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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 142. Köln, 14. November 1848.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 142. Köln, Dienstag den 14. November. 1848.

Um mehrfach geäußerten Wünschen entgegenzukommen und dem Theile des Publikums, welcher ohne längeres Abonnement den jetzigen wichtigen Zeitereignissen folgen möchte, alle möglichen Erleichterungen zu gewähren, nehmen wir Bestellungen auf die Neue Reinische Zeitung vor Ende des Quartals zu 1 Thlr. bei Vorausbezahlung in hiesiger Stadt und Deutz an; einzelne Nummern sind fortwährend an der Expedition des Blattes - unter Hutmacher Nr. 17 - zu einem (1) Sgr. zu haben. Die einlaufenden Nachrichten sind wir, unterstützt von tüchtigen Corespondenten, im Stande wie seither unsern Lesern auf das Schleunigste zu überliefern.

Köln, 13. November 1848.

Die Expedition der Neuen Rheinischen Zeitung.

Morgen früh, Dienstag den 14. November, werden wir zu dieser Zeitung eine zweite Ausgabe erscheinen lassen.

Die Expedition der Neuen Rheinisch. Ztg.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Erscheinungsbefehl für Karl Marx. - Die Contrerevolution in Berlin. - Die "Kölnische Zeitung." - Bewegung in Köln.) Berlin (Sitzung der Nationalversammlung - Bassermann in Berlin. - Stimmung. - Grabow. - Auflösung der Bürgerwehr. - Bassermann und die Magdeburger Deputation. - Anekdoten. - Deputationen im Hotel de Rüssie. - Das Land. - Berliner Magistrat und Stadtverordneten. - Ein Komödienzettel der "N. Pr. Z." - Empfang der Nationalversammlung bei ihrem Austritte aus dem Hotel de Russie durch das Volk. - Vermischtes. - Kgl. Proklamationen. - Bekanntmachung des Kgl. Gouvernements. - Bekanntmachung des Magistrats. - Noch ein Bericht über den 10. Nov. - Magdeburger Demonstrationen.) Düsseldorf. (Adresse an die Nationalversammlung.) Frankfurt a. d. O. (Adresse an die Nationalversammlung. - Bürgerwehr und Militär. - Der Magistrat und die Stadtverordneten.) Halle. (Preußenvereinstumult.) Wien. (Tagesbericht. - Die Abgeordneten. - Graf Stadion. - Nachrichten aus Ungarn. - Der Verkehr. - Schlimmer Geist der nächsten Umgebung Wiens.) Döbling. (Die Wiener Wohlgesinnten.) Mödling. (Füster.) Prerau (Aussichten der k. k. Regierung.) Insbruck. (Antwortschreiben Ferdinands an die Ständeversammlung.) Prag. (Rückzug Simonic's - Die ungarische Streitmacht.)

Donaufürstenthümer. (Fortwährender Einmarsch russischer Truppen. - Die Polen. - Magyaren.)

Deutschland.
* Köln, 13. November.

Der "Redakteur en chef" der "Neuen Rheinischen Zeitung" hat so eben einen neuen Erscheinungsbefehl von dem hiesigen Instruktionsgericht für den 14. November erhalten.

* Köln, 13. Nov.

Wie einst die französische Nationalversammlung ihr offizielles Sitzungslokal verschlossen fand und in dem Ballspielhause ihre Sitzungen fortführen mußte, so die preußische Nationalversammlung im Schützenhause.

Der im Schützenhause gefaßte und von uns nach unserm Berliner -Korrespondenten im heute Morgen ausgegebenen Extrablatte mitgetheilte Beschluß, wonach Brandenburg zum Hochverräther erklärt ist, findet sich nicht im Berichte der "Kölnischen Zeitung."

Indessen geht uns so eben der Brief eines Mitgliedes der Nationalversammlung zu, worin es wörtlich heißt:

Die Nationalversammlung hat einstimmig (242 Mitglieder) erklärt, daß Brandenburg sich durch diese Maßregel (die Auflösung der Bürgerwehr) des Hochverraths schuldig gemacht habe, und ein jeder, welcher zu der Ausführung dieser Maßregel aktiv oder passiv mitwirkt, als Hochverräther zu betrachten sei.

Die Glaubwürdigkeit Dumont ist bekannt.

Indem die Nationalversammlung Brandenburg zum Hochverräther erklärt, hört die Steuerverpflichtung von selbst auf. Einer hochverrätherischen Regierung schuldet man keine Steuern. Wir werden unsern Lesern morgen ausführlich mittheilen, wie man es in dem ältesten konstitutionellen Lande, in England, bei ähnlichen Collisionen, mit der Steuerverweigerung hält. Uebrigens hat die hochverrätherische Regierung selbst dem Volke den richtigen Weg gezeigt, indem sie sofort der Nationalversammlung die Steuern verweigerte (die Diäten u. s. w.) und sie auszuhungern sucht.

Der oben erwähnte Deputirte schreibt uns ferner:

"Die Bürgerwehr wird ihre Waffen nicht abgeben."

Der Kampf scheint also unvermeidlich und es ist die Pflicht der Rheinprovinz mit Männern und Waffen der Berliner Nationalversammlung zu Hülfe zu eilen.

* Köln, 12. Novbr.

So eben erheitert uns ein Artikel der Kölnischen Zeitung! "Unsere Lage", ist diese Tartine überschrieben. *** Köln, 11. Nov."

Wir kennen diese *** Artikel, ganz Köln kennt sie, ganz Deutschland, ganz Australien. Manche alte Jungfer ist schon dabei eingeschlafen, mancher alte Stadtrath hat schon darüber genießt und mancher Fromme hat sich schon halb krank darüber gelacht.

"Was mag Herr Brüggemann zu den neuen Berliner Ereignissen sagen?" fragten wir uns heute Morgen, als wir mit andächtiger Seele dem Bette entstiegen. "Jesus, Maria, Joseph! wie wird dem armen Manne zu Muthe sein -" und sofort machten wir mit dem ersten besten Bekannten eine Wette, daß wir am Abende einen Leitartikel zu Gesichte bekommen würden, wie die Welt ihn noch nie gesehen habe.

Unsre Wette ist gewonnen. Hr. Brüggemann hat sein Mögliches geleistet. Sein Leitartikel über das Ministerium Brandenburg-Manteuffel ist werth, daß er im Walraf'schen Museum mit alten Waffen, Steinen und Knochen für die spätesten Enkel der heiligen Stadt Köln aufbewahrt wird.

Hr. Brüggemann schildert uns in wenigen Worten alle Schrecken der Gegenwart: die königliche Botschaft, die Verlegung und die Vertagung der Versammlung, das Auftreten des Minister-Präsidenten und den Protest der Repräsentanten. "Dies sind Thatsachen" - heißt es dann wörtlich - "und wir müssen uns ruhig eingestehen: unter ihnen lauert - kaum noch vermeidlich - das unermeßliche Unglück einer neuen Revolution!"

Eine neue Revolution! Das ist hart für einen Brüggemann. Mit fliegenden Haaren, mit stieren Augen und, nicht zu vergessen, mit dem allerschönsten Katzenbuckel sehen wir den armen Mann durch das Dumont'sche Redaktionszimmer laufen und vergebens nach dem Reste alter Weisheit suchen, nach irgend einem Auswege aus dieser schlimmsten der Fatalitäten.

Mit Paris konnte man schon fertig werden; mit den Juniinsurgenten ließ sich leicht genug umspringen. Ein halbes Dutzend Schimpfworte auf die Arbeiter-Banditen, auf diese Brandstifter und Vitriolungeheuer genügten, um die Sache zum Schluß zu bringen, und das Gemüth unseres Freundes zu beruhigen und die Spalten der Kölnischen Zeitung zu füllen. Auch mit Wien war die Geschichte nicht so schwer. Vierzehn Tage lang hintereinander zeigte man den gläubigen Lesern an, daß das arme Wien bombardirt werde, daß Wien brenne - "Wird Wien doch einmal brennen!" dachte Hr. Dumont - "und dann hast du Recht" - und Hr. Dumont hatte Recht.

Aber Berlin? Das ist schlimm, daß ist ein kitzlicher Punkt. Hr. Brüggemann reibt sich die Stirn. Endlich blitzt es in seinem Schädel auf und mit Salbung fährt er fort: "Wir wollen heute nicht anklagen, nach keiner Seite hin! Mit andern Worten: "Wir wollen heute noch gar nichts sagen."

Großer Politiker! Bescheidener Brüggemann! Aus reiner Bescheidenheit will Hr. Brüggemann der Weltgeschichte nicht vorgreifen. Am allerwenigsten denkt er daran, vor dem Eintreffen der nächsten Post zu einem Urtheil zu kommen. Erst die Post, mit netten runden Fakten lös't Hrn. Brüggemann die Zunge und das einzige, wozu er sich einstweilen ermannen kann, ist der kühne Ausspruch: "Das Grundübel, das böse Verhängniß war gegenseitiges Mißtrauen."

Wir überlassen es unsern Lesern zu errathen, was das Grundübel des Hrn. Brüggemann ist - -

Doch der ehrenwerthe Mann sammelt sich: "Die einzige Rettung des Rechtsbodens der Vereinbarung, wenn eine solche noch möglich ist, würde in der Anerkennung eines höhern Schiedsrichters liegen."

"Und daß der Herr Brüggemann wieder herum auf dem alten Rechtsboden stolpere." (N. Rh. Z. v. 13. Oktober).

Wir schrecken freudig zusammen. Ja, wahrhaftig, indem er plötzlich auf seinen Rechtboden losstolpert, hat Hr. Brüggemann den Stein der Weisen gefunden und als echter Quacksalber setzt er nun auch noch das lindernde Pflaster auf die Geschwüre seines kranken Artikels. Dieses lindernde Pflaster besteht in nichts anderm als in der Anerkennung der "Reichsgewalt" in der Anerkennung eines "Reichskammergerichts" mit seinem modrigsten Plunder.

"Das Reichskammergericht für zweifelhafte Fragen des Staatsrechts, für die Entscheidung des Rechtsstreites zwischen Fürsten und Ständen lebt nicht mehr; aber ist nicht in der Reichsgewalt der Anfang einer neuen so heilvollen Instanz wiedergeboren."

