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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 141. Köln, 12. November 1848.

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[Deutschland]

[Fortsetzung] Mord Hinzielendes gefunden werden. (Der Kommunismus ist bei unseren märkischen Beamten natürlich Hochverrath laut des Bundestagsbeschlusses vom vorigen Jahre). Also, um Gotteswillen etwas Kommunismus herausgestöbert. Und denken Sie sich! was Niemanden gelang, ist Hrn. Zahn, unserem Bürgermeister gelungen. Dieser brave Mann, welcher gewiß nicht das Pulver erfunden hat, soll gleichwohl im Handwerkerverein "ein wenig" Kommunismus entdeckt haben!

Es gehört aber auch die feine Spürnase des Hrn. Zahn dazu. Die Verdienste des Hrn. Möller sind schon anerkannt worden (wenn es wahr ist, daß Hr. Möller Minister geworden); Herr Reesen wird seinen Lohn bei der Eisenbahn finden; er kann sich darauf verlassen. Aber wie kann Hr. Zahn belohnt werden, wenn der rothe Adlerorden abgeschafft werden soll?

Wien, 7. Nov.

Auf die vom Stadt-Kommando an Jelachich übergebenen Klagen mehrerer Einwohner, welche sich über Exzesse und Beschädigungen durch kroatische Truppen beschweren, hat der Ban folgendes erwidert: "Mein armes Vaterland hat zur Rettung der Gesammt-Monarchie unermeßliche Opfer gebracht. Kroatien hat seine Söhne in der bedrängtesten Zeit auf eigene Kosten bewaffnet, und der unglückliche General Latour mußte sein Leben schändlicherweise aufgeben, als er sich endlich herbeiließ, anzuerkennen, daß die Kroaten kaiserliche Truppen seien. Wien und die kaiserliche Burg ist durch meine Truppen erstürmt worden, eine Stunde später, und die Rebellen hätten die Burg, wie es offen im Reichstag durch Schuselka verkündet worden war, so wie die ganze Stadt, in Flammen gesetzt. Die Truppen lagern noch heute im Freien, und sind der strengsten Witterung ausgesetzt. Wenn einzelne Exzesse vorgefallen sind, so sind sie Folge der schrecklichen Wuth der Soldaten über die verletzte Kapitulation, ein ewiger Schandfleck der Wiener Bevölkerung. Man möge die Entschädigung bei den Rebellen suchen."

Der Feldmarschall-Lieutenant v. Welden ist zum Gouverneur von Wien ernannt worden. Der Gemeinderath macht bekannt, daß arbeitslose und bedürftige Individuen an bestimmten Orten, die durch besondere Anschläge bezeichnet werden würden, Arbeit bekommen könnten.

Die ärarische Brücke an der Donau ist wieder fahrbar gemacht und an der Wiederherstellung der Eisenbahnbrücke wird fleißig gearbeitet. - Wer unter den entwaffneten Proletariern kriegstauglich anerkannt wird, den steckt man sogleich in die gelichteten Reihen des Militärs. - Uebrigens herrscht jetzt in Wien unter der Bevölkerung die Stille eines Friedhofes. - Ein Gerücht ging umher, daß Smolka und Borrosch verhaftet worden seien, um über die Mörder Latour's Auskunft zu ertheilen. Wir halten dies aber für ein Schreckenmärchen. - Eine andere Nachricht erzählt, daß sich die Studenten durch Verkleidung und Rasiren der Bärte ganz unkenntlich gemacht und dadurch zum Theile den Truppen, so wie auch dem gegen sie im letzten Augenblicke aufgestachelten Proletariate entgangen seien. Viele geriethen dennoch in die Haft des Windischgrätz. Durch eine strenge Hausvisitation forschte man nach Pulver und Waffen, so wie nach den Gravirten, von denen eine lange Liste angefertigt ist. Die Meisten derselben sind Journalisten. - Seit dem 22. Oktober sind bei 100,000 Menschen von Wien weg. Viele derselben werden wohl von den Familien vergeblich zurückerwartet. Die Zahl der Gefallenen wird von den Bezirks-Aerzten auf 6000 berechnet. - Das Proletariat hat im Ganzen dem Grundsatze: "Heilig sei das Eigenthum!" nach dem Zeugnisse aller, die sonst nicht seine Freunde sind, gehuldigt. Man wußte, welche Schätze an Metall und Banknoten in der Bank lagen und Niemand ließ eine bedrohliche Aeußerung hierüber fallen. - Die Verhaftungen dauern fort. Unter den bereits eingezogenen Personen nennt man die Frankfurter Deputirten Blum und Fröbel. - Professor Füster, Oberkommandant Messenhauser und sein Generalstäbler Fenneberg, - Hauk, Grüzner, Taufenau, Berger, Terzky, Redakteur der Gassenzeitung u. m. a., die bei der ultra-radikalen Journalistik betheiligt waren, sind verhaftet worden. - Der Kommandant der akademischen Legion, Aigner, zog den Tod der Gefangenschaft vor, und hat durch einen Schuß seinem Leben freiwillig ein Ende gemacht. - Die meisten Reichstagsdeputirten erhoben Pässe und sind von Wien abgereist; ob in die Heimath oder nach Kremsier, ist uns nicht bekannt.

Die obige Mittheilung meldet, daß Messenhauser gefangen sei, eine andere behauptet aber: "Die Häupter des Aufstandes hat man noch nicht. Bem, Messenhauser, Haugh, Schütte, Pulszky, Becher und Tausenau werden noch gesucht. Der Mörder Latour's ein Schlosser, ist ergriffen. Der Nationalgardist Padowani, Ranftls Bruder, und die lange zuvor als Nationaleigenthum erklärte Perin sind verhaftet. Im Odeon sollen durch Einsturz viel Studenten das Leben eingebüßt haben. Das Burgthor ist wie ein Sieb durchlöchert, einige Säulen beschädigt. In der Facade der Burg stecken 80 Kugeln. In's Schwarzenberg'sche Palais fielen zwei Brandraketen nieder, ohne zu zünden. Eine Bombe hingegen zerschmetterte im Zimmer der Fürstin das ganze chinesische Porzellan. Der Hauptangriff hatte vom Burg- und Kärtnerthor stattgefunden. Der Banus machte nach Einnahme der innern Stadt eine Fahrt durch die Burg, Kohlmarkt und den Graben. Seine Truppen, mit Ausnahme von 5 Bataillons Gränzern, welche einstweilen in Wien bleiben, marschiren schon gegen Ungarn. Die Reichstagsabgeordneten schicken sich zur Reise nach Kremsier an. Selbst diejenigen, welche den Protest unterzeichneten, wollen gehen. Der Präsident will dann erst alles einpacken lassen, wenn der Bescheid über die Vorstellung einlangt. Zeitungen dürfen nicht erscheinen; daß Montag ein Abendblatt der Wiener Zeitung erschien, geschah in Folge besonderer Bewilligung des Windischgrätz. Den Reichstagssaal ließ General Cordon sperren. Heute und morgen ist Generalnachsuchung nach Waffen und Verdächtigen. Der Adjutant Bem's wurde sammt seiner schönen Frau aus seinem Verstecke, einem Stalle des Gasthauses zum Erzherzog Karl, hervorgeschleppt. Juden, vorher an der Spitze der Bewegung, machen jetzt die Angeber. Eine Masse des Proletariats wurde unter die Kroaten gesteckt und an die ungarische Gränze geschickt. Der Kommandant des ungarischen Korps wurde gestern gefänglich eingezogen. - In aller Frühe wurden heut die Frankfurter Deputirten der Linken, Fröbel und Blum, aus ihrem Hotel zur Stadt London abgeholt und in's Hauptquartier nach Schönbrunn gebracht. Gestern wurden Emissäre Kossuth's, Namens Berger und der Redakteur der Gassenzeitung, Terczky, festgenommen. Morgen zieht bereits eine Abtheilung der kroatischen Armee in ihre Heimath zurück. Aus Ungarn fehlen alle direkten Nachrichten, da die Posten unterbrochen sind. Kossuth, Pazmandy und Pulszky leiten die dortigen Angelegenheiten.

(Bresl. Z.)
Wien, 7. Nov.

Preßburg, welches den ersten Angriff der kaiserl. Armee zu bestehen hatte, soll sich, so wurde erzählt, gleich bei der ersten Aufforderung des Generals Zerbelloni ergeben haben.

Bis heute konnten die Eisenbahn- und Dampfschifffahrts-Gesellschaften von Fürst Windischgrätz noch immer nicht die Erlaubniß erhalten, die staunenswerth großen Massen von Waarengüter aller Art, in welchen auch die Kroaten das Plündern nicht sparten, befördern zu dürfen. Aller Handel und Gewerbe sind für lange gänzlich gelähmt und die Geldnoth wird mit jedem Tage fühlbarer und drückender. Noch nie hat es das industrielle gewerbthätige Wien so schwer gefühlt, zu welchem wichtigen und bedeutenden Export Italien und Ungarn Gelegenheit und Mittel darbieten, und welche fühlbare Theuerung die Absperrung Ungarns und dadurch auch die der Donaufürstenthümer in den nöthigsten Nahrungsmitteln hervorruft.

(A. O. Z.)
Wien, 7. Nov.

Der Belagerungszustand hat uns mitten in der großen Stadt gleichsam in eine Einöde versetzt. Zeitungen verirren sich zu uns gar keine mehr. Seit 24 Tagen wissen wir von der Außenwelt nicht das Mindeste mehr; ja wir könnten es nicht einmal behaupten, ob das alte Europa noch ganz am alten Flecke stehe; sich oder seine Formen bereits umgewendet habe.

Briefliche Nachrichten, welche uns von einem Offiziere der im südlichen Ungarn stehenden magyarischen Armee zukamen, versichern, daß ungarische Truppen bereits siegreich in Kroatien eingerückt sein sollen.

Man erzählt sich hier, daß in Linz, der Hauptstadt Oberöstreichs, eine Revolution ausgebrochen sei und daß das Volk alle Adligen, die sich von Wien dahin geflüchtet hatten, so wie das Militär aus der Stadt verjagt habe. Baron Welden ist auf die Dauer des Belagerungszustandes zum Gouverneur von Wien ernannt. Der ehemalige Minister Schwarzer wurde gestern verhaftet.

Ollmütz, 3. Nov., Abends.

