Neue Rheinische Zeitung. Nr. 120. Köln, 19. Oktober 1848.- In die Amnestie der bei der letzten Wiener Revolution betheiligten, werde das Reichsministerium sich nicht mischen, wohl aber einen Unterschied verlangen, zwischen politischen Verbrechen und Mord. - Der Präsident zeigt an daß noch drei dringliche Anträge vorliegen, die Versammlung beschließt aber Tagesordnung. - Reh beantragt über Punkt I und III der heutigen Tagesordnung, (S. oben dieselbe.) mit Rücksicht daß dergleichen Dinge nicht mehr vorkommen werden, zur ferneren Tagesordnung überzugehen. Die Dringlichkeit des Antrags zu begründen wird Herrn Reh mit schwacher Majorität zugestanden. Reh In Erwägung daß durch eine Diskussion über I und III die Fakta nicht ungeschehen gemacht werden, in Erwägung daß damals Leidenschaftlichkeit vorgewaltet hat, bitte ich Sie, diese beiden Punkte mit Stillschweigen zu übergehen. Jeder über diese Punkte gefaßte Antrag wird nichts bezwecken. Ich apellire an Ihr Gefühl für Humanität und Anstand (Bravo! bravo! Abstimmen.) Der Antrag von Reh (S. oben.) wird fast einstimmig angenommen. (Lauter Beifall.) Der Ausschuß für Geschäftsordnung beantragt: 1. Dem Präsidenten steht das Recht des Ordnungsrufes ohne Diskussion zu. 2. Der Ordnungsruf muß unmittelbar erfolgen. 3. Von demselben findet eine Apellation statt. Zu diesen Anträgen über die Art und Weise des Ordnungsrufes wird ein Antrag von Fischer aus Jena, diese Anträge bis zur Berathung über die Disciplinarordnung ruhen zu lassen, angenommen. Nro 2 der Tagesordnung (S. oben.) Wie Sie durch die Sitzung vom Freitag schon wissen, beantragt in der bekannten Angelegenheit der Ausschuß: Die hohe Nationalversammlung wolle beschließen: die von dem Oberappellationsgerichte, als Criminalgericht der freien Stadt Frankfurt, in dem an das Reichsministerium der Justiz unter dem 4. d. M. gerichteten Schreiben beantragte Zustimmung zur Einleitung der Untersuchung gegen die Abgeordneten Zitz, Schlöffel und Simon von Trier zu ertheilen; dagegen den von dem gedachten Gerichte nur vorsorglich gestellten Antrag: die Zustimmung zu der Verhaftung der genannten Abgeordneten, wenn solche im Laufe der Untersuchung nöthig werden könnte, schon jetzt zu ertheilen, abzulehnen. Als Redner haben sich einschreiben lassen. Gegen Zimmermann. Vogt, Joseph, Leue, Wiegardt, Reinhard, Wesendonk, Schaffrath. Für Basserman, Beckerath, Reh. Zimmermann aus Stuttgart. Wir seien soweit gekommen, daß man Anträge auf Verhaftungen, Untersuchungen ja Ausschließung einer ganzen Parthei gestellt. - Er verspricht die Anschuldigungen zurückzuweisen, die heutigen Angeklagten kurz zu vertheidigen. Die Partheileidenschaft hat sich der vorliegenden Gegenstände über die Maaßen hinaus bemächtigt. - Die Geschichte wird anders urtheilen. Man hat eine Hetzjagd auf moralische Beweise angestellt. - Zweierlei müssen die Partheien lernen: "Erkenntniß und Versöhnlichkeit! Man ist soweit gegangen der äußerten Linken vorzuwerfen, sie hätte Mörder gedungen. - Auf Zeitungsgeschrei brauchen wir (wenn die Versammlung in's Spiel kommt) nicht zu antworten; aber die Stimmen die sich im Hause selbst vernehmen lassen, müssen wir berücksichtigen. Ich hätte Vieles auf dem Herzen, aber ich will es