Herr Brüggemann ist zu Ende. Wie wird sich ein Mohl, ein Bassermann, ein Schmerling freuen, wenn sie die wohlmeinenden Absichten unseres Freundes erfahren. Hr. Brüggemann: Reichskammergerichtsrath! Das wird ihre Antwort sein. Die Leute, die Wien ruhig brennen und untergehen sehen, werden den Literaten der Kölnischen Zeitung zu retten wissen.

* Köln, 13. Novbr.

Die Berliner Ereignisse haben allen Spaltungen der politischen Parteien unserer Stadt ein Ende gemacht. Es gibt nur noch eine Partei, der die ganze Stadt angehört, nur eine Partei, die voller Entrüstung über das Attentat der Contrerevolution, fest entschlossen ist, ihr Hand in Hand mit der Nationalversammlung, auf's entschiedenste entgegenzutreten.

Schon am Samstag Mittag wurde im Eiser'schen Saale eine Volksversammlung gehalten, in der man Arbeiter, Kaufleute und Beamte in buntem Gemisch durcheinander wogen sah. Redner aller Stände bestiegen die Tribüne und rasch einigte man sich über die folgende Adresse an die Nationalversammlung:

"Die unterzeichneten Bürger von Köln erklären, daß sich die Versammlung zur Vereinbarung der preußischen Verfassung durch den am 9. d. M. gefaßten Beschluß: ""Der Krone nicht das Recht zuzugestehen, die Versammlung wider ihren Willen zu vertagen, zu verlegen oder aufzulösen - "" den Dank des Volkes verdient hat, daß die Unterzeichneten diesem Beschlusse ihre volle Zustimmung geben und durch alle ihnen zu Gebote stehenden Mittel dahin wirken werden, demselben Geltung zu verschaffen."

Gestern Mittag trug diese Adresse etwa 7000 Unterschriften, und große Menschenmassen sammelten sich überall an den Straßenecken, wo der Inhalt der Adresse in Plakaten zur allgemeinen Kenntniß gebracht wurde.

Die Versammlung des Eiser'schen Saales hatte indeß beschlossen, auch dem Stadtrathe das Resultat der Debatte anzuzeigen und ihn zu fragen, ob er sich der Adresse der Volksversammlung anschließen wolle. Eine Deputation verfügte sich zu dem Ende auf das Rathhaus. Die Versammlung erklärte sich in Permanenz.

Bei einer so wichtigen Angelegenheit war es nicht anders zu erwarten, als daß der Stadtrath, wenn er nicht schon aus eignem Antriebe einen Beschluß gefaßt hatte, sich wenigstens durch die Deputation der Volksversammlung zu einem sofortigen Schritte veranlaßt sehen würde. Leider zeigte es sich aber auf's Neue, daß die gute Stadt Köln in ihrem Gemeinderath ein wahres non plus ultra von Schwäche und Saumseligkeit besitzt, denn auf den zweimaligen Aufruf des Vorsitzenden trat die beschlußfähige Anzahl Mitglieder nicht zusammen. Erst als der dritte Aufruf erfolgt war und der Stadtrath also gemäß der Gemeindeordnung bei jeder Mitgliederzahl Beschlüsse fassen konnte, stürzten auch die ärgsten Heuler des Gemeinderaths auf ihren Posten, um nun wo möglich die Sache noch zu hintertreiben.

Daß dies wirklich so der Fall war, geht aus der Abstimmung über die Adresse der Volksversammlung hervor, indem 11 Gemeinderäthe dagegen stimmten und 10 dafür. Da indeß der Vorsitzende, Herr Schenk, ebenfalls dafür stimmte und seine Stimme den Ausschlag giebt, so wurde die Adresse angenommen. Zu dem Worte "Mittel" machte man noch den Zusatz: "gesetzliche".

Dafür stimmten die Herren: Broix, Becker, Schmits, Schneider, Boecker, Raveaux, Riffarth, Classen, Guilleaume und Klein. Dagegen: die Hrn. Stupp, Du-Mont (von der Kölnischen Zeitung), Groote, Reusch, Frank, Michels, Schnitzler, Heimann Nückel, Hagen und Compes.

Bemerkenswerth ist noch, daß Hr. Stupp allen juristischen Scharfsinn aufbot, um die Annahme der Adresse der Volksversammlung als eine höchst gefährliche Maßregel darzustellen.

Das Verlangen der Volksversammlung, daß der Gemeinderath für sofortige Rückgabe der den Bürgern widerrechtlich entzogenen Waffen, Sorge tragen möge, wurde auf die nächste Tagesordnung, für heute, Montag den 13., verschoben.

Die Herren Klein und Classen sind von Seiten des Gemeinderaths zur Ueberreichung der Adressen der Volksversammlung und des Stadtraths bereits nach Berlin abgereist.

Die Volksversammlung bleibt in Permanenz.

Auf das Benehmen des Gemeinderaths Joseph Dumont müssen wir namentlich aufmerksam machen. Während er in Nro. 305 der Kölnischen Zeitung vom Sonntag den 12. November, seinen Literaten Brüggemann in einem Leitartikel sagen läßt: "Wir wollen heute nicht anklagen, nach keiner Seite hin," um sich auf diese Weise den Rücken frei zu halten, und je nach dem Ausgang der Geschichte, grade wie bei den Wiener und Pariser Ereignissen den Mantel nach dem Winde zu hängen, wüthet er bereits unter der Hand in der Gemeinderathssitzung gegen einen Beschluß der das Entweder-Oder der ganzen Angelegenheit in sich begreift.

103 Berlin, 11. November.

Heute Morgen um 9 Uhr versammelten sich gegen 250 Mitglieder der Nationalversammlung aus allen Fraktionen in Mylius Hotel und zogen 9 1/2 Uhr unter dem Jubel des versammelten Volkes nach dem Schauspielhaus um im bisherigen Sitzungssaal der Versammlung zur Fortsetzung der Berathungen einzuziehen.

Der Präsident Unruh und die Vicepräsidenten befanden sich an der Spitze des Zuges und fanden die Thür verschlossen Der Präsident Unruh verlangte laut, daß die Thür geöffnet werde.

Eine Stimme von innen antwortete: daß auf Befehl des Staatsministeriums Niemand eingelassen werden dürfe.

Unruh verlangt, daß Jemand herauskomme, da er nicht gewohnt sei, durch das Schlüsselloch zu unterhandeln.

Die Stimme von innen antwortete: Ich bin der Commandant des Hauses und bin von höherer Stelle beauftragt, diesen Posten zu halten. Hierauf hielt es der Präsident Unruh nicht für angemessen, länger zu unterhandeln und sprach: Ich protestire feierlichst gegen die gegen uns angewendete Gewalt und fordere alle Anwesenden auf, sich mit mir nach dem Hotel du Russie zu begeben. - Dort angekommen, eröffnete der Präsident Unruh die Versammlung durch eine Rede. Er erinnerte an die 16 Millionen Preußen, die in diesem Augenblick ihre Blicke auf diese Versammlung richten. Daher ist es nothwendig, daß dieselbe auch ferner ihre regelmäßigen Sitzungen fortsetze; eine noch so kurze Suspension der Sitzungen wäre eine faktische Auflosung. Schon sind Adressen aus vielen Städten des Landes angekommen, welche ihre Zustimmung zu den Beschlüssen der Nationalversammlung zu erkennen geben und zum Ausharren in unserem guten Rechte auffordern. Die Schützengilde und die Stadtverordneten haben uns ihre Localitäten angeboten. Ich schlage vor, daß wir uns Nachmittags 3 Uhr im großen Saale des Schützenhauses zur Fortsetzung unserer vertagten Sitzung versammeln. Die gegenwärtige Sitzung können wir wohl blos als eine vorbereitende Versammlung betrachten. - Letzteres findet jedoch Widerspruch. Mehrere Redner wünschen, daß auch diese Sitzung als eine Fortsetzung der gestern vertagten angesehen werde.

Waldeck gibt endlich den Ausschlag. Er nimmt das Wort: Nicht die Mauern, nicht die Steine bilden die Nationalversammlung, sondern wir, die Abgeordneten des Volks, wir, mit dem Vertrauen des Volks, wo wir uns auch befinden werden, bilden wir die Nationalversammlung. Ich ersuche daher auch den Präsidenten, die Form zu beobachten und die Worte auszusprechen: "Die Sitzung ist eröffnet." Wer mit mir übereinstimmt, erhebe sich. - Die ganze Versammlung erhebt sich und der Präsident eröffnet die Sitzung. Die Verlesung des Protokolls der letzten Sitzung muß noch einstweilen ausgesetzt werden, weil der Sekretär Plönnies erklärt, es sei ihm noch nicht möglich gewesen, das Protokoll zu beenden, indem ihm noch einige Aktenstücke fehlen, die er sich erst verschaffen müsse, da er dieselbe aus dem Büreau nicht mehr erhalten konnte, welches schon gestern Abend verschlossen war.

Der Präsident beantragt, daß eine Kommission zur Aufnahme eines beglaubigten Protokolls über die Vorfälle an der Thür des Sitzungssaals aufgenommen werde. Wird einstimmig angenommen. Der Präsident ernennt die Abgeordneten Kirchmann, Jakobi und Blöm zur Aufnahme des Protokolls. -

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 142. Köln, Dienstag den 14. November. 1848.

Um mehrfach geäußerten Wünschen entgegenzukommen und dem Theile des Publikums, welcher ohne längeres Abonnement den jetzigen wichtigen Zeitereignissen folgen möchte, alle möglichen Erleichterungen zu gewähren, nehmen wir Bestellungen auf die Neue Reinische Zeitung vor Ende des Quartals zu 1 Thlr. bei Vorausbezahlung in hiesiger Stadt und Deutz an; einzelne Nummern sind fortwährend an der Expedition des Blattes ‒ unter Hutmacher Nr. 17 ‒ zu einem (1) Sgr. zu haben. Die einlaufenden Nachrichten sind wir, unterstützt von tüchtigen Corespondenten, im Stande wie seither unsern Lesern auf das Schleunigste zu überliefern.

Köln, 13. November 1848.

Die Expedition der Neuen Rheinischen Zeitung.

Morgen früh, Dienstag den 14. November, werden wir zu dieser Zeitung eine zweite Ausgabe erscheinen lassen.