Die Nachrichten über die Erhebung der Landleute in den deutschen Bezirken Schlesiens nehmen an Gewicht und Schreckbarkeit immer zu. Es treten ganz dieselben Scenen ein, wie bei der galizischen Revolution vom Jahre 1846. Die Obrigkeiten und die obrigkeitlichen Aemter sind lebensgefährlich bedroht, und von den kaiserl. Behörden verlangt das Landvolk nur immer Geld! Geld! Das Militär, von dem ich Ihnen schrieb, daß es aus Teschen dem Aufstande entgegenzog, hat bis jetzt die Ruhe nicht herstellen können, die Flamme wächst und brennt immer mehr. Republikanische Wiener von der einen und Polen von der andern Seite schüren fleißig am Brande. Der Hof gedenkt wahrscheinlich wenigstens über den ganzen Winter hier zu bleiben. Dies deutet auch die Veränderung mit dem hiesigen Telegraphen an. Dieser weilt bei dem eine gute Viertelstunde von der Stadt entlegenen Bahnhofe. Nun wird er aber trotz vieler Schwierigkeiten bis in die Stadt in die Nähe des Hofes, und zwar in die schöne neugebaute Mineurkaserne geführt.

(A. D. Z.)
Olmütz, 7. Nov.

Heute sind 14 Gefangene von der ungarischen Armee aus Göding hier eingebracht worden. Der General Simonic steht bei Göding und zieht Verstärkungen an sich, um gegen die Ungarn mit Nachdruck operiren zu können. - In Kremsier ist der Reichstagsordner Jelen mit den Vorbereitungen für die daselbst beginnenden Reichstagssitzungen beschäftigt. Diese werden im Lehnsaale stattfinden. Die Sitze für die Abgeordneten werden amphitheatralisch übereinandergebaut und dem Präsidentenstuhle gegenüber Gallerien für etwa 300 Personen eingerichtet werden.

(Br. Z.)
Ratibor, 6. Nov.

Von den Operationen der kaiserl. Truppen gegen Ungarn ist bis jetzt nichts Sicheres bekannt geworden; dagegen werden uns bereits die Streitkräfte der Ungarn ziemlich genau angegeben. Die Magyaren sollen im Stande sein, dem Feinde jeden Augenblick 3-400,000 Mann, darunter an 60,000 reguläre Truppen, entgegenzustellen. Letztere bestehen hauptsächlich aus übergetretenen italienischen Regimentern. - Kossuth ist in seinem Lande allmächtig, und seine Beredsamkeit zaubert nicht nur die Mannschaften in begehrter Anzahl herbei, sondern verwandelt auch seine Feinde in seine Freunde. So hat sich - authentischer Mittheilung zufolge - in einer Versammlung ein für 50000 fl. erkaufter Meuchelmörder befunden. Als dieser aber Kossuths Rede gehört, fühlte er sich so begeistert, daß er ihm Alles entdeckte. Bei der Defensive der Ungarn wird der Kaiser sich wohl in Unterhandlungen einlassen müssen, wie Sachverständige meinen; geschieht dies nicht, so dürften wir in Bälde im Südosten, einen Vernichtungskampf der Nationalitäten erleben, wie die Geschichte ihn nur selten aufzuweisen hat. Schon jetzt werden von Augenzeugen entsetzliche Schandthaten erzählt.

(Sch. Z.)
Breslau, 8. Nov. Abends 9 1/2 Uhr.

Eben erhalten wir noch die Wiener Post und zwar von Zeitungen, außer der Wiener Zeitung noch den Oestreichischen Lloyd! Warum der Wendenfürst Windischgrätz letztere Zeitung von dem Belagerungszustande emanzipirt hat, geht aus dem Leitartikel derselben hervor, welcher uns begreiflich machen soll, daß die Sache der Freiheit bei dem Untergange Wiens keinen Schaden genommen hat. Da die Wiener Zeitung als das anerkannte "amtliche" Organ mit einer solchen Deduktion keinen Effekt gemacht hätte, mußte man irgend ein anderes Blatt erscheinen lassen, welches schamlos genug wäre, der Reaktion Liebesdienste zu erweisen. Der Oestreichische Lloyd hat sich dieser Bevorzugung würdig gemacht.

Die Wiener Zeitung enthält wieder eine Anzahl amtlicher Bekanntmachungen von besonderm Interesse; wir heben nur einige hervor: 1) F.-M.-L. v. Welden ist zur Leitung der für Erhaltung des Belagerungszustandes nöthigen Maßregeln unter dem Titel eines Gouverneurs berufen worden; 2) Loyalitätsadresse der Bürger Korneuburgs an Windischgrätz.

(A. D.-Z.)
Schweidnitz, 5 November.

An die Männer des schlesischen Gebirges.

Mitbürger! Das Schrecklichste ist geschehen! Der Verrath hat gesiegt, Wien ist gefallen und Tausende unserer Brüder, die für das heiligste Gut der Menschheit: die Freiheit gekämpft, sind erbarmungslos hingeschlachtet; selbst der zarten Frauen, der unschuldigen Kindlein hat man nicht geschont, sondern mit Hyänenwuth sie zerfleischt.

O es ist ein Verbrechen begangen worden, das Nichts auf dieser Welt zu sühnen vermag, selbst nicht der Schutt der Throne, von denen herab der Brudermord dekretirt ward. Das fühlende Menschenherz zerspringt voll Wehmuth, wenn es an all' die Gräuel denkt, welche die fluchwürdigste Reaction, die nichtswürdigste Herrschsucht in den jüngsten Tagen verübt; die treueste Mannesbrust kocht über voll Wuth ob des teuflischen Verraths Derer, denen das großherzige Volk bei seinem Freiheitssiege im März mitleidig das Dasein geschenkt; sie kocht über voll Wuth ob des gräßlichen Blutbades, das Jene über das Volk gebracht, welche die heilige Pflicht übernommen hatten, die Freiheit zu schützen, die Bildung zu fördern und den Wohlstand des Volkes zu heben, die aber aus Dankbarkeit für Das, was ihnen die Großmuth des braven Volkes belassen, diesem mit vergifteten Dolchen, mit Kanonen und scharfgeschliffenen Schwertern, mit Schändung, Brand und Mord lohnen.

Mitbürger! Wer trägt aber die meiste Schuld an all' dem Elend, welches jetzt über unsere Brüder in Oesterreich - und auch über uns hereingebrochen?

Wir selbst tragen sie. Denn wir waren zu gutmüthig, zu leichtgläubig, zu sorglos. Wir unterließen es, der Schlange den Kopf zu zertreten, als es noch Zeit war; wir beteten das goldene Kalb auf seinem Throne an, und bedachten nicht, daß wir Götzendienst verrichten; wir lauschten den Tönen des Krokodills und ließen uns in seinen Rachen locken.

Ha! Was ist nicht Alles schon in den jüngsten Monden geschehen, und was kann nicht Alles noch geschehen? Wollen wir weiter schlafen und das Klirren der Mordwerkzeuge unserer teuflischen Feinde nicht hören und beachten? Wollen wir sorglos die Hände im Schooße liegen und uns die Haut von den Knochen ziehen, den letzten Blutstropfen aus unsern Adern saugen lassen? Wollen wir die Tyrannen fortschlachten und die asiatische Knute zur Herrschaft über uns freie Männer bringen lassen? Soll denn in der That ein Völkerstamm nach dem andern hingemordet, das freie schöne Deutschland in eine Schlächtergrube verwandelt, das civilisirte Europa zum Golgatha der Barbarei gemacht werden??

Nein! Nein und tausend Mal Nein!

Nun wohlauf denn! Laßt uns sühnen, was wir verschuldet! Laßt uns Gericht halten, ehe es "zu spät" wird!

In Polen war das große Trauerspiel der Contre-Revolution begonnen, in Schweidnitz, Mainz, Prag und anderen Städten Deutschlands einzelne Scenen aufgeführt und in Wien der zweite Akt dieses Tnauerspiels vollendet. Jetzt sind wir an der blutigen Reihe. Berlin und Schlesien werden der Schauplatz des dritten Aktes sein.

Darum auf, Ihr wackern Männer des Gebirges! Auf! rüstet Euch, damit Euch der Schlag nicht unvorbereitet trifft! Bedenkt, wie man bisher Euer Dasein, Eure Existenz gesichert, wie man mit dem Hungertuche für Euch gesorgt hat! Bedenkt, wie all' Euer Bitten ungehört, wie all' Euer Mühen und Sorgen vergebens gewesen, wie so viele Eurer Brüder und Schwestern dem Elend und dem Hungertode zum Raub geworden sind! Und durch wen? Durch die, für welche Ihr bisher Tag und Nacht gearbeitet, für welche Ihr gedarbt und gehungert, die Ihr mit Eurem Herzblut getränkt, mit Eurer nackten Brust geschützt habt, und zwar - wie Ihr seht - nur deshalb, damit sie Eure Freiheit untergraben, Euch und Eure Brüder morden können.

Auf! Männer des Gebirges! Machet die Sache Oesterreichs zu der Eurigen! Helfet die deutsche Sache, helfet die Sache der Freiheit retten! In Berlin will in diesen Tagen die Natterbrut "Kamarilla" den Schlag gegen das Volk ausführen, über dem sie seit Monden brütet. Berlin soll wie Wien ein zweites Magdeburg werden; unter seinen Trümmern soll die Freiheit begraben werden. Und die Schlesier sollen das große Leichentuch weben.

Mitbürger! Duldet dies nicht! Eure Schmach wäre ohne Gränzen, die Nachwelt würde Euch fluchen, so wie sie Euch lohnen wird, wenn Ihr für die Freiheit und Menschlichkeit Euren schützenden Arm jetzt erhebt. Unsere Berge können uns nicht mehr schützen, wir müssen uns und die Unsrigen selbst schützen! Auf! Laßt uns darum handeln, ehe es "zu spät" ist.

Damit wir aber nicht vereinzelt handeln und so am Ende aufgerieben werden, damit wir vielmehr vereint den nahenden Stürmen und Ungewittern gleich einer ehernen Mauer die Spitze bieten können, ist es nothwendig, daß wir uns über die Schutz- und Vertheidigungs-Maaßregeln besprechen und verständigen.

Wir fordern demnach alle Führer der demokratischen Partei, alle Präsidenten der demokratischen Vereine, der Landwehr- und Bürger-Vereine, so-

[Deutschland]

[Fortsetzung] Mord Hinzielendes gefunden werden. (Der Kommunismus ist bei unseren märkischen Beamten natürlich Hochverrath laut des Bundestagsbeschlusses vom vorigen Jahre). Also, um Gotteswillen etwas Kommunismus herausgestöbert. Und denken Sie sich! was Niemanden gelang, ist Hrn. Zahn, unserem Bürgermeister gelungen. Dieser brave Mann, welcher gewiß nicht das Pulver erfunden hat, soll gleichwohl im Handwerkerverein „ein wenig“ Kommunismus entdeckt haben!

