Handels und Ackerbaues, stehen auch auf dieser Liste, neben Bastide, Minister des Auswärtigen! Die zweite Liste zu 300 Franken bringt 536 Personen, worunter Carrette, Fabrikant, 3 Monate Kerker und 3000 Franken Buße im Jahre 1833 angeblich wegen Religionsverspottung, Februarkämpfer und nach dem Juni eine zeitlang verhaftet. Carteron, vom Kaiser Napoleon mit zehn Jahren Galeeren wegen eines gestohlenen Kaninchens beschenkt; von Louis Philipp dreimal mit Einkerkerung wegen Aufreizung zur Emeute. Annette Pierre, zwei Jahre eingekerkert wegen Aufreizung zur Emeute, im Kerker wahnwitzig geworden. Virginie Galand, 1846 eingekerkert. Rose Puin fünf Jahre Galeeren 1831 wegen Emeute. Bürgerin Bourlier, Tagelöhnerin, Kerker und nachherige öftere Verfolgung. Unter den jetzigen Staatsmännern und Beamten, die Louis Philipp's tückischer Rache verfielen, hatten Trelat, außer Gefängniß, 12000 Franken zu zahlen gehabt; Cabet war 5, Marrast 1 Jahr zu London in freiwilligem Exil gewesen, u. s. w. 12 Paris, 8. Dez. Hr. Arago hat, wie man weiß, um 7 ganze Stunden den Abgang der Posten zurückgehalten, damit die Debatte über die Nationalbelohnungen nicht stückweise den Provinzen zukäme. Gingen mit dieser Mallpost weiter keine Depeschen ab als die der Regierung, so ließe sich diese Verzögerung von Seiten Cavaignacs, der dem Postdirektor diesen Befehl gegeben hatte, begreifen. Hr. Cavaignac benutzt die Posten zur Beförderung seiner Kandidatur. Er will nicht, daß "das Gift ohne das Gegengift in der Provinz" anlange. Aber mit dieser Mallpost gehen jeden Tag zur bestimmten Stunde alle Korrespondenzen von Paris ab: in der Provinz selbst wird die Ankunft dieser Briefe jeden Tag zur bestimmten Stunde erwartet. Nun denke man sich, welche Störung unter den jetzigen Umständen die mindeste Verzögerung hervorbringen muß: Störung jeder Art, politischer sowohl als kommerzieller Natur. Die "Debats", welche, wie man weiß, auf Seiten Cavaignac's stehen, rügen mit herben Worten diese unbegreifliche Maßregel, die man sich zu keiner Zeit, und in keinem Lande noch erlaubt hätte. Vom rechtlichen Standpunkte aber ist diese Maßregel geradezu ein Eingriff in die Freiheit der Presse, und die Kammer billigt diesen Eingriff. Cavaignac wirft sich zum Censor der Mittheilungen für die Provinz auf, und die Kammer billigt die Sonderung "des Giftes vom Gegengifte." Cavaignac, indem er die Debatten der Provinz mehrere Stunden vorbehält, sagt zu den Departements: Ihr sollt das noch nicht wissen; ihr sollt es zur rechten Zeit nicht wissen; es ist nicht die rechte Zeit für Euch, es zu wissen. Wir streichen es, wir lassen es eine Zeitlang weiß stehe, indem wir die Postwagen im Stalle stehen lassen; später sollt ihr die gestrichenen Stellen mit den Randglossen des Censors lesen. Daß die Post in Paris vor allen Dingen ein kommerzielles Institut sei, daran konnten die Leute des Nationals nicht denken. Was war aber nun das "Gift", welches nicht ohne Gegengift verabreicht werden sollte, und das man sieben ganze Stunden verborgen hielt? Die nationale Belohnungen! die Guten, welche für die gute Sache gelitten hatten, sollten belohnt werden. Die gute Sache war die Republik, die böse das Königthum: die Guten sind also die Republikaner, die auf die eine oder die andere Weise gegen das Böse gekämpft haben: ob im Februar, vor oder nach Februar mußte natürlich gleichgültig sein. Die Restauration hatte eine Milliarde bewilligt, für die, welche nach dem Sturze des Kaiserthums, auf die eine oder die andere Weise für das Königthum gelitten hatten: die Republik konnte nicht weniger thun, als eine Belohnung denen zu bewilligen, die an dem Sturze des Königthums sich betheiligt hatten. Im Februar war es das Proletariat in Masse, welche das Königthum in Masse gestürzt hatten; vor dem Februar waren es einzelne Proletarier, die den König einzeln mit Verachtung ihres Lebens stürzen wollten. Aber diese Proletarier, heißt es, waren Mörder, folglich waren es böse Leute, die nicht belohnt werden dürfen. Sie haben übrigens ihr "Verbrechen" gebüßt und wenn ihre Angehörigen, wie die Verwandten Alibaud's, Darmes u. s. w. jetzt dulden und nicht unterstützt werden, so dürfen sie sich darüber nicht beklagen. Andere wieder, wie Marrast, Bastide u. s. w. haben nicht mit dem Schwerte, sondern mit dem Wort gegen den König angekämpft. Diese "Bösen" wurden damals bestraft, und sollten nun als "gute Republikaner" mit einer jährlichen Rente von 500 Fr. und darüber belohnt werden. Aber diese "Guten" haben sich schon alle selbst belohnt und sitzen als Richter über die andern Guten, welche eine Belohnung verdienen. Die andern Guten sind nun aber keine andern als die Kämpfer im Februar. Die Kämpfer im Februar aber haben auch im Juni gekämpft. Statt belohnt zu werden, sollen sie jetzt deportirt werden. Wenn sie im Februar gut waren, so sind sie im Juni böse geworden. Wer sind also die "Guten," die belohnt werden müssen? Niemand, außer diejenigen welche sich selbst belohnt haben: das sind die einzig Guten. Das Dekret ist also einstweilen zurückgenommen worden. Damit aber in den Provinzen keine Verwirrung entstehe über die Begriffe des Guten und Bösen, damit sie nicht das süße Gift des Bösen einsaugen, ohne zugleich das bittere Gegengift mit einzuschlürfen, hat ihnen der ehemalige Bürgermeister von Paris, Marrast, beides zusammen, wohlverpackt im Postwagen und gehörig zergliedert im National mitgeschickt. Und das ist die Lehr von der Geschicht, 19 Paris, 9. Dez. Skandal! Skandal! Welcher glorreiche Abend für die Sonne der "honetten" Republik! War es nicht auch der Skandal, der Schmutz einiger ehrgeizigen Diebe, welche seit der Restauration jedesmal dem Fall der Ministerien oder "Dynastien" voranging? Und die Dynastie "National" hat in konservativer Begeisterung nichts Eiligeres zu thun, als in den letzten Tagen vor der Präsidentenwahl noch schnell mit Schmutz und Gestank von ihrer honett-republikanischen Herrlichkeit Abschied zu nehmen. Die ehrbare Nat.-Vers. in unanständiger Natürlichkeit, all ihres honetten Schmuckes entkleidet; die Deputirten mit gesträubten Haaren auf einander losgehend, Einer dem Andern "Infamie" vorwerfend -- ein Landstraßen-Genrebildchen, wie es fast an eine gewisse komische Versammlung an den Ufern des Mains erinnert: und Alles das um nichts Geringeres als die Reitstiefeln der Couriere Seiner republikanischen Herrlichkeit, des Präsidentschaftskandidaten Cavaignac. In der vorgestrigen Sitzung beuteten die Bonapartisten nach Anleitung des Hrn. Thiers eine Liste der Kommission für Nationalbelohnungen aus. Präsident dieser Kommission war unter der provisorischen Regierung der "Arbeiter Albert"; später wurde eine neue unter dem Vorsitz Guinards gebildet, und als Hr. Senard darauf einen neuen Gesetzentwurf überreichte, gingen die Listen durch den Minister Dufaure an die mit dem Gutachten beauftragte Abtheilung der Nat.-Vers. Vor drei Tagen denunzirten nun die bonapartistischen Blätter, daß man auf diesen Listen der "National-Belohnungen" Diebe, Mörder und Mordbrenner finde. Welche Chancen für den "honetten" Degen Cavaignac! Mußte nicht die Bourgeoisie bei dem Gedanken an solche gefährliche Bekanntschaften des Afrikaners fürchten, daß er am Ende noch einmal mit den "Juniräubern" Brüderschaft trinke? Es kam also vorgestern zu Explikationen, Geschrei, Anklagen, Interpellationen, Skandal und dem gewöhnlichen Schluß, der Tagesordnung -- pur et simple. Hr. Senard gab eine lange Geschichtserzählung zum Besten und Guinard protestirte voll Leidenschaft in seinem und Alberts, des Gefangenen von Vincennes Namen gegen die Richtigkeit dieser Listen. Hatten also vielleicht die Minister Ehren-Cavaignacs jene "unhonetten" Bekanntschaften eingezeichnet? Befand sich ja sogar eine Pension für die Wittwe des Attentäters Lecomte darauf! Unheilvolle Leidenschaft eines honetten Republikaners, die Gattin eines Königsmörders! Hr. Cavaignac wies sofort im Soldatenton jene Verantwortlichkeit der Listen ab, und Hr. Dufaure machte die Versammlung glauben, daß die fraglichen Listen durch einen Ränkemacher verfälscht seien. Die Sache war also abgemacht. Aber Hr. Cavaignac fürchtete noch, er fürchtete den Eindruck dieses kleinen Skandals in den Departements, wenn bei der vorgeschrittenen Stunde die Reden Guinard's und Senard's allein, ohne seine und Dufaures Antworten in die Provinz kämen. Und um dies zu vermeiden, that der "honette Republikaner", was weder die ältere noch die jüngere "Dynastie" jemals gewagt hatte, und was unter dem kaiserlichen Despotismus nur ein Einzigesmal bei einer Aushebung in den Provinzen zur Zeit der Gefahr geschah: Hr. Cavaignac hielt die Malleposten um 7 Stunden zurück, um den Departements lediglich eine "Fortsetzung" in der Geschichte der Belohnungslisten zu ersparen. "Man wollte das Gift nicht ohne das Gegengift abgehen lassen." Die Bekanntschaft des honetten insurgentenschlachtenden Säbels mit der Hinterlassenschaft eines königsmörderischen Dolches wäre ein Gift gewesen, -- für die öffentliche "Ruhe"? -- nein, für die Kandidatur des Säbels in den Provinzen. Die Arrestation der Post war ein Wahlmanöver, so gut, wie die versuchte päbstliche Komödie in Marseille. Louis Philipp benutzte seine Staatsgewalt, um an der Börse zu spekuliren und das Volk zu bestehlen; die Dynastie "National" benutzt die Börse, um auf die Staatsgewalt zu spekuliren, und die Republik zu bestehlen. Honette Nachfolger des Königs der Krämer und Beutelschneider! Der Skandal in der Versammlung nach diesen Enthüllungen, die Grobheiten und Drohungen der Montagne gegen die Centren endigten damit, daß die Sitzung ohne Weiteres auf einige Minuten aufgehoben wurde. Aber in der Bourgeoisie hat der Pascha Cavaignac durch seine Spekulation nichts gewonnen. Die Bourgeoisie wird nichts dagegen erinnern, daß die Dynastie "National" die Staatsinstitutionen zu Privatgeschäftchen exploitirt; aber sie wird ihm nachrechnen, daß er durch die Arrestation der Post in die Regelmäßigkeit ihrer Wucherordnung eingegriffen und zahllose Krämer, die auf ihre Remessen aus Paris warteten, in Angst und Verwirrung gejagt hat. Paris, 9. Decbr. Im Viertel St. Jaques scheint das Volk der dort kasernirten Mobilgarde den Hals brechen zu wollen und machte gestern Abend damit schon einen kleinen Anfang, indem es Koth und Steine in die Kasernen und Wachtstuben der Mobilen warf, die in Folge dieser Scenen mit Linientruppen umgeben und resp. besetzt worden sind. Sonderbar genug, lauert die Linie aber selbst auf eine gute Gelegenheit, der Mobilgarde eine derbe Lektion zu ertheilen und man hört sie nicht selten in den Volksruf einstimmen: Nieder mit den Henkern Cavaignac's! Die Mobilen sind demzufolge in die Caserne der Mouffetardstraße eingeschlossen worden wo sie von Zeit zu Zeit sich mit der Nase ans Fenster wagen und herabrufen: Es lebe Cavaignac! Worauf denn der Skandal losgeht, dessen Ende wir nicht absehen. -- Aus Madrid meldet man folgendes unterm 5. Dec. (Der Minister Frankreichs an den Minister der auswärtigen Angelegenheiten.) "Keiner der Mannschaften der Montanera wird die geringste Verurtheilung zu den Strafen erleiden, welche gegen sie aus Veranlassung der Vorfälle am Bord der Go[unleserliches Material]lette ausgesprochen wurde." -- Wir stehen am Vorabende der Präsidentenwahl. In den Mairiehöfen erblickt man wie vor Theaterkassen lange Reihen, die auf ihre Wählerkarte harren. Das Parteispiel in den besuchtesten Straßen ist höchst erbaulich. Gassenjungen und feingekleidete Damen theilen ganze Stöße von kaiserlichen Stimmzetteln an die Vorübergehenden aus, die sie je nach Laune in tausend Stücke zerreißen und in die Luft werfen. Dieses Schneegestöber erregt viel Gelächter. -- In Paris hat Cavaignac wenig Hoffnung; dagegen in den Departements viele. Folgende Statistik für die Wahlrechte ist nicht uninterressant. Es unterstützen Cavaignac 190 Journale, darunter natürlich fast alle Präfekturblätter. Napoleon 103 und den Ledru-Rollin 48 Journale. -- Die "Assemblee Nationale" sagt: "Das Gegengift, das Cavaignac, Dufaur und Trouve-Chauvel in die Provinzen schickte und wofür man die Mallposten bis Mitternacht zurückhielt, besteht aus folgenden Ingredienzen. 