unterdrücken, weil ja hier nur von der Reichstagszeitung gesprochen werden darf. Präsident. Herr Zimmermann ich muß Ihnen bemerken, daß ich hier nie von der Reichstagszeitung gesprochen, obschon ich am Gründlichsten darin angegriffen bin. (Links: Aber Stavenhagen! - Und Dahlmann! - Schaffrath Stavenhagen hat über eine viertel Stunde von der Reichstagszeitung gesprochen.) Zur Sache selbst, beantragt Zimmermann: "Die Versammlung soll beschließen, daß eine einfache Vernehmung genüge, zur gerichtlichen Untersuchung aber hinreichender Grund nicht vorliegt. Zum Schluß meint Zimmermann, die Zeit erheischt es, mehr auf Stimmen und Stimmung des Volks zu achten. Ich bitte Sie Maaß zu halten und gerecht zu sein. Plathner aus Halberstadt. Es handelt sich nicht um eine Parthei, nur einfach darum, ob gegen die drei Abgeordneten Untersuchung einzuleiten sei. - Ob der Thatbestand eines Verbrechens vorliegt, ist Sache des Richters. - Aber den Betheiligten selbst muß daran liegen, daß sie in dieser Sache ein freisprechendes Urtheil erlangen. Deshalb muß die Untersuchung vorangehen. Der Ausschuß ist einstimmig darin einverstanden, daß der Richter nur der Gerechtigkeit ihr Recht zu verschaffen beabsichtigt, keineswegs an einen Tendenzprozeß denkt. (Bravo!) Vogt. Von zwei Standpunkten können wir in dieser Sache ausgehen. Vom juristischen und politischen. - Mit dem ersteren Standpunkt mögen sich andere beschäftigen. Es kommt mir fast vor als ob nach dem Vorüberrauschen eines großen Sturmes, man jede einzelne Welle des erregten Sees fragen wollte, wer hat dich aufgeregt? - Die Aufregung in politischen Sachen ist sehr subjektiv. - Auf mich z. B. haben Reden von rother Republik etc. lange nicht den Eindruck gemacht als das Benehmen eines Ministeriums, welches dem Verlangen des Volks allezeit mit höhnischer Gleichgültigkeit gegenüber getreten. - Verstehen sie mich nicht falsch, ich meine (wenn ich recht verstanden sagte Vogt, "verstehen sie mich recht, ich meine dies Ministerium." - Andere wollen gehört haben: Guizots Ministerium?) dies Ministerium. (Gelächter. Bravo!) Waren es die Mirabeau, Danton etc. die die französische Revolution gemacht, oder war es das Hofgeschmeiß und die Unterdrücker des Volks? (Lautes Bravo!) Und zu den jetzigen Wiener Verhältnißen, wer hat dazu aufgeregt. - Jellachich etc. oder die Aula? (Bravo!) - Ich bin erhaben über die Angriffe meiner Parthei und Person. - Z. B. hat man mich der revolutionären Absichten beschuldigt, weil ich von Convent gesprochen, m. H. ich weiß sehr wohl, daß aus dieser Versammlung kein Convent hervorgehen wird! (Große Heiterkeit. Bravo.) Auch ich war im Vorparlament; damals als ein frischer Hauch der Freiheit über Deutschland ging, damals haben die Herren ihr Haupt sehr gebückt getragen, die es jetzt wieder stolz erheben. (Bravo) Anlangend die Wiener Revolution, wird vielleicht, so fürchte ich, wenn ich auch das Entgegengesetzte hoffe, diese wiederum vernichtet werden, und verloren sein, aber dann meine Herren (das bin ich überzeugt) wird eine zweite kommen, welche die zu verantworten haben werden, welche die jetzige verloren gehen lassen. - Ich habe im Vorparlament andere Reden gehört als auf der Pfingstweide. Warum hat man