Es gehört aber auch die feine Spürnase des Hrn. Zahn dazu. Die Verdienste des Hrn. Möller sind schon anerkannt worden (wenn es wahr ist, daß Hr. Möller Minister geworden); Herr Reesen wird seinen Lohn bei der Eisenbahn finden; er kann sich darauf verlassen. Aber wie kann Hr. Zahn belohnt werden, wenn der rothe Adlerorden abgeschafft werden soll?

Wien, 7. Nov.

Auf die vom Stadt-Kommando an Jelachich übergebenen Klagen mehrerer Einwohner, welche sich über Exzesse und Beschädigungen durch kroatische Truppen beschweren, hat der Ban folgendes erwidert: „Mein armes Vaterland hat zur Rettung der Gesammt-Monarchie unermeßliche Opfer gebracht. Kroatien hat seine Söhne in der bedrängtesten Zeit auf eigene Kosten bewaffnet, und der unglückliche General Latour mußte sein Leben schändlicherweise aufgeben, als er sich endlich herbeiließ, anzuerkennen, daß die Kroaten kaiserliche Truppen seien. Wien und die kaiserliche Burg ist durch meine Truppen erstürmt worden, eine Stunde später, und die Rebellen hätten die Burg, wie es offen im Reichstag durch Schuselka verkündet worden war, so wie die ganze Stadt, in Flammen gesetzt. Die Truppen lagern noch heute im Freien, und sind der strengsten Witterung ausgesetzt. Wenn einzelne Exzesse vorgefallen sind, so sind sie Folge der schrecklichen Wuth der Soldaten über die verletzte Kapitulation, ein ewiger Schandfleck der Wiener Bevölkerung. Man möge die Entschädigung bei den Rebellen suchen.“

Der Feldmarschall-Lieutenant v. Welden ist zum Gouverneur von Wien ernannt worden. Der Gemeinderath macht bekannt, daß arbeitslose und bedürftige Individuen an bestimmten Orten, die durch besondere Anschläge bezeichnet werden würden, Arbeit bekommen könnten.

Die ärarische Brücke an der Donau ist wieder fahrbar gemacht und an der Wiederherstellung der Eisenbahnbrücke wird fleißig gearbeitet. ‒ Wer unter den entwaffneten Proletariern kriegstauglich anerkannt wird, den steckt man sogleich in die gelichteten Reihen des Militärs. ‒ Uebrigens herrscht jetzt in Wien unter der Bevölkerung die Stille eines Friedhofes. ‒ Ein Gerücht ging umher, daß Smolka und Borrosch verhaftet worden seien, um über die Mörder Latour's Auskunft zu ertheilen. Wir halten dies aber für ein Schreckenmärchen. ‒ Eine andere Nachricht erzählt, daß sich die Studenten durch Verkleidung und Rasiren der Bärte ganz unkenntlich gemacht und dadurch zum Theile den Truppen, so wie auch dem gegen sie im letzten Augenblicke aufgestachelten Proletariate entgangen seien. Viele geriethen dennoch in die Haft des Windischgrätz. Durch eine strenge Hausvisitation forschte man nach Pulver und Waffen, so wie nach den Gravirten, von denen eine lange Liste angefertigt ist. Die Meisten derselben sind Journalisten. ‒ Seit dem 22. Oktober sind bei 100,000 Menschen von Wien weg. Viele derselben werden wohl von den Familien vergeblich zurückerwartet. Die Zahl der Gefallenen wird von den Bezirks-Aerzten auf 6000 berechnet. ‒ Das Proletariat hat im Ganzen dem Grundsatze: „Heilig sei das Eigenthum!“ nach dem Zeugnisse aller, die sonst nicht seine Freunde sind, gehuldigt. Man wußte, welche Schätze an Metall und Banknoten in der Bank lagen und Niemand ließ eine bedrohliche Aeußerung hierüber fallen. ‒ Die Verhaftungen dauern fort. Unter den bereits eingezogenen Personen nennt man die Frankfurter Deputirten Blum und Fröbel. ‒ Professor Füster, Oberkommandant Messenhauser und sein Generalstäbler Fenneberg, ‒ Hauk, Grüzner, Taufenau, Berger, Terzky, Redakteur der Gassenzeitung u. m. a., die bei der ultra-radikalen Journalistik betheiligt waren, sind verhaftet worden. ‒ Der Kommandant der akademischen Legion, Aigner, zog den Tod der Gefangenschaft vor, und hat durch einen Schuß seinem Leben freiwillig ein Ende gemacht. ‒ Die meisten Reichstagsdeputirten erhoben Pässe und sind von Wien abgereist; ob in die Heimath oder nach Kremsier, ist uns nicht bekannt.

Die obige Mittheilung meldet, daß Messenhauser gefangen sei, eine andere behauptet aber: „Die Häupter des Aufstandes hat man noch nicht. Bem, Messenhauser, Haugh, Schütte, Pulszky, Becher und Tausenau werden noch gesucht. Der Mörder Latour's ein Schlosser, ist ergriffen. Der Nationalgardist Padowani, Ranftls Bruder, und die lange zuvor als Nationaleigenthum erklärte Perin sind verhaftet. Im Odeon sollen durch Einsturz viel Studenten das Leben eingebüßt haben. Das Burgthor ist wie ein Sieb durchlöchert, einige Säulen beschädigt. In der Facade der Burg stecken 80 Kugeln. In's Schwarzenberg'sche Palais fielen zwei Brandraketen nieder, ohne zu zünden. Eine Bombe hingegen zerschmetterte im Zimmer der Fürstin das ganze chinesische Porzellan. Der Hauptangriff hatte vom Burg- und Kärtnerthor stattgefunden. Der Banus machte nach Einnahme der innern Stadt eine Fahrt durch die Burg, Kohlmarkt und den Graben. Seine Truppen, mit Ausnahme von 5 Bataillons Gränzern, welche einstweilen in Wien bleiben, marschiren schon gegen Ungarn. Die Reichstagsabgeordneten schicken sich zur Reise nach Kremsier an. Selbst diejenigen, welche den Protest unterzeichneten, wollen gehen. Der Präsident will dann erst alles einpacken lassen, wenn der Bescheid über die Vorstellung einlangt. Zeitungen dürfen nicht erscheinen; daß Montag ein Abendblatt der Wiener Zeitung erschien, geschah in Folge besonderer Bewilligung des Windischgrätz. Den Reichstagssaal ließ General Cordon sperren. Heute und morgen ist Generalnachsuchung nach Waffen und Verdächtigen. Der Adjutant Bem's wurde sammt seiner schönen Frau aus seinem Verstecke, einem Stalle des Gasthauses zum Erzherzog Karl, hervorgeschleppt. Juden, vorher an der Spitze der Bewegung, machen jetzt die Angeber. Eine Masse des Proletariats wurde unter die Kroaten gesteckt und an die ungarische Gränze geschickt. Der Kommandant des ungarischen Korps wurde gestern gefänglich eingezogen. ‒ In aller Frühe wurden heut die Frankfurter Deputirten der Linken, Fröbel und Blum, aus ihrem Hotel zur Stadt London abgeholt und in's Hauptquartier nach Schönbrunn gebracht. Gestern wurden Emissäre Kossuth's, Namens Berger und der Redakteur der Gassenzeitung, Terczky, festgenommen. Morgen zieht bereits eine Abtheilung der kroatischen Armee in ihre Heimath zurück. Aus Ungarn fehlen alle direkten Nachrichten, da die Posten unterbrochen sind. Kossuth, Pazmandy und Pulszky leiten die dortigen Angelegenheiten.

(Bresl. Z.)
Wien, 7. Nov.

Preßburg, welches den ersten Angriff der kaiserl. Armee zu bestehen hatte, soll sich, so wurde erzählt, gleich bei der ersten Aufforderung des Generals Zerbelloni ergeben haben.

Bis heute konnten die Eisenbahn- und Dampfschifffahrts-Gesellschaften von Fürst Windischgrätz noch immer nicht die Erlaubniß erhalten, die staunenswerth großen Massen von Waarengüter aller Art, in welchen auch die Kroaten das Plündern nicht sparten, befördern zu dürfen. Aller Handel und Gewerbe sind für lange gänzlich gelähmt und die Geldnoth wird mit jedem Tage fühlbarer und drückender. Noch nie hat es das industrielle gewerbthätige Wien so schwer gefühlt, zu welchem wichtigen und bedeutenden Export Italien und Ungarn Gelegenheit und Mittel darbieten, und welche fühlbare Theuerung die Absperrung Ungarns und dadurch auch die der Donaufürstenthümer in den nöthigsten Nahrungsmitteln hervorruft.

(A. O. Z.)
Wien, 7. Nov.

Der Belagerungszustand hat uns mitten in der großen Stadt gleichsam in eine Einöde versetzt. Zeitungen verirren sich zu uns gar keine mehr. Seit 24 Tagen wissen wir von der Außenwelt nicht das Mindeste mehr; ja wir könnten es nicht einmal behaupten, ob das alte Europa noch ganz am alten Flecke stehe; sich oder seine Formen bereits umgewendet habe.

Briefliche Nachrichten, welche uns von einem Offiziere der im südlichen Ungarn stehenden magyarischen Armee zukamen, versichern, daß ungarische Truppen bereits siegreich in Kroatien eingerückt sein sollen.

Man erzählt sich hier, daß in Linz, der Hauptstadt Oberöstreichs, eine Revolution ausgebrochen sei und daß das Volk alle Adligen, die sich von Wien dahin geflüchtet hatten, so wie das Militär aus der Stadt verjagt habe. Baron Welden ist auf die Dauer des Belagerungszustandes zum Gouverneur von Wien ernannt. Der ehemalige Minister Schwarzer wurde gestern verhaftet.

Ollmütz, 3. Nov., Abends.

Die Nachrichten über die Erhebung der Landleute in den deutschen Bezirken Schlesiens nehmen an Gewicht und Schreckbarkeit immer zu. Es treten ganz dieselben Scenen ein, wie bei der galizischen Revolution vom Jahre 1846. Die Obrigkeiten und die obrigkeitlichen Aemter sind lebensgefährlich bedroht, und von den kaiserl. Behörden verlangt das Landvolk nur immer Geld! Geld! Das Militär, von dem ich Ihnen schrieb, daß es aus Teschen dem Aufstande entgegenzog, hat bis jetzt die Ruhe nicht herstellen können, die Flamme wächst und brennt immer mehr. Republikanische Wiener von der einen und Polen von der andern Seite schüren fleißig am Brande. Der Hof gedenkt wahrscheinlich wenigstens über den ganzen Winter hier zu bleiben. Dies deutet auch die Veränderung mit dem hiesigen Telegraphen an. Dieser weilt bei dem eine gute Viertelstunde von der Stadt entlegenen Bahnhofe. Nun wird er aber trotz vieler Schwierigkeiten bis in die Stadt in die Nähe des Hofes, und zwar in die schöne neugebaute Mineurkaserne geführt.