1) Ein Kupferstich darstellend das Bildniß Cavaignac in der Generalsuniform. 2) Ein Pakuet Stimmzettel bedruckt Cavaignac. 3) Cavaignac's Antwort auf die Listen. 4) Dufaure's Entrüstung gegen dieselber. -- Nationalversammlung. Sitzung vom 9 Decbr. Corbo[unleserliches Material] Vicepräsident eröffnet um 1 1/2 Uhr die Sitzung. Corbon: Ich theile zunächst der Versammlung folgendes Resultat des gestrigen Skrutins für die Wahl des provisorischen Staatsrathes mit. Zu Mitgliedern wurden gewählt: Fr. Arago mit 433 Stimmen, Lacrosse 415, Lamartine 407, Bedeau 389, Dupont de l' Eure 336, Senard 335, Goudchaur 338, Billault 316, Martin aus Straßburg 309, Tocqueville 296, Havin 280, Parieu 280, Remusat 272, Simon (Jules) 272, Stourm 271, Grevy 264; Voudet 259, Chambolle 256, Cormenin 247, Buchez 246, Lichtenberger 237, Carnot 236, Boulatignis 234, Marrast 229, Landrin 225, Ferdinand v. Lasteyrie 223, de Falloux 219, Vaulabelle 214, Baroche 212, Bixio 197 Stimmen. (Sensation.) An der Tagesordnung ist das Verantwortlichkeitsgesetz gegen den Präsidenten. Pascal Duprat findet das Gesetz schon in den Entwürfen zu den organischen Gesetzen. Man könne unmöglich zwei Gesetze aus demselben Teige backen. Er verlangt daher, erst über die Frage zu berathen, ob man den Vorschlag überhaupt genehmige? (zweideutiger Beifall). Cremieux vertheidigt seine Arbeit. Die Versammlung habe sie bereits auf die Tagesordnung gesetzt; sie müsse sie also diskutiren. St. Gaudens findet den Antrag verfassungswidrig. Er durfte nicht vom Bürger Cremieux gestellt werden, sondern mußte vom Verfassungsausschusse ausgehen. Dieser habe in den organischen Gesetzen bereits vorgesehen. Man wirft ein, wir könnten doch unmöglich in Gegenwart des Präsidenten deliberiren. Warum denn nicht? Wir werden doch immer noch stark genug sein, um unsere gesetzgeberische Würde zu behaupten. Ich trage also auf Vertagung bis zu den organischen Gesetzen an. (Ja, Ja, Nein.) Die Vertagung wird entschieden. Die Versammlung schreitet zur Abstimmung darüber, in welcher Reihen[f]olge die organischen Gesetze zu berathen? Baroche schlägt Vertagung vor, da die Geister gar zu aufgeregt seien. (Ja, Ja! Nein, Nein!) Man ruft nach Abstimmung darüber. Dieselbe erfolgt durch Zettel. 329 gegen 224 stimmen gegen die Vertagung. Die Reihenfolge der organischen Gesetze wird also sofort berathen. In erster Linie kommt das Gesetz über Verantwortlichkeit der Staatsbeamten (also auch des Präsidenten). Dann das Gesetz über den Staatsrath; drittens das Wahlgesetz. (Die Frage: Ob auch die Departements- und Gemeinde-Organisation in dieser Reihe aufzunehmen? wird mit 359 gegen 221 Stimmen bejaht. 380 gegen 179 Stimmen entscheiden ferner, daß auch viertens die Gerichtsordnung unter die organischen Gesetze aufzunehmen sei. Hwyn Tranchere ruft einigen Tumult hervor, weil er die nachfolgenden Gesetze ausschließen will (über Unterricht u. s. w.). Es beginnt ein viertes Skrutiums. Die Versammlung entscheidet, daß auch der sogenannte subsequente Theil der organischen Gesetze (worunter das Unterrichts- und Belagerungs-Gesetz) in obiger Reihenfolge Platz finden soll. Joly: Ich verlange das Wort über die Tagesordnung. Corbon: Sie haben das Wort. Joly: Ich besteige die Bühne, um den Minister des Innern über die Lage von Paris zur Rede zu stellen. (Hört, hört!) Eine große Agitation herrsche in der Stadt. Alle Straßen, namentlich die Viertel um den Vendomeplatz seien vollgepfropft und die Cirkulation gehindert. Ein Bürger, der es gewagt: Es lebe Cavaignac auszurufen, sei fast gesteinigt worden Alle Welt habe ihm entgegengerufen: N[i]eder mit Cavaignac! (Erstaunen.) Die Elemente des Hasses seien verschiedener Natur. Darunter die Versammlung der Obersten bei Dufaure. Die ministerielle Willkür der letzten Tage habe sie genährt. Der Kriegsminister habe z. B. "rothe" Offiziere verfolgt. (Der Redner liest einen Brief aus dem Journal Republique) Ferner gehe das Gerücht, die Klubs würden am Montag geschlossen u. s. w. Er wünsche darüber Auskunft. Dufaure: Ich erwidere auf die verschiedenen Punkte: 1) ich ließ die Bürgerwehr-Obersten zu mir kommen, um sie zu konsultiren. Das war meine Pflicht in Rücksicht auf die Lage. 2) Die Gruppen waren bis jetzt friedlich und daß man nieder mit Cavaignac geschrien, hat auch noch nicht zu Gewaltmaßregeln gezwungen. Wenn ich sie aber unterdrücken wollte, werde ich es nicht mit Polizeigesetzen, sondern mit dem Attroupementsgesetz thun. 3) Betreff, der Clubs erwidere ich: daß die Regierung dann sie aufheben wird, wenn sie selbige für gefährlich halten wird, und sie wird ihr Gesetz selbst auf die Wahlversammlungen ausdehnen. Für jetzt ist dieß nicht nöthig. Ist der Präsident gewählt, dann wird die jetzige Exekutive zu gehorsamsten Dienern [herabsinken]. (Stimme Bouleys: Wir Alle! -- Lachen zur Linken.) Ledru Rollin widerspricht energisch; setzt seiner Seits die Punkte auseinander und weist dem Minister nach, daß er verhehle, namentlich was in der Versammlung der Obersten der Bürgerwehr geschehen. Der Minister habe eine Insurrektion prophezeit, die vom Berge unterstützt würde. Er negirt dieß und erntet großen Beifall. Lamoriciere erklärt, daß alle Vorsichtsmaßregeln getroffen seien. Was die Offizierversetzung betreffe, so glaube er sich in seinem Rechte. Eine Regierung, deren Offiziere rothe Clubs besuchen dürften, wäre verloren. Die Sitzung wird um 6 1/2 Uhr geschlossen. Der Vorfall hat keine Folgen. Großbritannien. * London, 9. Dezember. Die englische Presse, namentlich die Times, spricht ihre große Zufriedenheit mit dem österreichischen Thronwechsel und der Auflösung der preußischen Versammlung aus. Die Times meint von Oesterreich, daß mit dem neuen Kaiser eine Zeit der Prosperität für das Land hereinbrechen werde, und in Bezug auf Preußen sagt sie, daß Deutschland besser durch Festigkeit als durch Konzessionen regiert werden könne. Vor allen Dingen will die Times Ruhe, und nochmals Ruhe und abermals Ruhe, damit John Bull den deutschen Michel wieder in der herkömmlichen Weise exploitiren kann. Nach der jüngsten Aufstellung ist die englische Staatsschuld in den Händen von 284,127 Personen. 275,721 Personen erhalten davon eine Dividende, die 200 L. nicht übersteigt. 4032 Personen erhalten zwischen 200 und 300 L. 2647 zwischen 400 und 500 L. 1222 eine Summe, die 1000 L. nicht übersteigt. 328 zwischen 1 und 2000 L. und 177 mehr als 2000 L. jährlich. Die Nachrichten aus den Manufakturdistrikten lauten fortwährend günstig und man hofft, daß die Spinnereien den ganzen Winter hindurch vollauf beschäftigt sein werden. Aus Irland ist nichts Neues zu melden, wenn es nicht das ist, daß die Noth der Bevölkerung, wie gewöhnlich im Winter, reißende Fortschritte macht. Ungarn. Cernowic, 27. Novbr. Die Zahl der bombardirten Städte hat sich abermals um eine vermehrt, es ist Klausenburg, die Hauptstadt von Ungarn und Siebenbürgen, welche am 20. d. M. vom General Wardener beschossen und mittelst Kapitulation eingenommen wurde. In der ersten Nacht sollte sie von den Ungarn überrumpelt werden, allein die Besatzung war auf der Hut, und schlug den Angriff des Feindes zurück, den sie auch verfolgte, und ihm einen bedeutenden Verlust an Todten und Verwundeten beibrachte. Klausenburg selbst soll arg hergenommen worden sein, und hat viel durch Feuer und Schwert gelitten. Ein Reisender berichtete, daß es einem Schutthaufen gleiche. (Const. Bl. a. B.)Kronstadt, 22. Nov. So eben erhalten wir aus Kimpina die Nachricht, daß am 18. d. M. eine Abtheilung russischer Sappeure mit einem Hauptmann und einem Lieutenant daselbst eingerückt sind. Eine größere Abtheilung russischer Truppen soll folgen, um die Gränze gegen Siebenbürgen zu schützen. (S. M.)Handelsnachrichten. [irrelevantes Material] Zu dieser Nummer wird morgen früh eine Beilage ausgegeben. Der Gerant: Korff. Lehrer der Emeute, dieser ganze Schwarm sollte nachträglich beschenkt werden mit dem mühsam eingetriebenen Gelde der Steuerpflichtigen. Aber die öffentliche Meinung erhob sich drohend gegen diese Verhöhnung der Moral, und mit Recht rief Herr v. Larochejacquelin (einer der verrücktesten Junker alten Schlages notabene): „das Projekt falle ja schon vor dem allgemeinen Unwillen!“ Die Demokratie hat sich folgende Freiheitskämpfer auf diesem Verzeichniß zu merken: Erste Klasse jährlich 500 Frs. Pension: Arbogast, Sackträger, 1839 ein Monat Kerker, hat jedesmal mitgekämpft. Augias, Modellirer, Juliverwundeter, 1846 verurtheilt wegen Verkaufs der Brustbilder Robespierre's. Bainse, Buchbinder, nach dem republikanischen Aufstande von 1832 zum Tode verdammt. Baune, von 1835 bis 37 auf Pairsurtheil im Kerker, jetzt Volksvertreter. Blondeau, Gemüsehändler, 1832 nach dem Juniaufstande der Republikaner fünf Jahre Galeeren, (und ein Emil Girardin nebst Frau laufen frei herum und mokiren sich über ihn!!). Boucheron, Holzsäger, wegen Attentat auf die Herren Söhne Sr. Maj. Louis Philipp's und Widersetzlichkeit gegen die Polizeigewalt zehn Jahre Kerker. Tricotel, Unteroffizier, zehn Jahre Kerker wegen des republikanischen Komplottes in Lüneville. Trümloup, Professor der Baukunst, erwarb in seinem Fach den zweiten großen Preis, focht 1830, 1833 im Kerker, focht im April 1834, ward revolutionärer Sektionsvorsteher, hat seit 27 Jahren Tag und Nacht das alte System befehdet. Rogat, Kupferstecher, 1834 wegen einer aufrührerischen Medaille verurtheilt. Wittwe des Bürgers Minton, den Louis Philipp wegen Attentat auf ihn zu den Galeeren schickte, wo er starb. Pillot, sechs Monate Kerker wegen Association, ungesetzlichem Tragen des Priesterkleides 1839, 300 Franken Strafe; 1840 dito wegen Attentat auf die Regierung. Samuel Koch, auf der Insel Martinique 1834 als Insurgent zum Tode verdammt, darnach fünfzehn Jahre Galeeren und fünf Jahre Kerker (und Delphine Gay und Girardin laufen frank und frei herum und höhnen!!). Wittwe des B. Colombier, wegen fehlgeschlagenem Königsmord auf den Galeeren, wo er starb. Degeorges 1824 im Kampf gegen die Pfaffen- und Adelssoldaten der Restauration, in Koutumaz zum Tode verdammt. Lecomte im Kerker 1831 wegen Aufruf zur Emeute. Schwester B. Lecomte's, der als Königsmörder hingerichtet ward. Coffineau, Hausbesitzer und Kommunist, sieben Jahre Kerker, angeblich wegen Diebstahl, in Wahrheit wegen seiner Propaganda. — Cabet, Marrast, Caussidiere, Gervais (heute Dr. med. und Polizeipräfekt), Trélat (Dr. med. und Exminister der Staatsarbeiten), Sobrier, Redakteur der „Commune de Paris“ und jetzt Maigefangener zu Vincennes nebst Barbes; Flocon, Exminister des Handels und Ackerbaues, stehen auch auf dieser Liste, neben Bastide, Minister des Auswärtigen! Die zweite Liste zu 300 Franken bringt 536 Personen, worunter Carrette, Fabrikant, 3 Monate Kerker und 3000 Franken Buße im Jahre 1833 angeblich wegen Religionsverspottung, Februarkämpfer und nach dem Juni eine zeitlang verhaftet. Carteron, vom Kaiser Napoleon mit zehn Jahren Galeeren wegen eines gestohlenen Kaninchens beschenkt; von Louis Philipp dreimal mit Einkerkerung wegen Aufreizung zur Emeute. Annette Pierre, zwei Jahre eingekerkert wegen Aufreizung zur Emeute, im Kerker wahnwitzig geworden. Virginie Galand, 1846 eingekerkert. Rose Puin fünf Jahre Galeeren 1831 wegen Emeute. Bürgerin Bourlier, Tagelöhnerin, Kerker und nachherige öftere Verfolgung. Unter den jetzigen Staatsmännern und Beamten, die Louis Philipp's tückischer Rache verfielen, hatten Trélat, außer Gefängniß, 12000 Franken zu zahlen gehabt; Cabet war 5, Marrast 1 Jahr zu London in freiwilligem Exil gewesen, u. s. w. 12 Paris, 8. Dez. Hr. Arago hat, wie man weiß, um 7 ganze Stunden den Abgang der Posten zurückgehalten, damit die Debatte über die Nationalbelohnungen nicht stückweise den Provinzen zukäme. Gingen mit dieser Mallpost weiter keine Depeschen ab als die der Regierung, so ließe sich diese Verzögerung von Seiten Cavaignacs, der dem Postdirektor diesen Befehl gegeben hatte, begreifen. Hr. Cavaignac benutzt die Posten zur Beförderung seiner Kandidatur. Er will nicht, daß „das Gift ohne das Gegengift in der Provinz“ anlange. Aber mit dieser Mallpost gehen jeden Tag zur bestimmten Stunde alle Korrespondenzen von Paris ab: in der Provinz selbst wird die Ankunft dieser Briefe jeden Tag zur bestimmten Stunde erwartet. Nun denke man sich, welche Störung unter den jetzigen Umständen die mindeste Verzögerung hervorbringen muß: Störung jeder Art, politischer sowohl als kommerzieller Natur. Die „Debats“, welche, wie man weiß, auf Seiten Cavaignac's stehen, rügen mit herben Worten diese unbegreifliche Maßregel, die man sich zu keiner Zeit, und in keinem Lande noch erlaubt hätte. Vom rechtlichen Standpunkte aber ist diese Maßregel geradezu ein Eingriff in die Freiheit der Presse, und die Kammer billigt diesen Eingriff. Cavaignac wirft sich zum Censor der Mittheilungen für die Provinz auf, und die Kammer billigt die Sonderung „des Giftes vom Gegengifte.