damals von Seiten des Gerichts nicht eingeschritten? - (Bravo und Heiterkeit.) Darum meine Herren weil man sich bei diesen Reden nicht auf den juristischen, sondern den politischen Standpunkt gestellt hat, und so muß es auch sein. - (Bravo! Sehr wahr!) - Woher kommen die Brutalitäten in den untersten Volksschichten? Von den Aufwieglern zur Ruhe und Ordnung kommen sie, denen auch jedes Mittel zur Erreichung ihres Zieles recht ist. - Das Volk nimmt sich ein Beispiel daran, und macht es im umgekehrten Verhältniße auf seine Weise ebenso. (Donnernder Beifall. Gelächter) Im vorliegenden Falle will ich nicht auf die Jämmerlichkeit der Beweise und der Zeugen eingehen. - Wenn ich wüßte, ob der Ausschuß mit seinem Antrag auf Untersuchung die General- oder Special-Untersuchung verlangt, würde ich ihm (nämlich im ersteren Falle) vollkommen beistimmen. Eine allgemeine Vernehmung mag stattfinden, damit die angeklagten Abgeordneten sich rechtfertigen können. - Im Interesse der Würde der Nationalversammlung lassen Sie nicht politische Gründe und Ueberzeugungen auf Ihren Beschluß influiren. (Anhaltender Beifall.) Bassermann: Ob es keine Aufreizung zur Aufregung wenn Vogt sagt: "aus dieser Versammlung werde kein Convent entstehen!" (Gelächter links und Gallerien.) Dies Gelächter charakterisire die Linke. - Unterbrechungen aller Art. - Präsident: man möchte Herrn Bassermann ruhig anhören, wie man Vogt gehört hat. Der Unterstaats-Sekretär spricht sich natürlich für die Anträge des Ausschusses aus. Wir lassen uns, sagt er u. a., nicht irre machen durch die Worte "Reaktion! Cammarilla etc.! (Gelächter) In gewissem Sinne würde er auf den Namen "Reaktionär" Ansprüche machen (Wird ihm Niemand nehmen!) Herr Bassermann gibt aber zu, daß wie Vogt sagt, es bald so weit gekommen ist, daß man die Freiheit nicht mehr sieht. Ad rem: Die Gründe des Gerichtes zu prüfen sei keineswegs Sache der Versammlung. Die Gleichheit vor dem Gesetze erheische den Fortgang der Untersuchung. Die Mitglieder der Linken, die gegen die Unverantwortlichkeit des Reichsverwesers gewesen, wollen jetzt selbst diese Unverantwortlichkeit. (Gelächter!) Zum Schluß spricht Herr Bassermann viel und oft von den Banden, die sich gegen das souveräne Volk (d. h. dessen Vertreter) selbst aufgelehnt, von Rohheit, von der sogenannten Freiheit etc. (Bemerkungen links werden gewaltsam zurückgedrückt). Herr Bassermann schließt mit einer rührenden Apostrophe: (und fast erstickter Stimme) man möchte es doch in Deutschland nicht soweit treiben, daß aus der ganzen Revolution nichts hervorgeht, als ein zertrümmertes armes Vaterland. (Bravo rechts und Centrum. Zischen auf den Gallerien. Schaffrath gibt zuerst eine moralische Rechtfertigung seiner Ansichten von Freiheit. Ich könnte die ganze Rede des vorigen Redners mit wenig Abänderungen gegen ihn selbst und seine Partei kehren. Mit demselben Rechte wie Bassermann sagt, er sei erstaunt, daß Jemand gegen den Antrag auf Untersuchung spräche, sei er erstaunt, daß Jemand dafür spräche. (Bravo). Schaffrath widerlegt die einzelnen Punkte der Bassermann'schen Rede, wo durch der Unterstaats-Sekretär dermaßen in Zorn geräht, daß er Schaffrath einen Nachfolger der rothen Fahne nennt. Schaffrath