(A. D. Z.)
Olmütz, 7. Nov.

Heute sind 14 Gefangene von der ungarischen Armee aus Göding hier eingebracht worden. Der General Simonic steht bei Göding und zieht Verstärkungen an sich, um gegen die Ungarn mit Nachdruck operiren zu können. ‒ In Kremsier ist der Reichstagsordner Jelen mit den Vorbereitungen für die daselbst beginnenden Reichstagssitzungen beschäftigt. Diese werden im Lehnsaale stattfinden. Die Sitze für die Abgeordneten werden amphitheatralisch übereinandergebaut und dem Präsidentenstuhle gegenüber Gallerien für etwa 300 Personen eingerichtet werden.

(Br. Z.)
Ratibor, 6. Nov.

Von den Operationen der kaiserl. Truppen gegen Ungarn ist bis jetzt nichts Sicheres bekannt geworden; dagegen werden uns bereits die Streitkräfte der Ungarn ziemlich genau angegeben. Die Magyaren sollen im Stande sein, dem Feinde jeden Augenblick 3-400,000 Mann, darunter an 60,000 reguläre Truppen, entgegenzustellen. Letztere bestehen hauptsächlich aus übergetretenen italienischen Regimentern. ‒ Kossuth ist in seinem Lande allmächtig, und seine Beredsamkeit zaubert nicht nur die Mannschaften in begehrter Anzahl herbei, sondern verwandelt auch seine Feinde in seine Freunde. So hat sich ‒ authentischer Mittheilung zufolge ‒ in einer Versammlung ein für 50000 fl. erkaufter Meuchelmörder befunden. Als dieser aber Kossuths Rede gehört, fühlte er sich so begeistert, daß er ihm Alles entdeckte. Bei der Defensive der Ungarn wird der Kaiser sich wohl in Unterhandlungen einlassen müssen, wie Sachverständige meinen; geschieht dies nicht, so dürften wir in Bälde im Südosten, einen Vernichtungskampf der Nationalitäten erleben, wie die Geschichte ihn nur selten aufzuweisen hat. Schon jetzt werden von Augenzeugen entsetzliche Schandthaten erzählt.

(Sch. Z.)
Breslau, 8. Nov. Abends 9 1/2 Uhr.

Eben erhalten wir noch die Wiener Post und zwar von Zeitungen, außer der Wiener Zeitung noch den Oestreichischen Lloyd! Warum der Wendenfürst Windischgrätz letztere Zeitung von dem Belagerungszustande emanzipirt hat, geht aus dem Leitartikel derselben hervor, welcher uns begreiflich machen soll, daß die Sache der Freiheit bei dem Untergange Wiens keinen Schaden genommen hat. Da die Wiener Zeitung als das anerkannte „amtliche“ Organ mit einer solchen Deduktion keinen Effekt gemacht hätte, mußte man irgend ein anderes Blatt erscheinen lassen, welches schamlos genug wäre, der Reaktion Liebesdienste zu erweisen. Der Oestreichische Lloyd hat sich dieser Bevorzugung würdig gemacht.

Die Wiener Zeitung enthält wieder eine Anzahl amtlicher Bekanntmachungen von besonderm Interesse; wir heben nur einige hervor: 1) F.-M.-L. v. Welden ist zur Leitung der für Erhaltung des Belagerungszustandes nöthigen Maßregeln unter dem Titel eines Gouverneurs berufen worden; 2) Loyalitätsadresse der Bürger Korneuburgs an Windischgrätz.

(A. D.-Z.)
Schweidnitz, 5 November.

An die Männer des schlesischen Gebirges.

Mitbürger! Das Schrecklichste ist geschehen! Der Verrath hat gesiegt, Wien ist gefallen und Tausende unserer Brüder, die für das heiligste Gut der Menschheit: die Freiheit gekämpft, sind erbarmungslos hingeschlachtet; selbst der zarten Frauen, der unschuldigen Kindlein hat man nicht geschont, sondern mit Hyänenwuth sie zerfleischt.

O es ist ein Verbrechen begangen worden, das Nichts auf dieser Welt zu sühnen vermag, selbst nicht der Schutt der Throne, von denen herab der Brudermord dekretirt ward. Das fühlende Menschenherz zerspringt voll Wehmuth, wenn es an all' die Gräuel denkt, welche die fluchwürdigste Reaction, die nichtswürdigste Herrschsucht in den jüngsten Tagen verübt; die treueste Mannesbrust kocht über voll Wuth ob des teuflischen Verraths Derer, denen das großherzige Volk bei seinem Freiheitssiege im März mitleidig das Dasein geschenkt; sie kocht über voll Wuth ob des gräßlichen Blutbades, das Jene über das Volk gebracht, welche die heilige Pflicht übernommen hatten, die Freiheit zu schützen, die Bildung zu fördern und den Wohlstand des Volkes zu heben, die aber aus Dankbarkeit für Das, was ihnen die Großmuth des braven Volkes belassen, diesem mit vergifteten Dolchen, mit Kanonen und scharfgeschliffenen Schwertern, mit Schändung, Brand und Mord lohnen.

Mitbürger! Wer trägt aber die meiste Schuld an all' dem Elend, welches jetzt über unsere Brüder in Oesterreich ‒ und auch über uns hereingebrochen?

Wir selbst tragen sie. Denn wir waren zu gutmüthig, zu leichtgläubig, zu sorglos. Wir unterließen es, der Schlange den Kopf zu zertreten, als es noch Zeit war; wir beteten das goldene Kalb auf seinem Throne an, und bedachten nicht, daß wir Götzendienst verrichten; wir lauschten den Tönen des Krokodills und ließen uns in seinen Rachen locken.

Ha! Was ist nicht Alles schon in den jüngsten Monden geschehen, und was kann nicht Alles noch geschehen? Wollen wir weiter schlafen und das Klirren der Mordwerkzeuge unserer teuflischen Feinde nicht hören und beachten? Wollen wir sorglos die Hände im Schooße liegen und uns die Haut von den Knochen ziehen, den letzten Blutstropfen aus unsern Adern saugen lassen? Wollen wir die Tyrannen fortschlachten und die asiatische Knute zur Herrschaft über uns freie Männer bringen lassen? Soll denn in der That ein Völkerstamm nach dem andern hingemordet, das freie schöne Deutschland in eine Schlächtergrube verwandelt, das civilisirte Europa zum Golgatha der Barbarei gemacht werden??

Nein! Nein und tausend Mal Nein!

Nun wohlauf denn! Laßt uns sühnen, was wir verschuldet! Laßt uns Gericht halten, ehe es „zu spät“ wird!

In Polen war das große Trauerspiel der Contre-Revolution begonnen, in Schweidnitz, Mainz, Prag und anderen Städten Deutschlands einzelne Scenen aufgeführt und in Wien der zweite Akt dieses Tnauerspiels vollendet. Jetzt sind wir an der blutigen Reihe. Berlin und Schlesien werden der Schauplatz des dritten Aktes sein.

Darum auf, Ihr wackern Männer des Gebirges! Auf! rüstet Euch, damit Euch der Schlag nicht unvorbereitet trifft! Bedenkt, wie man bisher Euer Dasein, Eure Existenz gesichert, wie man mit dem Hungertuche für Euch gesorgt hat! Bedenkt, wie all' Euer Bitten ungehört, wie all' Euer Mühen und Sorgen vergebens gewesen, wie so viele Eurer Brüder und Schwestern dem Elend und dem Hungertode zum Raub geworden sind! Und durch wen? Durch die, für welche Ihr bisher Tag und Nacht gearbeitet, für welche Ihr gedarbt und gehungert, die Ihr mit Eurem Herzblut getränkt, mit Eurer nackten Brust geschützt habt, und zwar ‒ wie Ihr seht ‒ nur deshalb, damit sie Eure Freiheit untergraben, Euch und Eure Brüder morden können.

Auf! Männer des Gebirges! Machet die Sache Oesterreichs zu der Eurigen! Helfet die deutsche Sache, helfet die Sache der Freiheit retten! In Berlin will in diesen Tagen die Natterbrut „Kamarilla“ den Schlag gegen das Volk ausführen, über dem sie seit Monden brütet. Berlin soll wie Wien ein zweites Magdeburg werden; unter seinen Trümmern soll die Freiheit begraben werden. Und die Schlesier sollen das große Leichentuch weben.

Mitbürger! Duldet dies nicht! Eure Schmach wäre ohne Gränzen, die Nachwelt würde Euch fluchen, so wie sie Euch lohnen wird, wenn Ihr für die Freiheit und Menschlichkeit Euren schützenden Arm jetzt erhebt. Unsere Berge können uns nicht mehr schützen, wir müssen uns und die Unsrigen selbst schützen! Auf! Laßt uns darum handeln, ehe es „zu spät“ ist.

Damit wir aber nicht vereinzelt handeln und so am Ende aufgerieben werden, damit wir vielmehr vereint den nahenden Stürmen und Ungewittern gleich einer ehernen Mauer die Spitze bieten können, ist es nothwendig, daß wir uns über die Schutz- und Vertheidigungs-Maaßregeln besprechen und verständigen.