“ Cavaignac, indem er die Debatten der Provinz mehrere Stunden vorbehält, sagt zu den Departements: Ihr sollt das noch nicht wissen; ihr sollt es zur rechten Zeit nicht wissen; es ist nicht die rechte Zeit für Euch, es zu wissen. Wir streichen es, wir lassen es eine Zeitlang weiß stehe, indem wir die Postwagen im Stalle stehen lassen; später sollt ihr die gestrichenen Stellen mit den Randglossen des Censors lesen. Daß die Post in Paris vor allen Dingen ein kommerzielles Institut sei, daran konnten die Leute des Nationals nicht denken. Was war aber nun das „Gift“, welches nicht ohne Gegengift verabreicht werden sollte, und das man sieben ganze Stunden verborgen hielt? Die nationale Belohnungen! die Guten, welche für die gute Sache gelitten hatten, sollten belohnt werden. Die gute Sache war die Republik, die böse das Königthum: die Guten sind also die Republikaner, die auf die eine oder die andere Weise gegen das Böse gekämpft haben: ob im Februar, vor oder nach Februar mußte natürlich gleichgültig sein. Die Restauration hatte eine Milliarde bewilligt, für die, welche nach dem Sturze des Kaiserthums, auf die eine oder die andere Weise für das Königthum gelitten hatten: die Republik konnte nicht weniger thun, als eine Belohnung denen zu bewilligen, die an dem Sturze des Königthums sich betheiligt hatten. Im Februar war es das Proletariat in Masse, welche das Königthum in Masse gestürzt hatten; vor dem Februar waren es einzelne Proletarier, die den König einzeln mit Verachtung ihres Lebens stürzen wollten. Aber diese Proletarier, heißt es, waren Mörder, folglich waren es böse Leute, die nicht belohnt werden dürfen. Sie haben übrigens ihr „Verbrechen“ gebüßt und wenn ihre Angehörigen, wie die Verwandten Alibaud's, Darmês u. s. w. jetzt dulden und nicht unterstützt werden, so dürfen sie sich darüber nicht beklagen. Andere wieder, wie Marrast, Bastide u. s. w. haben nicht mit dem Schwerte, sondern mit dem Wort gegen den König angekämpft. Diese „Bösen“ wurden damals bestraft, und sollten nun als „gute Republikaner“ mit einer jährlichen Rente von 500 Fr. und darüber belohnt werden. Aber diese „Guten“ haben sich schon alle selbst belohnt und sitzen als Richter über die andern Guten, welche eine Belohnung verdienen. Die andern Guten sind nun aber keine andern als die Kämpfer im Februar. Die Kämpfer im Februar aber haben auch im Juni gekämpft. Statt belohnt zu werden, sollen sie jetzt deportirt werden. Wenn sie im Februar gut waren, so sind sie im Juni böse geworden. Wer sind also die „Guten,“ die belohnt werden müssen? Niemand, außer diejenigen welche sich selbst belohnt haben: das sind die einzig Guten. Das Dekret ist also einstweilen zurückgenommen worden. Damit aber in den Provinzen keine Verwirrung entstehe über die Begriffe des Guten und Bösen, damit sie nicht das süße Gift des Bösen einsaugen, ohne zugleich das bittere Gegengift mit einzuschlürfen, hat ihnen der ehemalige Bürgermeister von Paris, Marrast, beides zusammen, wohlverpackt im Postwagen und gehörig zergliedert im National mitgeschickt. Und das ist die Lehr von der Geschicht, 19 Paris, 9. Dez. Skandal! Skandal! Welcher glorreiche Abend für die Sonne der „honetten“ Republik! War es nicht auch der Skandal, der Schmutz einiger ehrgeizigen Diebe, welche seit der Restauration jedesmal dem Fall der Ministerien oder „Dynastien“ voranging? Und die Dynastie „National“ hat in konservativer Begeisterung nichts Eiligeres zu thun, als in den letzten Tagen vor der Präsidentenwahl noch schnell mit Schmutz und Gestank von ihrer honett-republikanischen Herrlichkeit Abschied zu nehmen. Die ehrbare Nat.-Vers. in unanständiger Natürlichkeit, all ihres honetten Schmuckes entkleidet; die Deputirten mit gesträubten Haaren auf einander losgehend, Einer dem Andern „Infamie“ vorwerfend — ein Landstraßen-Genrebildchen, wie es fast an eine gewisse komische Versammlung an den Ufern des Mains erinnert: und Alles das um nichts Geringeres als die Reitstiefeln der Couriere Seiner republikanischen Herrlichkeit, des Präsidentschaftskandidaten Cavaignac. In der vorgestrigen Sitzung beuteten die Bonapartisten nach Anleitung des Hrn. Thiers eine Liste der Kommission für Nationalbelohnungen aus. Präsident dieser Kommission war unter der provisorischen Regierung der „Arbeiter Albert“; später wurde eine neue unter dem Vorsitz Guinards gebildet, und als Hr. Senard darauf einen neuen Gesetzentwurf überreichte, gingen die Listen durch den Minister Dufaure an die mit dem Gutachten beauftragte Abtheilung der Nat.-Vers. Vor drei Tagen denunzirten nun die bonapartistischen Blätter, daß man auf diesen Listen der „National-Belohnungen“ Diebe, Mörder und Mordbrenner finde. Welche Chancen für den „honetten“ Degen Cavaignac! Mußte nicht die Bourgeoisie bei dem Gedanken an solche gefährliche Bekanntschaften des Afrikaners fürchten, daß er am Ende noch einmal mit den „Juniräubern“ Brüderschaft trinke? Es kam also vorgestern zu Explikationen, Geschrei, Anklagen, Interpellationen, Skandal und dem gewöhnlichen Schluß, der Tagesordnung — pur et simple. Hr. Senard gab eine lange Geschichtserzählung zum Besten und Guinard protestirte voll Leidenschaft in seinem und Alberts, des Gefangenen von Vincennes Namen gegen die Richtigkeit dieser Listen. Hatten also vielleicht die Minister Ehren-Cavaignacs jene „unhonetten“ Bekanntschaften eingezeichnet? Befand sich ja sogar eine Pension für die Wittwe des Attentäters Lecomte darauf! Unheilvolle Leidenschaft eines honetten Republikaners, die Gattin eines Königsmörders! Hr. Cavaignac wies sofort im Soldatenton jene Verantwortlichkeit der Listen ab, und Hr. Dufaure machte die Versammlung glauben, daß die fraglichen Listen durch einen Ränkemacher verfälscht seien. Die Sache war also abgemacht. Aber Hr. Cavaignac fürchtete noch, er fürchtete den Eindruck dieses kleinen Skandals in den Departements, wenn bei der vorgeschrittenen Stunde die Reden Guinard's und Senard's allein, ohne seine und Dufaures Antworten in die Provinz kämen. Und um dies zu vermeiden, that der „honette Republikaner“, was weder die ältere noch die jüngere „Dynastie“ jemals gewagt hatte, und was unter dem kaiserlichen Despotismus nur ein Einzigesmal bei einer Aushebung in den Provinzen zur Zeit der Gefahr geschah: Hr. Cavaignac hielt die Malleposten um 7 Stunden zurück, um den Departements lediglich eine „Fortsetzung“ in der Geschichte der Belohnungslisten zu ersparen. „Man wollte das Gift nicht ohne das Gegengift abgehen lassen.“ Die Bekanntschaft des honetten insurgentenschlachtenden Säbels mit der Hinterlassenschaft eines königsmörderischen Dolches wäre ein Gift gewesen, — für die öffentliche „Ruhe“? — nein, für die Kandidatur des Säbels in den Provinzen. Die Arrestation der Post war ein Wahlmanöver, so gut, wie die versuchte päbstliche Komödie in Marseille. Louis Philipp benutzte seine Staatsgewalt, um an der Börse zu spekuliren und das Volk zu bestehlen; die Dynastie „National“ benutzt die Börse, um auf die Staatsgewalt zu spekuliren, und die Republik zu bestehlen. Honette Nachfolger des Königs der Krämer und Beutelschneider! Der Skandal in der Versammlung nach diesen Enthüllungen, die Grobheiten und Drohungen der Montagne gegen die Centren endigten damit, daß die Sitzung ohne Weiteres auf einige Minuten aufgehoben wurde. Aber in der Bourgeoisie hat der Pascha Cavaignac durch seine Spekulation nichts gewonnen. Die Bourgeoisie wird nichts dagegen erinnern, daß die Dynastie „National“ die Staatsinstitutionen zu Privatgeschäftchen exploitirt; aber sie wird ihm nachrechnen, daß er durch die Arrestation der Post in die Regelmäßigkeit ihrer Wucherordnung eingegriffen und zahllose Krämer, die auf ihre Remessen aus Paris warteten, in Angst und Verwirrung gejagt hat. Paris, 9. Decbr. Im Viertel St. Jaques scheint das Volk der dort kasernirten Mobilgarde den Hals brechen zu wollen und machte gestern Abend damit schon einen kleinen Anfang, indem es Koth und Steine in die Kasernen und Wachtstuben der Mobilen warf, die in Folge dieser Scenen mit Linientruppen umgeben und resp. besetzt worden sind. Sonderbar genug, lauert die Linie aber selbst auf eine gute Gelegenheit, der Mobilgarde eine derbe Lektion zu ertheilen und man hört sie nicht selten in den Volksruf einstimmen: Nieder mit den Henkern Cavaignac's! Die Mobilen sind demzufolge in die Caserne der Mouffetardstraße eingeschlossen worden wo sie von Zeit zu Zeit sich mit der Nase ans Fenster wagen und herabrufen: Es lebe Cavaignac! Worauf denn der Skandal losgeht, dessen Ende wir nicht absehen. — Aus Madrid meldet man folgendes unterm 5. Dec. (Der Minister Frankreichs an den Minister der auswärtigen Angelegenheiten.) „Keiner der Mannschaften der Montanera wird die geringste Verurtheilung zu den Strafen erleiden, welche gegen sie aus Veranlassung der Vorfälle am Bord der Go[unleserliches Material]lette ausgesprochen wurde.“ — Wir stehen am Vorabende der Präsidentenwahl. In den Mairiehöfen erblickt man wie vor Theaterkassen lange Reihen, die auf ihre Wählerkarte harren. Das Parteispiel in den besuchtesten Straßen ist höchst erbaulich. Gassenjungen und feingekleidete Damen theilen ganze Stöße von kaiserlichen Stimmzetteln an die Vorübergehenden aus, die sie je nach Laune in tausend Stücke zerreißen und in die Luft werfen. Dieses Schneegestöber erregt viel Gelächter. — In Paris hat Cavaignac wenig Hoffnung; dagegen in den Departements viele. Folgende Statistik für die Wahlrechte ist nicht uninterressant. Es unterstützen Cavaignac 190 Journale, darunter natürlich fast alle Präfekturblätter. Napoleon 103 und den Ledru-Rollin 48 Journale. — Die „Assemblée Nationale“ sagt: „Das Gegengift, das Cavaignac, Dufaur und Trouvé-Chauvel in die Provinzen schickte und wofür man die Mallposten bis Mitternacht zurückhielt, besteht aus folgenden Ingredienzen. 1) Ein Kupferstich darstellend das Bildniß Cavaignac in der Generalsuniform. 2) Ein Pakuet Stimmzettel bedruckt Cavaignac. 3) Cavaignac's Antwort auf die Listen. 