Die Expedition der Neuen Rheinisch. Ztg.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Erscheinungsbefehl für Karl Marx. ‒ Die Contrerevolution in Berlin. ‒ Die „Kölnische Zeitung.“ ‒ Bewegung in Köln.) Berlin (Sitzung der Nationalversammlung ‒ Bassermann in Berlin. ‒ Stimmung. ‒ Grabow. ‒ Auflösung der Bürgerwehr. ‒ Bassermann und die Magdeburger Deputation. ‒ Anekdoten. ‒ Deputationen im Hotel de Rüssie. ‒ Das Land. ‒ Berliner Magistrat und Stadtverordneten. ‒ Ein Komödienzettel der „N. Pr. Z.“ ‒ Empfang der Nationalversammlung bei ihrem Austritte aus dem Hotel de Russie durch das Volk. ‒ Vermischtes. ‒ Kgl. Proklamationen. ‒ Bekanntmachung des Kgl. Gouvernements. ‒ Bekanntmachung des Magistrats. ‒ Noch ein Bericht über den 10. Nov. ‒ Magdeburger Demonstrationen.) Düsseldorf. (Adresse an die Nationalversammlung.) Frankfurt a. d. O. (Adresse an die Nationalversammlung. ‒ Bürgerwehr und Militär. ‒ Der Magistrat und die Stadtverordneten.) Halle. (Preußenvereinstumult.) Wien. (Tagesbericht. ‒ Die Abgeordneten. ‒ Graf Stadion. ‒ Nachrichten aus Ungarn. ‒ Der Verkehr. ‒ Schlimmer Geist der nächsten Umgebung Wiens.) Döbling. (Die Wiener Wohlgesinnten.) Mödling. (Füster.) Prerau (Aussichten der k. k. Regierung.) Insbruck. (Antwortschreiben Ferdinands an die Ständeversammlung.) Prag. (Rückzug Simonic's ‒ Die ungarische Streitmacht.)

Donaufürstenthümer. (Fortwährender Einmarsch russischer Truppen. ‒ Die Polen. ‒ Magyaren.)

Deutschland.
* Köln, 13. November.

Der „Redakteur en chef“ der „Neuen Rheinischen Zeitung“ hat so eben einen neuen Erscheinungsbefehl von dem hiesigen Instruktionsgericht für den 14. November erhalten.

* Köln, 13. Nov.

Wie einst die französische Nationalversammlung ihr offizielles Sitzungslokal verschlossen fand und in dem Ballspielhause ihre Sitzungen fortführen mußte, so die preußische Nationalversammlung im Schützenhause.

Der im Schützenhause gefaßte und von uns nach unserm Berliner ⊙-Korrespondenten im heute Morgen ausgegebenen Extrablatte mitgetheilte Beschluß, wonach Brandenburg zum Hochverräther erklärt ist, findet sich nicht im Berichte der „Kölnischen Zeitung.

Indessen geht uns so eben der Brief eines Mitgliedes der Nationalversammlung zu, worin es wörtlich heißt:

Die Nationalversammlung hat einstimmig (242 Mitglieder) erklärt, daß Brandenburg sich durch diese Maßregel (die Auflösung der Bürgerwehr) des Hochverraths schuldig gemacht habe, und ein jeder, welcher zu der Ausführung dieser Maßregel aktiv oder passiv mitwirkt, als Hochverräther zu betrachten sei.

Die Glaubwürdigkeit Dumont ist bekannt.

Indem die Nationalversammlung Brandenburg zum Hochverräther erklärt, hört die Steuerverpflichtung von selbst auf. Einer hochverrätherischen Regierung schuldet man keine Steuern. Wir werden unsern Lesern morgen ausführlich mittheilen, wie man es in dem ältesten konstitutionellen Lande, in England, bei ähnlichen Collisionen, mit der Steuerverweigerung hält. Uebrigens hat die hochverrätherische Regierung selbst dem Volke den richtigen Weg gezeigt, indem sie sofort der Nationalversammlung die Steuern verweigerte (die Diäten u. s. w.) und sie auszuhungern sucht.

Der oben erwähnte Deputirte schreibt uns ferner:

Die Bürgerwehr wird ihre Waffen nicht abgeben.

Der Kampf scheint also unvermeidlich und es ist die Pflicht der Rheinprovinz mit Männern und Waffen der Berliner Nationalversammlung zu Hülfe zu eilen.

* Köln, 12. Novbr.

So eben erheitert uns ein Artikel der Kölnischen Zeitung! „Unsere Lage“, ist diese Tartine überschrieben. *** Köln, 11. Nov.“

Wir kennen diese *** Artikel, ganz Köln kennt sie, ganz Deutschland, ganz Australien. Manche alte Jungfer ist schon dabei eingeschlafen, mancher alte Stadtrath hat schon darüber genießt und mancher Fromme hat sich schon halb krank darüber gelacht.

„Was mag Herr Brüggemann zu den neuen Berliner Ereignissen sagen?“ fragten wir uns heute Morgen, als wir mit andächtiger Seele dem Bette entstiegen. „Jesus, Maria, Joseph! wie wird dem armen Manne zu Muthe sein ‒“ und sofort machten wir mit dem ersten besten Bekannten eine Wette, daß wir am Abende einen Leitartikel zu Gesichte bekommen würden, wie die Welt ihn noch nie gesehen habe.

Unsre Wette ist gewonnen. Hr. Brüggemann hat sein Mögliches geleistet. Sein Leitartikel über das Ministerium Brandenburg-Manteuffel ist werth, daß er im Walraf'schen Museum mit alten Waffen, Steinen und Knochen für die spätesten Enkel der heiligen Stadt Köln aufbewahrt wird.

Hr. Brüggemann schildert uns in wenigen Worten alle Schrecken der Gegenwart: die königliche Botschaft, die Verlegung und die Vertagung der Versammlung, das Auftreten des Minister-Präsidenten und den Protest der Repräsentanten. „Dies sind Thatsachen“ ‒ heißt es dann wörtlich ‒ „und wir müssen uns ruhig eingestehen: unter ihnen lauert ‒ kaum noch vermeidlich ‒ das unermeßliche Unglück einer neuen Revolution!

Eine neue Revolution! Das ist hart für einen Brüggemann. Mit fliegenden Haaren, mit stieren Augen und, nicht zu vergessen, mit dem allerschönsten Katzenbuckel sehen wir den armen Mann durch das Dumont'sche Redaktionszimmer laufen und vergebens nach dem Reste alter Weisheit suchen, nach irgend einem Auswege aus dieser schlimmsten der Fatalitäten.

Mit Paris konnte man schon fertig werden; mit den Juniinsurgenten ließ sich leicht genug umspringen. Ein halbes Dutzend Schimpfworte auf die Arbeiter-Banditen, auf diese Brandstifter und Vitriolungeheuer genügten, um die Sache zum Schluß zu bringen, und das Gemüth unseres Freundes zu beruhigen und die Spalten der Kölnischen Zeitung zu füllen. Auch mit Wien war die Geschichte nicht so schwer. Vierzehn Tage lang hintereinander zeigte man den gläubigen Lesern an, daß das arme Wien bombardirt werde, daß Wien brenne ‒ „Wird Wien doch einmal brennen!“ dachte Hr. Dumont ‒ „und dann hast du Recht“ ‒ und Hr. Dumont hatte Recht.

Aber Berlin? Das ist schlimm, daß ist ein kitzlicher Punkt. Hr. Brüggemann reibt sich die Stirn. Endlich blitzt es in seinem Schädel auf und mit Salbung fährt er fort: „Wir wollen heute nicht anklagen, nach keiner Seite hin! Mit andern Worten: „Wir wollen heute noch gar nichts sagen.“

Großer Politiker! Bescheidener Brüggemann! Aus reiner Bescheidenheit will Hr. Brüggemann der Weltgeschichte nicht vorgreifen. Am allerwenigsten denkt er daran, vor dem Eintreffen der nächsten Post zu einem Urtheil zu kommen. Erst die Post, mit netten runden Fakten lös't Hrn. Brüggemann die Zunge und das einzige, wozu er sich einstweilen ermannen kann, ist der kühne Ausspruch: „Das Grundübel, das böse Verhängniß war gegenseitiges Mißtrauen.

Wir überlassen es unsern Lesern zu errathen, was das Grundübel des Hrn. Brüggemann ist ‒ ‒

Doch der ehrenwerthe Mann sammelt sich: „Die einzige Rettung des Rechtsbodens der Vereinbarung, wenn eine solche noch möglich ist, würde in der Anerkennung eines höhern Schiedsrichters liegen.“

Und daß der Herr Brüggemann wieder herum auf dem alten Rechtsboden stolpere.“ (N. Rh. Z. v. 13. Oktober).

Wir schrecken freudig zusammen. Ja, wahrhaftig, indem er plötzlich auf seinen Rechtboden losstolpert, hat Hr. Brüggemann den Stein der Weisen gefunden und als echter Quacksalber setzt er nun auch noch das lindernde Pflaster auf die Geschwüre seines kranken Artikels. Dieses lindernde Pflaster besteht in nichts anderm als in der Anerkennung der „Reichsgewalt“ in der Anerkennung eines „Reichskammergerichts“ mit seinem modrigsten Plunder.

„Das Reichskammergericht für zweifelhafte Fragen des Staatsrechts, für die Entscheidung des Rechtsstreites zwischen Fürsten und Ständen lebt nicht mehr; aber ist nicht in der Reichsgewalt der Anfang einer neuen so heilvollen Instanz wiedergeboren.“

Herr Brüggemann ist zu Ende. Wie wird sich ein Mohl, ein Bassermann, ein Schmerling freuen, wenn sie die wohlmeinenden Absichten unseres Freundes erfahren. Hr. Brüggemann: Reichskammergerichtsrath! Das wird ihre Antwort sein. Die Leute, die Wien ruhig brennen und untergehen sehen, werden den Literaten der Kölnischen Zeitung zu retten wissen.

* Köln, 13. Novbr.

Die Berliner Ereignisse haben allen Spaltungen der politischen Parteien unserer Stadt ein Ende gemacht. Es gibt nur noch eine Partei, der die ganze Stadt angehört, nur eine Partei, die voller Entrüstung über das Attentat der Contrerevolution, fest entschlossen ist, ihr Hand in Hand mit der Nationalversammlung, auf's entschiedenste entgegenzutreten.