Wir fordern demnach alle Führer der demokratischen Partei, alle Präsidenten der demokratischen Vereine, der Landwehr- und Bürger-Vereine, so-

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        <head>[Deutschland]</head>
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          <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> Mord Hinzielendes gefunden werden. (Der Kommunismus ist bei unseren märkischen Beamten natürlich Hochverrath laut des Bundestagsbeschlusses vom vorigen Jahre). Also, um Gotteswillen etwas Kommunismus herausgestöbert. Und denken Sie sich! was Niemanden gelang, ist Hrn. Zahn, unserem Bürgermeister gelungen. Dieser brave Mann, welcher gewiß nicht das Pulver erfunden hat, soll gleichwohl im Handwerkerverein &#x201E;<hi rendition="#g">ein wenig</hi>&#x201C; Kommunismus entdeckt haben!</p>
          <p>Es gehört aber auch die feine Spürnase des Hrn. Zahn dazu. Die Verdienste des Hrn. Möller sind schon anerkannt worden (wenn es wahr ist, daß Hr. Möller Minister geworden); Herr Reesen wird seinen Lohn bei der Eisenbahn finden; er kann sich darauf verlassen. Aber wie kann Hr. Zahn belohnt werden, wenn der rothe Adlerorden abgeschafft werden soll?</p>
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        <div xml:id="ar141_005" type="jArticle">
          <head>Wien, 7. Nov.</head>
          <p>Auf die vom Stadt-Kommando an Jelachich übergebenen Klagen mehrerer Einwohner, welche sich über Exzesse und Beschädigungen durch kroatische Truppen beschweren, hat der Ban folgendes erwidert: &#x201E;Mein armes Vaterland hat zur Rettung der Gesammt-Monarchie unermeßliche Opfer gebracht. Kroatien hat seine Söhne in der bedrängtesten Zeit auf eigene Kosten bewaffnet, und der unglückliche General Latour mußte sein Leben schändlicherweise aufgeben, als er sich endlich herbeiließ, anzuerkennen, daß die Kroaten kaiserliche Truppen seien. Wien und die kaiserliche Burg ist durch meine Truppen erstürmt worden, eine Stunde später, und die Rebellen hätten die Burg, wie es offen im Reichstag durch Schuselka verkündet worden war, so wie die ganze Stadt, in Flammen gesetzt. Die Truppen lagern noch heute im Freien, und sind der strengsten Witterung ausgesetzt. Wenn einzelne Exzesse vorgefallen sind, so sind sie Folge der schrecklichen Wuth der Soldaten über die verletzte Kapitulation, ein ewiger Schandfleck der Wiener Bevölkerung. Man möge die Entschädigung bei den Rebellen suchen.&#x201C;</p>
          <p>Der Feldmarschall-Lieutenant v. Welden ist zum Gouverneur von Wien ernannt worden. Der Gemeinderath macht bekannt, daß arbeitslose und bedürftige Individuen an bestimmten Orten, die durch besondere Anschläge bezeichnet werden würden, Arbeit bekommen könnten.</p>
          <p>Die ärarische Brücke an der Donau ist wieder fahrbar gemacht und an der Wiederherstellung der Eisenbahnbrücke wird fleißig gearbeitet. &#x2012; Wer unter den entwaffneten Proletariern kriegstauglich anerkannt wird, den steckt man sogleich in die gelichteten Reihen des Militärs. &#x2012; Uebrigens herrscht jetzt in Wien unter der Bevölkerung die Stille eines Friedhofes. &#x2012; Ein Gerücht ging umher, daß Smolka und Borrosch verhaftet worden seien, um über die Mörder Latour's Auskunft zu ertheilen. Wir halten dies aber für ein Schreckenmärchen. &#x2012; Eine andere Nachricht erzählt, daß sich die Studenten durch Verkleidung und Rasiren der Bärte ganz unkenntlich gemacht und dadurch zum Theile den Truppen, so wie auch dem gegen sie im letzten Augenblicke aufgestachelten Proletariate entgangen seien. Viele geriethen dennoch in die Haft des Windischgrätz. Durch eine strenge Hausvisitation forschte man nach Pulver und Waffen, so wie nach den Gravirten, von denen eine lange Liste angefertigt ist. Die Meisten derselben sind Journalisten. &#x2012; Seit dem 22. Oktober sind bei 100,000 Menschen von Wien weg. Viele derselben werden wohl von den Familien vergeblich zurückerwartet. Die Zahl der Gefallenen wird von den Bezirks-Aerzten auf 6000 berechnet. &#x2012; Das Proletariat hat im Ganzen dem Grundsatze: &#x201E;Heilig sei das Eigenthum!&#x201C; nach dem Zeugnisse aller, die sonst nicht seine Freunde sind, gehuldigt. Man wußte, welche Schätze an Metall und Banknoten in der Bank lagen und Niemand ließ eine bedrohliche Aeußerung hierüber fallen. &#x2012; Die Verhaftungen dauern fort. Unter den bereits eingezogenen Personen nennt man die Frankfurter Deputirten Blum und Fröbel. &#x2012; Professor Füster, Oberkommandant Messenhauser und sein Generalstäbler Fenneberg, &#x2012; Hauk, Grüzner, Taufenau, Berger, Terzky, Redakteur der Gassenzeitung u. m. a., die bei der ultra-radikalen Journalistik betheiligt waren, sind verhaftet worden. &#x2012; Der Kommandant der akademischen Legion, Aigner, zog den Tod der Gefangenschaft vor, und hat durch einen Schuß seinem Leben freiwillig ein Ende gemacht. &#x2012; Die meisten Reichstagsdeputirten erhoben Pässe und sind von Wien abgereist; ob in die Heimath oder nach Kremsier, ist uns nicht bekannt.</p>
          <p>Die obige Mittheilung meldet, daß Messenhauser gefangen sei, eine andere behauptet aber: &#x201E;Die Häupter des Aufstandes hat man noch nicht. Bem, Messenhauser, Haugh, Schütte, Pulszky, Becher und Tausenau werden noch gesucht. Der Mörder Latour's ein Schlosser, ist ergriffen. Der Nationalgardist Padowani, Ranftls Bruder, und die lange zuvor als Nationaleigenthum erklärte Perin sind verhaftet. Im Odeon sollen durch Einsturz viel Studenten das Leben eingebüßt haben. Das Burgthor ist wie ein Sieb durchlöchert, einige Säulen beschädigt. In der Facade der Burg stecken 80 Kugeln. In's Schwarzenberg'sche Palais fielen zwei Brandraketen nieder, ohne zu zünden. Eine Bombe hingegen zerschmetterte im Zimmer der Fürstin das ganze chinesische Porzellan. Der Hauptangriff hatte vom Burg- und Kärtnerthor stattgefunden. Der Banus machte nach Einnahme der innern Stadt eine Fahrt durch die Burg, Kohlmarkt und den Graben. Seine Truppen, mit Ausnahme von 5 Bataillons Gränzern, welche einstweilen in Wien bleiben, marschiren schon gegen Ungarn. Die Reichstagsabgeordneten schicken sich zur Reise nach Kremsier an. Selbst diejenigen, welche den Protest unterzeichneten, wollen gehen. Der Präsident will dann erst alles einpacken lassen, wenn der Bescheid über die Vorstellung einlangt. Zeitungen dürfen nicht erscheinen; daß Montag ein Abendblatt der Wiener Zeitung erschien, geschah in Folge besonderer Bewilligung des Windischgrätz. Den Reichstagssaal ließ General Cordon sperren. Heute und morgen ist Generalnachsuchung nach Waffen und Verdächtigen. Der Adjutant Bem's wurde sammt seiner schönen Frau aus seinem Verstecke, einem Stalle des Gasthauses zum Erzherzog Karl, hervorgeschleppt. <hi rendition="#g">Juden, vorher an der Spitze der Bewegung, machen jetzt die Angeber.</hi> Eine Masse des Proletariats wurde unter die Kroaten gesteckt und an die ungarische Gränze geschickt. Der Kommandant des ungarischen Korps wurde gestern gefänglich eingezogen. &#x2012; In aller Frühe wurden heut die Frankfurter Deputirten der Linken, Fröbel und Blum, aus ihrem Hotel zur Stadt London abgeholt und in's Hauptquartier nach Schönbrunn gebracht. Gestern wurden Emissäre Kossuth's, Namens Berger und der Redakteur der Gassenzeitung, Terczky, festgenommen. Morgen zieht bereits eine Abtheilung der kroatischen Armee in ihre Heimath zurück. Aus Ungarn fehlen alle direkten Nachrichten, da die Posten unterbrochen sind. Kossuth, Pazmandy und Pulszky leiten die dortigen Angelegenheiten.</p>
          <bibl>(Bresl. Z.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar141_006" type="jArticle">
          <head>Wien, 7. Nov.</head>
          <p>Preßburg, welches den ersten Angriff der kaiserl. Armee zu bestehen hatte, soll sich, so wurde erzählt, gleich bei der ersten Aufforderung des Generals Zerbelloni ergeben haben.</p>
          <p>Bis heute konnten die Eisenbahn- und Dampfschifffahrts-Gesellschaften von Fürst Windischgrätz noch immer nicht die Erlaubniß erhalten, die staunenswerth großen Massen von Waarengüter aller Art, in welchen auch die Kroaten das Plündern nicht sparten, befördern zu dürfen. Aller Handel und Gewerbe sind für lange gänzlich gelähmt und die Geldnoth wird mit jedem Tage fühlbarer und drückender. Noch nie hat es das industrielle gewerbthätige Wien so schwer gefühlt, zu welchem wichtigen und bedeutenden Export Italien und Ungarn Gelegenheit und Mittel darbieten, und welche fühlbare Theuerung die Absperrung Ungarns und dadurch auch die der Donaufürstenthümer in den nöthigsten Nahrungsmitteln hervorruft.</p>
          <bibl>(A. O. Z.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar141_007" type="jArticle">
          <head>Wien, 7. Nov.</head>
          <p>Der Belagerungszustand hat uns mitten in der großen Stadt gleichsam in eine Einöde versetzt. Zeitungen verirren sich zu uns gar keine mehr. Seit 24 Tagen wissen wir von der Außenwelt nicht das Mindeste mehr; ja wir könnten es nicht einmal behaupten, ob das alte Europa noch ganz am alten Flecke stehe; sich oder seine Formen bereits umgewendet habe.</p>
          <p>Briefliche Nachrichten, welche uns von einem Offiziere der im südlichen Ungarn stehenden magyarischen Armee zukamen, versichern, daß ungarische Truppen bereits siegreich in Kroatien eingerückt sein sollen.</p>