4) Dufaure's Entrüstung gegen dieselber. — Nationalversammlung. Sitzung vom 9 Decbr. Corbo[unleserliches Material] Vicepräsident eröffnet um 1 1/2 Uhr die Sitzung. Corbon: Ich theile zunächst der Versammlung folgendes Resultat des gestrigen Skrutins für die Wahl des provisorischen Staatsrathes mit. Zu Mitgliedern wurden gewählt: Fr. Arago mit 433 Stimmen, Lacrosse 415, Lamartine 407, Bedeau 389, Dupont de l' Eure 336, Senard 335, Goudchaur 338, Billault 316, Martin aus Straßburg 309, Tocqueville 296, Havin 280, Parieu 280, Remusat 272, Simon (Jules) 272, Stourm 271, Grevy 264; Voudet 259, Chambolle 256, Cormenin 247, Buchez 246, Lichtenberger 237, Carnot 236, Boulatignis 234, Marrast 229, Landrin 225, Ferdinand v. Lasteyrie 223, de Falloux 219, Vaulabelle 214, Baroche 212, Bixio 197 Stimmen. (Sensation.) An der Tagesordnung ist das Verantwortlichkeitsgesetz gegen den Präsidenten. Pascal Duprat findet das Gesetz schon in den Entwürfen zu den organischen Gesetzen. Man könne unmöglich zwei Gesetze aus demselben Teige backen. Er verlangt daher, erst über die Frage zu berathen, ob man den Vorschlag überhaupt genehmige? (zweideutiger Beifall). Cremieux vertheidigt seine Arbeit. Die Versammlung habe sie bereits auf die Tagesordnung gesetzt; sie müsse sie also diskutiren. St. Gaudens findet den Antrag verfassungswidrig. Er durfte nicht vom Bürger Cremieux gestellt werden, sondern mußte vom Verfassungsausschusse ausgehen. Dieser habe in den organischen Gesetzen bereits vorgesehen. Man wirft ein, wir könnten doch unmöglich in Gegenwart des Präsidenten deliberiren. Warum denn nicht? Wir werden doch immer noch stark genug sein, um unsere gesetzgeberische Würde zu behaupten. Ich trage also auf Vertagung bis zu den organischen Gesetzen an. (Ja, Ja, Nein.) Die Vertagung wird entschieden. Die Versammlung schreitet zur Abstimmung darüber, in welcher Reihen[f]olge die organischen Gesetze zu berathen? Baroche schlägt Vertagung vor, da die Geister gar zu aufgeregt seien. (Ja, Ja! Nein, Nein!) Man ruft nach Abstimmung darüber. Dieselbe erfolgt durch Zettel. 329 gegen 224 stimmen gegen die Vertagung. Die Reihenfolge der organischen Gesetze wird also sofort berathen. In erster Linie kommt das Gesetz über Verantwortlichkeit der Staatsbeamten (also auch des Präsidenten). Dann das Gesetz über den Staatsrath; drittens das Wahlgesetz. (Die Frage: Ob auch die Departements- und Gemeinde-Organisation in dieser Reihe aufzunehmen? wird mit 359 gegen 221 Stimmen bejaht. 380 gegen 179 Stimmen entscheiden ferner, daß auch viertens die Gerichtsordnung unter die organischen Gesetze aufzunehmen sei. Hwyn Tranchére ruft einigen Tumult hervor, weil er die nachfolgenden Gesetze ausschließen will (über Unterricht u. s. w.). Es beginnt ein viertes Skrutiums. Die Versammlung entscheidet, daß auch der sogenannte subsequente Theil der organischen Gesetze (worunter das Unterrichts- und Belagerungs-Gesetz) in obiger Reihenfolge Platz finden soll. Joly: Ich verlange das Wort über die Tagesordnung. Corbon: Sie haben das Wort. Joly: Ich besteige die Bühne, um den Minister des Innern über die Lage von Paris zur Rede zu stellen. (Hört, hört!) Eine große Agitation herrsche in der Stadt. Alle Straßen, namentlich die Viertel um den Vendomeplatz seien vollgepfropft und die Cirkulation gehindert. Ein Bürger, der es gewagt: Es lebe Cavaignac auszurufen, sei fast gesteinigt worden Alle Welt habe ihm entgegengerufen: N[i]eder mit Cavaignac! (Erstaunen.) Die Elemente des Hasses seien verschiedener Natur. Darunter die Versammlung der Obersten bei Dufaure. Die ministerielle Willkür der letzten Tage habe sie genährt. Der Kriegsminister habe z. B. „rothe“ Offiziere verfolgt. (Der Redner liest einen Brief aus dem Journal Republique) Ferner gehe das Gerücht, die Klubs würden am Montag geschlossen u. s. w. Er wünsche darüber Auskunft. Dufaure: Ich erwidere auf die verschiedenen Punkte: 1) ich ließ die Bürgerwehr-Obersten zu mir kommen, um sie zu konsultiren. Das war meine Pflicht in Rücksicht auf die Lage. 2) Die Gruppen waren bis jetzt friedlich und daß man nieder mit Cavaignac geschrien, hat auch noch nicht zu Gewaltmaßregeln gezwungen. Wenn ich sie aber unterdrücken wollte, werde ich es nicht mit Polizeigesetzen, sondern mit dem Attroupementsgesetz thun. 3) Betreff, der Clubs erwidere ich: daß die Regierung dann sie aufheben wird, wenn sie selbige für gefährlich halten wird, und sie wird ihr Gesetz selbst auf die Wahlversammlungen ausdehnen. Für jetzt ist dieß nicht nöthig. Ist der Präsident gewählt, dann wird die jetzige Exekutive zu gehorsamsten Dienern [herabsinken]. (Stimme Bouleys: Wir Alle! — Lachen zur Linken.) Ledru Rollin widerspricht energisch; setzt seiner Seits die Punkte auseinander und weist dem Minister nach, daß er verhehle, namentlich was in der Versammlung der Obersten der Bürgerwehr geschehen. Der Minister habe eine Insurrektion prophezeit, die vom Berge unterstützt würde. Er negirt dieß und erntet großen Beifall. Lamoriciere erklärt, daß alle Vorsichtsmaßregeln getroffen seien. Was die Offizierversetzung betreffe, so glaube er sich in seinem Rechte. Eine Regierung, deren Offiziere rothe Clubs besuchen dürften, wäre verloren. Die Sitzung wird um 6 1/2 Uhr geschlossen. Der Vorfall hat keine Folgen. Großbritannien. * London, 9. Dezember. Die englische Presse, namentlich die Times, spricht ihre große Zufriedenheit mit dem österreichischen Thronwechsel und der Auflösung der preußischen Versammlung aus. Die Times meint von Oesterreich, daß mit dem neuen Kaiser eine Zeit der Prosperität für das Land hereinbrechen werde, und in Bezug auf Preußen sagt sie, daß Deutschland besser durch Festigkeit als durch Konzessionen regiert werden könne. Vor allen Dingen will die Times Ruhe, und nochmals Ruhe und abermals Ruhe, damit John Bull den deutschen Michel wieder in der herkömmlichen Weise exploitiren kann. Nach der jüngsten Aufstellung ist die englische Staatsschuld in den Händen von 284,127 Personen. 275,721 Personen erhalten davon eine Dividende, die 200 L. nicht übersteigt. 4032 Personen erhalten zwischen 200 und 300 L. 2647 zwischen 400 und 500 L. 1222 eine Summe, die 1000 L. nicht übersteigt. 328 zwischen 1 und 2000 L. und 177 mehr als 2000 L. jährlich. Die Nachrichten aus den Manufakturdistrikten lauten fortwährend günstig und man hofft, daß die Spinnereien den ganzen Winter hindurch vollauf beschäftigt sein werden. Aus Irland ist nichts Neues zu melden, wenn es nicht das ist, daß die Noth der Bevölkerung, wie gewöhnlich im Winter, reißende Fortschritte macht. Ungarn. Cernowic, 27. Novbr. Die Zahl der bombardirten Städte hat sich abermals um eine vermehrt, es ist Klausenburg, die Hauptstadt von Ungarn und Siebenbürgen, welche am 20. d. M. vom General Wardener beschossen und mittelst Kapitulation eingenommen wurde. In der ersten Nacht sollte sie von den Ungarn überrumpelt werden, allein die Besatzung war auf der Hut, und schlug den Angriff des Feindes zurück, den sie auch verfolgte, und ihm einen bedeutenden Verlust an Todten und Verwundeten beibrachte. Klausenburg selbst soll arg hergenommen worden sein, und hat viel durch Feuer und Schwert gelitten. Ein Reisender berichtete, daß es einem Schutthaufen gleiche. (Const. Bl. a. B.)Kronstadt, 22. Nov. So eben erhalten wir aus Kimpina die Nachricht, daß am 18. d. M. eine Abtheilung russischer Sappeure mit einem Hauptmann und einem Lieutenant daselbst eingerückt sind. Eine größere Abtheilung russischer Truppen soll folgen, um die Gränze gegen Siebenbürgen zu schützen. (S. M.)Handelsnachrichten. [irrelevantes Material] Zu dieser Nummer wird morgen früh eine Beilage ausgegeben. Der Gerant: Korff. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar166_026" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0004" n="0892"/> Lehrer der Emeute, dieser ganze Schwarm sollte nachträglich beschenkt werden mit dem mühsam eingetriebenen Gelde der Steuerpflichtigen. Aber die öffentliche Meinung erhob sich drohend gegen diese Verhöhnung der Moral, und mit Recht rief Herr v. Larochejacquelin (einer der verrücktesten Junker alten Schlages notabene): „das Projekt falle ja schon vor dem allgemeinen Unwillen!“ Die Demokratie hat sich folgende Freiheitskämpfer auf diesem Verzeichniß zu merken: Erste Klasse jährlich 500 Frs. Pension: <hi rendition="#g">Arbogast,</hi> Sackträger, 1839 ein Monat Kerker, hat jedesmal mitgekämpft. <hi rendition="#g">Augias,</hi> Modellirer, Juliverwundeter, 1846 verurtheilt wegen Verkaufs der Brustbilder Robespierre's. <hi rendition="#g">Bainse,</hi> Buchbinder, nach dem republikanischen Aufstande von 1832 zum Tode verdammt. <hi rendition="#g">Baune,</hi> von 1835 bis 37 auf Pairsurtheil im Kerker, jetzt Volksvertreter. <hi rendition="#g">Blondeau,</hi> Gemüsehändler, 1832 nach dem Juniaufstande der Republikaner fünf Jahre Galeeren, (und ein Emil Girardin nebst Frau laufen frei herum und mokiren sich über ihn!!). <hi rendition="#g">Boucheron,</hi> Holzsäger, wegen Attentat auf die Herren Söhne Sr. Maj. Louis Philipp's und Widersetzlichkeit gegen die Polizeigewalt zehn Jahre Kerker. <hi rendition="#g">Tricotel,</hi> Unteroffizier, zehn Jahre Kerker wegen des republikanischen Komplottes in Lüneville. <hi rendition="#g">Trümloup,</hi> Professor der Baukunst, erwarb in seinem Fach den zweiten großen Preis, focht 1830, 1833 im Kerker, focht im April 1834, ward revolutionärer Sektionsvorsteher, hat seit 27 Jahren Tag und Nacht das alte System befehdet. <hi rendition="#g">Rogat,</hi> Kupferstecher, 1834 wegen einer aufrührerischen Medaille verurtheilt. Wittwe des Bürgers <hi rendition="#g">Minton,</hi> den Louis Philipp wegen Attentat auf ihn zu den Galeeren schickte, wo er starb. <hi rendition="#g">Pillot,</hi> sechs Monate Kerker wegen Association, ungesetzlichem Tragen des Priesterkleides 1839, 300 Franken Strafe; 1840 dito wegen Attentat auf die Regierung. Samuel <hi rendition="#g">Koch,</hi> auf der Insel Martinique 1834 als Insurgent zum Tode verdammt, darnach fünfzehn Jahre Galeeren und fünf Jahre Kerker (und Delphine Gay und Girardin laufen frank und frei herum und höhnen!!). Wittwe des B. <hi rendition="#g">Colombier,</hi> wegen fehlgeschlagenem Königsmord auf den Galeeren, wo er starb. <hi rendition="#g">Degeorges</hi> 1824 im Kampf gegen die Pfaffen- und Adelssoldaten der Restauration, in Koutumaz zum Tode verdammt. <hi rendition="#g">Lecomte</hi> im Kerker 1831 wegen Aufruf zur Emeute. Schwester B. <hi rendition="#g">Lecomte's,</hi> der als Königsmörder hingerichtet ward. <hi rendition="#g">Coffineau,</hi> Hausbesitzer und Kommunist, sieben Jahre Kerker, angeblich wegen Diebstahl, in Wahrheit wegen seiner Propaganda. — <hi rendition="#g">Cabet, Marrast, Caussidiere, Gervais</hi> (heute Dr. med. und Polizeipräfekt), <hi rendition="#g">Trélat</hi> (Dr. med. und Exminister der Staatsarbeiten), <hi rendition="#g">Sobrier,</hi> Redakteur der „Commune de Paris“ und jetzt Maigefangener zu Vincennes nebst Barbes; <hi rendition="#g">Flocon,</hi> Exminister des Handels und Ackerbaues, stehen auch auf dieser Liste, neben <hi rendition="#g">Bastide,</hi> Minister des Auswärtigen!</p> <p>Die zweite Liste zu 300 Franken bringt 536 Personen, worunter <hi rendition="#g">Carrette,</hi> Fabrikant, 3 Monate Kerker und 3000 Franken Buße im Jahre 1833 angeblich wegen Religionsverspottung, Februarkämpfer und nach dem Juni eine zeitlang verhaftet. <hi rendition="#g">Carteron,</hi> vom Kaiser Napoleon mit zehn Jahren Galeeren wegen eines gestohlenen Kaninchens beschenkt; von Louis Philipp dreimal mit Einkerkerung wegen Aufreizung zur Emeute.</p> <p><hi rendition="#g">Annette Pierre,</hi> zwei Jahre eingekerkert wegen Aufreizung zur Emeute, im Kerker wahnwitzig geworden. <hi rendition="#g">Virginie Galand,</hi> 1846 eingekerkert. <hi rendition="#g">Rose Puin</hi> fünf Jahre Galeeren 1831 wegen Emeute. Bürgerin <hi rendition="#g">Bourlier,</hi> Tagelöhnerin, Kerker und nachherige öftere Verfolgung. Unter den jetzigen Staatsmännern und Beamten, die Louis Philipp's tückischer Rache verfielen, hatten Trélat, außer Gefängniß, 12000 Franken zu zahlen gehabt; Cabet war 5, Marrast 1 Jahr zu London in freiwilligem Exil gewesen, u. s. w.