Schon am Samstag Mittag wurde im Eiser'schen Saale eine Volksversammlung gehalten, in der man Arbeiter, Kaufleute und Beamte in buntem Gemisch durcheinander wogen sah. Redner aller Stände bestiegen die Tribüne und rasch einigte man sich über die folgende Adresse an die Nationalversammlung:

„Die unterzeichneten Bürger von Köln erklären, daß sich die Versammlung zur Vereinbarung der preußischen Verfassung durch den am 9. d. M. gefaßten Beschluß: „„Der Krone nicht das Recht zuzugestehen, die Versammlung wider ihren Willen zu vertagen, zu verlegen oder aufzulösen ‒ ““ den Dank des Volkes verdient hat, daß die Unterzeichneten diesem Beschlusse ihre volle Zustimmung geben und durch alle ihnen zu Gebote stehenden Mittel dahin wirken werden, demselben Geltung zu verschaffen.“

Gestern Mittag trug diese Adresse etwa 7000 Unterschriften, und große Menschenmassen sammelten sich überall an den Straßenecken, wo der Inhalt der Adresse in Plakaten zur allgemeinen Kenntniß gebracht wurde.

Die Versammlung des Eiser'schen Saales hatte indeß beschlossen, auch dem Stadtrathe das Resultat der Debatte anzuzeigen und ihn zu fragen, ob er sich der Adresse der Volksversammlung anschließen wolle. Eine Deputation verfügte sich zu dem Ende auf das Rathhaus. Die Versammlung erklärte sich in Permanenz.

Bei einer so wichtigen Angelegenheit war es nicht anders zu erwarten, als daß der Stadtrath, wenn er nicht schon aus eignem Antriebe einen Beschluß gefaßt hatte, sich wenigstens durch die Deputation der Volksversammlung zu einem sofortigen Schritte veranlaßt sehen würde. Leider zeigte es sich aber auf's Neue, daß die gute Stadt Köln in ihrem Gemeinderath ein wahres non plus ultra von Schwäche und Saumseligkeit besitzt, denn auf den zweimaligen Aufruf des Vorsitzenden trat die beschlußfähige Anzahl Mitglieder nicht zusammen. Erst als der dritte Aufruf erfolgt war und der Stadtrath also gemäß der Gemeindeordnung bei jeder Mitgliederzahl Beschlüsse fassen konnte, stürzten auch die ärgsten Heuler des Gemeinderaths auf ihren Posten, um nun wo möglich die Sache noch zu hintertreiben.

Daß dies wirklich so der Fall war, geht aus der Abstimmung über die Adresse der Volksversammlung hervor, indem 11 Gemeinderäthe dagegen stimmten und 10 dafür. Da indeß der Vorsitzende, Herr Schenk, ebenfalls dafür stimmte und seine Stimme den Ausschlag giebt, so wurde die Adresse angenommen. Zu dem Worte „Mittel“ machte man noch den Zusatz: „gesetzliche“.

Dafür stimmten die Herren: Broix, Becker, Schmits, Schneider, Boecker, Raveaux, Riffarth, Classen, Guilleaume und Klein. Dagegen: die Hrn. Stupp, Du-Mont (von der Kölnischen Zeitung), Groote, Reusch, Frank, Michels, Schnitzler, Heimann Nückel, Hagen und Compes.

Bemerkenswerth ist noch, daß Hr. Stupp allen juristischen Scharfsinn aufbot, um die Annahme der Adresse der Volksversammlung als eine höchst gefährliche Maßregel darzustellen.

Das Verlangen der Volksversammlung, daß der Gemeinderath für sofortige Rückgabe der den Bürgern widerrechtlich entzogenen Waffen, Sorge tragen möge, wurde auf die nächste Tagesordnung, für heute, Montag den 13., verschoben.

Die Herren Klein und Classen sind von Seiten des Gemeinderaths zur Ueberreichung der Adressen der Volksversammlung und des Stadtraths bereits nach Berlin abgereist.

Die Volksversammlung bleibt in Permanenz.

Auf das Benehmen des Gemeinderaths Joseph Dumont müssen wir namentlich aufmerksam machen. Während er in Nro. 305 der Kölnischen Zeitung vom Sonntag den 12. November, seinen Literaten Brüggemann in einem Leitartikel sagen läßt: „Wir wollen heute nicht anklagen, nach keiner Seite hin,“ um sich auf diese Weise den Rücken frei zu halten, und je nach dem Ausgang der Geschichte, grade wie bei den Wiener und Pariser Ereignissen den Mantel nach dem Winde zu hängen, wüthet er bereits unter der Hand in der Gemeinderathssitzung gegen einen Beschluß der das Entweder-Oder der ganzen Angelegenheit in sich begreift.

103 Berlin, 11. November.

Heute Morgen um 9 Uhr versammelten sich gegen 250 Mitglieder der Nationalversammlung aus allen Fraktionen in Mylius Hotel und zogen 9 1/2 Uhr unter dem Jubel des versammelten Volkes nach dem Schauspielhaus um im bisherigen Sitzungssaal der Versammlung zur Fortsetzung der Berathungen einzuziehen.

Der Präsident Unruh und die Vicepräsidenten befanden sich an der Spitze des Zuges und fanden die Thür verschlossen Der Präsident Unruh verlangte laut, daß die Thür geöffnet werde.

Eine Stimme von innen antwortete: daß auf Befehl des Staatsministeriums Niemand eingelassen werden dürfe.

Unruh verlangt, daß Jemand herauskomme, da er nicht gewohnt sei, durch das Schlüsselloch zu unterhandeln.

Die Stimme von innen antwortete: Ich bin der Commandant des Hauses und bin von höherer Stelle beauftragt, diesen Posten zu halten. Hierauf hielt es der Präsident Unruh nicht für angemessen, länger zu unterhandeln und sprach: Ich protestire feierlichst gegen die gegen uns angewendete Gewalt und fordere alle Anwesenden auf, sich mit mir nach dem Hotel du Russie zu begeben. ‒ Dort angekommen, eröffnete der Präsident Unruh die Versammlung durch eine Rede. Er erinnerte an die 16 Millionen Preußen, die in diesem Augenblick ihre Blicke auf diese Versammlung richten. Daher ist es nothwendig, daß dieselbe auch ferner ihre regelmäßigen Sitzungen fortsetze; eine noch so kurze Suspension der Sitzungen wäre eine faktische Auflosung. Schon sind Adressen aus vielen Städten des Landes angekommen, welche ihre Zustimmung zu den Beschlüssen der Nationalversammlung zu erkennen geben und zum Ausharren in unserem guten Rechte auffordern. Die Schützengilde und die Stadtverordneten haben uns ihre Localitäten angeboten. Ich schlage vor, daß wir uns Nachmittags 3 Uhr im großen Saale des Schützenhauses zur Fortsetzung unserer vertagten Sitzung versammeln. Die gegenwärtige Sitzung können wir wohl blos als eine vorbereitende Versammlung betrachten. ‒ Letzteres findet jedoch Widerspruch. Mehrere Redner wünschen, daß auch diese Sitzung als eine Fortsetzung der gestern vertagten angesehen werde.

Waldeck gibt endlich den Ausschlag. Er nimmt das Wort: Nicht die Mauern, nicht die Steine bilden die Nationalversammlung, sondern wir, die Abgeordneten des Volks, wir, mit dem Vertrauen des Volks, wo wir uns auch befinden werden, bilden wir die Nationalversammlung. Ich ersuche daher auch den Präsidenten, die Form zu beobachten und die Worte auszusprechen: „Die Sitzung ist eröffnet.“ Wer mit mir übereinstimmt, erhebe sich. ‒ Die ganze Versammlung erhebt sich und der Präsident eröffnet die Sitzung. Die Verlesung des Protokolls der letzten Sitzung muß noch einstweilen ausgesetzt werden, weil der Sekretär Plönnies erklärt, es sei ihm noch nicht möglich gewesen, das Protokoll zu beenden, indem ihm noch einige Aktenstücke fehlen, die er sich erst verschaffen müsse, da er dieselbe aus dem Büreau nicht mehr erhalten konnte, welches schon gestern Abend verschlossen war.

Der Präsident beantragt, daß eine Kommission zur Aufnahme eines beglaubigten Protokolls über die Vorfälle an der Thür des Sitzungssaals aufgenommen werde. Wird einstimmig angenommen. Der Präsident ernennt die Abgeordneten Kirchmann, Jakobi und Blöm zur Aufnahme des Protokolls. ‒

