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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 142. Köln, 14. November 1848.

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Der stattfindende Namensaufruf ergibt, daß 242 Mitglieder anwesend sind. Im Laufe der Sitzung melden sich noch mehrere Abgeordnete.

Auch der Zugführer der Bürgerwehr, welcher heute Nacht im Schauspielhause die Wache kommandirte, erscheint vor der obengenannten Kommission, und läßt sich zu Protokoll vernehmen. Heute morgen zwischen 3 und 4 Uhr hörte er hinter sich einen ungewöhnlichen Lärm und gleich darauf drängt eine Truppenmasse, welche zu den Hinterthüren Einlaß gefunden, auf die Wache ein, und fordert die Bürgerwehrwache auf, das Haus zu verlassen. Als sich dieselbe weigerte, sagt der Commandirende: Wollen sie der Gewalt weichen oder nicht? Hierauf mußte die Wache der Bürgerwehr das Schauspielhaus verlassen. - Auch gegen diesen Akt der Willkür beschließt die Versammlung zu protestiren.

Als Bornemann meint, man möge doch nicht so viel protestiren, sagt Phillips: Wir müssen protestiren fort und fort, gegen jeden Gewaltstreich, damit man einst unsern Kindern nicht sage, dein Vater war einer von denen, welche das Vaterland verrathen haben. (Beifall).

Kühnemann trägt darauf an, in den nächsten Tagen keine Sitzungen zu halten, damit erst die Meinung des Landes vollständig entgegen genommen werden kann.

Berg: Zunächst trage ich darauf an, daß in dem neuen Lokale auch für die Minister Plätze reservirt werden, dann aber habe ich gegen den vorigen Redner zu bemerken, daß wir allerdings an das Land appellirt haben, daß aber jetzt, wo das Recht auf der Spitze der Bajonette steht, der gesammte Staatsorganismus krankt; es fehlt ihm der belebende Geist, der Geist des Rechts. Sollte er wieder gefunden, oder sollte er sich eine neue Form bilden, in jedem Falle müssen wir dafür sorgen, daß dieser belebende Geist nicht fehle, daß der organisirten Anarchie ein organischer Widerstand entgegen trete. Wir müssen oft und immer zusammenkommen, damit das Volk immer weiß, wo seine Vertreter sich befinden, und daß diejenigen, die es sich frei gewählt hat, es nicht verlassen haben! (Stürmisches Bravo).

Schulze von Delitsch: Ich will nur noch auf eins aufmerksam machen. Wenn wir auseinander gehen, so heißt das, die Revolution, den Straßenkampf prvoziren.

Waldeck: Sie haben gehört, daß wir Alle darüber einig sind, daß wir zusammen bleiben. Wir müssen dies eben so wie bisher thun, um fortwährend zu wachen und die Rechte des Volks zu schützen.

Auf den Antrag des Abg. D' Ester wird der Petitionskommission der Auftrag gegeben, über die einkommenden Adressen, welche über die Ereignisse der letzten Tage handeln, täglich einen Bericht darüber erstatten und drucken zu lassen.

Wachsmuth stellt den Antrag:

"Die National-Versammlung beschließt, daß sie gegen die Verdrängung der Bürgerwehr aus dem Sitzungslokale durch Militär, als einen Akt roher Gewalt, Verwahrung einlege."

Wird einstimmig angenommen.

Die nächste Sitzung findet Nachmittag 3 Uhr im Saale des Schützenhauses statt.

Schluß der Sitzung 12 Uhr.

Um 4 1/4 Uhr wird die Nachmittagssitzung im Schützenhause mit Verlesung der Protokolle der zwei letzten Sitzungen eröffnet. Der Namensaufruf ergiebt, daß 247 Mitglieder anwesend sind; einige ließen sich durch Krankheit entschuldigen

Die Stadtverordneten lassen durch eine Deputation, welche vom Präsidenten im Vorsaal empfangen wird, ihre Lokalität anbieten. Die Versammlung spricht ihren einstimmigen Dank den Stadtverordneten aus, wird aber ihre jetzigen Lokalitäten innebehalten, da dieselben geräumiger sind. Auch der gesammten Bürgerwehr wird der einstimmige Dank der Versammlung für das lobenswerthe Verhalten in den letzten Tagen und den Schutz, welchen sie der National-Versammlung angedeihen ließ, ausgesprochen. (Stürmischer Beifall).

Hierauf wird der Bericht über die eingegangenen Adressen verlesen. Sämmtlich sprechen sie sich dahin aus, daß die National-Versammlung fortfahren solle, auf dem betretenen Wege fortzugehen und den reaktionären Schritten der Minister und der Regierung entgegen zu treten.

Von Magdeburg verlangt eine Adresse die Steuerverweigerung bis eine neue, mit der National-Versammlung gehende Regierung, eingesetzt sei.(Stürmischer Beifall).

In diesem Sinne sind schon an 30 Adressen eingegangen. Das ganze Land wird mit Gut und Blut die Volkssouverainetät schützen.

Ein Protokoll über die Vorgänge im Bureau und im Saal der National-Versammlung in vergangener Nacht und heute Morgen wird verlesen. Es ist sehr ausführlich. Nur das ist bemerkenswerth, daß heute Vormittags 9 Uhr, als die Mitglieder der National-Versammlung vor dem Schauspielhause erschienen, der wachthabende Hauptmann die Gewehre laden und die Zündhütchen aufsetzen ließ.

Rodbertus, Berg, Arntz stellen den Antrag, daß der Präsident sofort eine aus dem Präsidium der Versammlung und 16 Mitgliedern bestehende Kommission von 16 Mitgliedern ernenne, zur Abfassung einer offiziellen Dankschrift, worin die schwere Schuld, welche das Ministerium Brandenburg auf sich geladen, dem Lande dargelegt werde.

Berg setzt auseinander, daß der Hochverrath des Ministeriums unzweifelhaft sei, daß man aber die Geschwornengerichte abwarten möge, um von ihm das Urtheil sprechen zu lassen.

Wachsmuth setzt auseinander, wie nach dem §. 330 des Allgemeinen Landrechts die Anklage des Hochverraths gegen die Minister zu erheben sei. Wenn es von dieser Versammlung nicht geschähe, wurde das Volk, aus eigener Machtvollkommenheit die jetzt übliche Volksjustiz ausüben. Wolle man dem vorbeugen, so setze man die Minister in Anklagezustand.

Der Antrag wird fast einstimmig angenommen.

Auch ein Zusatz des Abg. Wachsmuth, zu prüfen inwiefern eine Anklage gegen die Minister zu begründen sein dürfte, wird mit großer Majorität angenommen.

Kirchmann stellt den Antrag: Alle beurlaubten und fehlenden Abgeordneten sogleich einzuberufen, und falls sie bis Montag nicht erschienen, ihre Stellvertreter einzuberufen. Einstimmig angenommen.

Waldeck, Kirchmann, Jacoby u. A. beantragen: 1) daß die von dem Ministerium verfügte Auflösung der Bürgerwehr eine durchaus ungesetzliche Maßregel sei; 2) daß alle Civil- und Militärbeamte, welche sich dieser Verfügung unterwerfen, sich des Verraths am Vaterlande schuldig machen; 3) dies sogleich durch den Druck bekannt zu machen.

Waldeck verliest die dem Bürgerwehr-Kommando zugegangenen Aktenstücke, welche die Auflösung der Bürgerwehr ausspricht, weil dieselbe die Nationalversammlung geschützt habe. - Dies ist die Fortsetzung des Attentats, welche schon hier mit Hochverrath bezeichnet worden ist. Die Absicht dieser Brut wird aber vereitelt werden, sie will das Leichentuch, welches über Wien ausgedehnt ist, auch über Berlin ziehen. Aber die Kamarilla hat sich diesmal verrechnet. Das großartige Benehmen des Volkes von Berlin wird die errungenen Freiheiten erhalten. Er fährt in begeisternder Rede fort und endet mit dem größten Beifall.

Wachsmuth schlägt noch das Zusatzamendement vor: die Regierung aufzufordern, diese Maßregel sofort zurückzunehmen; auch das Volk und die Bürgerwehr von Berlin aufzufordern, so lange in ruhiger Haltung zu verharren.

Der Antrag mit dem Zusatzamendement wird einstimmig angenommen.

Waldeck, Philipps u. A. beantragen: daß das Ministerium Brandenburg weder zur Verwendung der Staatsgelder, noch zur Erhebung der Steuern berechtigt sei.

Unruh. An dem denkwürdigen gestrigen Morgen sagte ich Ihnen, daß das Land jetzt seine Stimme erheben müsse. Die nächsten Städte haben dies gethan. Magdeburg, Stettin und andere Städte haben dies bereits gethan. Die Steuerverweigerung ist das letzte gesetzliche Mittel und der passive Widerstand den wir anwenden können. Ernennen wir daher eine Kommission von acht Mitgliedern, welcher es überlassen bleiben soll, den rechten Augenblick abzuwarten, diesen Antrag ins Leben zu rufen. Einstimmig angenommen.

Die Sitzung wird auf morgen Nachmittag 2 Uhr angesetzt.

103 Berlin, 11. November.

Um das reaktionäre Kabinet in Sanssouci noch mehr in seinen verschrobenen Ideen zu verstärken, ist Bassermann als Reichskommissär von Frankfurt hier angekommen. Die geistesschwache Centralgewalt sieht ganz Deutschland durch eine Brille an, sie setzt Preußen, den ganzen preußischen Staat mit seiner vom Volke getragenen Nationalversammlung in eine Kategorie mit dem kleinen Herzogthum Altenburg. Bassermann ist hierher geschickt, um gegen die Ausführung aller Beschlüsse, welche gegen den Willen der deutschen Centralgewalt gefaßt werden, zu protestiren. Dr. Große, ein alter Republikaner, bekannt vom Hambacher Fest, besuchte heute Morgen seinen alten Freund, den Bassermann, und war erstaunt, in ihm einen solchen Reaktionär a tout prix zu finden. Er wolle hier eine Vermittlung versuchen, sagte Bassermann, aber die Nationalversammlung müsse zuerst in Brandenburg sein. Hier in Berlin würde sie unter dem Einfluß der Demokraten, dieser Anarchisten, stehen. Eine Aenderung des Ministeriums hält er kaum für nothwendig; Unruh als Minister, wäre eine Unmöglichkeit, der ist ja ein Revolutionär! So spricht der deutsche Reichnkommissär. Er macht aber mit diesen seinen Ansichten der Centralgewalt und die Versammlung in der Paulskirche nur lächerlicher. Kein Mensch denkt mehr an Frankfurt.

Was die Stimmung der Stadt Berlin anbetrifft, so herrscht hier die Ruhe, die einem Sturme vorhergeht. Alle, selbst unsere Bourgeoisie, unsere reiche Kaufmannschaft, die Börse sind entrüstet über die ungesetzlichen Schritte Sr. Maj. Regierung. Man macht sich damit vertraut, daß es mit der Monarchie auf immer vorbei ist. Die Börse hat der Nationalversammlung einen unumschränkten Kredit angeboten. Dies wird der Nationalversammlung sehr gelegen kommen, denn die Staatskassen sind ihr für diesen Augenblick verschlossen. In allen Kreisen beeifert man sich, der Nationalversammlung in jeder Hinsicht entgegenzukommen. Die Stadtverordneten und die Schützengilde bieten ihre Lokalitäten und ihren Schutz der Nationalversammlung an; die ganze Bürgerwehr hat beschlossen die Versammlung bis auf den letzten Mann zu schützen.

Grabow, der beurlaubte frühere Präsident der Nationalversammlung ist hier angekommen, entrüstet über die Schritte der Regierung. Er hat sogleich seine Zustimmung zu allen Beschlüssen, welche in den letzten Tagen von der Nationalversammlung gefaßt wurden, erklärt. Er ist um 3 Uhr zum Könige nach Potsdam berufen worden. Er will dem Grafen Brandenburg sagen, daß er ihn für einen Schuft erklärt, wenn er nicht augenblicklich seine Stelle niederlegt.

Wir gehen einer endlichen Lösung der großen Frage entgegen, welche uns das Frühjahr 1848 gestellt hat. Selbst diejenigen, welche bisher die besten Royalisten waren, versichern unter diesen Umständen, sei die Republik das einzige Rettungsmittel für Deutschland. Viele Abgeordnete haben bereits an ihre Wähler die Aufforderung zur Steuerverweigerung abgesandt. In einigen Tagen wird das ganze Land in Feuer und Flamme stehen. Schon cirkulirt das Gerücht, daß sich Breslau in vergangener Nacht erhoben, das Militär aus der Stadt getrieben und eine provisorische Regierung eingesetzt hat.

So eben um 5 Uhr Abends verbreitet sich die Nachricht, die Auflösung der Bürgerwehr ist dem Kommandanten derselben, Rimpler, bereits angezeigt. Sie habe gegen den Befehl der Behörden, die Nationalversammlung geschützt, demnach gegen einen Paragraphen des Bürgerwehrgesetzes, welche ungesäumte Erfüllung aller Befehle fordert, sich vergangen.