          <p>Man erzählt sich hier, daß in Linz, der Hauptstadt Oberöstreichs, eine Revolution ausgebrochen sei und daß das Volk alle Adligen, die sich von Wien dahin geflüchtet hatten, so wie das Militär aus der Stadt verjagt habe. Baron Welden ist auf die Dauer des Belagerungszustandes zum Gouverneur von Wien ernannt. Der ehemalige Minister Schwarzer wurde gestern verhaftet.</p>
        </div>
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          <head>Ollmütz, 3. Nov., Abends.</head>
          <p>Die Nachrichten über die Erhebung der Landleute in den deutschen Bezirken Schlesiens nehmen an Gewicht und Schreckbarkeit immer zu. Es treten ganz dieselben Scenen ein, wie bei der galizischen Revolution vom Jahre 1846. Die Obrigkeiten und die obrigkeitlichen Aemter sind lebensgefährlich bedroht, und von den kaiserl. Behörden verlangt das Landvolk nur immer Geld! Geld! Das Militär, von dem ich Ihnen schrieb, daß es aus Teschen dem Aufstande entgegenzog, hat bis jetzt die Ruhe nicht herstellen können, die Flamme wächst und brennt immer mehr. Republikanische Wiener von der einen und Polen von der andern Seite schüren fleißig am Brande. Der Hof gedenkt wahrscheinlich wenigstens über den ganzen Winter hier zu bleiben. Dies deutet auch die Veränderung mit dem hiesigen Telegraphen an. Dieser weilt bei dem eine gute Viertelstunde von der Stadt entlegenen Bahnhofe. Nun wird er aber trotz vieler Schwierigkeiten bis in die Stadt in die Nähe des Hofes, und zwar in die schöne neugebaute Mineurkaserne geführt.</p>
          <bibl>(A. D. Z.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar141_009" type="jArticle">
          <head>Olmütz, 7. Nov.</head>
          <p>Heute sind 14 Gefangene von der ungarischen Armee aus Göding hier eingebracht worden. Der General Simonic steht bei Göding und zieht Verstärkungen an sich, um gegen die Ungarn mit Nachdruck operiren zu können. &#x2012; In Kremsier ist der Reichstagsordner <hi rendition="#g">Jelen</hi> mit den Vorbereitungen für die daselbst beginnenden Reichstagssitzungen beschäftigt. Diese werden im Lehnsaale stattfinden. Die Sitze für die Abgeordneten werden amphitheatralisch übereinandergebaut und dem Präsidentenstuhle gegenüber Gallerien für etwa 300 Personen eingerichtet werden.</p>
          <bibl>(Br. Z.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar141_010" type="jArticle">
          <head>Ratibor, 6. Nov.</head>
          <p>Von den Operationen der kaiserl. Truppen gegen Ungarn ist bis jetzt nichts Sicheres bekannt geworden; dagegen werden uns bereits die Streitkräfte der Ungarn ziemlich genau angegeben. Die Magyaren sollen im Stande sein, dem Feinde jeden Augenblick 3-400,000 Mann, darunter an 60,000 reguläre Truppen, entgegenzustellen. Letztere bestehen hauptsächlich aus übergetretenen italienischen Regimentern. &#x2012; Kossuth ist in seinem Lande allmächtig, und seine Beredsamkeit zaubert nicht nur die Mannschaften in begehrter Anzahl herbei, sondern verwandelt auch seine Feinde in seine Freunde. So hat sich &#x2012; authentischer Mittheilung zufolge &#x2012; in einer Versammlung ein für 50000 fl. erkaufter Meuchelmörder befunden. Als dieser aber Kossuths Rede gehört, fühlte er sich so begeistert, daß er ihm Alles entdeckte. Bei der Defensive der Ungarn wird der Kaiser sich wohl in Unterhandlungen einlassen müssen, wie Sachverständige meinen; geschieht dies nicht, so dürften wir in Bälde im Südosten, einen Vernichtungskampf der Nationalitäten erleben, wie die Geschichte ihn nur selten aufzuweisen hat. Schon jetzt werden von Augenzeugen entsetzliche Schandthaten erzählt.</p>
          <bibl>(Sch. Z.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar141_011" type="jArticle">
          <head>Breslau, 8. Nov. Abends 9 1/2 Uhr.</head>
          <p>Eben erhalten wir noch die Wiener Post und zwar von Zeitungen, außer der Wiener Zeitung noch den Oestreichischen Lloyd! Warum der Wendenfürst Windischgrätz letztere Zeitung von dem Belagerungszustande emanzipirt hat, geht aus dem Leitartikel derselben hervor, welcher uns begreiflich machen soll, daß die Sache der Freiheit bei dem Untergange Wiens keinen Schaden genommen hat. Da die Wiener Zeitung als das anerkannte &#x201E;amtliche&#x201C; Organ mit einer solchen Deduktion keinen Effekt gemacht hätte, mußte man irgend ein anderes Blatt erscheinen lassen, welches schamlos genug wäre, der Reaktion Liebesdienste zu erweisen. Der Oestreichische Lloyd hat sich dieser Bevorzugung würdig gemacht.</p>
          <p>Die Wiener Zeitung enthält wieder eine Anzahl amtlicher Bekanntmachungen von besonderm Interesse; wir heben nur einige hervor: 1) F.-M.-L. v. Welden ist zur Leitung der für Erhaltung des Belagerungszustandes nöthigen Maßregeln unter dem Titel eines Gouverneurs berufen worden; 2) Loyalitätsadresse der Bürger Korneuburgs an Windischgrätz.</p>
          <bibl>(A. D.-Z.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar141_012" type="jArticle">
          <head>Schweidnitz, 5 November.</head>
          <p>An die Männer des schlesischen Gebirges.</p>
          <p>Mitbürger! Das Schrecklichste ist geschehen! Der Verrath hat gesiegt, Wien ist gefallen und Tausende unserer Brüder, die für das heiligste Gut der Menschheit: die Freiheit gekämpft, sind erbarmungslos hingeschlachtet; selbst der zarten Frauen, der unschuldigen Kindlein hat man nicht geschont, sondern mit Hyänenwuth sie zerfleischt.</p>
          <p>O es ist ein Verbrechen begangen worden, das Nichts auf dieser Welt zu sühnen vermag, selbst nicht der Schutt der Throne, von denen herab der Brudermord dekretirt ward. Das fühlende Menschenherz zerspringt voll Wehmuth, wenn es an all' die Gräuel denkt, welche die fluchwürdigste Reaction, die nichtswürdigste Herrschsucht in den jüngsten Tagen verübt; die treueste Mannesbrust kocht über voll Wuth ob des teuflischen Verraths Derer, denen das großherzige Volk bei seinem Freiheitssiege im März mitleidig das Dasein geschenkt; sie kocht über voll Wuth ob des gräßlichen Blutbades, das Jene über das Volk gebracht, welche die heilige Pflicht übernommen hatten, die Freiheit zu schützen, die Bildung zu fördern und den Wohlstand des Volkes zu heben, die aber aus Dankbarkeit für Das, was ihnen die Großmuth des braven Volkes belassen, diesem mit vergifteten Dolchen, mit Kanonen und scharfgeschliffenen Schwertern, mit Schändung, Brand und Mord lohnen.</p>
          <p>Mitbürger! Wer trägt aber die meiste Schuld an all' dem Elend, welches jetzt über unsere Brüder in Oesterreich &#x2012; und auch über uns hereingebrochen?</p>
          <p>Wir selbst tragen sie. Denn wir waren zu gutmüthig, zu leichtgläubig, zu sorglos. Wir unterließen es, der Schlange den Kopf zu zertreten, als es noch Zeit war; wir beteten das goldene Kalb auf seinem Throne an, und bedachten nicht, daß wir Götzendienst verrichten; wir lauschten den Tönen des Krokodills und ließen uns in seinen Rachen locken.</p>
          <p>Ha! Was ist nicht Alles schon in den jüngsten Monden geschehen, und was kann nicht Alles noch geschehen? Wollen wir weiter schlafen und das Klirren der Mordwerkzeuge unserer teuflischen Feinde nicht hören und beachten? Wollen wir sorglos die Hände im Schooße liegen und uns die Haut von den Knochen ziehen, den letzten Blutstropfen aus unsern Adern saugen lassen? Wollen wir die Tyrannen fortschlachten und die asiatische Knute zur Herrschaft über uns freie Männer bringen lassen? Soll denn in der That ein Völkerstamm nach dem andern hingemordet, das freie schöne Deutschland in eine Schlächtergrube verwandelt, das civilisirte Europa zum Golgatha der Barbarei gemacht werden??</p>
          <p>Nein! Nein und tausend Mal Nein!</p>
          <p>Nun wohlauf denn! Laßt uns sühnen, was wir verschuldet! Laßt uns Gericht halten, ehe es &#x201E;zu spät&#x201C; wird!</p>
          <p>In Polen war das große Trauerspiel der Contre-Revolution begonnen, in Schweidnitz, Mainz, Prag und anderen Städten Deutschlands einzelne Scenen aufgeführt und in Wien der zweite Akt dieses Tnauerspiels vollendet. Jetzt sind <hi rendition="#g">wir</hi> an der blutigen Reihe. Berlin und Schlesien werden der Schauplatz des dritten Aktes sein.</p>
          <p>Darum auf, Ihr wackern Männer des Gebirges! Auf! rüstet Euch, damit Euch der Schlag nicht unvorbereitet trifft! Bedenkt, wie man bisher Euer Dasein, Eure Existenz gesichert, wie man mit dem Hungertuche für Euch gesorgt hat! Bedenkt, wie all' Euer Bitten ungehört, wie all' Euer Mühen und Sorgen vergebens gewesen, wie so viele Eurer Brüder und Schwestern dem Elend und dem Hungertode zum Raub geworden sind! Und durch wen? Durch die, für welche Ihr bisher Tag und Nacht gearbeitet, für welche Ihr gedarbt und gehungert, die Ihr mit Eurem Herzblut getränkt, mit Eurer nackten Brust geschützt habt, und zwar &#x2012; wie Ihr seht &#x2012; nur deshalb, damit sie Eure Freiheit untergraben, Euch und Eure Brüder morden können.</p>
          <p>Auf! Männer des Gebirges! Machet die Sache Oesterreichs zu der Eurigen! Helfet die deutsche Sache, helfet die Sache der Freiheit retten! In Berlin will in diesen Tagen die Natterbrut &#x201E;Kamarilla&#x201C; den Schlag gegen das Volk ausführen, über dem sie seit Monden brütet. Berlin soll wie Wien ein zweites Magdeburg werden; unter seinen Trümmern soll die Freiheit begraben werden. Und die Schlesier sollen das große Leichentuch weben.</p>