</p> </div> <div xml:id="ar166_027" type="jArticle"> <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 8. Dez.</head> <p>Hr. Arago hat, wie man weiß, um 7 ganze Stunden den Abgang der Posten zurückgehalten, damit die Debatte über die Nationalbelohnungen nicht stückweise den Provinzen zukäme. Gingen mit dieser Mallpost weiter keine Depeschen ab als die der Regierung, so ließe sich diese Verzögerung von Seiten Cavaignacs, der dem Postdirektor diesen Befehl gegeben hatte, begreifen. Hr. Cavaignac benutzt die Posten zur Beförderung seiner Kandidatur. Er will nicht, daß „das Gift ohne das Gegengift in der Provinz“ anlange. Aber mit dieser Mallpost gehen jeden Tag zur bestimmten Stunde alle Korrespondenzen von Paris ab: in der Provinz selbst wird die Ankunft dieser Briefe jeden Tag zur bestimmten Stunde erwartet. Nun denke man sich, welche Störung unter den jetzigen Umständen die mindeste Verzögerung hervorbringen muß: Störung jeder Art, politischer sowohl als kommerzieller Natur. Die „Debats“, welche, wie man weiß, auf Seiten Cavaignac's stehen, rügen mit herben Worten diese unbegreifliche Maßregel, die man sich zu keiner Zeit, und in keinem Lande noch erlaubt hätte. Vom rechtlichen Standpunkte aber ist diese Maßregel geradezu ein Eingriff in die Freiheit der Presse, und die Kammer billigt diesen Eingriff. Cavaignac wirft sich zum Censor der Mittheilungen für die Provinz auf, und die Kammer billigt die Sonderung „des Giftes vom Gegengifte.“ Cavaignac, indem er die Debatten der Provinz mehrere Stunden vorbehält, sagt zu den Departements: Ihr sollt das noch nicht wissen; ihr sollt es zur rechten Zeit nicht wissen; es ist nicht die rechte Zeit für Euch, es zu wissen. Wir streichen es, wir lassen es eine Zeitlang weiß stehe, indem wir die Postwagen im Stalle stehen lassen; später sollt ihr die gestrichenen Stellen mit den Randglossen des Censors lesen. Daß die Post in Paris vor allen Dingen ein kommerzielles Institut sei, daran konnten die Leute des Nationals nicht denken. Was war aber nun das „Gift“, welches nicht ohne Gegengift verabreicht werden sollte, und das man sieben ganze Stunden verborgen hielt? Die nationale Belohnungen! die Guten, welche für die gute Sache gelitten hatten, sollten belohnt werden. Die gute Sache war die Republik, die böse das Königthum: die Guten sind also die Republikaner, die auf die eine oder die andere Weise gegen das Böse gekämpft haben: ob im Februar, vor oder nach Februar mußte natürlich gleichgültig sein. Die Restauration hatte eine Milliarde bewilligt, für die, welche nach dem Sturze des Kaiserthums, auf die eine oder die andere Weise für das Königthum gelitten hatten: die Republik konnte nicht weniger thun, als eine Belohnung denen zu bewilligen, die an dem Sturze des Königthums sich betheiligt hatten.</p> <p>Im Februar war es das Proletariat in Masse, welche das Königthum in Masse gestürzt hatten; vor dem Februar waren es einzelne Proletarier, die den König einzeln mit Verachtung ihres Lebens stürzen wollten. Aber diese Proletarier, heißt es, waren Mörder, folglich waren es böse Leute, die nicht belohnt werden dürfen. Sie haben übrigens ihr „Verbrechen“ gebüßt und wenn ihre Angehörigen, wie die Verwandten Alibaud's, Darmês u. s. w. jetzt dulden und nicht unterstützt werden, so dürfen sie sich darüber nicht beklagen. Andere wieder, wie Marrast, Bastide u. s. w. haben nicht mit dem Schwerte, sondern mit dem Wort gegen den König angekämpft. Diese „Bösen“ wurden damals bestraft, und sollten nun als „gute Republikaner“ mit einer jährlichen Rente von 500 Fr. und darüber belohnt werden.</p> <p>Aber diese „Guten“ haben sich schon alle selbst belohnt und sitzen als Richter über die andern Guten, welche eine Belohnung verdienen. Die andern Guten sind nun aber keine andern als die Kämpfer im Februar. Die Kämpfer im Februar aber haben auch im Juni gekämpft. Statt belohnt zu werden, sollen sie jetzt deportirt werden. Wenn sie im Februar gut waren, so sind sie im Juni böse geworden. Wer sind also die „Guten,“ die belohnt werden müssen?</p> <p>Niemand, außer diejenigen welche sich selbst belohnt haben: das sind die einzig Guten. Das Dekret ist also einstweilen zurückgenommen worden. Damit aber in den Provinzen keine Verwirrung entstehe über die Begriffe des Guten und Bösen, damit sie nicht das süße Gift des Bösen einsaugen, ohne zugleich das bittere Gegengift mit einzuschlürfen, hat ihnen der ehemalige Bürgermeister von Paris, Marrast, beides zusammen, wohlverpackt im Postwagen und gehörig zergliedert im National mitgeschickt.</p> <p rendition="#et">Und das ist die Lehr von der Geschicht,<lb/> Traut keinem Bürgermeisters nicht.</p> </div> <div xml:id="ar166_028" type="jArticle"> <head><bibl><author>19</author></bibl> Paris, 9. Dez.</head> <p>Skandal! Skandal! Welcher glorreiche Abend für die Sonne der „honetten“ Republik! War es nicht auch der Skandal, der Schmutz einiger ehrgeizigen Diebe, welche seit der Restauration jedesmal dem Fall der Ministerien oder „Dynastien“ voranging? Und die Dynastie „National“ hat in konservativer Begeisterung nichts Eiligeres zu thun, als in den letzten Tagen vor der Präsidentenwahl noch schnell mit Schmutz und Gestank von ihrer honett-republikanischen Herrlichkeit Abschied zu nehmen. Die ehrbare Nat.-Vers. in unanständiger Natürlichkeit, all ihres honetten Schmuckes entkleidet; die Deputirten mit gesträubten Haaren auf einander losgehend, Einer dem Andern „Infamie“ vorwerfend — ein Landstraßen-Genrebildchen, wie es fast an eine gewisse komische Versammlung an den Ufern des Mains erinnert: und Alles das um nichts Geringeres als die Reitstiefeln der Couriere Seiner republikanischen Herrlichkeit, des Präsidentschaftskandidaten Cavaignac.</p> <p>In der vorgestrigen Sitzung beuteten die Bonapartisten nach Anleitung des Hrn. Thiers eine Liste der Kommission für Nationalbelohnungen aus. Präsident dieser Kommission war unter der provisorischen Regierung der „Arbeiter Albert“; später wurde eine neue unter dem Vorsitz Guinards gebildet, und als Hr. Senard darauf einen neuen Gesetzentwurf überreichte, gingen die Listen durch den Minister Dufaure an die mit dem Gutachten beauftragte Abtheilung der Nat.-Vers. Vor drei Tagen denunzirten nun die bonapartistischen Blätter, daß man auf diesen Listen der „National-Belohnungen“ Diebe, Mörder und Mordbrenner finde. Welche Chancen für den „honetten“ Degen Cavaignac! Mußte nicht die Bourgeoisie bei dem Gedanken an solche gefährliche Bekanntschaften des Afrikaners fürchten, daß er am Ende noch einmal mit den „Juniräubern“ Brüderschaft trinke? Es kam also vorgestern zu Explikationen, Geschrei, Anklagen, Interpellationen, Skandal und dem gewöhnlichen Schluß, der Tagesordnung — pur et simple. Hr. Senard gab eine lange Geschichtserzählung zum Besten und Guinard protestirte voll Leidenschaft in seinem und Alberts, des Gefangenen von Vincennes Namen gegen die Richtigkeit dieser Listen. Hatten also vielleicht die Minister Ehren-Cavaignacs jene „unhonetten“ Bekanntschaften eingezeichnet? Befand sich ja sogar eine Pension für die Wittwe des Attentäters Lecomte darauf! Unheilvolle Leidenschaft eines honetten Republikaners, die Gattin eines Königsmörders! Hr. Cavaignac wies sofort im Soldatenton jene Verantwortlichkeit der Listen ab, und Hr. Dufaure machte die Versammlung glauben, daß die fraglichen Listen durch einen Ränkemacher verfälscht seien.</p> <p>Die Sache war also abgemacht. Aber Hr. Cavaignac <hi rendition="#g">fürchtete</hi> noch, er fürchtete den Eindruck dieses kleinen Skandals in den Departements, wenn bei der vorgeschrittenen Stunde die Reden Guinard's und Senard's <hi rendition="#g">allein</hi>, ohne seine und Dufaures Antworten in die Provinz kämen. Und um dies zu vermeiden, that der „honette Republikaner“, was weder die ältere noch die jüngere „Dynastie“ jemals gewagt hatte, und was unter dem kaiserlichen Despotismus nur ein Einzigesmal bei einer Aushebung in den Provinzen zur Zeit der Gefahr geschah: Hr. Cavaignac hielt die Malleposten um 7 Stunden zurück, um den Departements lediglich eine „Fortsetzung“ in der Geschichte der Belohnungslisten zu ersparen. „Man wollte das Gift nicht ohne das Gegengift abgehen lassen.“ Die Bekanntschaft des honetten insurgentenschlachtenden Säbels mit der Hinterlassenschaft eines königsmörderischen Dolches wäre ein Gift gewesen, — für die öffentliche „Ruhe“? — nein, für die Kandidatur des Säbels in den Provinzen. Die Arrestation der Post war ein Wahlmanöver, so gut, wie die versuchte päbstliche Komödie in Marseille. Louis Philipp benutzte seine Staatsgewalt, um an der Börse zu spekuliren und das Volk zu bestehlen; die Dynastie „National“ benutzt die Börse, um auf die Staatsgewalt zu spekuliren, und die Republik zu bestehlen. Honette Nachfolger des Königs der Krämer und Beutelschneider!</p> <p>Der Skandal in der Versammlung nach diesen Enthüllungen, die Grobheiten und Drohungen der Montagne gegen die Centren endigten damit, daß die Sitzung ohne Weiteres auf einige Minuten aufgehoben wurde. Aber in der Bourgeoisie hat der Pascha Cavaignac durch seine Spekulation nichts gewonnen. Die Bourgeoisie wird nichts dagegen erinnern, daß die Dynastie „National“ die Staatsinstitutionen zu Privatgeschäftchen exploitirt; aber sie wird ihm nachrechnen, daß er durch die Arrestation der Post in die Regelmäßigkeit ihrer Wucherordnung eingegriffen und zahllose Krämer, die auf ihre Remessen aus Paris warteten, in Angst und Verwirrung gejagt hat.</p> </div> <div xml:id="ar166_029" type="jArticle"> <head>Paris, 9. Decbr.</head> <p>Im Viertel St. Jaques scheint das Volk der dort kasernirten Mobilgarde den Hals brechen zu wollen und machte gestern Abend damit schon einen kleinen Anfang, indem es Koth und Steine in die Kasernen und Wachtstuben der Mobilen warf, die in Folge dieser Scenen mit Linientruppen umgeben und resp. besetzt worden sind. Sonderbar genug, lauert die Linie aber selbst auf eine gute Gelegenheit, der Mobilgarde eine derbe Lektion zu ertheilen und man hört sie nicht selten in den Volksruf einstimmen: Nieder mit den Henkern Cavaignac's! Die Mobilen sind demzufolge in die Caserne der Mouffetardstraße eingeschlossen worden wo sie von Zeit zu Zeit sich mit der Nase ans Fenster wagen und herabrufen: Es lebe Cavaignac! Worauf denn der Skandal losgeht, dessen Ende wir nicht absehen.</p> <p>— Aus Madrid meldet man folgendes unterm 5. Dec. (Der Minister Frankreichs an den Minister der auswärtigen Angelegenheiten.) „Keiner der Mannschaften der Montanera wird die geringste Verurtheilung zu den Strafen erleiden, welche gegen sie aus Veranlassung der Vorfälle am Bord der Go<gap reason="illegible"/>lette ausgesprochen wurde.“</p> <p>— Wir stehen am Vorabende der Präsidentenwahl. In den Mairiehöfen erblickt man wie vor Theaterkassen lange Reihen, die auf ihre Wählerkarte harren. Das Parteispiel in den besuchtesten Straßen ist höchst erbaulich. Gassenjungen und feingekleidete Damen theilen ganze Stöße von kaiserlichen Stimmzetteln an die Vorübergehenden aus, die sie je nach Laune in tausend Stücke zerreißen und in die Luft werfen. Dieses Schneegestöber erregt viel Gelächter.</p> <p>— In Paris hat Cavaignac wenig Hoffnung; dagegen in den Departements viele. Folgende Statistik für die Wahlrechte ist nicht uninterressant. Es unterstützen Cavaignac 190 Journale, darunter natürlich fast alle Präfekturblätter. Napoleon 103 und den Ledru-Rollin 48 Journale.</p> <p>— Die „Assemblée Nationale“ sagt: „Das Gegengift, das Cavaignac, Dufaur und Trouvé-Chauvel in die Provinzen schickte und wofür man die Mallposten bis Mitternacht zurückhielt, besteht aus folgenden Ingredienzen. 