weißt Bassermann gehörig zurecht. Unter Anderm sag er: Es wäre die größte Tyrannei, wenn unsere Wähler erklärten, wir hätten ihr Vertrauen verloren, und wir blieben dennoch hier. (Furchtbares Bravo Gallerien und links.) Die Majorität hier ist nicht immer die Majorität im Volk. (Bravo). Zur Sache selbst gehörig, ist er der Ansicht als Richter, daß keine Untersuchung eingeleitet werden dürfe. Der Schluß der Debatte wird verlangt und abgelehnt. Edel (aus Würzburg) für den Ausschußantrag. Zitz: Wenn ich spreche, so geschieht es nicht um mich zu vertheidigen, denn ich brauche keine Vertheidigung; sondern nur der Stellung wegen auf die mich meine Wähler gestellt haben. Ob wir dadurch, daß wir dem Gerichte überliefert werden, später unsere Freisprechung erlangen, darum handelt es sich nicht, - es handelt sich darum, ob sie es bestätigen durch Ihren heutigen Beschluß, daß Grund genug vorliegt, durch unsere Reden und die gegen uns vorgebrachten Verdächtigungen, um überhaupt die Untersuchung zu beginnen. Zitz geht näher auf die Zeugenaussagen ein, und weis't deren Unhaltbarkeit und das Widersprechende darin nach. Der Schluß seiner Rede, in welchem er durch sein früheres Leben und seine Prinzipien, die Verdächtigungen die man auf ihn gewälzt hat, abzustreifen sucht, ist überzeugend und verfehlt nicht Eindruck zu machen. Nicht die Motive des Richters sollen Sie bewegen, sagt Zitz, unsere Untersuchung zu verhängen, - sie sollen prüfen, ob die Motive richtig sind. Schlöffel. Ich lehne jede Verdächtigung ab, die man meiner Rede auf der Pfingstweide in den Blättern und Zeitschriften und sonstwo unterlegt. Ich meine mit Herrn Edel, daß ich auf die Großmuth der Versammlung in unseren Angelegenheiten verzichte. Mir ist nichts verhaßter als Gnade. Früher, vor dem März, war es ein Verbrechen, schwarz-roth-gelb zu erscheinen. Jetzt bezeichnet man unsere Parthe mit rothen Strichen; und dies ist nach der jetzigen Sachlage Verbrechen. Schlöffel spricht vom alten Staat, den er wie alle Anwesenden mißbilligen muß. Die Majorität und Minerität, die sich in diesem Hause finden, finden sich auch außer demselben, nur im umgekehrten Verhältniß. (Heiterkeit). - Die eine Partei will den rückwärtsschreitenden Fortschritt, die andere den vorwärtsschreitenden Fortschritt. (Heiterkeit, links Bravo.) Ich bekenne mich zu dem neuen guten Staat. Uebrigens, meine Herren! wenn ich mich bei der Revolution betheiligen will, so werde ich es so einrichten, daß Sie mich nicht richten können (Bravo - Lachen - Aufregung). Meine Herren! Sie werden mir wenigstens zugeben, daß ich nicht um Ihre Gunst buhle, oder mich von den Erfindungen, Verläumdungen etc. zu rechtfertigen suche, weil ich Furcht habe, ich möchte der Strafe eines Systems verfallen, das ich mißbillige. Schlöffel widerlegt die einzelnen Zeugenaussagen gegen ihn. (Heiterkeit und Erstaunen über die Haltlosigkeit der Zeugenaussagen geben sich kund). Mit äußerstem Scharfsinn und vielem Humor, zu allgemeiner Freude aller Hörer, unter tiefer Stille der Versammlung, geht Schlöffel die 12 Zeugendepositionen gegen ihn durch und verweis't mit Ironie und Hohn deren Richtigkeit. Die freisprechenden Depositionen seien in dem Bericht nicht aufgenommen