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        <p> <hi rendition="#b">Um mehrfach geäußerten Wünschen entgegenzukommen und dem Theile des Publikums, welcher ohne längeres Abonnement den jetzigen wichtigen Zeitereignissen folgen möchte, alle möglichen Erleichterungen zu gewähren, nehmen wir Bestellungen auf die Neue Reinische Zeitung vor Ende des Quartals zu 1 Thlr. bei Vorausbezahlung in hiesiger Stadt und Deutz an; einzelne Nummern sind fortwährend an der Expedition des Blattes &#x2012; unter Hutmacher Nr. 17 &#x2012; zu einem (1) Sgr. zu haben. Die einlaufenden Nachrichten sind wir, unterstützt von tüchtigen Corespondenten, im Stande wie seither unsern Lesern auf das Schleunigste zu überliefern.</hi> </p>
        <p> <hi rendition="#b">Köln, 13. November 1848.</hi> </p>
        <p> <hi rendition="#b">Die Expedition der Neuen Rheinischen Zeitung.</hi> </p>
      </div>
      <div type="jExpedition">
        <p>Morgen früh, Dienstag den 14. November, werden wir zu dieser Zeitung eine zweite Ausgabe erscheinen lassen.</p>
        <p>Die Expedition der Neuen Rheinisch. Ztg.</p>
      </div>
      <div type="contents" n="1">
        <head>Uebersicht.</head>
        <p><hi rendition="#g">Deutschland.</hi> Köln. (Erscheinungsbefehl für Karl Marx. &#x2012; Die Contrerevolution in Berlin. &#x2012; Die &#x201E;Kölnische Zeitung.&#x201C; &#x2012; Bewegung in Köln.) Berlin (Sitzung der Nationalversammlung &#x2012; Bassermann in Berlin. &#x2012; Stimmung. &#x2012; Grabow. &#x2012; Auflösung der Bürgerwehr. &#x2012; Bassermann und die Magdeburger Deputation. &#x2012; Anekdoten. &#x2012; Deputationen im Hotel de Rüssie. &#x2012; Das Land. &#x2012; Berliner Magistrat und Stadtverordneten. &#x2012; Ein Komödienzettel der &#x201E;N. Pr. Z.&#x201C; &#x2012; Empfang der Nationalversammlung bei ihrem Austritte aus dem Hotel de Russie durch das Volk. &#x2012; Vermischtes. &#x2012; Kgl. Proklamationen. &#x2012; Bekanntmachung des Kgl. Gouvernements. &#x2012; Bekanntmachung des Magistrats. &#x2012; Noch ein Bericht über den 10. Nov. &#x2012; Magdeburger Demonstrationen.) Düsseldorf. (Adresse an die Nationalversammlung.) Frankfurt a. d. O. (Adresse an die Nationalversammlung. &#x2012; Bürgerwehr und Militär. &#x2012; Der Magistrat und die Stadtverordneten.) Halle. (Preußenvereinstumult.) Wien. (Tagesbericht. &#x2012; Die Abgeordneten. &#x2012; Graf Stadion. &#x2012; Nachrichten aus Ungarn. &#x2012; Der Verkehr. &#x2012; Schlimmer Geist der nächsten Umgebung Wiens.) Döbling. (Die Wiener Wohlgesinnten.) Mödling. (Füster.) Prerau (Aussichten der k. k. Regierung.) Insbruck. (Antwortschreiben Ferdinands an die Ständeversammlung.) Prag. (Rückzug Simonic's &#x2012; Die ungarische Streitmacht.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Donaufürstenthümer.</hi> (Fortwährender Einmarsch russischer Truppen. &#x2012; Die Polen. &#x2012; Magyaren.)</p>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Deutschland.</head>
        <div xml:id="ar142_001" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 13. November.</head>
          <p>Der &#x201E;Redakteur en chef&#x201C; der &#x201E;Neuen Rheinischen Zeitung&#x201C; hat so eben einen neuen <hi rendition="#g">Erscheinungsbefehl</hi> von dem hiesigen Instruktionsgericht für den 14. November erhalten.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar142_002" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 13. Nov.</head>
          <p>Wie einst die französische Nationalversammlung ihr offizielles Sitzungslokal verschlossen fand und in dem <hi rendition="#g">Ballspielhause</hi> ihre Sitzungen fortführen mußte, so die preußische Nationalversammlung im <hi rendition="#g">Schützenhause.</hi> </p>
          <p>Der im Schützenhause gefaßte und von uns nach unserm Berliner &#x2299;-Korrespondenten im heute Morgen ausgegebenen Extrablatte mitgetheilte Beschluß, wonach <hi rendition="#g">Brandenburg zum Hochverräther</hi> erklärt ist, findet sich nicht im Berichte der &#x201E;<hi rendition="#g">Kölnischen Zeitung.</hi>&#x201C;</p>
          <p>Indessen geht uns so eben der Brief eines <hi rendition="#b">Mitgliedes der Nationalversammlung</hi> zu, worin es <hi rendition="#g">wörtlich</hi> heißt:</p>
          <p> <hi rendition="#b">Die Nationalversammlung hat einstimmig (242 Mitglieder) erklärt, daß Brandenburg sich durch diese Maßregel (die Auflösung der Bürgerwehr) des Hochverraths schuldig gemacht habe, und ein jeder, welcher zu der Ausführung dieser Maßregel aktiv oder passiv mitwirkt, als Hochverräther zu betrachten sei.</hi> </p>
          <p>Die Glaubwürdigkeit <hi rendition="#g">Dumont</hi> ist bekannt.</p>
          <p>Indem die Nationalversammlung <hi rendition="#g">Brandenburg</hi> zum <hi rendition="#g">Hochverräther</hi> erklärt, hört die <hi rendition="#b">Steuerverpflichtung von selbst</hi> auf. <hi rendition="#g">Einer hochverrätherischen Regierung schuldet man keine Steuern.</hi> Wir werden unsern Lesern morgen ausführlich mittheilen, <hi rendition="#b">wie man es in dem ältesten konstitutionellen Lande, in England,</hi> bei ähnlichen Collisionen, mit der <hi rendition="#b">Steuerverweigerung</hi> hält. Uebrigens hat die <hi rendition="#g">hochverrätherische Regierung selbst</hi> dem Volke den richtigen Weg gezeigt, <hi rendition="#b">indem sie sofort der Nationalversammlung die Steuern verweigerte</hi> (die Diäten u. s. w.) und sie <hi rendition="#b">auszuhungern</hi> sucht.</p>
          <p>Der oben erwähnte Deputirte schreibt uns ferner:</p>
          <p>&#x201E;<hi rendition="#b">Die Bürgerwehr wird ihre Waffen nicht abgeben.</hi>&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Der Kampf scheint also unvermeidlich</hi> und es ist die <hi rendition="#b">Pflicht der Rheinprovinz mit Männern und Waffen der Berliner Nationalversammlung zu Hülfe zu eilen.</hi> </p>
        </div>
        <div xml:id="ar142_003" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 12. Novbr.</head>
          <p>So eben erheitert uns ein Artikel der Kölnischen Zeitung! &#x201E;<hi rendition="#g">Unsere Lage</hi>&#x201C;, ist diese Tartine überschrieben. *** Köln, 11. Nov.&#x201C;</p>
          <p>Wir kennen diese *** Artikel, ganz Köln kennt sie, ganz Deutschland, ganz Australien. Manche alte Jungfer ist schon dabei eingeschlafen, mancher alte Stadtrath hat schon darüber genießt und mancher Fromme hat sich schon halb krank darüber gelacht.</p>
          <p>&#x201E;Was mag <hi rendition="#g">Herr Brüggemann</hi> zu den neuen Berliner Ereignissen sagen?&#x201C; fragten wir uns heute Morgen, als wir mit andächtiger Seele dem Bette entstiegen. &#x201E;Jesus, Maria, Joseph! wie wird dem armen Manne zu Muthe sein &#x2012;&#x201C; und sofort machten wir mit dem ersten besten Bekannten eine Wette, daß wir am Abende einen Leitartikel zu Gesichte bekommen würden, wie die Welt ihn noch nie gesehen habe.</p>
          <p>Unsre Wette ist gewonnen. Hr. Brüggemann hat sein Mögliches geleistet. Sein Leitartikel über das Ministerium Brandenburg-Manteuffel ist werth, daß er im Walraf'schen Museum mit alten Waffen, Steinen und Knochen für die spätesten Enkel der heiligen Stadt Köln aufbewahrt wird.</p>
          <p>Hr. Brüggemann schildert uns in wenigen Worten alle Schrecken der Gegenwart: die königliche Botschaft, die Verlegung und die Vertagung der Versammlung, das Auftreten des Minister-Präsidenten und den Protest der Repräsentanten. &#x201E;Dies sind Thatsachen&#x201C; &#x2012; heißt es dann wörtlich &#x2012; &#x201E;und wir müssen uns ruhig eingestehen: unter ihnen lauert &#x2012; kaum noch vermeidlich &#x2012; <hi rendition="#g">das unermeßliche Unglück einer neuen Revolution!</hi>&#x201C;</p>
          <p>Eine neue Revolution! Das ist hart für einen Brüggemann. Mit fliegenden Haaren, mit stieren Augen und, nicht zu vergessen, mit dem allerschönsten Katzenbuckel sehen wir den armen Mann durch das Dumont'sche Redaktionszimmer laufen und vergebens nach dem Reste alter Weisheit suchen, nach irgend einem Auswege aus dieser schlimmsten der Fatalitäten.</p>
          <p>Mit Paris konnte man schon fertig werden; mit den Juniinsurgenten ließ sich leicht genug umspringen. Ein halbes Dutzend Schimpfworte auf die Arbeiter-Banditen, auf diese Brandstifter und Vitriolungeheuer genügten, um die Sache zum Schluß zu bringen, und das Gemüth unseres Freundes zu beruhigen und die Spalten der Kölnischen Zeitung zu füllen. Auch mit Wien war die Geschichte nicht so schwer. Vierzehn Tage lang hintereinander zeigte man den gläubigen Lesern an, daß das arme Wien bombardirt werde, daß Wien brenne &#x2012; &#x201E;Wird Wien doch einmal brennen!&#x201C; dachte Hr. Dumont &#x2012; &#x201E;und dann hast du Recht&#x201C; &#x2012; und Hr. Dumont hatte Recht.</p>
          <p>Aber Berlin? Das ist schlimm, daß ist ein kitzlicher Punkt. Hr. Brüggemann reibt sich die Stirn. Endlich blitzt es in seinem Schädel auf und mit Salbung fährt er fort: &#x201E;Wir wollen heute nicht anklagen, nach keiner Seite hin! Mit andern Worten: &#x201E;Wir wollen heute noch gar nichts sagen.&#x201C;</p>