14 Berlin, 4. November.

Hier einige Anekdoten. Mit Hrn. Wrangel ist gestern viel Spaß getrieben worden, besonders wegen des berühmten Graswuchses in Berlin. Mehrere vornehme Herren, die sich erdreisteten, vor dem Helden die Hüte zu lüften, waren genöthigt, diese im Kothe wiederzusuchen, weil das souveräne Volk sie ihnen vom Haupte schlug. Einigen Damen aber, die so zärtlich waren, den Herren Lieutenants Blumensträuße zuzuwerfen, wurden die seidnen Kleider zerrissen und obendrein erhielten sie die unzweideutigsten Spitznamen. Eine Scene edlerer Art passirte unter den Linden. Dort zog dem einrückenden Militär ein großer Volkshaufen vorauf und wo sich in den Fenstern der Palläste Figuren mit wehenden Tüchern zeigten, da erhob das Volk ein Wuthgeheul und streckte die geballten Fäuste empor. Aus einem der Fenster flog ein Blumenkranz, der sich ein Grenadier auf den Helm schlang. Da hielt plötzlich die Menge still, und rief dem vorreitenden Offizier zu, er solle dem Grenadier gebieten, den Kranz abzunehmen, oder man werde sich dem Weiterziehen widersetzen. Major und Grenadier gehorchten. - Heute morgen amusirte sich ein Herr Baron damit, dem Volke mitzutheilen: daß die Nationalversammlung eine Schweineversammlung sei, wofür ihn denn das Volk mit einer ungeheuren Tracht Schläge belohnte, und ihn zu Mylius schleppte, wo er als Meerwunder der Versammlung vorgestellt wurde.

14 Berlin, 11. November.

Die Magdeburger Deputation, bestehend, aus drei ruhigen alten Männern, wurde heute durch Dr. Große bei dem Reichskommissarius Bassermann eingeführt Hr. Bassermann rechtfertigte in seiner Unterredung die Schritte des Königs, allein die ruhigen Bürger Magdeburgs erklärten ihm auf's Entschiedenste, daß die Regierung gesetzlos handle, und sie als Vertreter der Provinz jedenfalls, wenn es Noth thue, die Steuern verweigern würden. Dadurch hätte dem Bassermann ein Licht aufgehen können, wenn dies möglich wäre.

X Berlin, 11. Nov.

In der vorigen Nacht hat das Militär die Bürgerwehr aus dem hiesigen Schauspielhause vertrieben und ein ganzes Regiment Soldaten hineingelegt. In dem Hotel de Russie empfing die Nationalversammlung die Deputationen der Städte Breslau, Frankfurt, Magdeburg u. s. w., welche die feierliche Versicherung aussprachen, daß die Bewohner der benannten Städte mit Gut und Blut die Beschlüsse der Nationalversammlung vertheidigen würden.

Es ist jetzt dringendstes Bedürfniß, nicht nur in den Städten, sondern auch auf dem Lande Volksversammlungen zu halten. Die Bauern müssen gleich an ihre Söhne schreiben, das dieselben einen Verrath am Vaterlande begehen, wenn sie die Regierung im Kampfe gegen die Nationalversammlung und die blutig errungenen Volksfreiheiten unterstützen wollten.

Morgen wird die Nationalversammlung auf Ersuchen des hiesigen Magistrats im Kölnischen Rathhause ihre Sitzung halten, und vom Magistrat und den Stadtverordneten im feierlichen Zuge aus dem Schützenhause dahin begleitet werden.

Berlin.

Beim Austritt aus dem Sitzungslokal des Hotel de Russie empfängt die Abgeordneten wieder der jubelnde Zuruf des Volkes: "Es lebe die Nationalversammlung, es leben unsere treuen Vertreter!" - Der Präsident dankte dem umstehenden Volke mit den Worten:

"Die Vertreter des Volkes stehen im Begriffe, alle gesetzlichen Mittel zu erschöpfen. Was aber auch geschehen möge, sie stehen und fallen mit der Freiheit!"

Unter dem donnernden sich durch die Massen hinwälzenden Beifallssturm verließen die Mitglieder den Platz, um sich in den Fraktions-Versammlungen über die ferneren Maßnahmen für heute Nachmittag zu berathen.

* Berlin, 11. Novbr.

Von allen Seiten strömen Anerkennungs- und Huldigungsadressen der Nationalversammlung zu. Wir erwähnen u. a. die Adresse von Anklam, Münchenberg (für den Lebuser Kreis), Striegau in Schlesien, Breslau, Spandau, Stettin u. s. w.

Von Magdeburg aus sind folgende Manifestationen ausgegangen:

Bei Ereignissen, wo der ruhige Gang unserer politischen Entwicklungen vielleicht auf die Dauer mehrerer Generationen hinaus in Frage gestellt ist, wie in diesem Augenblick, halten wir es für die Pflicht jedes guten Bürgers, die Vertreter der Nation darüber nicht in Zweifel zu lassen, ob ihre Beschlüsse mit den Wünschen des Volkes Hand in Hand gehen. Deshalb sprechen wir Einer Hohen Versammlung es kurz und bündig aus:

"daß Ihre in der Sitzung vom 9. Novbr. gefaßten Beschlüsse unsere ganze Zustimmung haben."

Wir halten uns überzeugt, daß Eine Hohe Versammlung bei Fassung dieser Beschlüsse Sich in Ihrem vollen Rechte befunden hat, daß Sie auch ferner feststehen, Sich von keiner Seite her einschüchtern lassen und den unveräußerlichen Rechten des Volkes nichts vergeben wird.

Magdeburg, 10. November 1848.

Die Stadtverordneten-Versammlung zu Magdeburg.

Die Magdeburger Bürgerversammlung von nahe an 2000 Mitgliedern faßte am 10. den Beschluß: die Nationalversammlung möge sofort und namentlich, vor einer eventuell gesetzwidrigen Auflösung derselben durch rohe Gewalt, beschließen: daß das gegenwärtige, durch Verfassungsverletzung strafwürdige Ministerium Staatsausgaben zu machen und Steuern zu erheben nicht befugt sei, und daß das Land bis zur Ernennung eines neuen verfassungsmäßigen mit der Majorität der Nationalversammlung gehenden Ministeriums jede Steuereinzahlung verweigere.

Eine Zuschrift der Magdeburger Bürgerversammlung vom 10. d. mit mehr als 3000 Unterschriften versehen, erklärt: "Wir, versammelte Bürger Magdeburgs, protestiren feierlich und mit allem Nachdruck gegen diesen Staatsstreich; wir erkennen das Recht, ja die Pflicht der Nationalversammlung, sich diesen Befehlen eines Ministeriums, welches also das ganze Volk zum blutigsten Kampf herausfordert, nicht zu fügen, vollkommen an und sprechen derselben für ihr standhaftes Beharren den unumwundensten Dank und die unbedingte Anerkennung aus.

Proklamation.

Der in meiner Haupt- und Residenzstadt Berlin seit geraumer Zeit herrschende gesetzlose Zustand, der das ganze Land in den Abgrund der Anarchie zu stürzen drohte hat Mich genöthigt, auf den Rath Meiner verantwortlichen Minister, die zur Vereinbarung der Staatsverfassung berufene Versammlung nach Brandenburg zu verlegen und dieselbe, damit diese Maßregel ausgeführt werden könne, bis zum 27. dieses Monats zu vertagen. Aus demselben Grunde habe Ich die Truppenmacht in dieser Meiner Haupt- und Residenzstadt ansehnlich verstärken, auch die dortige Bürgerwehr mit Rücksicht auf ihr ungesetzliches Verhalten in Gemäßheit des §. 3 des über die Errichtung der Bürgerwehr unter dem 17. Okt. d. J. ergangenen Gesetzes bis zu deren Reorganisation auflösen müssen. Ich bin Mir wohl bewußt, daß diese Maßregeln mannigfacher Mißdeutung ausgesetzt und von einer Umsturz-Partei dazu mißbraucht werden können, auch bei sonst gut gesinnten Staatsbürgern Besorgnisse über den Vollbestand der Meinem Volke gewährten Freiheiten hervorzurufen. Ich bin Mir aber eben so klar bewußt, daß Preußens und Deutschlands Zukunft diesen Schritt von Mir und Meiner Regierung zu fordern berechtigt war. Ich wende mich deshalb in dieser entscheidenden Zeit an das ganze Land, an Euch Meine treuen Preußen Alle, mit der Zuversicht, daß Ihr den ungesetzlichen Widerstand, den ein Theil Eurer Vertreter, uneingedenk ihrer wahren Pflichten gegen Volk und Krone, der Verlegung der Nationalversammlung entgegenstellt, ernst und entschieden mißbilligen werdet. Ich mahne Euch, nicht Raum zu geben den Einflüsterungen, die Euch glauben machen, Ich wolle Euch die in den Märztagen verheißenen Freiheiten verkümmern, Ich wolle wieder ablenken von dem betretenen konstitntionellen Wege!

Preußen! Ihr, die Ihr noch feststeht in dem alten guten Vertrauen zu Mir, Ihr, die Ihr noch ein Gedächtniß habt für die Geschichte Meines königlichen Hauses und seiner Stellung zum Volke, Euch bitte Ich, daran ferner festzuhalten, in guten wie in bösen Tagen! Ihr aber, die Ihr schon darin zu wanken beginnt, Euch beschwöre Ich, Halt zu machen auf dem betretenen jähen Pfade und abzuwarten die Thaten, die da folgen werden! - Euch Allen aber gebe ich nochmals die unverbrüchliche Versicherung, daß Euch nichts verkümmert werden soll an Euren konstitutionellen Freiheiten, daß es Mein heiligstes Bestreben sein wird, Euch mit Gottes Hülfe ein guter konstitutioneller König zu sein, auf daß wir gemeinsam ein stattliches und haltbares Gebäude errichten, unter dessen Dache, zum Frommen Unseres preußischen und ganzen deutschen Vaterlandes, Unsere Nachkommen sich ruhig und einträchtig der Segnungen einer echten, wahren Freiheit Jahrhunderte lang erfreuen mögen!

Dazu wolle Gott seinen Segen verleihen!

Sanssouci, den 11. November 1848.

(gez.) Friedrich Wilhelm.

(kontrasignirt) Graf v. Brandenburg. v. Ladenberg.

v. Strotha. v. Manteuffel.

Wir Friedrich Wilhelm, v. G. G., König von Preußen etc.

Nachdem Wir die Verlegung der zur Vereinbarung der Verfassung berufenen Versammlung nach Brandenburg a. d. H. angeordnet, hat ein Theil dieser Versammlung dieser Anordnung zuwider in ungesetzlicher Weise hier die Berathung fortgesetzt. Die Bürgerwehr der Stadt Berlin hat aber nicht nur durch eine Erklärung ihres Kommandeurs die Weigerung ausgesprochen, den Maßregeln der Staatsregierung gegen dieses gesetzwidrige Beginnen die erforderliche Unterstützung zu gewähren, sondern auch thatsächlich die ihre ungesetzlichen und wirkungslosen Berathungen fortsetzenden Mitglieder der Nationalversammlung fortgesetzt unter ihren Schutz genommen. So sehr Wir es nun beklagen, gegen die Bürgerwehr Berlins, welche, bei einzelnen Gelegenheiten in anerkennenswerther Weise für die Ruhe und Sicherheit der Stadt gewirkt hat, mit den Uns obliegenden gesetzlichen Maßregeln voranschreiten zu müssen, so sind Wir dennoch verpflichtet, einem solchen, die Ordnung gefährdenden Widerstreben ein Ziel zu setzen. Wir verordnen daher auf den Antrag Unseres Staatsministeriums und in Gemäßheit des § 3 des Gesetzes über die Errichtung der Bürgerwehr vom 17 Okt. d. J., welcher dahin lautet:

"Durch kön. Verordnung kann aus wichtigen, in der Auflösungsordre anzugebenden Gründen die Bürgerwehr einzelner Gemeinden oder Kreise ihres Dienstes enthoben oder aufgelöst werden.

"Die Dienstenthebung darf nicht länger als 6 Monate dauern. Im Fall einer Auflösung muß die Verordnung wegen der neuen Organisation binnen 3 Monaten erfolgen."

was folgt:

Die Bürgerwehr der Stadt Berlin ist hiermit aufgelöst, und die betreffenden Behörden sind mit der sofortigen Ausführung dieser Verordnung beauftragt.

Gegeben Sanssouci, den 11. November 1848.

(gez.) Friedrich Wilhelm.

(kontrasignirt) Graf v. Brandenburg. v. Ladenberg.

v. Strotha. v. Manteuffel.

- Der König hat dem bisherigen Justizminister Kisker unter Entbindung desselben von der Leitung der Geschäfte des Justizministeriums seine frühere Stelle als Chefpräsident des Oberlandesgerichts zu Naumburg wieder übertragen, und den Abgeordneten Geh. Ober-Tribunalsrath Rintelen zum Staats und Justizminister ernannt.

Berlin.

Bei der Besetzung mehrerer Wachen in der hiesigen Hauptstadt durch Truppen wird es erforderlich, das Publikum auf die betreffenden Bestimmungen des Gesetzes über den Waffengebrauch des Militärs vom 20. März 1837 aufmerksam zu machen:

Dieselben lauten:

§. 1. Das in unserem Dienste zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit auftretende Militär ist berechtigt, auf Wache und Posten, die Patrouillen, Transport- und allen andern Kommandos, auch wenn solche auf Requisition oder zum Beistande einer Civilbehörde gegeben werden, in den nachstehenden §§. 2-6. bezeichneten Fällen von seinen Waffen Gebrauch zu machen.

§. 2. Wird das kommandirte Militär bei einer der erwähnten Dienstleistungen angegriffen, oder mit einem Angriff gefährlich bedroht, oder findet es Widerstand durch Thätlichkeit oder gefähr-

Der stattfindende Namensaufruf ergibt, daß 242 Mitglieder anwesend sind. Im Laufe der Sitzung melden sich noch mehrere Abgeordnete.