1) Ein Kupferstich darstellend das Bildniß Cavaignac in der Generalsuniform. 2) Ein Pakuet Stimmzettel bedruckt Cavaignac. 3) Cavaignac's Antwort auf die Listen. 4) Dufaure's Entrüstung gegen dieselber.</p> <p>— <hi rendition="#g">Nationalversammlung.</hi> Sitzung vom 9 Decbr. Corbo<gap reason="illegible"/> Vicepräsident eröffnet um 1 1/2 Uhr die Sitzung.</p> <p><hi rendition="#g">Corbon:</hi> Ich theile zunächst der Versammlung folgendes Resultat des gestrigen Skrutins für die Wahl des provisorischen Staatsrathes mit. Zu Mitgliedern wurden gewählt: Fr. Arago mit 433 Stimmen, Lacrosse 415, Lamartine 407, Bedeau 389, Dupont de l' Eure 336, Senard 335, Goudchaur 338, Billault 316, Martin aus Straßburg 309, Tocqueville 296, Havin 280, Parieu 280, Remusat 272, Simon (Jules) 272, Stourm 271, Grevy 264; Voudet 259, Chambolle 256, Cormenin 247, Buchez 246, Lichtenberger 237, Carnot 236, Boulatignis 234, Marrast 229, Landrin 225, Ferdinand v. Lasteyrie 223, de Falloux 219, Vaulabelle 214, Baroche 212, Bixio 197 Stimmen. (Sensation.)</p> <p>An der Tagesordnung ist das Verantwortlichkeitsgesetz gegen den Präsidenten.</p> <p><hi rendition="#g">Pascal Duprat</hi> findet das Gesetz schon in den Entwürfen zu den organischen Gesetzen. Man könne unmöglich zwei Gesetze aus demselben Teige backen. Er verlangt daher, erst über die Frage zu berathen, ob man den Vorschlag überhaupt genehmige? (zweideutiger Beifall).</p> <p><hi rendition="#g">Cremieux</hi> vertheidigt seine Arbeit. Die Versammlung habe sie bereits auf die Tagesordnung gesetzt; sie müsse sie also diskutiren.</p> <p><hi rendition="#g">St. Gaudens</hi> findet den Antrag verfassungswidrig. Er durfte nicht vom Bürger Cremieux gestellt werden, sondern mußte vom Verfassungsausschusse ausgehen. Dieser habe in den organischen Gesetzen bereits vorgesehen. Man wirft ein, wir könnten doch unmöglich in Gegenwart des Präsidenten deliberiren. Warum denn nicht? Wir werden doch immer noch stark genug sein, um unsere gesetzgeberische Würde zu behaupten. Ich trage also auf Vertagung bis zu den organischen Gesetzen an. (Ja, Ja, Nein.)</p> <p>Die Vertagung wird entschieden.</p> <p>Die Versammlung schreitet zur Abstimmung darüber, in welcher Reihen[f]olge die organischen Gesetze zu berathen?</p> <p><hi rendition="#g">Baroche</hi> schlägt Vertagung vor, da die Geister gar zu aufgeregt seien. (Ja, Ja! Nein, Nein!)</p> <p>Man ruft nach Abstimmung darüber. Dieselbe erfolgt durch Zettel.</p> <p>329 gegen 224 stimmen gegen die Vertagung. Die Reihenfolge der organischen Gesetze wird also sofort berathen.</p> <p>In erster Linie kommt das Gesetz über Verantwortlichkeit der Staatsbeamten (also auch des Präsidenten). Dann das Gesetz über den Staatsrath; drittens das Wahlgesetz. (Die Frage: Ob auch die Departements- und Gemeinde-Organisation in dieser Reihe aufzunehmen? wird mit 359 gegen 221 Stimmen bejaht.</p> <p>380 gegen 179 Stimmen entscheiden ferner, daß auch viertens die Gerichtsordnung unter die organischen Gesetze aufzunehmen sei.</p> <p><hi rendition="#g">Hwyn Tranchére</hi> ruft einigen Tumult hervor, weil er die nachfolgenden Gesetze ausschließen will (über Unterricht u. s. w.).</p> <p>Es beginnt ein viertes Skrutiums.</p> <p>Die Versammlung entscheidet, daß auch der sogenannte subsequente Theil der organischen Gesetze (worunter das Unterrichts- und Belagerungs-Gesetz) in obiger Reihenfolge Platz finden soll.</p> <p><hi rendition="#g">Joly:</hi> Ich verlange das Wort über die Tagesordnung.</p> <p><hi rendition="#g">Corbon:</hi> Sie haben das Wort.</p> <p><hi rendition="#g">Joly:</hi> Ich besteige die Bühne, um den Minister des Innern über die Lage von Paris zur Rede zu stellen. (Hört, hört!) Eine große Agitation herrsche in der Stadt. Alle Straßen, namentlich die Viertel um den Vendomeplatz seien vollgepfropft und die Cirkulation gehindert. Ein Bürger, der es gewagt: Es lebe Cavaignac auszurufen, sei fast gesteinigt worden Alle Welt habe ihm entgegengerufen: N[i]eder mit Cavaignac! (Erstaunen.) Die Elemente des Hasses seien verschiedener Natur. Darunter die Versammlung der Obersten bei Dufaure. Die ministerielle Willkür der letzten Tage habe sie genährt. Der Kriegsminister habe z. B. „rothe“ Offiziere verfolgt. (Der Redner liest einen Brief aus dem Journal Republique) Ferner gehe das Gerücht, die Klubs würden am Montag geschlossen u. s. w. Er wünsche darüber Auskunft.</p> <p><hi rendition="#g">Dufaure:</hi> Ich erwidere auf die verschiedenen Punkte: 1) ich ließ die Bürgerwehr-Obersten zu mir kommen, um sie zu konsultiren. Das war meine Pflicht in Rücksicht auf die Lage. 2) Die Gruppen waren bis jetzt friedlich und daß man nieder mit Cavaignac geschrien, hat auch noch nicht zu Gewaltmaßregeln gezwungen. Wenn ich sie aber unterdrücken wollte, werde ich es nicht mit Polizeigesetzen, sondern mit dem Attroupementsgesetz thun. 3) Betreff, der Clubs erwidere ich: daß die Regierung dann sie aufheben wird, wenn sie selbige für gefährlich halten wird, und sie wird ihr Gesetz selbst auf die Wahlversammlungen ausdehnen. Für jetzt ist dieß nicht nöthig. Ist der Präsident gewählt, dann wird die jetzige Exekutive zu gehorsamsten Dienern [herabsinken]. (Stimme Bouleys: Wir Alle! — Lachen zur Linken.)</p> <p><hi rendition="#g">Ledru Rollin</hi> widerspricht energisch; setzt seiner Seits die Punkte auseinander und weist dem Minister nach, daß er verhehle, namentlich was in der Versammlung der Obersten der Bürgerwehr geschehen.</p> <p>Der Minister habe eine Insurrektion prophezeit, die vom Berge unterstützt würde. Er negirt dieß und erntet großen Beifall.</p> <p><hi rendition="#g">Lamoriciere</hi> erklärt, daß alle Vorsichtsmaßregeln getroffen seien. Was die Offizierversetzung betreffe, so glaube er sich in seinem Rechte. Eine Regierung, deren Offiziere rothe Clubs besuchen dürften, wäre verloren.</p> <p>Die Sitzung wird um 6 1/2 Uhr geschlossen. Der Vorfall hat keine Folgen.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Großbritannien.</head> <div xml:id="ar166_030" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> London, 9. Dezember.</head> <p>Die englische Presse, namentlich die Times, spricht ihre große Zufriedenheit mit dem österreichischen Thronwechsel und der Auflösung der preußischen Versammlung aus. Die Times meint von Oesterreich, daß mit dem neuen Kaiser eine Zeit der Prosperität für das Land hereinbrechen werde, und in Bezug auf Preußen sagt sie, daß Deutschland besser durch Festigkeit als durch Konzessionen regiert werden könne.</p> <p>Vor allen Dingen will die Times Ruhe, und nochmals Ruhe und abermals Ruhe, damit John Bull den deutschen Michel wieder in der herkömmlichen Weise exploitiren kann.</p> <p>Nach der jüngsten Aufstellung ist die englische Staatsschuld in den Händen von 284,127 Personen. 275,721 Personen erhalten davon eine Dividende, die 200 L. nicht übersteigt. 4032 Personen erhalten zwischen 200 und 300 L. 2647 zwischen 400 und 500 L. 1222 eine Summe, die 1000 L. nicht übersteigt. 328 zwischen 1 und 2000 L. und 177 mehr als 2000 L. jährlich.</p> <p>Die Nachrichten aus den Manufakturdistrikten lauten fortwährend günstig und man hofft, daß die Spinnereien den ganzen Winter hindurch vollauf beschäftigt sein werden.</p> <p>Aus Irland ist nichts Neues zu melden, wenn es nicht das ist, daß die Noth der Bevölkerung, wie gewöhnlich im Winter, reißende Fortschritte macht.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Ungarn.</head> <div xml:id="ar166_031" type="jArticle"> <head>Cernowic, 27. Novbr.</head> <p>Die Zahl der bombardirten Städte hat sich abermals um eine vermehrt, es ist Klausenburg, die Hauptstadt von Ungarn und Siebenbürgen, welche am 20. d. M. vom General Wardener beschossen und mittelst Kapitulation eingenommen wurde. In der ersten Nacht sollte sie von den Ungarn überrumpelt werden, allein die Besatzung war auf der Hut, und schlug den Angriff des Feindes zurück, den sie auch verfolgte, und ihm einen bedeutenden Verlust an Todten und Verwundeten beibrachte. Klausenburg selbst soll arg hergenommen worden sein, und hat viel durch Feuer und Schwert gelitten. Ein Reisender berichtete, daß es einem Schutthaufen gleiche.</p> <bibl>(Const. Bl. a. B.)</bibl> </div> <div xml:id="ar166_032" type="jArticle"> <head>Kronstadt, 22. Nov.</head> <p>So eben erhalten wir aus Kimpina die Nachricht, daß am 18. d. M. eine Abtheilung russischer Sappeure mit einem Hauptmann und einem Lieutenant daselbst eingerückt sind. Eine größere Abtheilung russischer Truppen soll folgen, um die Gränze gegen Siebenbürgen zu schützen.</p> <bibl>(S. M.)</bibl> </div> </div> <div n="1"> <head>Handelsnachrichten.</head> <gap reason="insignificant"/> </div> <div n="1"> <p> <hi rendition="#b">Zu dieser Nummer wird morgen früh eine Beilage ausgegeben.</hi> </p> </div> <div type="imprint"> <p>Der Gerant: <hi rendition="#g">Korff</hi>.<lb/> Druck J. W. <hi rendition="#g">Dietz,</hi> unter Hutmacher 17.</p> </div> </body> </text> </TEI> [0892/0004]
Lehrer der Emeute, dieser ganze Schwarm sollte nachträglich beschenkt werden mit dem mühsam eingetriebenen Gelde der Steuerpflichtigen. Aber die öffentliche Meinung erhob sich drohend gegen diese Verhöhnung der Moral, und mit Recht rief Herr v. Larochejacquelin (einer der verrücktesten Junker alten Schlages notabene): „das Projekt falle ja schon vor dem allgemeinen Unwillen!“ Die Demokratie hat sich folgende Freiheitskämpfer auf diesem Verzeichniß zu merken: Erste Klasse jährlich 500 Frs. Pension: Arbogast, Sackträger, 1839 ein Monat Kerker, hat jedesmal mitgekämpft. Augias, Modellirer, Juliverwundeter, 1846 verurtheilt wegen Verkaufs der Brustbilder Robespierre's. Bainse, Buchbinder, nach dem republikanischen Aufstande von 1832 zum Tode verdammt. Baune, von 1835 bis 37 auf Pairsurtheil im Kerker, jetzt Volksvertreter. Blondeau, Gemüsehändler, 1832 nach dem Juniaufstande der Republikaner fünf Jahre Galeeren, (und ein Emil Girardin nebst Frau laufen frei herum und mokiren sich über ihn!!). Boucheron, Holzsäger, wegen Attentat auf die Herren Söhne Sr. Maj. Louis Philipp's und Widersetzlichkeit gegen die Polizeigewalt zehn Jahre Kerker. Tricotel, Unteroffizier, zehn Jahre Kerker wegen des republikanischen Komplottes in Lüneville. Trümloup, Professor der Baukunst, erwarb in seinem Fach den zweiten großen Preis, focht 1830, 1833 im Kerker, focht im April 1834, ward revolutionärer Sektionsvorsteher, hat seit 27 Jahren Tag und Nacht das alte System befehdet. Rogat, Kupferstecher, 1834 wegen einer aufrührerischen Medaille verurtheilt. Wittwe des Bürgers Minton, den Louis Philipp wegen Attentat auf ihn zu den Galeeren schickte, wo er starb. Pillot, sechs Monate Kerker wegen Association, ungesetzlichem Tragen des Priesterkleides 1839, 300 Franken Strafe; 1840 dito wegen Attentat auf die Regierung. Samuel Koch, auf der Insel Martinique 1834 als Insurgent zum Tode verdammt, darnach fünfzehn Jahre Galeeren und fünf Jahre Kerker (und Delphine Gay und Girardin laufen frank und frei herum und höhnen!!). Wittwe des B. Colombier, wegen fehlgeschlagenem Königsmord auf den Galeeren, wo er starb. Degeorges 1824 im Kampf gegen die Pfaffen- und Adelssoldaten der Restauration, in Koutumaz zum Tode verdammt. Lecomte im Kerker 1831 wegen Aufruf zur Emeute. Schwester B. Lecomte's, der als Königsmörder hingerichtet ward. Coffineau, Hausbesitzer und Kommunist, sieben Jahre Kerker, angeblich wegen Diebstahl, in Wahrheit wegen seiner Propaganda. — Cabet, Marrast, Caussidiere, Gervais (heute Dr. med. und Polizeipräfekt), Trélat (Dr. med. und Exminister der Staatsarbeiten), Sobrier, Redakteur der „Commune de Paris“ und jetzt Maigefangener zu Vincennes nebst Barbes; Flocon, Exminister des Handels und Ackerbaues, stehen auch auf dieser Liste, neben Bastide, Minister des Auswärtigen!