worden. Ich überlasse Ihnen, über uns zu beschließen, was Ihnen gut dünkt, ich halte es für angemessen, Sie schließlich auf eine Aeußerung von Schmerling's aufmerksam zu machen, die er that, als Schmidt von Löwenberg die Tribüne betrat. Er sagte: "Das ist auch so eine Canaille, die wir heraus haben müssen. - Man schreit entrüstet: "Pfui!" Tumult. - Man fordert Beweise. - Schlöffel wird sie liefern. Simon von Trier hält gleichfalls eine lange und glänzende Vertheidigungsrede, die allgemeinen stürmischen Beifall der Linken und der überfüllten Gallerien findet und bei dem gleichwohl schon sehr ermüdeten Hause, gespannte Aufmerksamkeit erregt. - Die Rede von Simon aus Trier dauert fast 3/4 Stunden, und wird, obschon es gegen 4 Uhr ist, ohne Schlußruf angehört. Simon wünscht die Untersuchung. Er weis't die Widersprüche der Zeugenaussagen mit juristischer Schärfe nach, nicht um einen Antrag auf Nicht-Untersuchung zu begründen, sondern um sich vor dem Volk, von dem er gewählt, hier offen zu vertheidigen, was ihm vielleicht im Verlauf der geheimen Untersuchung unmöglich sein möchte. Es möchte wohl nicht die Göttin der Gerechtigkeit, (sagt er) sondern die Reaktion sein, die sich verfolgend an unsere Versen heftet. Was Schmerling's Aeußerung betrifft, die von dem Stenographen bewiesen werden wird, giebt sie ein Zeugniß, wie weit der Terrorismus von oben geht. (Furchtbare Entrüstung und Mißbilligung). Was Schmerling anbelangt, seine Thaten werden ihm folgen. Simon schließt ungefähr: "Was Freiheit, Gefährdung und Verfolgung meiner geringen Person anbelangt, so sind dieselben nicht in die Wagschale zu legen, gegen die Bedrückungen und Gefahr des ganzen armen deutschen Volkes. Meine politische Ehre aber, und um diese handelt es sich für mich allein, werden sie mir nicht nehmen können. (Langdauernder und außerordentlicher Beifall). Der Berichterstatter Langenfeldt spricht für die Anträge des Ausschusses. (S. oben). Zwei Anträge liegen vor: 1. der Antrag des Ausschusses und 2. der von Zimmermann aus Stuttgart. (S. oben). Zimmermann zieht seinen Antrag zurück. Zell nimmt ihn auf. Die namentliche Abstimmung über den Antrag des Ausschusses soll stattfinden. Es erhebt sich Streit darüber, ob der Antrag des Ausschusses getrennt oder zusammen zur Abstimmung kommen soll. Nach der Zählung entscheidet man sich für Zusammen-Abstimmung mit 189 Stimmen gegen 187. Es erhebt sich ferner Streit darüber, ob man zuerst den Antrag des Ausschusses, oder den von Zimmermann aus Stuttgart abstimmen soll. Mit 216 Stimmen gegen 162 beschließt man zuerst den Ausschußantrag abzustimmen. Endlich erfolgt die namentliche Abstimmung. Der Antrag des Ausschusses wird mit 245 Stimmen gegen 140 angenommen. Schlöffel, Simon (Trier) und Zitz stimmten nicht mit. Morgen um 9 Uhr Sitzung. Schluß der Sitzung um 5 Uhr. Es ist ganz finster in der Kirche. Um die Tribüne sind Lichter aufgestellt, was den Eindruck eines Katafalks macht. Frankfurt, 16. Oktbr. Italienische Blätter erzählen (vom 10. Okt.), daß die Magyaren in Radetzky's Armee, nach den letzten Nachrichten aus ihrem Vaterlande, voll Erbitterung gegen die Kroaten und von einem höchst subordinationswidrigen Geiste ergriffen seien. In Mantua, wo die Mehrzahl