Auch der Zugführer der Bürgerwehr, welcher heute Nacht im Schauspielhause die Wache kommandirte, erscheint vor der obengenannten Kommission, und läßt sich zu Protokoll vernehmen. Heute morgen zwischen 3 und 4 Uhr hörte er hinter sich einen ungewöhnlichen Lärm und gleich darauf drängt eine Truppenmasse, welche zu den Hinterthüren Einlaß gefunden, auf die Wache ein, und fordert die Bürgerwehrwache auf, das Haus zu verlassen. Als sich dieselbe weigerte, sagt der Commandirende: Wollen sie der Gewalt weichen oder nicht? Hierauf mußte die Wache der Bürgerwehr das Schauspielhaus verlassen. ‒ Auch gegen diesen Akt der Willkür beschließt die Versammlung zu protestiren.

Als Bornemann meint, man möge doch nicht so viel protestiren, sagt Phillips: Wir müssen protestiren fort und fort, gegen jeden Gewaltstreich, damit man einst unsern Kindern nicht sage, dein Vater war einer von denen, welche das Vaterland verrathen haben. (Beifall).

Kühnemann trägt darauf an, in den nächsten Tagen keine Sitzungen zu halten, damit erst die Meinung des Landes vollständig entgegen genommen werden kann.

Berg: Zunächst trage ich darauf an, daß in dem neuen Lokale auch für die Minister Plätze reservirt werden, dann aber habe ich gegen den vorigen Redner zu bemerken, daß wir allerdings an das Land appellirt haben, daß aber jetzt, wo das Recht auf der Spitze der Bajonette steht, der gesammte Staatsorganismus krankt; es fehlt ihm der belebende Geist, der Geist des Rechts. Sollte er wieder gefunden, oder sollte er sich eine neue Form bilden, in jedem Falle müssen wir dafür sorgen, daß dieser belebende Geist nicht fehle, daß der organisirten Anarchie ein organischer Widerstand entgegen trete. Wir müssen oft und immer zusammenkommen, damit das Volk immer weiß, wo seine Vertreter sich befinden, und daß diejenigen, die es sich frei gewählt hat, es nicht verlassen haben! (Stürmisches Bravo).

Schulze von Delitsch: Ich will nur noch auf eins aufmerksam machen. Wenn wir auseinander gehen, so heißt das, die Revolution, den Straßenkampf prvoziren.

Waldeck: Sie haben gehört, daß wir Alle darüber einig sind, daß wir zusammen bleiben. Wir müssen dies eben so wie bisher thun, um fortwährend zu wachen und die Rechte des Volks zu schützen.

Auf den Antrag des Abg. D' Ester wird der Petitionskommission der Auftrag gegeben, über die einkommenden Adressen, welche über die Ereignisse der letzten Tage handeln, täglich einen Bericht darüber erstatten und drucken zu lassen.

Wachsmuth stellt den Antrag:

„Die National-Versammlung beschließt, daß sie gegen die Verdrängung der Bürgerwehr aus dem Sitzungslokale durch Militär, als einen Akt roher Gewalt, Verwahrung einlege.“

Wird einstimmig angenommen.

Die nächste Sitzung findet Nachmittag 3 Uhr im Saale des Schützenhauses statt.

Schluß der Sitzung 12 Uhr.

Um 4 1/4 Uhr wird die Nachmittagssitzung im Schützenhause mit Verlesung der Protokolle der zwei letzten Sitzungen eröffnet. Der Namensaufruf ergiebt, daß 247 Mitglieder anwesend sind; einige ließen sich durch Krankheit entschuldigen

Die Stadtverordneten lassen durch eine Deputation, welche vom Präsidenten im Vorsaal empfangen wird, ihre Lokalität anbieten. Die Versammlung spricht ihren einstimmigen Dank den Stadtverordneten aus, wird aber ihre jetzigen Lokalitäten innebehalten, da dieselben geräumiger sind. Auch der gesammten Bürgerwehr wird der einstimmige Dank der Versammlung für das lobenswerthe Verhalten in den letzten Tagen und den Schutz, welchen sie der National-Versammlung angedeihen ließ, ausgesprochen. (Stürmischer Beifall).

Hierauf wird der Bericht über die eingegangenen Adressen verlesen. Sämmtlich sprechen sie sich dahin aus, daß die National-Versammlung fortfahren solle, auf dem betretenen Wege fortzugehen und den reaktionären Schritten der Minister und der Regierung entgegen zu treten.

Von Magdeburg verlangt eine Adresse die Steuerverweigerung bis eine neue, mit der National-Versammlung gehende Regierung, eingesetzt sei.(Stürmischer Beifall).

In diesem Sinne sind schon an 30 Adressen eingegangen. Das ganze Land wird mit Gut und Blut die Volkssouverainetät schützen.

Ein Protokoll über die Vorgänge im Bureau und im Saal der National-Versammlung in vergangener Nacht und heute Morgen wird verlesen. Es ist sehr ausführlich. Nur das ist bemerkenswerth, daß heute Vormittags 9 Uhr, als die Mitglieder der National-Versammlung vor dem Schauspielhause erschienen, der wachthabende Hauptmann die Gewehre laden und die Zündhütchen aufsetzen ließ.

Rodbertus, Berg, Arntz stellen den Antrag, daß der Präsident sofort eine aus dem Präsidium der Versammlung und 16 Mitgliedern bestehende Kommission von 16 Mitgliedern ernenne, zur Abfassung einer offiziellen Dankschrift, worin die schwere Schuld, welche das Ministerium Brandenburg auf sich geladen, dem Lande dargelegt werde.

Berg setzt auseinander, daß der Hochverrath des Ministeriums unzweifelhaft sei, daß man aber die Geschwornengerichte abwarten möge, um von ihm das Urtheil sprechen zu lassen.

Wachsmuth setzt auseinander, wie nach dem §. 330 des Allgemeinen Landrechts die Anklage des Hochverraths gegen die Minister zu erheben sei. Wenn es von dieser Versammlung nicht geschähe, wurde das Volk, aus eigener Machtvollkommenheit die jetzt übliche Volksjustiz ausüben. Wolle man dem vorbeugen, so setze man die Minister in Anklagezustand.

Der Antrag wird fast einstimmig angenommen.

Auch ein Zusatz des Abg. Wachsmuth, zu prüfen inwiefern eine Anklage gegen die Minister zu begründen sein dürfte, wird mit großer Majorität angenommen.

Kirchmann stellt den Antrag: Alle beurlaubten und fehlenden Abgeordneten sogleich einzuberufen, und falls sie bis Montag nicht erschienen, ihre Stellvertreter einzuberufen. Einstimmig angenommen.

Waldeck, Kirchmann, Jacoby u. A. beantragen: 1) daß die von dem Ministerium verfügte Auflösung der Bürgerwehr eine durchaus ungesetzliche Maßregel sei; 2) daß alle Civil- und Militärbeamte, welche sich dieser Verfügung unterwerfen, sich des Verraths am Vaterlande schuldig machen; 3) dies sogleich durch den Druck bekannt zu machen.

Waldeck verliest die dem Bürgerwehr-Kommando zugegangenen Aktenstücke, welche die Auflösung der Bürgerwehr ausspricht, weil dieselbe die Nationalversammlung geschützt habe. ‒ Dies ist die Fortsetzung des Attentats, welche schon hier mit Hochverrath bezeichnet worden ist. Die Absicht dieser Brut wird aber vereitelt werden, sie will das Leichentuch, welches über Wien ausgedehnt ist, auch über Berlin ziehen. Aber die Kamarilla hat sich diesmal verrechnet. Das großartige Benehmen des Volkes von Berlin wird die errungenen Freiheiten erhalten. Er fährt in begeisternder Rede fort und endet mit dem größten Beifall.

Wachsmuth schlägt noch das Zusatzamendement vor: die Regierung aufzufordern, diese Maßregel sofort zurückzunehmen; auch das Volk und die Bürgerwehr von Berlin aufzufordern, so lange in ruhiger Haltung zu verharren.

Der Antrag mit dem Zusatzamendement wird einstimmig angenommen.

Waldeck, Philipps u. A. beantragen: daß das Ministerium Brandenburg weder zur Verwendung der Staatsgelder, noch zur Erhebung der Steuern berechtigt sei.

Unruh. An dem denkwürdigen gestrigen Morgen sagte ich Ihnen, daß das Land jetzt seine Stimme erheben müsse. Die nächsten Städte haben dies gethan. Magdeburg, Stettin und andere Städte haben dies bereits gethan. Die Steuerverweigerung ist das letzte gesetzliche Mittel und der passive Widerstand den wir anwenden können. Ernennen wir daher eine Kommission von acht Mitgliedern, welcher es überlassen bleiben soll, den rechten Augenblick abzuwarten, diesen Antrag ins Leben zu rufen. Einstimmig angenommen.

Die Sitzung wird auf morgen Nachmittag 2 Uhr angesetzt.

103 Berlin, 11. November.

Um das reaktionäre Kabinet in Sanssouci noch mehr in seinen verschrobenen Ideen zu verstärken, ist Bassermann als Reichskommissär von Frankfurt hier angekommen. Die geistesschwache Centralgewalt sieht ganz Deutschland durch eine Brille an, sie setzt Preußen, den ganzen preußischen Staat mit seiner vom Volke getragenen Nationalversammlung in eine Kategorie mit dem kleinen Herzogthum Altenburg. Bassermann ist hierher geschickt, um gegen die Ausführung aller Beschlüsse, welche gegen den Willen der deutschen Centralgewalt gefaßt werden, zu protestiren. Dr. Große, ein alter Republikaner, bekannt vom Hambacher Fest, besuchte heute Morgen seinen alten Freund, den Bassermann, und war erstaunt, in ihm einen solchen Reaktionär à tout prix zu finden. Er wolle hier eine Vermittlung versuchen, sagte Bassermann, aber die Nationalversammlung müsse zuerst in Brandenburg sein. Hier in Berlin würde sie unter dem Einfluß der Demokraten, dieser Anarchisten, stehen. Eine Aenderung des Ministeriums hält er kaum für nothwendig; Unruh als Minister, wäre eine Unmöglichkeit, der ist ja ein Revolutionär! So spricht der deutsche Reichnkommissär. Er macht aber mit diesen seinen Ansichten der Centralgewalt und die Versammlung in der Paulskirche nur lächerlicher. Kein Mensch denkt mehr an Frankfurt.

Was die Stimmung der Stadt Berlin anbetrifft, so herrscht hier die Ruhe, die einem Sturme vorhergeht. Alle, selbst unsere Bourgeoisie, unsere reiche Kaufmannschaft, die Börse sind entrüstet über die ungesetzlichen Schritte Sr. Maj. Regierung. Man macht sich damit vertraut, daß es mit der Monarchie auf immer vorbei ist. Die Börse hat der Nationalversammlung einen unumschränkten Kredit angeboten. Dies wird der Nationalversammlung sehr gelegen kommen, denn die Staatskassen sind ihr für diesen Augenblick verschlossen. In allen Kreisen beeifert man sich, der Nationalversammlung in jeder Hinsicht entgegenzukommen. Die Stadtverordneten und die Schützengilde bieten ihre Lokalitäten und ihren Schutz der Nationalversammlung an; die ganze Bürgerwehr hat beschlossen die Versammlung bis auf den letzten Mann zu schützen.

Grabow, der beurlaubte frühere Präsident der Nationalversammlung ist hier angekommen, entrüstet über die Schritte der Regierung. Er hat sogleich seine Zustimmung zu allen Beschlüssen, welche in den letzten Tagen von der Nationalversammlung gefaßt wurden, erklärt. Er ist um 3 Uhr zum Könige nach Potsdam berufen worden. Er will dem Grafen Brandenburg sagen, daß er ihn für einen Schuft erklärt, wenn er nicht augenblicklich seine Stelle niederlegt.

Wir gehen einer endlichen Lösung der großen Frage entgegen, welche uns das Frühjahr 1848 gestellt hat. Selbst diejenigen, welche bisher die besten Royalisten waren, versichern unter diesen Umständen, sei die Republik das einzige Rettungsmittel für Deutschland. Viele Abgeordnete haben bereits an ihre Wähler die Aufforderung zur Steuerverweigerung abgesandt. In einigen Tagen wird das ganze Land in Feuer und Flamme stehen. Schon cirkulirt das Gerücht, daß sich Breslau in vergangener Nacht erhoben, das Militär aus der Stadt getrieben und eine provisorische Regierung eingesetzt hat.

So eben um 5 Uhr Abends verbreitet sich die Nachricht, die Auflösung der Bürgerwehr ist dem Kommandanten derselben, Rimpler, bereits angezeigt. Sie habe gegen den Befehl der Behörden, die Nationalversammlung geschützt, demnach gegen einen Paragraphen des Bürgerwehrgesetzes, welche ungesäumte Erfüllung aller Befehle fordert, sich vergangen.