Die zweite Liste zu 300 Franken bringt 536 Personen, worunter Carrette, Fabrikant, 3 Monate Kerker und 3000 Franken Buße im Jahre 1833 angeblich wegen Religionsverspottung, Februarkämpfer und nach dem Juni eine zeitlang verhaftet. Carteron, vom Kaiser Napoleon mit zehn Jahren Galeeren wegen eines gestohlenen Kaninchens beschenkt; von Louis Philipp dreimal mit Einkerkerung wegen Aufreizung zur Emeute.
Annette Pierre, zwei Jahre eingekerkert wegen Aufreizung zur Emeute, im Kerker wahnwitzig geworden. Virginie Galand, 1846 eingekerkert. Rose Puin fünf Jahre Galeeren 1831 wegen Emeute. Bürgerin Bourlier, Tagelöhnerin, Kerker und nachherige öftere Verfolgung. Unter den jetzigen Staatsmännern und Beamten, die Louis Philipp's tückischer Rache verfielen, hatten Trélat, außer Gefängniß, 12000 Franken zu zahlen gehabt; Cabet war 5, Marrast 1 Jahr zu London in freiwilligem Exil gewesen, u. s. w.
12 Paris, 8. Dez. Hr. Arago hat, wie man weiß, um 7 ganze Stunden den Abgang der Posten zurückgehalten, damit die Debatte über die Nationalbelohnungen nicht stückweise den Provinzen zukäme. Gingen mit dieser Mallpost weiter keine Depeschen ab als die der Regierung, so ließe sich diese Verzögerung von Seiten Cavaignacs, der dem Postdirektor diesen Befehl gegeben hatte, begreifen. Hr. Cavaignac benutzt die Posten zur Beförderung seiner Kandidatur. Er will nicht, daß „das Gift ohne das Gegengift in der Provinz“ anlange. Aber mit dieser Mallpost gehen jeden Tag zur bestimmten Stunde alle Korrespondenzen von Paris ab: in der Provinz selbst wird die Ankunft dieser Briefe jeden Tag zur bestimmten Stunde erwartet. Nun denke man sich, welche Störung unter den jetzigen Umständen die mindeste Verzögerung hervorbringen muß: Störung jeder Art, politischer sowohl als kommerzieller Natur. Die „Debats“, welche, wie man weiß, auf Seiten Cavaignac's stehen, rügen mit herben Worten diese unbegreifliche Maßregel, die man sich zu keiner Zeit, und in keinem Lande noch erlaubt hätte. Vom rechtlichen Standpunkte aber ist diese Maßregel geradezu ein Eingriff in die Freiheit der Presse, und die Kammer billigt diesen Eingriff. Cavaignac wirft sich zum Censor der Mittheilungen für die Provinz auf, und die Kammer billigt die Sonderung „des Giftes vom Gegengifte.“ Cavaignac, indem er die Debatten der Provinz mehrere Stunden vorbehält, sagt zu den Departements: Ihr sollt das noch nicht wissen; ihr sollt es zur rechten Zeit nicht wissen; es ist nicht die rechte Zeit für Euch, es zu wissen. Wir streichen es, wir lassen es eine Zeitlang weiß stehe, indem wir die Postwagen im Stalle stehen lassen; später sollt ihr die gestrichenen Stellen mit den Randglossen des Censors lesen. Daß die Post in Paris vor allen Dingen ein kommerzielles Institut sei, daran konnten die Leute des Nationals nicht denken. Was war aber nun das „Gift“, welches nicht ohne Gegengift verabreicht werden sollte, und das man sieben ganze Stunden verborgen hielt? Die nationale Belohnungen! die Guten, welche für die gute Sache gelitten hatten, sollten belohnt werden. Die gute Sache war die Republik, die böse das Königthum: die Guten sind also die Republikaner, die auf die eine oder die andere Weise gegen das Böse gekämpft haben: ob im Februar, vor oder nach Februar mußte natürlich gleichgültig sein. Die Restauration hatte eine Milliarde bewilligt, für die, welche nach dem Sturze des Kaiserthums, auf die eine oder die andere Weise für das Königthum gelitten hatten: die Republik konnte nicht weniger thun, als eine Belohnung denen zu bewilligen, die an dem Sturze des Königthums sich betheiligt hatten.
Im Februar war es das Proletariat in Masse, welche das Königthum in Masse gestürzt hatten; vor dem Februar waren es einzelne Proletarier, die den König einzeln mit Verachtung ihres Lebens stürzen wollten. Aber diese Proletarier, heißt es, waren Mörder, folglich waren es böse Leute, die nicht belohnt werden dürfen. Sie haben übrigens ihr „Verbrechen“ gebüßt und wenn ihre Angehörigen, wie die Verwandten Alibaud's, Darmês u. s. w. jetzt dulden und nicht unterstützt werden, so dürfen sie sich darüber nicht beklagen. Andere wieder, wie Marrast, Bastide u. s. w. haben nicht mit dem Schwerte, sondern mit dem Wort gegen den König angekämpft. Diese „Bösen“ wurden damals bestraft, und sollten nun als „gute Republikaner“ mit einer jährlichen Rente von 500 Fr. und darüber belohnt werden.
Aber diese „Guten“ haben sich schon alle selbst belohnt und sitzen als Richter über die andern Guten, welche eine Belohnung verdienen. Die andern Guten sind nun aber keine andern als die Kämpfer im Februar. Die Kämpfer im Februar aber haben auch im Juni gekämpft. Statt belohnt zu werden, sollen sie jetzt deportirt werden. Wenn sie im Februar gut waren, so sind sie im Juni böse geworden. Wer sind also die „Guten,“ die belohnt werden müssen?
Niemand, außer diejenigen welche sich selbst belohnt haben: das sind die einzig Guten. Das Dekret ist also einstweilen zurückgenommen worden. Damit aber in den Provinzen keine Verwirrung entstehe über die Begriffe des Guten und Bösen, damit sie nicht das süße Gift des Bösen einsaugen, ohne zugleich das bittere Gegengift mit einzuschlürfen, hat ihnen der ehemalige Bürgermeister von Paris, Marrast, beides zusammen, wohlverpackt im Postwagen und gehörig zergliedert im National mitgeschickt.
Und das ist die Lehr von der Geschicht,
Traut keinem Bürgermeisters nicht.
19 Paris, 9. Dez. Skandal! Skandal! Welcher glorreiche Abend für die Sonne der „honetten“ Republik! War es nicht auch der Skandal, der Schmutz einiger ehrgeizigen Diebe, welche seit der Restauration jedesmal dem Fall der Ministerien oder „Dynastien“ voranging? Und die Dynastie „National“ hat in konservativer Begeisterung nichts Eiligeres zu thun, als in den letzten Tagen vor der Präsidentenwahl noch schnell mit Schmutz und Gestank von ihrer honett-republikanischen Herrlichkeit Abschied zu nehmen. Die ehrbare Nat.-Vers. in unanständiger Natürlichkeit, all ihres honetten Schmuckes entkleidet; die Deputirten mit gesträubten Haaren auf einander losgehend, Einer dem Andern „Infamie“ vorwerfend — ein Landstraßen-Genrebildchen, wie es fast an eine gewisse komische Versammlung an den Ufern des Mains erinnert: und Alles das um nichts Geringeres als die Reitstiefeln der Couriere Seiner republikanischen Herrlichkeit, des Präsidentschaftskandidaten Cavaignac.
In der vorgestrigen Sitzung beuteten die Bonapartisten nach Anleitung des Hrn. Thiers eine Liste der Kommission für Nationalbelohnungen aus. Präsident dieser Kommission war unter der provisorischen Regierung der „Arbeiter Albert“; später wurde eine neue unter dem Vorsitz Guinards gebildet, und als Hr. Senard darauf einen neuen Gesetzentwurf überreichte, gingen die Listen durch den Minister Dufaure an die mit dem Gutachten beauftragte Abtheilung der Nat.-Vers. Vor drei Tagen denunzirten nun die bonapartistischen Blätter, daß man auf diesen Listen der „National-Belohnungen“ Diebe, Mörder und Mordbrenner finde. Welche Chancen für den „honetten“ Degen Cavaignac! Mußte nicht die Bourgeoisie bei dem Gedanken an solche gefährliche Bekanntschaften des Afrikaners fürchten, daß er am Ende noch einmal mit den „Juniräubern“ Brüderschaft trinke? Es kam also vorgestern zu Explikationen, Geschrei, Anklagen, Interpellationen, Skandal und dem gewöhnlichen Schluß, der Tagesordnung — pur et simple. Hr. Senard gab eine lange Geschichtserzählung zum Besten und Guinard protestirte voll Leidenschaft in seinem und Alberts, des Gefangenen von Vincennes Namen gegen die Richtigkeit dieser Listen. Hatten also vielleicht die Minister Ehren-Cavaignacs jene „unhonetten“ Bekanntschaften eingezeichnet? Befand sich ja sogar eine Pension für die Wittwe des Attentäters Lecomte darauf! Unheilvolle Leidenschaft eines honetten Republikaners, die Gattin eines Königsmörders! Hr. Cavaignac wies sofort im Soldatenton jene Verantwortlichkeit der Listen ab, und Hr. Dufaure machte die Versammlung glauben, daß die fraglichen Listen durch einen Ränkemacher verfälscht seien.
Die Sache war also abgemacht. Aber Hr. Cavaignac fürchtete noch, er fürchtete den Eindruck dieses kleinen Skandals in den Departements, wenn bei der vorgeschrittenen Stunde die Reden Guinard's und Senard's allein, ohne seine und Dufaures Antworten in die Provinz kämen. Und um dies zu vermeiden, that der „honette Republikaner“, was weder die ältere noch die jüngere „Dynastie“ jemals gewagt hatte, und was unter dem kaiserlichen Despotismus nur ein Einzigesmal bei einer Aushebung in den Provinzen zur Zeit der Gefahr geschah: Hr. Cavaignac hielt die Malleposten um 7 Stunden zurück, um den Departements lediglich eine „Fortsetzung“ in der Geschichte der Belohnungslisten zu ersparen. „Man wollte das Gift nicht ohne das Gegengift abgehen lassen.“ Die Bekanntschaft des honetten insurgentenschlachtenden Säbels mit der Hinterlassenschaft eines königsmörderischen Dolches wäre ein Gift gewesen, — für die öffentliche „Ruhe“? — nein, für die Kandidatur des Säbels in den Provinzen. Die Arrestation der Post war ein Wahlmanöver, so gut, wie die versuchte päbstliche Komödie in Marseille. Louis Philipp benutzte seine Staatsgewalt, um an der Börse zu spekuliren und das Volk zu bestehlen; die Dynastie „National“ benutzt die Börse, um auf die Staatsgewalt zu spekuliren, und die Republik zu bestehlen. Honette Nachfolger des Königs der Krämer und Beutelschneider!