          <p>Großer Politiker! Bescheidener Brüggemann! Aus reiner Bescheidenheit will Hr. Brüggemann der Weltgeschichte nicht vorgreifen. Am allerwenigsten denkt er daran, vor dem Eintreffen der nächsten Post zu einem Urtheil zu kommen. Erst die Post, mit netten runden Fakten lös't Hrn. Brüggemann die Zunge und das einzige, wozu er sich einstweilen ermannen kann, ist der kühne Ausspruch: &#x201E;Das Grundübel, das <hi rendition="#g">böse Verhängniß</hi> war gegen<hi rendition="#g">seitiges Mißtrauen.</hi>&#x201C;</p>
          <p>Wir überlassen es unsern Lesern zu errathen, was das Grundübel des Hrn. Brüggemann ist &#x2012; &#x2012;</p>
          <p>Doch der ehrenwerthe Mann sammelt sich: &#x201E;<hi rendition="#g">Die einzige Rettung des Rechtsbodens der Vereinbarung,</hi> wenn eine solche noch möglich ist, würde in der Anerkennung eines höhern <hi rendition="#g">Schiedsrichters</hi> liegen.&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;<hi rendition="#g">Und daß der Herr Brüggemann wieder herum auf dem alten Rechtsboden</hi> stolpere.&#x201C; (N. Rh. Z. v. 13. Oktober).</p>
          <p>Wir schrecken freudig zusammen. Ja, wahrhaftig, indem er plötzlich auf seinen Rechtboden losstolpert, hat Hr. Brüggemann den Stein der Weisen gefunden und als echter Quacksalber setzt er nun auch noch das lindernde Pflaster auf die Geschwüre seines kranken Artikels. Dieses lindernde Pflaster besteht in nichts anderm als in der Anerkennung der &#x201E;Reichsgewalt&#x201C; in der Anerkennung eines &#x201E;<hi rendition="#g">Reichskammergerichts</hi>&#x201C; mit seinem modrigsten Plunder.</p>
          <p>&#x201E;Das <hi rendition="#g">Reichskammergericht</hi> für zweifelhafte Fragen des Staatsrechts, für die Entscheidung des Rechtsstreites zwischen Fürsten und Ständen lebt nicht mehr; aber ist nicht in der <hi rendition="#g">Reichsgewalt der Anfang einer neuen so heilvollen Instanz</hi> wiedergeboren.&#x201C;</p>
          <p>Herr Brüggemann ist zu Ende. Wie wird sich ein Mohl, ein Bassermann, ein Schmerling freuen, wenn sie die wohlmeinenden Absichten unseres Freundes erfahren. Hr. Brüggemann: Reichskammergerichtsrath! Das wird ihre Antwort sein. Die Leute, die Wien ruhig brennen und untergehen sehen, werden den Literaten der Kölnischen Zeitung zu retten wissen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar142_004" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 13. Novbr.</head>
          <p>Die Berliner Ereignisse haben allen Spaltungen der politischen Parteien unserer Stadt ein Ende gemacht. Es gibt nur noch <hi rendition="#g">eine</hi> Partei, der die ganze Stadt angehört, nur <hi rendition="#g">eine</hi> Partei, die voller Entrüstung über das Attentat der Contrerevolution, fest entschlossen ist, ihr Hand in Hand mit der Nationalversammlung, auf's entschiedenste entgegenzutreten.</p>
          <p>Schon am Samstag Mittag wurde im Eiser'schen Saale eine Volksversammlung gehalten, in der man Arbeiter, Kaufleute und Beamte in buntem Gemisch durcheinander wogen sah. Redner aller Stände bestiegen die Tribüne und rasch einigte man sich über die folgende Adresse an die Nationalversammlung:</p>
          <p>&#x201E;Die unterzeichneten Bürger von Köln erklären, daß sich die Versammlung zur Vereinbarung der preußischen Verfassung durch den am 9. d. M. gefaßten Beschluß: &#x201E;&#x201E;<hi rendition="#g">Der Krone nicht das Recht zuzugestehen, die Versammlung wider ihren Willen zu vertagen, zu verlegen oder aufzulösen</hi> &#x2012; &#x201C;&#x201C; den Dank des Volkes verdient hat, daß die Unterzeichneten diesem Beschlusse ihre volle Zustimmung geben und durch alle ihnen zu Gebote stehenden Mittel dahin wirken werden, demselben Geltung zu verschaffen.&#x201C;</p>
          <p>Gestern Mittag trug diese Adresse etwa 7000 Unterschriften, und große Menschenmassen sammelten sich überall an den Straßenecken, wo der Inhalt der Adresse in Plakaten zur allgemeinen Kenntniß gebracht wurde.</p>
          <p>Die Versammlung des Eiser'schen Saales hatte indeß beschlossen, auch dem Stadtrathe das Resultat der Debatte anzuzeigen und ihn zu fragen, ob er sich der Adresse der Volksversammlung anschließen wolle. Eine Deputation verfügte sich zu dem Ende auf das Rathhaus. Die Versammlung erklärte sich in Permanenz.</p>
          <p>Bei einer so wichtigen Angelegenheit war es nicht anders zu erwarten, als daß der Stadtrath, wenn er nicht schon aus eignem Antriebe einen Beschluß gefaßt hatte, sich wenigstens durch die Deputation der Volksversammlung zu einem sofortigen Schritte veranlaßt sehen würde. Leider zeigte es sich aber auf's Neue, daß die gute Stadt Köln in ihrem Gemeinderath ein wahres non plus ultra von Schwäche und Saumseligkeit besitzt, denn auf den zweimaligen Aufruf des Vorsitzenden trat die beschlußfähige Anzahl Mitglieder nicht zusammen. Erst als der dritte Aufruf erfolgt war und der Stadtrath also gemäß der Gemeindeordnung bei jeder Mitgliederzahl Beschlüsse fassen konnte, stürzten auch die ärgsten Heuler des Gemeinderaths auf ihren Posten, um nun wo möglich die Sache noch zu hintertreiben.</p>
          <p>Daß dies wirklich so der Fall war, geht aus der Abstimmung über die Adresse der Volksversammlung hervor, indem 11 Gemeinderäthe dagegen stimmten und 10 dafür. Da indeß der Vorsitzende, Herr Schenk, ebenfalls dafür stimmte und seine Stimme den Ausschlag giebt, so wurde die Adresse angenommen. Zu dem Worte &#x201E;Mittel&#x201C; machte man noch den Zusatz: &#x201E;gesetzliche&#x201C;.</p>
          <p><hi rendition="#g">Dafür</hi> stimmten die Herren: Broix, Becker, Schmits, Schneider, Boecker, Raveaux, Riffarth, Classen, Guilleaume und Klein. <hi rendition="#g">Dagegen:</hi> die Hrn. Stupp, <hi rendition="#g">Du-Mont</hi> (von der Kölnischen Zeitung), Groote, Reusch, Frank, Michels, Schnitzler, Heimann Nückel, Hagen und Compes.</p>
          <p>Bemerkenswerth ist noch, daß Hr. Stupp allen juristischen Scharfsinn aufbot, um die Annahme der Adresse der Volksversammlung als eine höchst gefährliche Maßregel darzustellen.</p>
          <p>Das Verlangen der Volksversammlung, daß der Gemeinderath für sofortige Rückgabe der den Bürgern widerrechtlich entzogenen Waffen, Sorge tragen möge, wurde auf die nächste Tagesordnung, für heute, Montag den 13., verschoben.</p>
          <p>Die Herren Klein und Classen sind von Seiten des Gemeinderaths zur Ueberreichung der Adressen der Volksversammlung und des Stadtraths bereits nach Berlin abgereist.</p>
          <p> <hi rendition="#b">Die Volksversammlung bleibt in Permanenz.</hi> </p>
          <p>Auf das Benehmen des Gemeinderaths Joseph Dumont müssen wir namentlich aufmerksam machen. Während er in Nro. 305 der Kölnischen Zeitung vom Sonntag den 12. November, seinen Literaten Brüggemann in einem Leitartikel sagen läßt: &#x201E;<hi rendition="#g">Wir wollen heute nicht anklagen, nach keiner Seite hin,</hi>&#x201C; um sich auf diese Weise den Rücken frei zu halten, und je nach dem Ausgang der Geschichte, grade wie bei den Wiener und Pariser Ereignissen den Mantel nach dem Winde zu hängen, wüthet er bereits unter der Hand in der Gemeinderathssitzung gegen einen Beschluß der das Entweder-Oder der ganzen Angelegenheit in sich begreift.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar142_005" type="jArticle">
          <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 11. November.</head>
          <p>Heute Morgen um 9 Uhr versammelten sich gegen 250 Mitglieder der Nationalversammlung aus allen Fraktionen in Mylius Hotel und zogen 9 1/2 Uhr unter dem Jubel des versammelten Volkes nach dem Schauspielhaus um im bisherigen Sitzungssaal der Versammlung zur Fortsetzung der Berathungen einzuziehen.</p>
          <p>Der Präsident Unruh und die Vicepräsidenten befanden sich an der Spitze des Zuges und fanden die Thür verschlossen Der Präsident Unruh verlangte laut, daß die Thür geöffnet werde.</p>
          <p>Eine Stimme von innen antwortete: daß auf Befehl des Staatsministeriums Niemand eingelassen werden dürfe.</p>
          <p>Unruh verlangt, daß Jemand herauskomme, da er nicht gewohnt sei, durch das Schlüsselloch zu unterhandeln.</p>
          <p>Die Stimme von innen antwortete: Ich bin der Commandant des Hauses und bin von höherer Stelle beauftragt, diesen Posten zu halten. Hierauf hielt es der Präsident Unruh nicht für angemessen, länger zu unterhandeln und sprach: Ich protestire feierlichst gegen die gegen uns angewendete Gewalt und fordere alle Anwesenden auf, sich mit mir nach dem Hotel du Russie zu begeben. &#x2012; Dort angekommen, eröffnete der Präsident Unruh die Versammlung durch eine Rede. Er erinnerte an die 16 Millionen Preußen, die in diesem Augenblick ihre Blicke auf diese Versammlung richten. Daher ist es nothwendig, daß dieselbe auch ferner ihre regelmäßigen Sitzungen fortsetze; eine noch so kurze Suspension der Sitzungen wäre eine faktische Auflosung. Schon sind Adressen aus vielen Städten des Landes angekommen, welche ihre Zustimmung zu den Beschlüssen der Nationalversammlung zu erkennen geben und zum Ausharren in unserem guten Rechte auffordern. Die Schützengilde und die Stadtverordneten haben uns ihre Localitäten angeboten. Ich schlage vor, daß wir uns Nachmittags 3 Uhr im großen Saale des Schützenhauses zur Fortsetzung unserer vertagten Sitzung versammeln. Die gegenwärtige Sitzung können wir wohl blos als eine vorbereitende Versammlung betrachten. &#x2012; Letzteres findet jedoch Widerspruch. Mehrere Redner wünschen, daß auch diese Sitzung als eine Fortsetzung der gestern vertagten angesehen werde.</p>