14 Berlin, 4. November.

Hier einige Anekdoten. Mit Hrn. Wrangel ist gestern viel Spaß getrieben worden, besonders wegen des berühmten Graswuchses in Berlin. Mehrere vornehme Herren, die sich erdreisteten, vor dem Helden die Hüte zu lüften, waren genöthigt, diese im Kothe wiederzusuchen, weil das souveräne Volk sie ihnen vom Haupte schlug. Einigen Damen aber, die so zärtlich waren, den Herren Lieutenants Blumensträuße zuzuwerfen, wurden die seidnen Kleider zerrissen und obendrein erhielten sie die unzweideutigsten Spitznamen. Eine Scene edlerer Art passirte unter den Linden. Dort zog dem einrückenden Militär ein großer Volkshaufen vorauf und wo sich in den Fenstern der Palläste Figuren mit wehenden Tüchern zeigten, da erhob das Volk ein Wuthgeheul und streckte die geballten Fäuste empor. Aus einem der Fenster flog ein Blumenkranz, der sich ein Grenadier auf den Helm schlang. Da hielt plötzlich die Menge still, und rief dem vorreitenden Offizier zu, er solle dem Grenadier gebieten, den Kranz abzunehmen, oder man werde sich dem Weiterziehen widersetzen. Major und Grenadier gehorchten. ‒ Heute morgen amusirte sich ein Herr Baron damit, dem Volke mitzutheilen: daß die Nationalversammlung eine Schweineversammlung sei, wofür ihn denn das Volk mit einer ungeheuren Tracht Schläge belohnte, und ihn zu Mylius schleppte, wo er als Meerwunder der Versammlung vorgestellt wurde.

14 Berlin, 11. November.

Die Magdeburger Deputation, bestehend, aus drei ruhigen alten Männern, wurde heute durch Dr. Große bei dem Reichskommissarius Bassermann eingeführt Hr. Bassermann rechtfertigte in seiner Unterredung die Schritte des Königs, allein die ruhigen Bürger Magdeburgs erklärten ihm auf's Entschiedenste, daß die Regierung gesetzlos handle, und sie als Vertreter der Provinz jedenfalls, wenn es Noth thue, die Steuern verweigern würden. Dadurch hätte dem Bassermann ein Licht aufgehen können, wenn dies möglich wäre.

X Berlin, 11. Nov.

In der vorigen Nacht hat das Militär die Bürgerwehr aus dem hiesigen Schauspielhause vertrieben und ein ganzes Regiment Soldaten hineingelegt. In dem Hotel de Russie empfing die Nationalversammlung die Deputationen der Städte Breslau, Frankfurt, Magdeburg u. s. w., welche die feierliche Versicherung aussprachen, daß die Bewohner der benannten Städte mit Gut und Blut die Beschlüsse der Nationalversammlung vertheidigen würden.

Es ist jetzt dringendstes Bedürfniß, nicht nur in den Städten, sondern auch auf dem Lande Volksversammlungen zu halten. Die Bauern müssen gleich an ihre Söhne schreiben, das dieselben einen Verrath am Vaterlande begehen, wenn sie die Regierung im Kampfe gegen die Nationalversammlung und die blutig errungenen Volksfreiheiten unterstützen wollten.

Morgen wird die Nationalversammlung auf Ersuchen des hiesigen Magistrats im Kölnischen Rathhause ihre Sitzung halten, und vom Magistrat und den Stadtverordneten im feierlichen Zuge aus dem Schützenhause dahin begleitet werden.

Berlin.

Beim Austritt aus dem Sitzungslokal des Hotel de Russie empfängt die Abgeordneten wieder der jubelnde Zuruf des Volkes: „Es lebe die Nationalversammlung, es leben unsere treuen Vertreter!“ ‒ Der Präsident dankte dem umstehenden Volke mit den Worten:

„Die Vertreter des Volkes stehen im Begriffe, alle gesetzlichen Mittel zu erschöpfen. Was aber auch geschehen möge, sie stehen und fallen mit der Freiheit!“

Unter dem donnernden sich durch die Massen hinwälzenden Beifallssturm verließen die Mitglieder den Platz, um sich in den Fraktions-Versammlungen über die ferneren Maßnahmen für heute Nachmittag zu berathen.

* Berlin, 11. Novbr.

Von allen Seiten strömen Anerkennungs- und Huldigungsadressen der Nationalversammlung zu. Wir erwähnen u. a. die Adresse von Anklam, Münchenberg (für den Lebuser Kreis), Striegau in Schlesien, Breslau, Spandau, Stettin u. s. w.

Von Magdeburg aus sind folgende Manifestationen ausgegangen:

Bei Ereignissen, wo der ruhige Gang unserer politischen Entwicklungen vielleicht auf die Dauer mehrerer Generationen hinaus in Frage gestellt ist, wie in diesem Augenblick, halten wir es für die Pflicht jedes guten Bürgers, die Vertreter der Nation darüber nicht in Zweifel zu lassen, ob ihre Beschlüsse mit den Wünschen des Volkes Hand in Hand gehen. Deshalb sprechen wir Einer Hohen Versammlung es kurz und bündig aus:

„daß Ihre in der Sitzung vom 9. Novbr. gefaßten Beschlüsse unsere ganze Zustimmung haben.“

Wir halten uns überzeugt, daß Eine Hohe Versammlung bei Fassung dieser Beschlüsse Sich in Ihrem vollen Rechte befunden hat, daß Sie auch ferner feststehen, Sich von keiner Seite her einschüchtern lassen und den unveräußerlichen Rechten des Volkes nichts vergeben wird.

Magdeburg, 10. November 1848.

Die Stadtverordneten-Versammlung zu Magdeburg.

Die Magdeburger Bürgerversammlung von nahe an 2000 Mitgliedern faßte am 10. den Beschluß: die Nationalversammlung möge sofort und namentlich, vor einer eventuell gesetzwidrigen Auflösung derselben durch rohe Gewalt, beschließen: daß das gegenwärtige, durch Verfassungsverletzung strafwürdige Ministerium Staatsausgaben zu machen und Steuern zu erheben nicht befugt sei, und daß das Land bis zur Ernennung eines neuen verfassungsmäßigen mit der Majorität der Nationalversammlung gehenden Ministeriums jede Steuereinzahlung verweigere.

Eine Zuschrift der Magdeburger Bürgerversammlung vom 10. d. mit mehr als 3000 Unterschriften versehen, erklärt: „Wir, versammelte Bürger Magdeburgs, protestiren feierlich und mit allem Nachdruck gegen diesen Staatsstreich; wir erkennen das Recht, ja die Pflicht der Nationalversammlung, sich diesen Befehlen eines Ministeriums, welches also das ganze Volk zum blutigsten Kampf herausfordert, nicht zu fügen, vollkommen an und sprechen derselben für ihr standhaftes Beharren den unumwundensten Dank und die unbedingte Anerkennung aus.

Proklamation.

Der in meiner Haupt- und Residenzstadt Berlin seit geraumer Zeit herrschende gesetzlose Zustand, der das ganze Land in den Abgrund der Anarchie zu stürzen drohte hat Mich genöthigt, auf den Rath Meiner verantwortlichen Minister, die zur Vereinbarung der Staatsverfassung berufene Versammlung nach Brandenburg zu verlegen und dieselbe, damit diese Maßregel ausgeführt werden könne, bis zum 27. dieses Monats zu vertagen. Aus demselben Grunde habe Ich die Truppenmacht in dieser Meiner Haupt- und Residenzstadt ansehnlich verstärken, auch die dortige Bürgerwehr mit Rücksicht auf ihr ungesetzliches Verhalten in Gemäßheit des §. 3 des über die Errichtung der Bürgerwehr unter dem 17. Okt. d. J. ergangenen Gesetzes bis zu deren Reorganisation auflösen müssen. Ich bin Mir wohl bewußt, daß diese Maßregeln mannigfacher Mißdeutung ausgesetzt und von einer Umsturz-Partei dazu mißbraucht werden können, auch bei sonst gut gesinnten Staatsbürgern Besorgnisse über den Vollbestand der Meinem Volke gewährten Freiheiten hervorzurufen. Ich bin Mir aber eben so klar bewußt, daß Preußens und Deutschlands Zukunft diesen Schritt von Mir und Meiner Regierung zu fordern berechtigt war. Ich wende mich deshalb in dieser entscheidenden Zeit an das ganze Land, an Euch Meine treuen Preußen Alle, mit der Zuversicht, daß Ihr den ungesetzlichen Widerstand, den ein Theil Eurer Vertreter, uneingedenk ihrer wahren Pflichten gegen Volk und Krone, der Verlegung der Nationalversammlung entgegenstellt, ernst und entschieden mißbilligen werdet. Ich mahne Euch, nicht Raum zu geben den Einflüsterungen, die Euch glauben machen, Ich wolle Euch die in den Märztagen verheißenen Freiheiten verkümmern, Ich wolle wieder ablenken von dem betretenen konstitntionellen Wege!

Preußen! Ihr, die Ihr noch feststeht in dem alten guten Vertrauen zu Mir, Ihr, die Ihr noch ein Gedächtniß habt für die Geschichte Meines königlichen Hauses und seiner Stellung zum Volke, Euch bitte Ich, daran ferner festzuhalten, in guten wie in bösen Tagen! Ihr aber, die Ihr schon darin zu wanken beginnt, Euch beschwöre Ich, Halt zu machen auf dem betretenen jähen Pfade und abzuwarten die Thaten, die da folgen werden! ‒ Euch Allen aber gebe ich nochmals die unverbrüchliche Versicherung, daß Euch nichts verkümmert werden soll an Euren konstitutionellen Freiheiten, daß es Mein heiligstes Bestreben sein wird, Euch mit Gottes Hülfe ein guter konstitutioneller König zu sein, auf daß wir gemeinsam ein stattliches und haltbares Gebäude errichten, unter dessen Dache, zum Frommen Unseres preußischen und ganzen deutschen Vaterlandes, Unsere Nachkommen sich ruhig und einträchtig der Segnungen einer echten, wahren Freiheit Jahrhunderte lang erfreuen mögen!

Dazu wolle Gott seinen Segen verleihen!

Sanssouci, den 11. November 1848.

(gez.) Friedrich Wilhelm.

(kontrasignirt) Graf v. Brandenburg. v. Ladenberg.

v. Strotha. v. Manteuffel.

Wir Friedrich Wilhelm, v. G. G., König von Preußen etc.

Nachdem Wir die Verlegung der zur Vereinbarung der Verfassung berufenen Versammlung nach Brandenburg a. d. H. angeordnet, hat ein Theil dieser Versammlung dieser Anordnung zuwider in ungesetzlicher Weise hier die Berathung fortgesetzt. Die Bürgerwehr der Stadt Berlin hat aber nicht nur durch eine Erklärung ihres Kommandeurs die Weigerung ausgesprochen, den Maßregeln der Staatsregierung gegen dieses gesetzwidrige Beginnen die erforderliche Unterstützung zu gewähren, sondern auch thatsächlich die ihre ungesetzlichen und wirkungslosen Berathungen fortsetzenden Mitglieder der Nationalversammlung fortgesetzt unter ihren Schutz genommen. So sehr Wir es nun beklagen, gegen die Bürgerwehr Berlins, welche, bei einzelnen Gelegenheiten in anerkennenswerther Weise für die Ruhe und Sicherheit der Stadt gewirkt hat, mit den Uns obliegenden gesetzlichen Maßregeln voranschreiten zu müssen, so sind Wir dennoch verpflichtet, einem solchen, die Ordnung gefährdenden Widerstreben ein Ziel zu setzen. Wir verordnen daher auf den Antrag Unseres Staatsministeriums und in Gemäßheit des § 3 des Gesetzes über die Errichtung der Bürgerwehr vom 17 Okt. d. J., welcher dahin lautet:

„Durch kön. Verordnung kann aus wichtigen, in der Auflösungsordre anzugebenden Gründen die Bürgerwehr einzelner Gemeinden oder Kreise ihres Dienstes enthoben oder aufgelöst werden.

„Die Dienstenthebung darf nicht länger als 6 Monate dauern. Im Fall einer Auflösung muß die Verordnung wegen der neuen Organisation binnen 3 Monaten erfolgen.“

was folgt:

Die Bürgerwehr der Stadt Berlin ist hiermit aufgelöst, und die betreffenden Behörden sind mit der sofortigen Ausführung dieser Verordnung beauftragt.

Gegeben Sanssouci, den 11. November 1848.

(gez.) Friedrich Wilhelm.

(kontrasignirt) Graf v. Brandenburg. v. Ladenberg.

v. Strotha. v. Manteuffel.

‒ Der König hat dem bisherigen Justizminister Kisker unter Entbindung desselben von der Leitung der Geschäfte des Justizministeriums seine frühere Stelle als Chefpräsident des Oberlandesgerichts zu Naumburg wieder übertragen, und den Abgeordneten Geh. Ober-Tribunalsrath Rintelen zum Staats und Justizminister ernannt.

Berlin.

Bei der Besetzung mehrerer Wachen in der hiesigen Hauptstadt durch Truppen wird es erforderlich, das Publikum auf die betreffenden Bestimmungen des Gesetzes über den Waffengebrauch des Militärs vom 20. März 1837 aufmerksam zu machen:

Dieselben lauten:

§. 1. Das in unserem Dienste zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit auftretende Militär ist berechtigt, auf Wache und Posten, die Patrouillen, Transport- und allen andern Kommandos, auch wenn solche auf Requisition oder zum Beistande einer Civilbehörde gegeben werden, in den nachstehenden §§. 2-6. bezeichneten Fällen von seinen Waffen Gebrauch zu machen.