          <p>Mitbürger! Duldet dies nicht! Eure Schmach wäre ohne Gränzen, die Nachwelt würde Euch fluchen, so wie sie Euch lohnen wird, wenn Ihr für die Freiheit und Menschlichkeit Euren schützenden Arm jetzt erhebt. Unsere Berge können uns nicht mehr schützen, wir müssen uns und die Unsrigen selbst schützen! Auf! Laßt uns darum handeln, ehe es &#x201E;zu spät&#x201C; ist.</p>
          <p>Damit wir aber nicht vereinzelt handeln und so am Ende aufgerieben werden, damit wir vielmehr vereint den nahenden Stürmen und Ungewittern gleich einer ehernen Mauer die Spitze bieten können, ist es nothwendig, daß wir uns über die Schutz- und Vertheidigungs-Maaßregeln besprechen und verständigen.</p>
          <p>Wir fordern demnach alle Führer der demokratischen Partei, alle Präsidenten der demokratischen Vereine, der Landwehr- und Bürger-Vereine, so-
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[0724/0003] [Deutschland] [Fortsetzung] Mord Hinzielendes gefunden werden. (Der Kommunismus ist bei unseren märkischen Beamten natürlich Hochverrath laut des Bundestagsbeschlusses vom vorigen Jahre). Also, um Gotteswillen etwas Kommunismus herausgestöbert. Und denken Sie sich! was Niemanden gelang, ist Hrn. Zahn, unserem Bürgermeister gelungen. Dieser brave Mann, welcher gewiß nicht das Pulver erfunden hat, soll gleichwohl im Handwerkerverein „ein wenig“ Kommunismus entdeckt haben! Es gehört aber auch die feine Spürnase des Hrn. Zahn dazu. Die Verdienste des Hrn. Möller sind schon anerkannt worden (wenn es wahr ist, daß Hr. Möller Minister geworden); Herr Reesen wird seinen Lohn bei der Eisenbahn finden; er kann sich darauf verlassen. Aber wie kann Hr. Zahn belohnt werden, wenn der rothe Adlerorden abgeschafft werden soll? Wien, 7. Nov. Auf die vom Stadt-Kommando an Jelachich übergebenen Klagen mehrerer Einwohner, welche sich über Exzesse und Beschädigungen durch kroatische Truppen beschweren, hat der Ban folgendes erwidert: „Mein armes Vaterland hat zur Rettung der Gesammt-Monarchie unermeßliche Opfer gebracht. Kroatien hat seine Söhne in der bedrängtesten Zeit auf eigene Kosten bewaffnet, und der unglückliche General Latour mußte sein Leben schändlicherweise aufgeben, als er sich endlich herbeiließ, anzuerkennen, daß die Kroaten kaiserliche Truppen seien. Wien und die kaiserliche Burg ist durch meine Truppen erstürmt worden, eine Stunde später, und die Rebellen hätten die Burg, wie es offen im Reichstag durch Schuselka verkündet worden war, so wie die ganze Stadt, in Flammen gesetzt. Die Truppen lagern noch heute im Freien, und sind der strengsten Witterung ausgesetzt. Wenn einzelne Exzesse vorgefallen sind, so sind sie Folge der schrecklichen Wuth der Soldaten über die verletzte Kapitulation, ein ewiger Schandfleck der Wiener Bevölkerung. Man möge die Entschädigung bei den Rebellen suchen.“ Der Feldmarschall-Lieutenant v. Welden ist zum Gouverneur von Wien ernannt worden. Der Gemeinderath macht bekannt, daß arbeitslose und bedürftige Individuen an bestimmten Orten, die durch besondere Anschläge bezeichnet werden würden, Arbeit bekommen könnten. Die ärarische Brücke an der Donau ist wieder fahrbar gemacht und an der Wiederherstellung der Eisenbahnbrücke wird fleißig gearbeitet. ‒ Wer unter den entwaffneten Proletariern kriegstauglich anerkannt wird, den steckt man sogleich in die gelichteten Reihen des Militärs. ‒ Uebrigens herrscht jetzt in Wien unter der Bevölkerung die Stille eines Friedhofes. ‒ Ein Gerücht ging umher, daß Smolka und Borrosch verhaftet worden seien, um über die Mörder Latour's Auskunft zu ertheilen. Wir halten dies aber für ein Schreckenmärchen. ‒ Eine andere Nachricht erzählt, daß sich die Studenten durch Verkleidung und Rasiren der Bärte ganz unkenntlich gemacht und dadurch zum Theile den Truppen, so wie auch dem gegen sie im letzten Augenblicke aufgestachelten Proletariate entgangen seien. Viele geriethen dennoch in die Haft des Windischgrätz. Durch eine strenge Hausvisitation forschte man nach Pulver und Waffen, so wie nach den Gravirten, von denen eine lange Liste angefertigt ist. Die Meisten derselben sind Journalisten. ‒ Seit dem 22. Oktober sind bei 100,000 Menschen von Wien weg. Viele derselben werden wohl von den Familien vergeblich zurückerwartet. Die Zahl der Gefallenen wird von den Bezirks-Aerzten auf 6000 berechnet. ‒ Das Proletariat hat im Ganzen dem Grundsatze: „Heilig sei das Eigenthum!“ nach dem Zeugnisse aller, die sonst nicht seine Freunde sind, gehuldigt. Man wußte, welche Schätze an Metall und Banknoten in der Bank lagen und Niemand ließ eine bedrohliche Aeußerung hierüber fallen. ‒ Die Verhaftungen dauern fort. Unter den bereits eingezogenen Personen nennt man die Frankfurter Deputirten Blum und Fröbel. ‒ Professor Füster, Oberkommandant Messenhauser und sein Generalstäbler Fenneberg, ‒ Hauk, Grüzner, Taufenau, Berger, Terzky, Redakteur der Gassenzeitung u. m. a., die bei der ultra-radikalen Journalistik betheiligt waren, sind verhaftet worden. ‒ Der Kommandant der akademischen Legion, Aigner, zog den Tod der Gefangenschaft vor, und hat durch einen Schuß seinem Leben freiwillig ein Ende gemacht. ‒ Die meisten Reichstagsdeputirten erhoben Pässe und sind von Wien abgereist; ob in die Heimath oder nach Kremsier, ist uns nicht bekannt. Die obige Mittheilung meldet, daß Messenhauser gefangen sei, eine andere behauptet aber: „Die Häupter des Aufstandes hat man noch nicht. Bem, Messenhauser, Haugh, Schütte, Pulszky, Becher und Tausenau werden noch gesucht. Der Mörder Latour's ein Schlosser, ist ergriffen. Der Nationalgardist Padowani, Ranftls Bruder, und die lange zuvor als Nationaleigenthum erklärte Perin sind verhaftet. Im Odeon sollen durch Einsturz viel Studenten das Leben eingebüßt haben. Das Burgthor ist wie ein Sieb durchlöchert, einige Säulen beschädigt. In der Facade der Burg stecken 80 Kugeln. In's Schwarzenberg'sche Palais fielen zwei Brandraketen nieder, ohne zu zünden. Eine Bombe hingegen zerschmetterte im Zimmer der Fürstin das ganze chinesische Porzellan. Der Hauptangriff hatte vom Burg- und Kärtnerthor stattgefunden. Der Banus machte nach Einnahme der innern Stadt eine Fahrt durch die Burg, Kohlmarkt und den Graben. Seine Truppen, mit Ausnahme von 5 Bataillons Gränzern, welche einstweilen in Wien bleiben, marschiren schon gegen Ungarn. Die Reichstagsabgeordneten schicken sich zur Reise nach Kremsier an. Selbst diejenigen, welche den Protest unterzeichneten, wollen gehen. Der Präsident will dann erst alles einpacken lassen, wenn der Bescheid über die Vorstellung einlangt. Zeitungen dürfen nicht erscheinen; daß Montag ein Abendblatt der Wiener Zeitung erschien, geschah in Folge besonderer Bewilligung des Windischgrätz. Den Reichstagssaal ließ General Cordon sperren. Heute und morgen ist Generalnachsuchung nach Waffen und Verdächtigen. Der Adjutant Bem's wurde sammt seiner schönen Frau aus seinem Verstecke, einem Stalle des Gasthauses zum Erzherzog Karl, hervorgeschleppt. Juden, vorher an der Spitze der Bewegung, machen jetzt die Angeber. Eine Masse des Proletariats wurde unter die Kroaten gesteckt und an die ungarische Gränze geschickt. Der Kommandant des ungarischen Korps wurde gestern gefänglich eingezogen. ‒ In aller Frühe wurden heut die Frankfurter Deputirten der Linken, Fröbel und Blum, aus ihrem Hotel zur Stadt London abgeholt und in's Hauptquartier nach Schönbrunn gebracht. Gestern wurden Emissäre Kossuth's, Namens Berger und der Redakteur der Gassenzeitung, Terczky, festgenommen. Morgen zieht bereits eine Abtheilung der kroatischen Armee in ihre Heimath zurück. Aus Ungarn fehlen alle direkten Nachrichten, da die Posten unterbrochen sind. Kossuth, Pazmandy und Pulszky leiten die dortigen Angelegenheiten. (Bresl. Z.) Wien, 7. Nov. Preßburg, welches den ersten Angriff der kaiserl. Armee zu bestehen hatte, soll sich, so wurde erzählt, gleich bei der ersten Aufforderung des Generals Zerbelloni ergeben haben. Bis heute konnten die Eisenbahn- und Dampfschifffahrts-Gesellschaften von Fürst Windischgrätz noch immer nicht die Erlaubniß erhalten, die staunenswerth großen Massen von Waarengüter aller Art, in welchen auch die Kroaten das Plündern nicht sparten, befördern zu dürfen. Aller Handel und Gewerbe sind für lange gänzlich gelähmt und die Geldnoth wird mit jedem Tage fühlbarer und drückender. Noch nie hat es das industrielle gewerbthätige Wien so schwer gefühlt, zu welchem wichtigen und bedeutenden Export Italien und Ungarn Gelegenheit und Mittel darbieten, und welche fühlbare Theuerung die Absperrung Ungarns und dadurch auch die der Donaufürstenthümer in den nöthigsten Nahrungsmitteln hervorruft. (A. O. Z.) Wien, 7. Nov. Der Belagerungszustand hat uns mitten in der großen Stadt gleichsam in eine Einöde versetzt. Zeitungen verirren sich zu uns gar keine mehr. Seit 24 Tagen wissen wir von der Außenwelt nicht das Mindeste mehr; ja wir könnten es nicht einmal behaupten, ob das alte Europa noch ganz am alten Flecke stehe; sich oder seine Formen bereits umgewendet habe. Briefliche Nachrichten, welche uns von einem Offiziere der im südlichen Ungarn stehenden magyarischen Armee zukamen, versichern, daß ungarische Truppen bereits siegreich in Kroatien eingerückt sein sollen. Man erzählt sich hier, daß in Linz, der