          <p><hi rendition="#g">Waldeck</hi> gibt endlich den Ausschlag. Er nimmt das Wort: Nicht die Mauern, nicht die Steine bilden die Nationalversammlung, sondern wir, die Abgeordneten des Volks, wir, mit dem Vertrauen des Volks, wo wir uns auch befinden werden, bilden wir die Nationalversammlung. Ich ersuche daher auch den Präsidenten, die Form zu beobachten und die Worte auszusprechen: &#x201E;Die Sitzung ist eröffnet.&#x201C; Wer mit mir übereinstimmt, erhebe sich. &#x2012; Die ganze Versammlung erhebt sich und der Präsident eröffnet die Sitzung. Die Verlesung des Protokolls der letzten Sitzung muß noch einstweilen ausgesetzt werden, weil der Sekretär <hi rendition="#g">Plönnies</hi> erklärt, es sei ihm noch nicht möglich gewesen, das Protokoll zu beenden, indem ihm noch einige Aktenstücke fehlen, die er sich erst verschaffen müsse, da er dieselbe aus dem Büreau nicht mehr erhalten konnte, welches schon gestern Abend verschlossen war.</p>
          <p>Der Präsident beantragt, daß eine Kommission zur Aufnahme eines beglaubigten Protokolls über die Vorfälle an der Thür des Sitzungssaals aufgenommen werde. Wird einstimmig angenommen. Der Präsident ernennt die Abgeordneten Kirchmann, Jakobi und Blöm zur Aufnahme des Protokolls. &#x2012;</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0733/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 142. Köln, Dienstag den 14. November. 1848. Um mehrfach geäußerten Wünschen entgegenzukommen und dem Theile des Publikums, welcher ohne längeres Abonnement den jetzigen wichtigen Zeitereignissen folgen möchte, alle möglichen Erleichterungen zu gewähren, nehmen wir Bestellungen auf die Neue Reinische Zeitung vor Ende des Quartals zu 1 Thlr. bei Vorausbezahlung in hiesiger Stadt und Deutz an; einzelne Nummern sind fortwährend an der Expedition des Blattes ‒ unter Hutmacher Nr. 17 ‒ zu einem (1) Sgr. zu haben. Die einlaufenden Nachrichten sind wir, unterstützt von tüchtigen Corespondenten, im Stande wie seither unsern Lesern auf das Schleunigste zu überliefern. Köln, 13. November 1848. Die Expedition der Neuen Rheinischen Zeitung. Morgen früh, Dienstag den 14. November, werden wir zu dieser Zeitung eine zweite Ausgabe erscheinen lassen. Die Expedition der Neuen Rheinisch. Ztg. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Erscheinungsbefehl für Karl Marx. ‒ Die Contrerevolution in Berlin. ‒ Die „Kölnische Zeitung.“ ‒ Bewegung in Köln.) Berlin (Sitzung der Nationalversammlung ‒ Bassermann in Berlin. ‒ Stimmung. ‒ Grabow. ‒ Auflösung der Bürgerwehr. ‒ Bassermann und die Magdeburger Deputation. ‒ Anekdoten. ‒ Deputationen im Hotel de Rüssie. ‒ Das Land. ‒ Berliner Magistrat und Stadtverordneten. ‒ Ein Komödienzettel der „N. Pr. Z.“ ‒ Empfang der Nationalversammlung bei ihrem Austritte aus dem Hotel de Russie durch das Volk. ‒ Vermischtes. ‒ Kgl. Proklamationen. ‒ Bekanntmachung des Kgl. Gouvernements. ‒ Bekanntmachung des Magistrats. ‒ Noch ein Bericht über den 10. Nov. ‒ Magdeburger Demonstrationen.) Düsseldorf. (Adresse an die Nationalversammlung.) Frankfurt a. d. O. (Adresse an die Nationalversammlung. ‒ Bürgerwehr und Militär. ‒ Der Magistrat und die Stadtverordneten.) Halle. (Preußenvereinstumult.) Wien. (Tagesbericht. ‒ Die Abgeordneten. ‒ Graf Stadion. ‒ Nachrichten aus Ungarn. ‒ Der Verkehr. ‒ Schlimmer Geist der nächsten Umgebung Wiens.) Döbling. (Die Wiener Wohlgesinnten.) Mödling. (Füster.) Prerau (Aussichten der k. k. Regierung.) Insbruck. (Antwortschreiben Ferdinands an die Ständeversammlung.) Prag. (Rückzug Simonic's ‒ Die ungarische Streitmacht.) Donaufürstenthümer. (Fortwährender Einmarsch russischer Truppen. ‒ Die Polen. ‒ Magyaren.) Deutschland. * Köln, 13. November. Der „Redakteur en chef“ der „Neuen Rheinischen Zeitung“ hat so eben einen neuen Erscheinungsbefehl von dem hiesigen Instruktionsgericht für den 14. November erhalten. * Köln, 13. Nov. Wie einst die französische Nationalversammlung ihr offizielles Sitzungslokal verschlossen fand und in dem Ballspielhause ihre Sitzungen fortführen mußte, so die preußische Nationalversammlung im Schützenhause. Der im Schützenhause gefaßte und von uns nach unserm Berliner ⊙-Korrespondenten im heute Morgen ausgegebenen Extrablatte mitgetheilte Beschluß, wonach Brandenburg zum Hochverräther erklärt ist, findet sich nicht im Berichte der „Kölnischen Zeitung.“ Indessen geht uns so eben der Brief eines Mitgliedes der Nationalversammlung zu, worin es wörtlich heißt: Die Nationalversammlung hat einstimmig (242 Mitglieder) erklärt, daß Brandenburg sich durch diese Maßregel (die Auflösung der Bürgerwehr) des Hochverraths schuldig gemacht habe, und ein jeder, welcher zu der Ausführung dieser Maßregel aktiv oder passiv mitwirkt, als Hochverräther zu betrachten sei. Die Glaubwürdigkeit Dumont ist bekannt. Indem die Nationalversammlung Brandenburg zum Hochverräther erklärt, hört die Steuerverpflichtung von selbst auf. Einer hochverrätherischen Regierung schuldet man keine Steuern. Wir werden unsern Lesern morgen ausführlich mittheilen, wie man es in dem ältesten konstitutionellen Lande, in England, bei ähnlichen Collisionen, mit der Steuerverweigerung hält. Uebrigens hat die hochverrätherische Regierung selbst dem Volke den richtigen Weg gezeigt, indem sie sofort der Nationalversammlung die Steuern verweigerte (die Diäten u. s. w.) und sie auszuhungern sucht. Der oben erwähnte Deputirte schreibt uns ferner: „Die Bürgerwehr wird ihre Waffen nicht abgeben.“ Der Kampf scheint also unvermeidlich und es ist die Pflicht der Rheinprovinz mit Männern und Waffen der Berliner Nationalversammlung zu Hülfe zu eilen. * Köln, 12. Novbr. So eben erheitert uns ein Artikel der Kölnischen Zeitung! „Unsere Lage“, ist diese Tartine überschrieben. *** Köln, 11. Nov.“ Wir kennen diese *** Artikel, ganz Köln kennt sie, ganz Deutschland, ganz Australien. Manche alte Jungfer ist schon dabei eingeschlafen, mancher alte Stadtrath hat schon darüber genießt und mancher Fromme hat sich schon halb krank darüber gelacht. „Was mag Herr Brüggemann zu den neuen Berliner Ereignissen sagen?“ fragten wir uns heute Morgen, als wir mit andächtiger Seele dem Bette entstiegen. „Jesus, Maria, Joseph! wie wird dem armen Manne zu Muthe sein ‒“ und sofort machten wir mit dem ersten besten Bekannten eine Wette, daß wir am Abende einen Leitartikel zu Gesichte bekommen würden, wie die Welt ihn noch nie gesehen habe. Unsre Wette ist gewonnen. Hr. Brüggemann hat sein Mögliches geleistet. Sein Leitartikel über das Ministerium Brandenburg-Manteuffel ist werth, daß er im Walraf'schen Museum mit alten Waffen, Steinen und Knochen für die spätesten Enkel der heiligen Stadt Köln aufbewahrt wird. Hr. Brüggemann schildert uns in wenigen Worten alle Schrecken der Gegenwart: die königliche Botschaft, die Verlegung und die Vertagung der Versammlung, das Auftreten des Minister-Präsidenten und den Protest der Repräsentanten. „Dies sind Thatsachen“ ‒ heißt es dann wörtlich ‒ „und wir müssen uns ruhig eingestehen: unter ihnen lauert ‒ kaum noch vermeidlich ‒ das unermeßliche Unglück einer neuen Revolution!“ Eine neue Revolution! Das ist hart für einen Brüggemann. Mit fliegenden Haaren, mit stieren Augen und, nicht zu vergessen, mit dem allerschönsten Katzenbuckel sehen wir den armen Mann durch das Dumont'sche Redaktionszimmer laufen und vergebens nach dem Reste alter Weisheit suchen, nach irgend einem Auswege aus dieser schlimmsten der Fatalitäten. Mit Paris konnte man schon fertig werden; mit den Juniinsurgenten ließ sich leicht genug umspringen. Ein halbes Dutzend Schimpfworte auf die Arbeiter-Banditen, auf diese Brandstifter und Vitriolungeheuer genügten, um die Sache zum Schluß zu bringen, und das Gemüth unseres Freundes zu beruhigen und die Spalten der Kölnischen Zeitung zu füllen. Auch mit Wien war die Geschichte nicht so schwer. Vierzehn Tage lang hintereinander zeigte man den gläubigen Lesern an, daß das arme Wien bombardirt werde, daß Wien brenne ‒ „Wird Wien doch einmal brennen!“ dachte Hr. Dumont ‒ „und dann hast du Recht“ ‒ und Hr. Dumont hatte Recht. Aber Berlin? Das ist schlimm, daß ist ein kitzlicher Punkt. Hr. Brüggemann reibt sich die Stirn. Endlich blitzt es in seinem Schädel auf und mit Salbung fährt er fort: „Wir wollen heute nicht anklagen, nach keiner Seite hin! Mit andern Worten: „Wir wollen heute noch gar nichts sagen.“ Großer Politiker! Bescheidener Brüggemann! Aus reiner Bescheidenheit will Hr. Brüggemann der Weltgeschichte nicht vorgreifen. Am allerwenigsten denkt er daran, vor dem Eintreffen der nächsten Post zu einem Urtheil zu kommen. Erst die Post, mit netten runden Fakten lös't Hrn. Brüggemann die Zunge und das einzige, wozu er sich einstweilen ermannen kann, ist der kühne Ausspruch: „Das Grundübel, das böse Verhängniß war gegenseitiges Mißtrauen.