§. 2. Wird das kommandirte Militär bei einer der erwähnten Dienstleistungen angegriffen, oder mit einem Angriff gefährlich bedroht, oder findet es Widerstand durch Thätlichkeit oder gefähr-

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          <p>Der stattfindende Namensaufruf ergibt, daß 242 Mitglieder anwesend sind. Im Laufe der Sitzung melden sich noch mehrere Abgeordnete.</p>
          <p>Auch der Zugführer der Bürgerwehr, welcher heute Nacht im Schauspielhause die Wache kommandirte, erscheint vor der obengenannten Kommission, und läßt sich zu Protokoll vernehmen. Heute morgen zwischen 3 und 4 Uhr hörte er hinter sich einen ungewöhnlichen Lärm und gleich darauf drängt eine Truppenmasse, welche zu den Hinterthüren Einlaß gefunden, auf die Wache ein, und fordert die Bürgerwehrwache auf, das Haus zu verlassen. Als sich dieselbe weigerte, sagt der Commandirende: Wollen sie der Gewalt weichen oder nicht? Hierauf mußte die Wache der Bürgerwehr das Schauspielhaus verlassen. &#x2012; Auch gegen diesen Akt der Willkür beschließt die Versammlung zu protestiren.</p>
          <p>Als <hi rendition="#g">Bornemann</hi> meint, man möge doch nicht so viel protestiren, sagt <hi rendition="#g">Phillips:</hi> Wir müssen protestiren fort und fort, gegen jeden Gewaltstreich, damit man einst unsern Kindern nicht sage, dein Vater war einer von denen, welche das Vaterland verrathen haben. (Beifall).</p>
          <p><hi rendition="#g">Kühnemann</hi> trägt darauf an, in den nächsten Tagen keine Sitzungen zu halten, damit erst die Meinung des Landes vollständig entgegen genommen werden kann.</p>
          <p><hi rendition="#g">Berg:</hi> Zunächst trage ich darauf an, daß in dem neuen Lokale auch für die Minister Plätze reservirt werden, dann aber habe ich gegen den vorigen Redner zu bemerken, daß wir allerdings an das Land appellirt haben, daß aber jetzt, wo das Recht auf der Spitze der Bajonette steht, der gesammte Staatsorganismus krankt; es fehlt ihm der belebende Geist, der Geist des Rechts. Sollte er wieder gefunden, oder sollte er sich eine neue Form bilden, in jedem Falle müssen wir dafür sorgen, daß dieser belebende Geist nicht fehle, daß der organisirten Anarchie ein organischer Widerstand entgegen trete. Wir müssen oft und immer zusammenkommen, damit das Volk immer weiß, wo seine Vertreter sich befinden, und daß diejenigen, die es sich frei gewählt hat, es nicht verlassen haben! (Stürmisches Bravo).</p>
          <p><hi rendition="#g">Schulze</hi> von Delitsch: Ich will nur noch auf eins aufmerksam machen. Wenn wir auseinander gehen, so heißt das, die Revolution, den Straßenkampf prvoziren.</p>
          <p><hi rendition="#g">Waldeck:</hi> Sie haben gehört, daß wir Alle darüber einig sind, daß wir zusammen bleiben. Wir müssen dies eben so wie bisher thun, um fortwährend zu wachen und die Rechte des Volks zu schützen.</p>
          <p>Auf den Antrag des Abg. D' Ester wird der Petitionskommission der Auftrag gegeben, über die einkommenden Adressen, welche über die Ereignisse der letzten Tage handeln, täglich einen Bericht darüber erstatten und drucken zu lassen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Wachsmuth</hi> stellt den Antrag:</p>
          <p>&#x201E;Die National-Versammlung beschließt, daß sie gegen die Verdrängung der Bürgerwehr aus dem Sitzungslokale durch Militär, als einen Akt roher Gewalt, Verwahrung einlege.&#x201C;</p>
          <p>Wird einstimmig angenommen.</p>
          <p>Die nächste Sitzung findet Nachmittag 3 Uhr im Saale des Schützenhauses statt.</p>
          <p>Schluß der Sitzung 12 Uhr.</p>
          <p>Um 4 1/4 Uhr wird die Nachmittagssitzung im Schützenhause mit Verlesung der Protokolle der zwei letzten Sitzungen eröffnet. Der Namensaufruf ergiebt, daß 247 Mitglieder anwesend sind; einige ließen sich durch Krankheit entschuldigen</p>
          <p>Die Stadtverordneten lassen durch eine Deputation, welche vom Präsidenten im Vorsaal empfangen wird, ihre Lokalität anbieten. Die Versammlung spricht ihren einstimmigen Dank den Stadtverordneten aus, wird aber ihre jetzigen Lokalitäten innebehalten, da dieselben geräumiger sind. Auch der gesammten Bürgerwehr wird der einstimmige Dank der Versammlung für das lobenswerthe Verhalten in den letzten Tagen und den Schutz, welchen sie der National-Versammlung angedeihen ließ, ausgesprochen. (Stürmischer Beifall).</p>
          <p>Hierauf wird der Bericht über die eingegangenen Adressen verlesen. Sämmtlich sprechen sie sich dahin aus, daß die National-Versammlung fortfahren solle, auf dem betretenen Wege fortzugehen und den reaktionären Schritten der Minister und der Regierung entgegen zu treten.</p>
          <p>Von Magdeburg verlangt eine Adresse die Steuerverweigerung bis eine neue, mit der National-Versammlung gehende Regierung, eingesetzt sei.(Stürmischer Beifall).</p>
          <p>In diesem Sinne sind schon an 30 Adressen eingegangen. Das ganze Land wird mit Gut und Blut die Volkssouverainetät schützen.</p>
          <p>Ein Protokoll über die Vorgänge im Bureau und im Saal der National-Versammlung in vergangener Nacht und heute Morgen wird verlesen. Es ist sehr ausführlich. Nur das ist bemerkenswerth, daß heute Vormittags 9 Uhr, als die Mitglieder der National-Versammlung vor dem Schauspielhause erschienen, der wachthabende Hauptmann die Gewehre laden und die Zündhütchen aufsetzen ließ.</p>
          <p>Rodbertus, Berg, Arntz stellen den Antrag, daß der Präsident sofort eine aus dem Präsidium der Versammlung und 16 Mitgliedern bestehende Kommission von 16 Mitgliedern ernenne, zur Abfassung einer offiziellen Dankschrift, worin die schwere Schuld, welche das Ministerium Brandenburg auf sich geladen, dem Lande dargelegt werde.</p>
          <p>Berg setzt auseinander, daß der Hochverrath des Ministeriums unzweifelhaft sei, daß man aber die Geschwornengerichte abwarten möge, um von ihm das Urtheil sprechen zu lassen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Wachsmuth</hi> setzt auseinander, wie nach dem §. 330 des Allgemeinen Landrechts die Anklage des Hochverraths gegen die Minister zu erheben sei. Wenn es von dieser Versammlung nicht geschähe, wurde das Volk, aus eigener Machtvollkommenheit die jetzt übliche Volksjustiz ausüben. Wolle man dem vorbeugen, so setze man die Minister in Anklagezustand.</p>
          <p>Der Antrag wird <hi rendition="#g">fast einstimmig</hi> angenommen.</p>
          <p>Auch ein Zusatz des Abg. Wachsmuth, zu prüfen inwiefern eine Anklage gegen die Minister zu begründen sein dürfte, wird mit großer Majorität angenommen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Kirchmann</hi> stellt den Antrag: Alle beurlaubten und fehlenden Abgeordneten sogleich einzuberufen, und falls sie bis Montag nicht erschienen, ihre Stellvertreter einzuberufen. Einstimmig angenommen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Waldeck, Kirchmann, Jacoby</hi> u. A. beantragen: 1) daß die von dem Ministerium verfügte Auflösung der Bürgerwehr eine durchaus ungesetzliche Maßregel sei; 2) daß alle Civil- und Militärbeamte, welche sich dieser Verfügung unterwerfen, sich des Verraths am Vaterlande schuldig machen; 3) dies sogleich durch den Druck bekannt zu machen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Waldeck</hi> verliest die dem Bürgerwehr-Kommando zugegangenen Aktenstücke, welche die Auflösung der Bürgerwehr ausspricht, weil dieselbe die Nationalversammlung geschützt habe. &#x2012; Dies ist die Fortsetzung des Attentats, welche schon hier mit Hochverrath bezeichnet worden ist. Die Absicht dieser Brut wird aber vereitelt werden, sie will das Leichentuch, welches über Wien ausgedehnt ist, auch über Berlin ziehen. Aber die Kamarilla hat sich diesmal verrechnet. Das großartige Benehmen des Volkes von Berlin wird die errungenen Freiheiten erhalten. Er fährt in begeisternder Rede fort und endet mit dem größten Beifall.</p>
          <p><hi rendition="#g">Wachsmuth</hi> schlägt noch das Zusatzamendement vor: die Regierung aufzufordern, diese Maßregel sofort zurückzunehmen; auch das Volk und die Bürgerwehr von Berlin aufzufordern, so lange in ruhiger Haltung zu verharren.</p>
          <p>Der Antrag mit dem Zusatzamendement wird einstimmig angenommen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Waldeck, Philipps</hi> u. A. beantragen: daß das Ministerium Brandenburg weder zur Verwendung der Staatsgelder, noch zur Erhebung der Steuern berechtigt sei.</p>
          <p><hi rendition="#g">Unruh.</hi> An dem denkwürdigen gestrigen Morgen sagte ich Ihnen, daß das Land jetzt seine Stimme erheben müsse. Die nächsten Städte haben dies gethan. Magdeburg, Stettin und andere Städte haben dies bereits gethan. Die Steuerverweigerung ist das letzte gesetzliche Mittel und der passive Widerstand den wir anwenden können. Ernennen wir daher eine Kommission von acht Mitgliedern, welcher es überlassen bleiben soll, den rechten Augenblick abzuwarten, diesen Antrag ins Leben zu rufen. Einstimmig angenommen.</p>
          <p>Die Sitzung wird auf morgen Nachmittag 2 Uhr angesetzt.</p>
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          <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 11. November.</head>
          <p>Um das reaktionäre Kabinet in Sanssouci noch mehr in seinen verschrobenen Ideen zu verstärken, ist Bassermann als Reichskommissär von Frankfurt hier angekommen. Die geistesschwache Centralgewalt sieht ganz Deutschland durch eine Brille an, sie setzt Preußen, den ganzen preußischen Staat mit seiner vom Volke getragenen Nationalversammlung in eine Kategorie mit dem kleinen Herzogthum Altenburg. Bassermann ist hierher geschickt, um gegen die Ausführung aller Beschlüsse, welche gegen den Willen der deutschen Centralgewalt gefaßt werden, zu protestiren. Dr. Große, ein alter Republikaner, bekannt vom Hambacher Fest, besuchte heute Morgen seinen alten Freund, den Bassermann, und war erstaunt, in ihm einen solchen Reaktionär à tout prix zu finden. Er wolle hier eine Vermittlung versuchen, sagte Bassermann, aber die Nationalversammlung müsse zuerst in Brandenburg sein. Hier in Berlin würde sie unter dem Einfluß der Demokraten, dieser Anarchisten, stehen. Eine Aenderung des Ministeriums hält er kaum für nothwendig; Unruh als Minister, wäre eine Unmöglichkeit, der ist ja ein Revolutionär! So spricht der deutsche Reichnkommissär. Er macht aber mit diesen seinen Ansichten der Centralgewalt und die Versammlung in der Paulskirche nur lächerlicher. Kein Mensch denkt mehr an Frankfurt.</p>
          <p>Was die Stimmung der Stadt Berlin anbetrifft, so herrscht hier die Ruhe, die einem Sturme vorhergeht. Alle, selbst unsere Bourgeoisie, unsere reiche Kaufmannschaft, die Börse sind entrüstet über die ungesetzlichen Schritte Sr. Maj. Regierung. Man macht sich damit vertraut, daß es mit der Monarchie auf immer vorbei ist. Die Börse hat der Nationalversammlung einen unumschränkten Kredit angeboten. Dies wird der Nationalversammlung sehr gelegen kommen, denn die Staatskassen sind ihr für diesen Augenblick verschlossen. In allen Kreisen beeifert man sich, der Nationalversammlung in jeder Hinsicht entgegenzukommen. Die Stadtverordneten und die Schützengilde bieten ihre Lokalitäten und ihren Schutz der Nationalversammlung an; die ganze Bürgerwehr hat beschlossen die Versammlung bis auf den letzten Mann zu schützen.</p>
          <p>Grabow, der beurlaubte frühere Präsident der Nationalversammlung ist hier angekommen, entrüstet über die Schritte der Regierung. Er hat sogleich seine Zustimmung zu allen Beschlüssen, welche in den letzten Tagen von der Nationalversammlung gefaßt wurden, erklärt. Er ist um 3 Uhr zum Könige nach Potsdam berufen worden. Er will dem Grafen Brandenburg sagen, daß er ihn für einen Schuft erklärt, wenn er nicht augenblicklich seine Stelle niederlegt.</p>