Hauptstadt Oberöstreichs, eine Revolution ausgebrochen sei und daß das Volk alle Adligen, die sich von Wien dahin geflüchtet hatten, so wie das Militär aus der Stadt verjagt habe. Baron Welden ist auf die Dauer des Belagerungszustandes zum Gouverneur von Wien ernannt. Der ehemalige Minister Schwarzer wurde gestern verhaftet. Ollmütz, 3. Nov., Abends. Die Nachrichten über die Erhebung der Landleute in den deutschen Bezirken Schlesiens nehmen an Gewicht und Schreckbarkeit immer zu. Es treten ganz dieselben Scenen ein, wie bei der galizischen Revolution vom Jahre 1846. Die Obrigkeiten und die obrigkeitlichen Aemter sind lebensgefährlich bedroht, und von den kaiserl. Behörden verlangt das Landvolk nur immer Geld! Geld! Das Militär, von dem ich Ihnen schrieb, daß es aus Teschen dem Aufstande entgegenzog, hat bis jetzt die Ruhe nicht herstellen können, die Flamme wächst und brennt immer mehr. Republikanische Wiener von der einen und Polen von der andern Seite schüren fleißig am Brande. Der Hof gedenkt wahrscheinlich wenigstens über den ganzen Winter hier zu bleiben. Dies deutet auch die Veränderung mit dem hiesigen Telegraphen an. Dieser weilt bei dem eine gute Viertelstunde von der Stadt entlegenen Bahnhofe. Nun wird er aber trotz vieler Schwierigkeiten bis in die Stadt in die Nähe des Hofes, und zwar in die schöne neugebaute Mineurkaserne geführt. (A. D. Z.) Olmütz, 7. Nov. Heute sind 14 Gefangene von der ungarischen Armee aus Göding hier eingebracht worden. Der General Simonic steht bei Göding und zieht Verstärkungen an sich, um gegen die Ungarn mit Nachdruck operiren zu können. ‒ In Kremsier ist der Reichstagsordner Jelen mit den Vorbereitungen für die daselbst beginnenden Reichstagssitzungen beschäftigt. Diese werden im Lehnsaale stattfinden. Die Sitze für die Abgeordneten werden amphitheatralisch übereinandergebaut und dem Präsidentenstuhle gegenüber Gallerien für etwa 300 Personen eingerichtet werden. (Br. Z.) Ratibor, 6. Nov. Von den Operationen der kaiserl. Truppen gegen Ungarn ist bis jetzt nichts Sicheres bekannt geworden; dagegen werden uns bereits die Streitkräfte der Ungarn ziemlich genau angegeben. Die Magyaren sollen im Stande sein, dem Feinde jeden Augenblick 3-400,000 Mann, darunter an 60,000 reguläre Truppen, entgegenzustellen. Letztere bestehen hauptsächlich aus übergetretenen italienischen Regimentern. ‒ Kossuth ist in seinem Lande allmächtig, und seine Beredsamkeit zaubert nicht nur die Mannschaften in begehrter Anzahl herbei, sondern verwandelt auch seine Feinde in seine Freunde. So hat sich ‒ authentischer Mittheilung zufolge ‒ in einer Versammlung ein für 50000 fl. erkaufter Meuchelmörder befunden. Als dieser aber Kossuths Rede gehört, fühlte er sich so begeistert, daß er ihm Alles entdeckte. Bei der Defensive der Ungarn wird der Kaiser sich wohl in Unterhandlungen einlassen müssen, wie Sachverständige meinen; geschieht dies nicht, so dürften wir in Bälde im Südosten, einen Vernichtungskampf der Nationalitäten erleben, wie die Geschichte ihn nur selten aufzuweisen hat. Schon jetzt werden von Augenzeugen entsetzliche Schandthaten erzählt. (Sch. Z.) Breslau, 8. Nov. Abends 9 1/2 Uhr. Eben erhalten wir noch die Wiener Post und zwar von Zeitungen, außer der Wiener Zeitung noch den Oestreichischen Lloyd! Warum der Wendenfürst Windischgrätz letztere Zeitung von dem Belagerungszustande emanzipirt hat, geht aus dem Leitartikel derselben hervor, welcher uns begreiflich machen soll, daß die Sache der Freiheit bei dem Untergange Wiens keinen Schaden genommen hat. Da die Wiener Zeitung als das anerkannte „amtliche“ Organ mit einer solchen Deduktion keinen Effekt gemacht hätte, mußte man irgend ein anderes Blatt erscheinen lassen, welches schamlos genug wäre, der Reaktion Liebesdienste zu erweisen. Der Oestreichische Lloyd hat sich dieser Bevorzugung würdig gemacht. Die Wiener Zeitung enthält wieder eine Anzahl amtlicher Bekanntmachungen von besonderm Interesse; wir heben nur einige hervor: 1) F.-M.-L. v. Welden ist zur Leitung der für Erhaltung des Belagerungszustandes nöthigen Maßregeln unter dem Titel eines Gouverneurs berufen worden; 2) Loyalitätsadresse der Bürger Korneuburgs an Windischgrätz. (A. D.-Z.) Schweidnitz, 5 November. An die Männer des schlesischen Gebirges. Mitbürger! Das Schrecklichste ist geschehen! Der Verrath hat gesiegt, Wien ist gefallen und Tausende unserer Brüder, die für das heiligste Gut der Menschheit: die Freiheit gekämpft, sind erbarmungslos hingeschlachtet; selbst der zarten Frauen, der unschuldigen Kindlein hat man nicht geschont, sondern mit Hyänenwuth sie zerfleischt. O es ist ein Verbrechen begangen worden, das Nichts auf dieser Welt zu sühnen vermag, selbst nicht der Schutt der Throne, von denen herab der Brudermord dekretirt ward. Das fühlende Menschenherz zerspringt voll Wehmuth, wenn es an all' die Gräuel denkt, welche die fluchwürdigste Reaction, die nichtswürdigste Herrschsucht in den jüngsten Tagen verübt; die treueste Mannesbrust kocht über voll Wuth ob des teuflischen Verraths Derer, denen das großherzige Volk bei seinem Freiheitssiege im März mitleidig das Dasein geschenkt; sie kocht über voll Wuth ob des gräßlichen Blutbades, das Jene über das Volk gebracht, welche die heilige Pflicht übernommen hatten, die Freiheit zu schützen, die Bildung zu fördern und den Wohlstand des Volkes zu heben, die aber aus Dankbarkeit für Das, was ihnen die Großmuth des braven Volkes belassen, diesem mit vergifteten Dolchen, mit Kanonen und scharfgeschliffenen Schwertern, mit Schändung, Brand und Mord lohnen. Mitbürger! Wer trägt aber die meiste Schuld an all' dem Elend, welches jetzt über unsere Brüder in Oesterreich ‒ und auch über uns hereingebrochen? Wir selbst tragen sie. Denn wir waren zu gutmüthig, zu leichtgläubig, zu sorglos. Wir unterließen es, der Schlange den Kopf zu zertreten, als es noch Zeit war; wir beteten das goldene Kalb auf seinem Throne an, und bedachten nicht, daß wir Götzendienst verrichten; wir lauschten den Tönen des Krokodills und ließen uns in seinen Rachen locken. Ha! Was ist nicht Alles schon in den jüngsten Monden geschehen, und was kann nicht Alles noch geschehen? Wollen wir weiter schlafen und das Klirren der Mordwerkzeuge unserer teuflischen Feinde nicht hören und beachten? Wollen wir sorglos die Hände im Schooße liegen und uns die Haut von den Knochen ziehen, den letzten Blutstropfen aus unsern Adern saugen lassen? Wollen wir die Tyrannen fortschlachten und die asiatische Knute zur Herrschaft über uns freie Männer bringen lassen? Soll denn in der That ein Völkerstamm nach dem andern hingemordet, das freie schöne Deutschland in eine Schlächtergrube verwandelt, das civilisirte Europa zum Golgatha der Barbarei gemacht werden?? Nein! Nein und tausend Mal Nein! Nun wohlauf denn! Laßt uns sühnen, was wir verschuldet! Laßt uns Gericht halten, ehe es „zu spät“ wird! In Polen war das große Trauerspiel der Contre-Revolution begonnen, in Schweidnitz, Mainz, Prag und anderen Städten Deutschlands einzelne Scenen aufgeführt und in Wien der zweite Akt dieses Tnauerspiels vollendet. Jetzt sind wir an der blutigen Reihe. Berlin und Schlesien werden der Schauplatz des dritten Aktes sein. Darum auf, Ihr wackern Männer des Gebirges! Auf! rüstet Euch, damit Euch der Schlag nicht unvorbereitet trifft! Bedenkt, wie man bisher Euer Dasein, Eure Existenz gesichert, wie man mit dem Hungertuche für Euch gesorgt hat! Bedenkt, wie all' Euer Bitten ungehört, wie all' Euer Mühen und Sorgen vergebens gewesen, wie so viele Eurer Brüder und Schwestern dem Elend und dem Hungertode zum Raub geworden sind! Und durch wen? Durch die, für welche Ihr bisher Tag und Nacht gearbeitet, für welche Ihr gedarbt und gehungert, die Ihr mit Eurem Herzblut getränkt, mit Eurer nackten Brust geschützt habt, und zwar ‒ wie Ihr seht ‒ nur deshalb, damit sie Eure Freiheit untergraben, Euch und Eure Brüder morden können. Auf! Männer des Gebirges! Machet die Sache Oesterreichs zu der Eurigen! Helfet die deutsche Sache, helfet die Sache der Freiheit retten! In Berlin will in diesen Tagen die Natterbrut „Kamarilla“ den Schlag gegen das Volk ausführen, über dem sie seit Monden brütet. Berlin soll wie Wien ein zweites Magdeburg werden; unter seinen Trümmern soll die Freiheit begraben werden. Und die Schlesier sollen das große Leichentuch weben. Mitbürger! Duldet dies nicht! Eure Schmach wäre ohne Gränzen, die Nachwelt würde Euch fluchen, so wie sie Euch lohnen wird, wenn Ihr für die Freiheit und Menschlichkeit Euren schützenden Arm jetzt erhebt. Unsere Berge können uns nicht mehr schützen, wir müssen uns und die Unsrigen selbst schützen! Auf! Laßt uns darum handeln, ehe es „zu spät“ ist. Damit wir aber nicht vereinzelt handeln und so am Ende aufgerieben werden, damit wir vielmehr vereint den nahenden Stürmen und Ungewittern gleich einer ehernen Mauer die Spitze bieten können, ist es nothwendig, daß wir uns über die Schutz- und Vertheidigungs-Maaßregeln besprechen und verständigen. Wir fordern demnach alle Führer der demokratischen Partei, alle Präsidenten der demokratischen Vereine, der Landwehr- und Bürger-Vereine, so-

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 141. Köln, 12. November 1848, S. 0724. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz141i_1848/3>, abgerufen am 25.04.2024.