“ Wir überlassen es unsern Lesern zu errathen, was das Grundübel des Hrn. Brüggemann ist ‒ ‒ Doch der ehrenwerthe Mann sammelt sich: „Die einzige Rettung des Rechtsbodens der Vereinbarung, wenn eine solche noch möglich ist, würde in der Anerkennung eines höhern Schiedsrichters liegen.“ „Und daß der Herr Brüggemann wieder herum auf dem alten Rechtsboden stolpere.“ (N. Rh. Z. v. 13. Oktober). Wir schrecken freudig zusammen. Ja, wahrhaftig, indem er plötzlich auf seinen Rechtboden losstolpert, hat Hr. Brüggemann den Stein der Weisen gefunden und als echter Quacksalber setzt er nun auch noch das lindernde Pflaster auf die Geschwüre seines kranken Artikels. Dieses lindernde Pflaster besteht in nichts anderm als in der Anerkennung der „Reichsgewalt“ in der Anerkennung eines „Reichskammergerichts“ mit seinem modrigsten Plunder. „Das Reichskammergericht für zweifelhafte Fragen des Staatsrechts, für die Entscheidung des Rechtsstreites zwischen Fürsten und Ständen lebt nicht mehr; aber ist nicht in der Reichsgewalt der Anfang einer neuen so heilvollen Instanz wiedergeboren.“ Herr Brüggemann ist zu Ende. Wie wird sich ein Mohl, ein Bassermann, ein Schmerling freuen, wenn sie die wohlmeinenden Absichten unseres Freundes erfahren. Hr. Brüggemann: Reichskammergerichtsrath! Das wird ihre Antwort sein. Die Leute, die Wien ruhig brennen und untergehen sehen, werden den Literaten der Kölnischen Zeitung zu retten wissen. * Köln, 13. Novbr. Die Berliner Ereignisse haben allen Spaltungen der politischen Parteien unserer Stadt ein Ende gemacht. Es gibt nur noch eine Partei, der die ganze Stadt angehört, nur eine Partei, die voller Entrüstung über das Attentat der Contrerevolution, fest entschlossen ist, ihr Hand in Hand mit der Nationalversammlung, auf's entschiedenste entgegenzutreten. Schon am Samstag Mittag wurde im Eiser'schen Saale eine Volksversammlung gehalten, in der man Arbeiter, Kaufleute und Beamte in buntem Gemisch durcheinander wogen sah. Redner aller Stände bestiegen die Tribüne und rasch einigte man sich über die folgende Adresse an die Nationalversammlung: „Die unterzeichneten Bürger von Köln erklären, daß sich die Versammlung zur Vereinbarung der preußischen Verfassung durch den am 9. d. M. gefaßten Beschluß: „„Der Krone nicht das Recht zuzugestehen, die Versammlung wider ihren Willen zu vertagen, zu verlegen oder aufzulösen ‒ ““ den Dank des Volkes verdient hat, daß die Unterzeichneten diesem Beschlusse ihre volle Zustimmung geben und durch alle ihnen zu Gebote stehenden Mittel dahin wirken werden, demselben Geltung zu verschaffen.“ Gestern Mittag trug diese Adresse etwa 7000 Unterschriften, und große Menschenmassen sammelten sich überall an den Straßenecken, wo der Inhalt der Adresse in Plakaten zur allgemeinen Kenntniß gebracht wurde. Die Versammlung des Eiser'schen Saales hatte indeß beschlossen, auch dem Stadtrathe das Resultat der Debatte anzuzeigen und ihn zu fragen, ob er sich der Adresse der Volksversammlung anschließen wolle. Eine Deputation verfügte sich zu dem Ende auf das Rathhaus. Die Versammlung erklärte sich in Permanenz. Bei einer so wichtigen Angelegenheit war es nicht anders zu erwarten, als daß der Stadtrath, wenn er nicht schon aus eignem Antriebe einen Beschluß gefaßt hatte, sich wenigstens durch die Deputation der Volksversammlung zu einem sofortigen Schritte veranlaßt sehen würde. Leider zeigte es sich aber auf's Neue, daß die gute Stadt Köln in ihrem Gemeinderath ein wahres non plus ultra von Schwäche und Saumseligkeit besitzt, denn auf den zweimaligen Aufruf des Vorsitzenden trat die beschlußfähige Anzahl Mitglieder nicht zusammen. Erst als der dritte Aufruf erfolgt war und der Stadtrath also gemäß der Gemeindeordnung bei jeder Mitgliederzahl Beschlüsse fassen konnte, stürzten auch die ärgsten Heuler des Gemeinderaths auf ihren Posten, um nun wo möglich die Sache noch zu hintertreiben. Daß dies wirklich so der Fall war, geht aus der Abstimmung über die Adresse der Volksversammlung hervor, indem 11 Gemeinderäthe dagegen stimmten und 10 dafür. Da indeß der Vorsitzende, Herr Schenk, ebenfalls dafür stimmte und seine Stimme den Ausschlag giebt, so wurde die Adresse angenommen. Zu dem Worte „Mittel“ machte man noch den Zusatz: „gesetzliche“. Dafür stimmten die Herren: Broix, Becker, Schmits, Schneider, Boecker, Raveaux, Riffarth, Classen, Guilleaume und Klein. Dagegen: die Hrn. Stupp, Du-Mont (von der Kölnischen Zeitung), Groote, Reusch, Frank, Michels, Schnitzler, Heimann Nückel, Hagen und Compes. Bemerkenswerth ist noch, daß Hr. Stupp allen juristischen Scharfsinn aufbot, um die Annahme der Adresse der Volksversammlung als eine höchst gefährliche Maßregel darzustellen. Das Verlangen der Volksversammlung, daß der Gemeinderath für sofortige Rückgabe der den Bürgern widerrechtlich entzogenen Waffen, Sorge tragen möge, wurde auf die nächste Tagesordnung, für heute, Montag den 13., verschoben. Die Herren Klein und Classen sind von Seiten des Gemeinderaths zur Ueberreichung der Adressen der Volksversammlung und des Stadtraths bereits nach Berlin abgereist. Die Volksversammlung bleibt in Permanenz. Auf das Benehmen des Gemeinderaths Joseph Dumont müssen wir namentlich aufmerksam machen. Während er in Nro. 305 der Kölnischen Zeitung vom Sonntag den 12. November, seinen Literaten Brüggemann in einem Leitartikel sagen läßt: „Wir wollen heute nicht anklagen, nach keiner Seite hin,“ um sich auf diese Weise den Rücken frei zu halten, und je nach dem Ausgang der Geschichte, grade wie bei den Wiener und Pariser Ereignissen den Mantel nach dem Winde zu hängen, wüthet er bereits unter der Hand in der Gemeinderathssitzung gegen einen Beschluß der das Entweder-Oder der ganzen Angelegenheit in sich begreift. 103 Berlin, 11. November. Heute Morgen um 9 Uhr versammelten sich gegen 250 Mitglieder der Nationalversammlung aus allen Fraktionen in Mylius Hotel und zogen 9 1/2 Uhr unter dem Jubel des versammelten Volkes nach dem Schauspielhaus um im bisherigen Sitzungssaal der Versammlung zur Fortsetzung der Berathungen einzuziehen. Der Präsident Unruh und die Vicepräsidenten befanden sich an der Spitze des Zuges und fanden die Thür verschlossen Der Präsident Unruh verlangte laut, daß die Thür geöffnet werde. Eine Stimme von innen antwortete: daß auf Befehl des Staatsministeriums Niemand eingelassen werden dürfe. Unruh verlangt, daß Jemand herauskomme, da er nicht gewohnt sei, durch das Schlüsselloch zu unterhandeln. Die Stimme von innen antwortete: Ich bin der Commandant des Hauses und bin von höherer Stelle beauftragt, diesen Posten zu halten. Hierauf hielt es der Präsident Unruh nicht für angemessen, länger zu unterhandeln und sprach: Ich protestire feierlichst gegen die gegen uns angewendete Gewalt und fordere alle Anwesenden auf, sich mit mir nach dem Hotel du Russie zu begeben. ‒ Dort angekommen, eröffnete der Präsident Unruh die Versammlung durch eine Rede. Er erinnerte an die 16 Millionen Preußen, die in diesem Augenblick ihre Blicke auf diese Versammlung richten. Daher ist es nothwendig, daß dieselbe auch ferner ihre regelmäßigen Sitzungen fortsetze; eine noch so kurze Suspension der Sitzungen wäre eine faktische Auflosung. Schon sind Adressen aus vielen Städten des Landes angekommen, welche ihre Zustimmung zu den Beschlüssen der Nationalversammlung zu erkennen geben und zum Ausharren in unserem guten Rechte auffordern. Die Schützengilde und die Stadtverordneten haben uns ihre Localitäten angeboten. Ich schlage vor, daß wir uns Nachmittags 3 Uhr im großen Saale des Schützenhauses zur Fortsetzung unserer vertagten Sitzung versammeln. Die gegenwärtige Sitzung können wir wohl blos als eine vorbereitende Versammlung betrachten. ‒ Letzteres findet jedoch Widerspruch. Mehrere Redner wünschen, daß auch diese Sitzung als eine Fortsetzung der gestern vertagten angesehen werde. Waldeck gibt endlich den Ausschlag. Er nimmt das Wort: Nicht die Mauern, nicht die Steine bilden die Nationalversammlung, sondern wir, die Abgeordneten des Volks, wir, mit dem Vertrauen des Volks, wo wir uns auch befinden werden, bilden wir die Nationalversammlung. Ich ersuche daher auch den Präsidenten, die Form zu beobachten und die Worte auszusprechen: „Die Sitzung ist eröffnet.“ Wer mit mir übereinstimmt, erhebe sich. ‒ Die ganze Versammlung erhebt sich und der Präsident eröffnet die Sitzung. Die Verlesung des Protokolls der letzten Sitzung muß noch einstweilen ausgesetzt werden, weil der Sekretär Plönnies erklärt, es sei ihm noch nicht möglich gewesen, das Protokoll zu beenden, indem ihm noch einige Aktenstücke fehlen, die er sich erst verschaffen müsse, da er dieselbe aus dem Büreau nicht mehr erhalten konnte, welches schon gestern Abend verschlossen war. Der Präsident beantragt, daß eine Kommission zur Aufnahme eines beglaubigten Protokolls über die Vorfälle an der Thür des Sitzungssaals aufgenommen werde. Wird einstimmig angenommen. Der Präsident ernennt die Abgeordneten Kirchmann, Jakobi und Blöm zur Aufnahme des Protokolls. ‒

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 142. Köln, 14. November 1848, S. 0733. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz142i_1848/1>, abgerufen am 28.03.2024.