          <p>Wir gehen einer endlichen Lösung der großen Frage entgegen, welche uns das Frühjahr 1848 gestellt hat. Selbst diejenigen, welche bisher die besten Royalisten waren, versichern unter diesen Umständen, sei die Republik das einzige Rettungsmittel für Deutschland. Viele Abgeordnete haben bereits an ihre Wähler die Aufforderung zur <hi rendition="#g">Steuerverweigerung</hi> abgesandt. In einigen Tagen wird das ganze Land in Feuer und Flamme stehen. Schon cirkulirt das Gerücht, <hi rendition="#b">daß sich Breslau in vergangener Nacht erhoben, das Militär aus der Stadt getrieben und eine provisorische Regierung eingesetzt hat.</hi> </p>
          <p>So eben um 5 Uhr Abends verbreitet sich die Nachricht, die <hi rendition="#g">Auflösung der Bürgerwehr</hi> ist dem Kommandanten derselben, Rimpler, bereits angezeigt. Sie habe gegen den Befehl der Behörden, die Nationalversammlung geschützt, demnach gegen einen Paragraphen des Bürgerwehrgesetzes, welche ungesäumte Erfüllung aller Befehle fordert, sich vergangen.</p>
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          <head><bibl><author>14</author></bibl> Berlin, 4. November.</head>
          <p>Hier einige Anekdoten. Mit Hrn. Wrangel ist gestern viel Spaß getrieben worden, besonders wegen des berühmten Graswuchses in Berlin. Mehrere vornehme Herren, die sich erdreisteten, vor dem Helden die Hüte zu lüften, waren genöthigt, diese im Kothe wiederzusuchen, weil das souveräne Volk sie ihnen vom Haupte schlug. Einigen Damen aber, die so zärtlich waren, den Herren Lieutenants Blumensträuße zuzuwerfen, wurden die seidnen Kleider zerrissen und obendrein erhielten sie die unzweideutigsten Spitznamen. Eine Scene edlerer Art passirte unter den Linden. Dort zog dem einrückenden Militär ein großer Volkshaufen vorauf und wo sich in den Fenstern der Palläste Figuren mit wehenden Tüchern zeigten, da erhob das Volk ein Wuthgeheul und streckte die geballten Fäuste empor. Aus einem der Fenster flog ein Blumenkranz, der sich ein Grenadier auf den Helm schlang. Da hielt plötzlich die Menge still, und rief dem vorreitenden Offizier zu, er solle dem Grenadier gebieten, den Kranz abzunehmen, oder man werde sich dem Weiterziehen widersetzen. Major und Grenadier gehorchten. &#x2012; Heute morgen amusirte sich ein Herr Baron damit, dem Volke mitzutheilen: daß die Nationalversammlung eine Schweineversammlung sei, wofür ihn denn das Volk mit einer ungeheuren Tracht Schläge belohnte, und ihn zu Mylius schleppte, wo er als Meerwunder der Versammlung vorgestellt wurde.</p>
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          <p>Es ist jetzt dringendstes Bedürfniß, nicht nur in den Städten, sondern auch auf dem Lande Volksversammlungen zu halten. Die Bauern müssen <hi rendition="#g">gleich an ihre Söhne schreiben,</hi> das dieselben <hi rendition="#g">einen Verrath am Vaterlande begehen,</hi> wenn sie die Regierung im Kampfe gegen die Nationalversammlung und die blutig errungenen Volksfreiheiten unterstützen wollten.</p>
          <p>Morgen wird die Nationalversammlung auf Ersuchen des hiesigen Magistrats im Kölnischen Rathhause ihre Sitzung halten, und vom Magistrat und den Stadtverordneten im feierlichen Zuge aus dem Schützenhause dahin begleitet werden.</p>
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          <p>Unter dem donnernden sich durch die Massen hinwälzenden Beifallssturm verließen die Mitglieder den Platz, um sich in den Fraktions-Versammlungen über die ferneren Maßnahmen für heute Nachmittag zu berathen.</p>
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          <p>Von <hi rendition="#g">Magdeburg</hi> aus sind folgende Manifestationen ausgegangen:</p>
          <p>Bei Ereignissen, wo der ruhige Gang unserer politischen Entwicklungen vielleicht auf die Dauer mehrerer Generationen hinaus in Frage gestellt ist, wie in diesem Augenblick, halten wir es für die Pflicht jedes guten Bürgers, die Vertreter der Nation darüber nicht in Zweifel zu lassen, ob ihre Beschlüsse mit den Wünschen des Volkes Hand in Hand gehen. Deshalb sprechen wir Einer Hohen Versammlung es kurz und bündig aus:</p>
          <p>&#x201E;daß Ihre in der Sitzung vom 9. Novbr. gefaßten Beschlüsse unsere ganze Zustimmung haben.&#x201C;</p>
          <p>Wir halten uns überzeugt, daß Eine Hohe Versammlung bei Fassung dieser Beschlüsse Sich in Ihrem vollen Rechte befunden hat, daß Sie auch ferner feststehen, Sich von keiner Seite her einschüchtern lassen und den unveräußerlichen Rechten des Volkes nichts vergeben wird.</p>
          <p>Magdeburg, 10. November 1848.</p>
          <p>Die Stadtverordneten-Versammlung zu Magdeburg.</p>
          <p>Die Magdeburger Bürgerversammlung von nahe an 2000 Mitgliedern faßte am 10. den Beschluß: die Nationalversammlung möge sofort und namentlich, vor einer eventuell gesetzwidrigen Auflösung derselben durch rohe Gewalt, beschließen: daß das gegenwärtige, durch Verfassungsverletzung strafwürdige Ministerium Staatsausgaben zu machen und Steuern zu erheben nicht befugt sei, und daß das Land bis zur Ernennung eines neuen verfassungsmäßigen mit der Majorität der Nationalversammlung gehenden Ministeriums <hi rendition="#g">jede Steuereinzahlung verweigere.</hi> </p>
          <p>Eine Zuschrift der Magdeburger Bürgerversammlung vom 10. d. mit mehr als 3000 Unterschriften versehen, erklärt: &#x201E;Wir, versammelte Bürger Magdeburgs, protestiren feierlich und mit allem Nachdruck gegen diesen Staatsstreich; wir erkennen das Recht, ja die Pflicht der Nationalversammlung, sich diesen Befehlen eines Ministeriums, welches also das ganze Volk zum blutigsten Kampf herausfordert, nicht zu fügen, vollkommen an und sprechen derselben für ihr standhaftes Beharren den unumwundensten Dank und die unbedingte Anerkennung aus.</p>
          <p> <hi rendition="#g">Proklamation.</hi> </p>
          <p>Der in meiner Haupt- und Residenzstadt Berlin seit geraumer Zeit herrschende gesetzlose Zustand, der das ganze Land in den Abgrund der Anarchie zu stürzen drohte hat Mich genöthigt, auf den Rath Meiner verantwortlichen Minister, die zur Vereinbarung der Staatsverfassung berufene Versammlung nach Brandenburg zu verlegen und dieselbe, damit diese Maßregel ausgeführt werden könne, bis zum 27. dieses Monats zu vertagen. Aus demselben Grunde habe Ich die Truppenmacht in dieser Meiner Haupt- und Residenzstadt ansehnlich verstärken, auch die dortige Bürgerwehr mit Rücksicht auf ihr ungesetzliches Verhalten in Gemäßheit des §. 3 des über die Errichtung der Bürgerwehr unter dem 17. Okt. d. J. ergangenen Gesetzes bis zu deren Reorganisation auflösen müssen. Ich bin Mir wohl bewußt, daß diese Maßregeln mannigfacher Mißdeutung ausgesetzt und von einer Umsturz-Partei dazu mißbraucht werden können, auch bei sonst gut gesinnten Staatsbürgern Besorgnisse über den Vollbestand der Meinem Volke gewährten Freiheiten hervorzurufen. Ich bin Mir aber eben so klar bewußt, daß Preußens und Deutschlands Zukunft diesen Schritt von Mir und Meiner Regierung zu fordern berechtigt war. Ich wende mich deshalb in dieser entscheidenden Zeit an das ganze Land, an Euch Meine treuen Preußen Alle, mit der Zuversicht, daß Ihr den ungesetzlichen Widerstand, den ein Theil Eurer Vertreter, uneingedenk ihrer wahren Pflichten gegen Volk und Krone, der Verlegung der Nationalversammlung entgegenstellt, ernst und entschieden mißbilligen werdet. Ich mahne Euch, nicht Raum zu geben den Einflüsterungen, die Euch glauben machen, Ich wolle Euch die in den Märztagen verheißenen Freiheiten verkümmern, Ich wolle wieder ablenken von dem betretenen konstitntionellen Wege!</p>
          <p>Preußen! Ihr, die Ihr noch feststeht in dem alten guten Vertrauen zu Mir, Ihr, die Ihr noch ein Gedächtniß habt für die Geschichte Meines königlichen Hauses und seiner Stellung zum Volke, Euch bitte Ich, daran ferner festzuhalten, in guten wie in bösen Tagen! Ihr aber, die Ihr schon darin zu wanken beginnt, Euch beschwöre Ich, Halt zu machen auf dem betretenen jähen Pfade und abzuwarten die Thaten, die da folgen werden! &#x2012; Euch Allen aber gebe ich nochmals die unverbrüchliche Versicherung, daß Euch nichts verkümmert werden soll an Euren konstitutionellen Freiheiten, daß es Mein heiligstes Bestreben sein wird, Euch mit Gottes Hülfe ein guter konstitutioneller König zu sein, auf daß wir gemeinsam ein stattliches und haltbares Gebäude errichten, unter dessen Dache, zum Frommen Unseres preußischen und ganzen deutschen Vaterlandes, Unsere Nachkommen sich ruhig und einträchtig der Segnungen einer echten, wahren Freiheit Jahrhunderte lang erfreuen mögen!</p>
          <p>Dazu wolle Gott seinen Segen verleihen!</p>
          <p>Sanssouci, den 11. November 1848.</p>
          <p>(gez.) <hi rendition="#g">Friedrich Wilhelm.</hi> </p>
          <p>(kontrasignirt) Graf v. Brandenburg. v. Ladenberg.</p>
          <p>v. Strotha. v. Manteuffel.</p>
          <p>Wir Friedrich Wilhelm, v. G. G., König von Preußen etc.</p>
          <p>Nachdem Wir die Verlegung der zur Vereinbarung der Verfassung berufenen Versammlung nach Brandenburg a. d. H. angeordnet, hat ein Theil dieser Versammlung dieser Anordnung zuwider in ungesetzlicher Weise hier die Berathung fortgesetzt. Die Bürgerwehr der Stadt Berlin hat aber nicht nur durch eine Erklärung ihres Kommandeurs die Weigerung ausgesprochen, den Maßregeln der Staatsregierung gegen dieses gesetzwidrige Beginnen die erforderliche Unterstützung zu gewähren, sondern auch thatsächlich die ihre ungesetzlichen und wirkungslosen Berathungen fortsetzenden Mitglieder der Nationalversammlung fortgesetzt unter ihren Schutz genommen. So sehr Wir es nun beklagen, gegen die Bürgerwehr Berlins, welche, bei einzelnen Gelegenheiten in anerkennenswerther Weise für die Ruhe und Sicherheit der Stadt gewirkt hat, mit den Uns obliegenden gesetzlichen Maßregeln voranschreiten zu müssen, so sind Wir dennoch verpflichtet, einem solchen, die Ordnung gefährdenden Widerstreben ein Ziel zu setzen. Wir verordnen daher auf den Antrag Unseres Staatsministeriums und in Gemäßheit des § 3 des Gesetzes über die Errichtung der Bürgerwehr vom 17 Okt. d. J., welcher dahin lautet:</p>
          <p>&#x201E;Durch kön. Verordnung kann aus wichtigen, in der Auflösungsordre anzugebenden Gründen die Bürgerwehr einzelner Gemeinden oder Kreise ihres Dienstes enthoben oder aufgelöst werden.</p>
          <p>&#x201E;Die Dienstenthebung darf nicht länger als 6 Monate dauern. Im Fall einer Auflösung muß die Verordnung wegen der neuen Organisation binnen 3 Monaten erfolgen.&#x201C;</p>
          <p>was folgt:</p>
          <p>Die Bürgerwehr der Stadt Berlin ist hiermit aufgelöst, und die betreffenden Behörden sind mit der sofortigen Ausführung dieser Verordnung beauftragt.</p>
          <p>Gegeben Sanssouci, den 11. November 1848.</p>
          <p>(gez.) <hi rendition="#g">Friedrich Wilhelm.</hi> </p>
          <p>(kontrasignirt) Graf v. Brandenburg. v. Ladenberg.</p>
          <p>v. Strotha. v. Manteuffel.</p>
          <p>&#x2012; Der König hat dem bisherigen Justizminister Kisker unter Entbindung desselben von der Leitung der Geschäfte des Justizministeriums seine frühere Stelle als Chefpräsident des Oberlandesgerichts zu Naumburg wieder übertragen, und den Abgeordneten Geh. Ober-Tribunalsrath Rintelen zum Staats und Justizminister ernannt.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar142_012" type="jArticle">
          <head>Berlin.</head>
          <p>Bei der Besetzung mehrerer Wachen in der hiesigen Hauptstadt durch Truppen wird es erforderlich, das Publikum auf die betreffenden Bestimmungen des Gesetzes über den Waffengebrauch des Militärs vom 20. März 1837 aufmerksam zu machen:</p>
          <p>Dieselben lauten:</p>