Der Skandal in der Versammlung nach diesen Enthüllungen, die Grobheiten und Drohungen der Montagne gegen die Centren endigten damit, daß die Sitzung ohne Weiteres auf einige Minuten aufgehoben wurde. Aber in der Bourgeoisie hat der Pascha Cavaignac durch seine Spekulation nichts gewonnen. Die Bourgeoisie wird nichts dagegen erinnern, daß die Dynastie „National“ die Staatsinstitutionen zu Privatgeschäftchen exploitirt; aber sie wird ihm nachrechnen, daß er durch die Arrestation der Post in die Regelmäßigkeit ihrer Wucherordnung eingegriffen und zahllose Krämer, die auf ihre Remessen aus Paris warteten, in Angst und Verwirrung gejagt hat.
Paris, 9. Decbr. Im Viertel St. Jaques scheint das Volk der dort kasernirten Mobilgarde den Hals brechen zu wollen und machte gestern Abend damit schon einen kleinen Anfang, indem es Koth und Steine in die Kasernen und Wachtstuben der Mobilen warf, die in Folge dieser Scenen mit Linientruppen umgeben und resp. besetzt worden sind. Sonderbar genug, lauert die Linie aber selbst auf eine gute Gelegenheit, der Mobilgarde eine derbe Lektion zu ertheilen und man hört sie nicht selten in den Volksruf einstimmen: Nieder mit den Henkern Cavaignac's! Die Mobilen sind demzufolge in die Caserne der Mouffetardstraße eingeschlossen worden wo sie von Zeit zu Zeit sich mit der Nase ans Fenster wagen und herabrufen: Es lebe Cavaignac! Worauf denn der Skandal losgeht, dessen Ende wir nicht absehen.
— Aus Madrid meldet man folgendes unterm 5. Dec. (Der Minister Frankreichs an den Minister der auswärtigen Angelegenheiten.) „Keiner der Mannschaften der Montanera wird die geringste Verurtheilung zu den Strafen erleiden, welche gegen sie aus Veranlassung der Vorfälle am Bord der Go_ lette ausgesprochen wurde.“
— Wir stehen am Vorabende der Präsidentenwahl. In den Mairiehöfen erblickt man wie vor Theaterkassen lange Reihen, die auf ihre Wählerkarte harren. Das Parteispiel in den besuchtesten Straßen ist höchst erbaulich. Gassenjungen und feingekleidete Damen theilen ganze Stöße von kaiserlichen Stimmzetteln an die Vorübergehenden aus, die sie je nach Laune in tausend Stücke zerreißen und in die Luft werfen. Dieses Schneegestöber erregt viel Gelächter.
— In Paris hat Cavaignac wenig Hoffnung; dagegen in den Departements viele. Folgende Statistik für die Wahlrechte ist nicht uninterressant. Es unterstützen Cavaignac 190 Journale, darunter natürlich fast alle Präfekturblätter. Napoleon 103 und den Ledru-Rollin 48 Journale.
— Die „Assemblée Nationale“ sagt: „Das Gegengift, das Cavaignac, Dufaur und Trouvé-Chauvel in die Provinzen schickte und wofür man die Mallposten bis Mitternacht zurückhielt, besteht aus folgenden Ingredienzen. 1) Ein Kupferstich darstellend das Bildniß Cavaignac in der Generalsuniform. 2) Ein Pakuet Stimmzettel bedruckt Cavaignac. 3) Cavaignac's Antwort auf die Listen. 4) Dufaure's Entrüstung gegen dieselber.
— Nationalversammlung. Sitzung vom 9 Decbr. Corbo_ Vicepräsident eröffnet um 1 1/2 Uhr die Sitzung.
Corbon: Ich theile zunächst der Versammlung folgendes Resultat des gestrigen Skrutins für die Wahl des provisorischen Staatsrathes mit. Zu Mitgliedern wurden gewählt: Fr. Arago mit 433 Stimmen, Lacrosse 415, Lamartine 407, Bedeau 389, Dupont de l' Eure 336, Senard 335, Goudchaur 338, Billault 316, Martin aus Straßburg 309, Tocqueville 296, Havin 280, Parieu 280, Remusat 272, Simon (Jules) 272, Stourm 271, Grevy 264; Voudet 259, Chambolle 256, Cormenin 247, Buchez 246, Lichtenberger 237, Carnot 236, Boulatignis 234, Marrast 229, Landrin 225, Ferdinand v. Lasteyrie 223, de Falloux 219, Vaulabelle 214, Baroche 212, Bixio 197 Stimmen. (Sensation.)
An der Tagesordnung ist das Verantwortlichkeitsgesetz gegen den Präsidenten.
Pascal Duprat findet das Gesetz schon in den Entwürfen zu den organischen Gesetzen. Man könne unmöglich zwei Gesetze aus demselben Teige backen. Er verlangt daher, erst über die Frage zu berathen, ob man den Vorschlag überhaupt genehmige? (zweideutiger Beifall).
Cremieux vertheidigt seine Arbeit. Die Versammlung habe sie bereits auf die Tagesordnung gesetzt; sie müsse sie also diskutiren.
St. Gaudens findet den Antrag verfassungswidrig. Er durfte nicht vom Bürger Cremieux gestellt werden, sondern mußte vom Verfassungsausschusse ausgehen. Dieser habe in den organischen Gesetzen bereits vorgesehen. Man wirft ein, wir könnten doch unmöglich in Gegenwart des Präsidenten deliberiren. Warum denn nicht? Wir werden doch immer noch stark genug sein, um unsere gesetzgeberische Würde zu behaupten. Ich trage also auf Vertagung bis zu den organischen Gesetzen an. (Ja, Ja, Nein.)
Die Vertagung wird entschieden.
Die Versammlung schreitet zur Abstimmung darüber, in welcher Reihen[f]olge die organischen Gesetze zu berathen?
Baroche schlägt Vertagung vor, da die Geister gar zu aufgeregt seien. (Ja, Ja! Nein, Nein!)
Man ruft nach Abstimmung darüber. Dieselbe erfolgt durch Zettel.
329 gegen 224 stimmen gegen die Vertagung. Die Reihenfolge der organischen Gesetze wird also sofort berathen.
In erster Linie kommt das Gesetz über Verantwortlichkeit der Staatsbeamten (also auch des Präsidenten). Dann das Gesetz über den Staatsrath; drittens das Wahlgesetz. (Die Frage: Ob auch die Departements- und Gemeinde-Organisation in dieser Reihe aufzunehmen? wird mit 359 gegen 221 Stimmen bejaht.
380 gegen 179 Stimmen entscheiden ferner, daß auch viertens die Gerichtsordnung unter die organischen Gesetze aufzunehmen sei.
Hwyn Tranchére ruft einigen Tumult hervor, weil er die nachfolgenden Gesetze ausschließen will (über Unterricht u. s. w.).
Es beginnt ein viertes Skrutiums.
Die Versammlung entscheidet, daß auch der sogenannte subsequente Theil der organischen Gesetze (worunter das Unterrichts- und Belagerungs-Gesetz) in obiger Reihenfolge Platz finden soll.
Joly: Ich verlange das Wort über die Tagesordnung.
Corbon: Sie haben das Wort.
Joly: Ich besteige die Bühne, um den Minister des Innern über die Lage von Paris zur Rede zu stellen. (Hört, hört!) Eine große Agitation herrsche in der Stadt. Alle Straßen, namentlich die Viertel um den Vendomeplatz seien vollgepfropft und die Cirkulation gehindert. Ein Bürger, der es gewagt: Es lebe Cavaignac auszurufen, sei fast gesteinigt worden Alle Welt habe ihm entgegengerufen: N[i]eder mit Cavaignac! (Erstaunen.) Die Elemente des Hasses seien verschiedener Natur. Darunter die Versammlung der Obersten bei Dufaure. Die ministerielle Willkür der letzten Tage habe sie genährt. Der Kriegsminister habe z. B. „rothe“ Offiziere verfolgt. (Der Redner liest einen Brief aus dem Journal Republique) Ferner gehe das Gerücht, die Klubs würden am Montag geschlossen u. s. w. Er wünsche darüber Auskunft.
Dufaure: Ich erwidere auf die verschiedenen Punkte: 1) ich ließ die Bürgerwehr-Obersten zu mir kommen, um sie zu konsultiren. Das war meine Pflicht in Rücksicht auf die Lage. 2) Die Gruppen waren bis jetzt friedlich und daß man nieder mit Cavaignac geschrien, hat auch noch nicht zu Gewaltmaßregeln gezwungen. Wenn ich sie aber unterdrücken wollte, werde ich es nicht mit Polizeigesetzen, sondern mit dem Attroupementsgesetz thun. 3) Betreff, der Clubs erwidere ich: daß die Regierung dann sie aufheben wird, wenn sie selbige für gefährlich halten wird, und sie wird ihr Gesetz selbst auf die Wahlversammlungen ausdehnen. Für jetzt ist dieß nicht nöthig. Ist der Präsident gewählt, dann wird die jetzige Exekutive zu gehorsamsten Dienern [herabsinken]. (Stimme Bouleys: Wir Alle! — Lachen zur Linken.)
Ledru Rollin widerspricht energisch; setzt seiner Seits die Punkte auseinander und weist dem Minister nach, daß er verhehle, namentlich was in der Versammlung der Obersten der Bürgerwehr geschehen.
Der Minister habe eine Insurrektion prophezeit, die vom Berge unterstützt würde. Er negirt dieß und erntet großen Beifall.
Lamoriciere erklärt, daß alle Vorsichtsmaßregeln getroffen seien. Was die Offizierversetzung betreffe, so glaube er sich in seinem Rechte. Eine Regierung, deren Offiziere rothe Clubs besuchen dürften, wäre verloren.
Die Sitzung wird um 6 1/2 Uhr geschlossen. Der Vorfall hat keine Folgen.
Großbritannien. * London, 9. Dezember. Die englische Presse, namentlich die Times, spricht ihre große Zufriedenheit mit dem österreichischen Thronwechsel und der Auflösung der preußischen Versammlung aus. Die Times meint von Oesterreich, daß mit dem neuen Kaiser eine Zeit der Prosperität für das Land hereinbrechen werde, und in Bezug auf Preußen sagt sie, daß Deutschland besser durch Festigkeit als durch Konzessionen regiert werden könne.
Vor allen Dingen will die Times Ruhe, und nochmals Ruhe und abermals Ruhe, damit John Bull den deutschen Michel wieder in der herkömmlichen Weise exploitiren kann.
Nach der jüngsten Aufstellung ist die englische Staatsschuld in den Händen von 284,127 Personen. 275,721 Personen erhalten davon eine Dividende, die 200 L. nicht übersteigt. 4032 Personen erhalten zwischen 200 und 300 L. 2647 zwischen 400 und 500 L. 1222 eine Summe, die 1000 L. nicht übersteigt. 328 zwischen 1 und 2000 L. und 177 mehr als 2000 L. jährlich.
Die Nachrichten aus den Manufakturdistrikten lauten fortwährend günstig und man hofft, daß die Spinnereien den ganzen Winter hindurch vollauf beschäftigt sein werden.
Aus Irland ist nichts Neues zu melden, wenn es nicht das ist, daß die Noth der Bevölkerung, wie gewöhnlich im Winter, reißende Fortschritte macht.
Ungarn. Cernowic, 27. Novbr. Die Zahl der bombardirten Städte hat sich abermals um eine vermehrt, es ist Klausenburg, die Hauptstadt von Ungarn und Siebenbürgen, welche am 20. d. M. vom General Wardener beschossen und mittelst Kapitulation eingenommen wurde. In der ersten Nacht sollte sie von den Ungarn überrumpelt werden, allein die Besatzung war auf der Hut, und schlug den Angriff des Feindes zurück, den sie auch verfolgte, und ihm einen bedeutenden Verlust an Todten und Verwundeten beibrachte. Klausenburg selbst soll arg hergenommen worden sein, und hat viel durch Feuer und Schwert gelitten. Ein Reisender berichtete, daß es einem Schutthaufen gleiche.
(Const. Bl. a. B.) Kronstadt, 22. Nov. So eben erhalten wir aus Kimpina die Nachricht, daß am 18. d. M. eine Abtheilung russischer Sappeure mit einem Hauptmann und einem Lieutenant daselbst eingerückt sind. Eine größere Abtheilung russischer Truppen soll folgen, um die Gränze gegen Siebenbürgen zu schützen.
(S. M.) Handelsnachrichten. _ Zu dieser Nummer wird morgen früh eine Beilage ausgegeben.
Der Gerant: Korff.
Druck J. W. Dietz, unter Hutmacher 17.
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Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
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Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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