          <p>§. 1. Das in unserem Dienste zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit auftretende Militär ist berechtigt, auf Wache und Posten, die Patrouillen, Transport- und allen andern Kommandos, auch wenn solche auf Requisition oder zum Beistande einer Civilbehörde gegeben werden, in den nachstehenden §§. 2-6. bezeichneten Fällen von seinen Waffen Gebrauch zu machen.</p>
          <p>§. 2. Wird das kommandirte Militär bei einer der erwähnten Dienstleistungen angegriffen, oder mit einem Angriff gefährlich bedroht, oder findet es Widerstand durch Thätlichkeit oder gefähr-
</p>
        </div>
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</TEI>
[0734/0002] Der stattfindende Namensaufruf ergibt, daß 242 Mitglieder anwesend sind. Im Laufe der Sitzung melden sich noch mehrere Abgeordnete. Auch der Zugführer der Bürgerwehr, welcher heute Nacht im Schauspielhause die Wache kommandirte, erscheint vor der obengenannten Kommission, und läßt sich zu Protokoll vernehmen. Heute morgen zwischen 3 und 4 Uhr hörte er hinter sich einen ungewöhnlichen Lärm und gleich darauf drängt eine Truppenmasse, welche zu den Hinterthüren Einlaß gefunden, auf die Wache ein, und fordert die Bürgerwehrwache auf, das Haus zu verlassen. Als sich dieselbe weigerte, sagt der Commandirende: Wollen sie der Gewalt weichen oder nicht? Hierauf mußte die Wache der Bürgerwehr das Schauspielhaus verlassen. ‒ Auch gegen diesen Akt der Willkür beschließt die Versammlung zu protestiren. Als Bornemann meint, man möge doch nicht so viel protestiren, sagt Phillips: Wir müssen protestiren fort und fort, gegen jeden Gewaltstreich, damit man einst unsern Kindern nicht sage, dein Vater war einer von denen, welche das Vaterland verrathen haben. (Beifall). Kühnemann trägt darauf an, in den nächsten Tagen keine Sitzungen zu halten, damit erst die Meinung des Landes vollständig entgegen genommen werden kann. Berg: Zunächst trage ich darauf an, daß in dem neuen Lokale auch für die Minister Plätze reservirt werden, dann aber habe ich gegen den vorigen Redner zu bemerken, daß wir allerdings an das Land appellirt haben, daß aber jetzt, wo das Recht auf der Spitze der Bajonette steht, der gesammte Staatsorganismus krankt; es fehlt ihm der belebende Geist, der Geist des Rechts. Sollte er wieder gefunden, oder sollte er sich eine neue Form bilden, in jedem Falle müssen wir dafür sorgen, daß dieser belebende Geist nicht fehle, daß der organisirten Anarchie ein organischer Widerstand entgegen trete. Wir müssen oft und immer zusammenkommen, damit das Volk immer weiß, wo seine Vertreter sich befinden, und daß diejenigen, die es sich frei gewählt hat, es nicht verlassen haben! (Stürmisches Bravo). Schulze von Delitsch: Ich will nur noch auf eins aufmerksam machen. Wenn wir auseinander gehen, so heißt das, die Revolution, den Straßenkampf prvoziren. Waldeck: Sie haben gehört, daß wir Alle darüber einig sind, daß wir zusammen bleiben. Wir müssen dies eben so wie bisher thun, um fortwährend zu wachen und die Rechte des Volks zu schützen. Auf den Antrag des Abg. D' Ester wird der Petitionskommission der Auftrag gegeben, über die einkommenden Adressen, welche über die Ereignisse der letzten Tage handeln, täglich einen Bericht darüber erstatten und drucken zu lassen. Wachsmuth stellt den Antrag: „Die National-Versammlung beschließt, daß sie gegen die Verdrängung der Bürgerwehr aus dem Sitzungslokale durch Militär, als einen Akt roher Gewalt, Verwahrung einlege.“ Wird einstimmig angenommen. Die nächste Sitzung findet Nachmittag 3 Uhr im Saale des Schützenhauses statt. Schluß der Sitzung 12 Uhr. Um 4 1/4 Uhr wird die Nachmittagssitzung im Schützenhause mit Verlesung der Protokolle der zwei letzten Sitzungen eröffnet. Der Namensaufruf ergiebt, daß 247 Mitglieder anwesend sind; einige ließen sich durch Krankheit entschuldigen Die Stadtverordneten lassen durch eine Deputation, welche vom Präsidenten im Vorsaal empfangen wird, ihre Lokalität anbieten. Die Versammlung spricht ihren einstimmigen Dank den Stadtverordneten aus, wird aber ihre jetzigen Lokalitäten innebehalten, da dieselben geräumiger sind. Auch der gesammten Bürgerwehr wird der einstimmige Dank der Versammlung für das lobenswerthe Verhalten in den letzten Tagen und den Schutz, welchen sie der National-Versammlung angedeihen ließ, ausgesprochen. (Stürmischer Beifall). Hierauf wird der Bericht über die eingegangenen Adressen verlesen. Sämmtlich sprechen sie sich dahin aus, daß die National-Versammlung fortfahren solle, auf dem betretenen Wege fortzugehen und den reaktionären Schritten der Minister und der Regierung entgegen zu treten. Von Magdeburg verlangt eine Adresse die Steuerverweigerung bis eine neue, mit der National-Versammlung gehende Regierung, eingesetzt sei.(Stürmischer Beifall). In diesem Sinne sind schon an 30 Adressen eingegangen. Das ganze Land wird mit Gut und Blut die Volkssouverainetät schützen. Ein Protokoll über die Vorgänge im Bureau und im Saal der National-Versammlung in vergangener Nacht und heute Morgen wird verlesen. Es ist sehr ausführlich. Nur das ist bemerkenswerth, daß heute Vormittags 9 Uhr, als die Mitglieder der National-Versammlung vor dem Schauspielhause erschienen, der wachthabende Hauptmann die Gewehre laden und die Zündhütchen aufsetzen ließ. Rodbertus, Berg, Arntz stellen den Antrag, daß der Präsident sofort eine aus dem Präsidium der Versammlung und 16 Mitgliedern bestehende Kommission von 16 Mitgliedern ernenne, zur Abfassung einer offiziellen Dankschrift, worin die schwere Schuld, welche das Ministerium Brandenburg auf sich geladen, dem Lande dargelegt werde. Berg setzt auseinander, daß der Hochverrath des Ministeriums unzweifelhaft sei, daß man aber die Geschwornengerichte abwarten möge, um von ihm das Urtheil sprechen zu lassen. Wachsmuth setzt auseinander, wie nach dem §. 330 des Allgemeinen Landrechts die Anklage des Hochverraths gegen die Minister zu erheben sei. Wenn es von dieser Versammlung nicht geschähe, wurde das Volk, aus eigener Machtvollkommenheit die jetzt übliche Volksjustiz ausüben. Wolle man dem vorbeugen, so setze man die Minister in Anklagezustand. Der Antrag wird fast einstimmig angenommen. Auch ein Zusatz des Abg. Wachsmuth, zu prüfen inwiefern eine Anklage gegen die Minister zu begründen sein dürfte, wird mit großer Majorität angenommen. Kirchmann stellt den Antrag: Alle beurlaubten und fehlenden Abgeordneten sogleich einzuberufen, und falls sie bis Montag nicht erschienen, ihre Stellvertreter einzuberufen. Einstimmig angenommen. Waldeck, Kirchmann, Jacoby u. A. beantragen: 1) daß die von dem Ministerium verfügte Auflösung der Bürgerwehr eine durchaus ungesetzliche Maßregel sei; 2) daß alle Civil- und Militärbeamte, welche sich dieser Verfügung unterwerfen, sich des Verraths am Vaterlande schuldig machen; 3) dies sogleich durch den Druck bekannt zu machen. Waldeck verliest die dem Bürgerwehr-Kommando zugegangenen Aktenstücke, welche die Auflösung der Bürgerwehr ausspricht, weil dieselbe die Nationalversammlung geschützt habe. ‒ Dies ist die Fortsetzung des Attentats, welche schon hier mit Hochverrath bezeichnet worden ist. Die Absicht dieser Brut wird aber vereitelt werden, sie will das Leichentuch, welches über Wien ausgedehnt ist, auch über Berlin ziehen. Aber die Kamarilla hat sich diesmal verrechnet. Das großartige Benehmen des Volkes von Berlin wird die errungenen Freiheiten erhalten. Er fährt in begeisternder Rede fort und endet mit dem größten Beifall. Wachsmuth schlägt noch das Zusatzamendement vor: die Regierung aufzufordern, diese Maßregel sofort zurückzunehmen; auch das Volk und die Bürgerwehr von Berlin aufzufordern, so lange in ruhiger Haltung zu verharren. Der Antrag mit dem Zusatzamendement wird einstimmig angenommen. Waldeck, Philipps u. A. beantragen: daß das Ministerium Brandenburg weder zur Verwendung der Staatsgelder, noch zur Erhebung der Steuern berechtigt sei. Unruh. An dem denkwürdigen gestrigen Morgen sagte ich Ihnen, daß das Land jetzt seine Stimme erheben müsse. Die nächsten Städte haben dies gethan. Magdeburg, Stettin und andere Städte haben dies bereits gethan. Die Steuerverweigerung ist das letzte gesetzliche Mittel und der passive Widerstand den wir anwenden können. Ernennen wir daher eine Kommission von acht Mitgliedern, welcher es überlassen bleiben soll, den rechten Augenblick abzuwarten, diesen Antrag ins Leben zu rufen. Einstimmig angenommen. Die Sitzung wird auf morgen Nachmittag 2 Uhr angesetzt. 103 Berlin, 11. November. Um das reaktionäre Kabinet in Sanssouci noch mehr in seinen verschrobenen Ideen zu verstärken, ist Bassermann als Reichskommissär von Frankfurt hier angekommen. Die geistesschwache Centralgewalt sieht ganz Deutschland durch eine Brille an, sie setzt Preußen, den ganzen preußischen Staat mit seiner vom Volke getragenen Nationalversammlung in eine Kategorie mit dem kleinen Herzogthum Altenburg. Bassermann ist hierher geschickt, um gegen die Ausführung aller Beschlüsse, welche gegen den Willen der deutschen Centralgewalt gefaßt werden, zu protestiren. Dr. Große, ein alter Republikaner, bekannt vom Hambacher Fest, besuchte heute Morgen seinen alten Freund, den Bassermann, und war erstaunt, in ihm einen solchen Reaktionär à tout prix zu finden. Er wolle hier eine Vermittlung versuchen, sagte Bassermann, aber die Nationalversammlung müsse zuerst in Brandenburg sein. Hier in Berlin würde sie unter dem Einfluß der Demokraten, dieser Anarchisten, stehen. Eine Aenderung des Ministeriums hält er kaum für nothwendig; Unruh als Minister, wäre eine Unmöglichkeit, der ist ja ein Revolutionär! So spricht der deutsche Reichnkommissär. Er macht aber mit diesen seinen Ansichten der Centralgewalt und die Versammlung in der Paulskirche nur lächerlicher. Kein Mensch denkt mehr an Frankfurt. Was die Stimmung der Stadt Berlin anbetrifft, so herrscht hier die Ruhe, die einem Sturme vorhergeht. Alle, selbst unsere Bourgeoisie, unsere reiche Kaufmannschaft, die Börse sind entrüstet über die ungesetzlichen Schritte Sr. Maj. Regierung. Man macht sich damit vertraut, daß es mit der Monarchie auf immer vorbei ist. Die Börse hat der Nationalversammlung einen unumschränkten Kredit angeboten. Dies wird der Nationalversammlung sehr gelegen kommen, denn die Staatskassen sind ihr für diesen Augenblick verschlossen. In allen Kreisen beeifert man sich, der Nationalversammlung in jeder Hinsicht entgegenzukommen. Die Stadtverordneten und die Schützengilde bieten ihre Lokalitäten und ihren Schutz der Nationalversammlung an; die ganze Bürgerwehr hat beschlossen die Versammlung bis auf den letzten Mann zu schützen. Grabow, der beurlaubte frühere Präsident der Nationalversammlung ist hier angekommen, entrüstet über die Schritte der Regierung. Er hat sogleich seine Zustimmung zu allen Beschlüssen, welche in den letzten Tagen von der Nationalversammlung gefaßt wurden, erklärt. Er ist um 3 Uhr zum Könige nach Potsdam berufen worden. Er will dem Grafen Brandenburg sagen, daß er ihn für einen Schuft erklärt, wenn er nicht augenblicklich seine Stelle niederlegt. Wir gehen einer endlichen Lösung der großen Frage entgegen, welche uns das Frühjahr 1848 gestellt hat. Selbst diejenigen, welche bisher die besten Royalisten waren, versichern unter diesen Umständen, sei die Republik das einzige Rettungsmittel für Deutschland. Viele Abgeordnete haben bereits an ihre Wähler die Aufforderung zur Steuerverweigerung abgesandt. In einigen Tagen wird das ganze Land in Feuer und Flamme stehen. Schon cirkulirt das Gerücht, daß sich Breslau in vergangener Nacht erhoben, das Militär aus der Stadt getrieben und eine provisorische Regierung eingesetzt hat. So eben um 5 Uhr Abends verbreitet sich die Nachricht, die Auflösung der Bürgerwehr ist dem Kommandanten derselben, Rimpler, bereits angezeigt. Sie habe gegen den Befehl der Behörden, die Nationalversammlung geschützt, demnach gegen einen Paragraphen des Bürgerwehrgesetzes, welche ungesäumte Erfüllung aller Befehle fordert, sich vergangen. 14 Berlin, 4. November. Hier einige Anekdoten. Mit Hrn. Wrangel ist gestern viel Spaß getrieben worden, besonders wegen des berühmten Graswuchses in Berlin. Mehrere vornehme Herren, die sich erdreisteten, vor dem Helden die Hüte zu lüften, waren genöthigt, diese im Kothe wiederzusuchen, weil das souveräne Volk sie ihnen vom Haupte schlug. Einigen Damen aber, die so zärtlich waren, den Herren Lieutenants Blumensträuße zuzuwerfen, wurden die seidnen Kleider zerrissen und obendrein erhielten sie die unzweideutigsten Spitznamen. Eine Scene edlerer Art passirte unter den Linden. Dort zog dem einrückenden Militär ein großer Volkshaufen vorauf und wo sich in den Fenstern der Palläste Figuren mit wehenden Tüchern zeigten, da erhob das Volk ein Wuthgeheul und streckte die geballten Fäuste empor. Aus einem der Fenster flog ein Blumenkranz, der sich ein Grenadier auf den Helm schlang. Da hielt plötzlich die Menge still, und rief dem vorreitenden Offizier zu, er solle dem Grenadier gebieten, den Kranz abzunehmen, oder man werde sich dem Weiterziehen widersetzen. Major und Grenadier gehorchten. ‒ Heute morgen amusirte sich ein Herr Baron damit, dem Volke mitzutheilen: daß die Nationalversammlung eine Schweineversammlung sei, wofür ihn denn das Volk mit einer ungeheuren Tracht Schläge belohnte, und ihn zu Mylius schleppte, wo er als Meerwunder der Versammlung vorgestellt wurde. 14 Berlin, 11. November. Die Magdeburger Deputation, bestehend, aus drei ruhigen alten Männern, wurde heute durch Dr. Große bei dem Reichskommissarius Bassermann eingeführt Hr. Bassermann rechtfertigte in seiner Unterredung die Schritte des Königs, allein die ruhigen Bürger Magdeburgs erklärten ihm auf's Entschiedenste, daß die Regierung gesetzlos handle, und sie als Vertreter der Provinz jedenfalls, wenn es Noth thue, die Steuern verweigern würden. Dadurch hätte dem Bassermann ein Licht aufgehen können, wenn dies möglich wäre. X Berlin, 11. Nov. In der vorigen Nacht hat das Militär die Bürgerwehr aus dem hiesigen Schauspielhause vertrieben und ein ganzes Regiment Soldaten hineingelegt. In dem Hotel de Russie empfing die Nationalversammlung die Deputationen der Städte Breslau, Frankfurt, Magdeburg u. s. w., welche die feierliche Versicherung aussprachen, daß die Bewohner der benannten Städte mit Gut und Blut die Beschlüsse der Nationalversammlung vertheidigen würden. Es ist jetzt dringendstes Bedürfniß, nicht nur in den Städten, sondern auch auf dem Lande Volksversammlungen zu halten. Die Bauern müssen gleich an ihre Söhne schreiben, das dieselben einen Verrath am Vaterlande begehen, wenn sie die Regierung im Kampfe gegen die Nationalversammlung und die blutig errungenen Volksfreiheiten unterstützen wollten. Morgen wird die Nationalversammlung auf Ersuchen des hiesigen Magistrats im Kölnischen Rathhause ihre Sitzung halten, und vom Magistrat und den Stadtverordneten im feierlichen Zuge aus dem Schützenhause dahin begleitet werden. Berlin. Beim Austritt aus dem Sitzungslokal des Hotel de Russie empfängt die Abgeordneten wieder der jubelnde Zuruf des Volkes: „Es lebe die Nationalversammlung, es leben unsere treuen Vertreter!“ ‒ Der Präsident dankte dem umstehenden Volke mit den Worten: „Die Vertreter des Volkes stehen im Begriffe, alle gesetzlichen Mittel zu erschöpfen. Was aber auch geschehen möge, sie stehen und fallen mit der Freiheit!“ Unter dem donnernden sich durch die Massen hinwälzenden Beifallssturm verließen die Mitglieder den Platz, um sich in den Fraktions-Versammlungen über die ferneren Maßnahmen für heute Nachmittag zu berathen. * Berlin, 11. Novbr. Von allen Seiten strömen Anerkennungs- und Huldigungsadressen der Nationalversammlung zu. Wir erwähnen u. a. die Adresse von Anklam, Münchenberg (für den Lebuser Kreis), Striegau in Schlesien, Breslau, Spandau, Stettin u. s. w. Von Magdeburg aus sind folgende Manifestationen ausgegangen: Bei Ereignissen, wo der ruhige Gang unserer politischen Entwicklungen vielleicht auf die Dauer mehrerer Generationen hinaus in Frage gestellt ist, wie in diesem Augenblick, halten wir es für die Pflicht jedes guten Bürgers, die Vertreter der Nation darüber nicht in Zweifel zu lassen, ob ihre Beschlüsse mit den Wünschen des Volkes Hand in Hand gehen. Deshalb sprechen wir Einer Hohen Versammlung es kurz und bündig aus: „daß Ihre in der Sitzung vom 9. Novbr. gefaßten Beschlüsse unsere ganze Zustimmung haben.“ Wir halten uns überzeugt, daß Eine Hohe Versammlung bei Fassung dieser Beschlüsse Sich in Ihrem vollen Rechte befunden hat, daß Sie auch ferner feststehen, Sich von keiner Seite her einschüchtern lassen und den unveräußerlichen Rechten des Volkes nichts vergeben wird. Magdeburg, 10. November 1848. Die Stadtverordneten-Versammlung zu Magdeburg. Die Magdeburger Bürgerversammlung von nahe an 2000 Mitgliedern faßte am 10. den Beschluß: die Nationalversammlung möge sofort und namentlich, vor einer eventuell gesetzwidrigen Auflösung derselben durch rohe Gewalt, beschließen: daß das gegenwärtige, durch Verfassungsverletzung strafwürdige Ministerium Staatsausgaben zu machen und Steuern zu erheben nicht befugt sei, und daß das Land bis zur Ernennung eines neuen verfassungsmäßigen mit der Majorität der Nationalversammlung gehenden Ministeriums jede Steuereinzahlung verweigere. Eine Zuschrift der Magdeburger Bürgerversammlung vom 10. d. mit mehr als 3000 Unterschriften versehen, erklärt: „Wir, versammelte Bürger Magdeburgs, protestiren feierlich und mit allem Nachdruck gegen diesen Staatsstreich; wir erkennen das Recht, ja die Pflicht der Nationalversammlung, sich diesen Befehlen eines Ministeriums, welches also das ganze Volk zum blutigsten Kampf herausfordert, nicht zu fügen, vollkommen an und sprechen derselben für ihr standhaftes Beharren den unumwundensten Dank und die unbedingte Anerkennung aus. Proklamation. Der in meiner Haupt- und Residenzstadt Berlin seit geraumer Zeit herrschende gesetzlose Zustand, der das ganze Land in den Abgrund der Anarchie zu stürzen drohte hat Mich genöthigt, auf den Rath Meiner verantwortlichen Minister, die zur Vereinbarung der Staatsverfassung berufene Versammlung nach Brandenburg zu verlegen und dieselbe, damit diese Maßregel ausgeführt werden könne, bis zum 27. dieses Monats zu vertagen. Aus demselben Grunde habe Ich die Truppenmacht in dieser Meiner Haupt- und Residenzstadt ansehnlich verstärken, auch die dortige Bürgerwehr mit Rücksicht auf ihr ungesetzliches Verhalten in Gemäßheit des §. 3 des über die Errichtung der Bürgerwehr unter dem 17. Okt. d. J. ergangenen Gesetzes bis zu deren Reorganisation auflösen müssen. Ich bin Mir wohl bewußt, daß diese Maßregeln mannigfacher Mißdeutung ausgesetzt und von einer Umsturz-Partei dazu mißbraucht werden können, auch bei sonst gut gesinnten Staatsbürgern Besorgnisse über den Vollbestand der Meinem Volke gewährten Freiheiten hervorzurufen. Ich bin Mir aber eben so klar bewußt, daß Preußens und Deutschlands Zukunft diesen Schritt von Mir und Meiner Regierung zu fordern berechtigt war. Ich wende mich deshalb in dieser entscheidenden Zeit an das ganze Land, an Euch Meine treuen Preußen Alle, mit der Zuversicht, daß Ihr den ungesetzlichen Widerstand, den ein Theil Eurer Vertreter, uneingedenk ihrer wahren Pflichten gegen Volk und Krone, der Verlegung der Nationalversammlung entgegenstellt, ernst und entschieden mißbilligen werdet. Ich mahne Euch, nicht Raum zu geben den Einflüsterungen, die Euch glauben machen, Ich wolle Euch die in den Märztagen verheißenen Freiheiten verkümmern, Ich wolle wieder ablenken von dem betretenen konstitntionellen Wege! Preußen! Ihr, die Ihr noch feststeht in dem alten guten Vertrauen zu Mir, Ihr, die Ihr noch ein Gedächtniß habt für die Geschichte Meines königlichen Hauses und seiner Stellung zum Volke, Euch bitte Ich, daran ferner festzuhalten, in guten wie in bösen Tagen! Ihr aber, die Ihr schon darin zu wanken beginnt, Euch beschwöre Ich, Halt zu machen auf dem betretenen jähen Pfade und abzuwarten die Thaten, die da folgen werden! ‒ Euch Allen aber gebe ich nochmals die unverbrüchliche Versicherung, daß Euch nichts verkümmert werden soll an Euren konstitutionellen Freiheiten, daß es Mein heiligstes Bestreben sein wird, Euch mit Gottes Hülfe ein guter konstitutioneller König zu sein, auf daß wir gemeinsam ein stattliches und haltbares Gebäude errichten, unter dessen Dache, zum Frommen Unseres preußischen und ganzen deutschen Vaterlandes, Unsere Nachkommen sich ruhig und einträchtig der Segnungen einer echten, wahren Freiheit Jahrhunderte lang erfreuen mögen! Dazu wolle Gott seinen Segen verleihen! Sanssouci, den 11. November 1848. (gez.) Friedrich Wilhelm. (kontrasignirt) Graf v. Brandenburg. v. Ladenberg. v. Strotha. v. Manteuffel. Wir Friedrich Wilhelm, v. G. G., König von Preußen etc. Nachdem Wir die Verlegung der zur Vereinbarung der Verfassung berufenen Versammlung nach Brandenburg a. d. H. angeordnet, hat ein Theil dieser Versammlung dieser Anordnung zuwider in ungesetzlicher Weise hier die Berathung fortgesetzt. Die Bürgerwehr der Stadt Berlin hat aber nicht nur durch eine Erklärung ihres Kommandeurs die Weigerung ausgesprochen, den Maßregeln der Staatsregierung gegen dieses gesetzwidrige Beginnen die erforderliche Unterstützung zu gewähren, sondern auch thatsächlich die ihre ungesetzlichen und wirkungslosen Berathungen fortsetzenden Mitglieder der Nationalversammlung fortgesetzt unter ihren Schutz genommen. So sehr Wir es nun beklagen, gegen die Bürgerwehr Berlins, welche, bei einzelnen Gelegenheiten in anerkennenswerther Weise für die Ruhe und Sicherheit der Stadt gewirkt hat, mit den Uns obliegenden gesetzlichen Maßregeln voranschreiten zu müssen, so sind Wir dennoch verpflichtet, einem solchen, die Ordnung gefährdenden Widerstreben ein Ziel zu setzen. Wir verordnen daher auf den Antrag Unseres Staatsministeriums und in Gemäßheit des § 3 des Gesetzes über die Errichtung der Bürgerwehr vom 17 Okt. d. J., welcher dahin lautet: „Durch kön. Verordnung kann aus wichtigen, in der Auflösungsordre anzugebenden Gründen die Bürgerwehr einzelner Gemeinden oder Kreise ihres Dienstes enthoben oder aufgelöst werden. „Die Dienstenthebung darf nicht länger als 6 Monate dauern. Im Fall einer Auflösung muß die Verordnung wegen der neuen Organisation binnen 3 Monaten erfolgen.“ was folgt: Die Bürgerwehr der Stadt Berlin ist hiermit aufgelöst, und die betreffenden Behörden sind mit der sofortigen Ausführung dieser Verordnung beauftragt. Gegeben Sanssouci, den 11. November 1848. (gez.) Friedrich Wilhelm. (kontrasignirt) Graf v. Brandenburg. v. Ladenberg. v. Strotha. v. Manteuffel. ‒ Der König hat dem bisherigen Justizminister Kisker unter Entbindung desselben von der Leitung der Geschäfte des Justizministeriums seine frühere Stelle als Chefpräsident des Oberlandesgerichts zu Naumburg wieder übertragen, und den Abgeordneten Geh. Ober-Tribunalsrath Rintelen zum Staats und Justizminister ernannt. Berlin. Bei der Besetzung mehrerer Wachen in der hiesigen Hauptstadt durch Truppen wird es erforderlich, das Publikum auf die betreffenden Bestimmungen des Gesetzes über den Waffengebrauch des Militärs vom 20. März 1837 aufmerksam zu machen: Dieselben lauten: §. 1. Das in unserem Dienste zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit auftretende Militär ist berechtigt, auf Wache und Posten, die Patrouillen, Transport- und allen andern Kommandos, auch wenn solche auf Requisition oder zum Beistande einer Civilbehörde gegeben werden, in den nachstehenden §§. 2-6. bezeichneten Fällen von seinen Waffen Gebrauch zu machen. §. 2. Wird das kommandirte Militär bei einer der erwähnten Dienstleistungen angegriffen, oder mit einem Angriff gefährlich bedroht, oder findet es Widerstand durch Thätlichkeit oder gefähr-

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 142. Köln, 14. November 1848, S. 0734. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz142i_1848/2>, abgerufen am 23.11.2024.