der Magyaren besteht, habe man einen Militärkrawall befürchtet. Italien. * Die Concordia von Turin berichtet über die erste Sitzung des Kongresses der italienischen Ligue. Viacenzo Gioberti eröffnete sie durch eine Rede über die Nothwendigkeit der Einheit und der Eintracht, indem er darauf aufmerksam machte, wie die wissenschaftlichen Kongresse zu politischen geführt hätten. Andrea Romeo, Vincenzo Gioberti und Terenzio Mamiani wurden darauf mit immenser Majorität erwählt. Vizepräsidenten sind Perez von Palermo und Lucian Bonaparte. Mamiani nahm dann das Wort und endigte seine Rede damit, daß er ausrief: "Wir müssen in Zukunft alle unsere Hoffnung in das Glück der Waffen setzen - Krieg! Das muß unsere Diplomatie sein. Krieg! Das ist das einzige Mittel zu unserm Heile." Die Worte: Krieg! Krieg! wurden tausendfach wiederholt. Perez fuhr fort und schloß mit den Worten: "Mit dem Schrei: Es lebe die Ligue! war es, daß der Mann des Volkes, während der glorreichen Revolution des Januar, den Satelliten des Bourbon in den Tod sandte. Die Grausamkeit des Königs von Neapel übersteigt alle Begriffe und wenn Italien sich dieses Tyrannen entledigt hat, so wird es einen östreichischen General weniger zu bekämpfen haben." - In Genua wurden am 10. Okt. neue republikanische Plakate angeschlagen, die neue Unruhen hervorriefen. Die Agitation in Toskana hatte glückliche Resultate. Am 8. Okt. erklärte nämlich das Ministerium, daß es die exceptionelle Gewalt, womit es bekleidet war, niederlege. Die offizielle Zeitung von Florenz brachte zur selben Zeit ein Amnestie-Dekret für Alle bei den Unruhen in Livorno Betheiligten. In Livorno erwartete eine immense Volksmasse den neuen Gouverneur. Von dem St. Marcusthore bis zum großen Platze drängte sich alles in bunter Reihe. Aus den Fenstern regnete es Blumen; "Es lebe Montonelli!" schrie man und: "Nieder mit dem Ministerium!" Mantonelli hielt eine feurige Rede an das Volk. Am Abend war die Stadt illuminirt. An dem Tage der letzten Nachrichten kannte man noch nirgendwo in Italien die jüngsten Wiener Ereignisse. Schweiz. Lugano, 12. Okt. Ohne irgendwelches Hinzuthun der eidgenössischen Repräsentanten im Kanton Tessin hat der die Gränzdivision kommandirende östreichische General wiederholt dringend den Wunsch gegen sie ausgesprochen, eine Unterredung mit ihnen halten zu können. Diesem Wunsche haben die Repräsentanten entsprochen und es hat diese Unterredung am 10. an der tessinischlombardischen Gränze, wie dies von den Repräsentanten bestimmt worden war, stattgefunden. Sie dürfte nicht ohne Einfluß auf die Lösung der obwaltenden Anstände sein. Nachschrift. 12. Okt. Abends. So eben ist bei den eidgenössischen Repräsentanten von Seite des Generals v. Wohlgemuth, mit dem sie die oben erwähnte Unterredung gehalten, die Nachricht eingetroffen, daß Radetzky in Folge dieser Besprechung sofort unterm 11. die bis jetzt verhängt gewesene Sperre des kommerziellen Verkehrs gegen den Kanton Tessin aufgehoben habe und sich blos vorbehalte, wegen Herstellung der freien Postverbindung und Verpflichtung der Vidimirung der Kantonalpässe durch den östreichischen Gesandten in der Schweiz noch nach den weitern Umständen und nach den ihm gewordenen Gewährleistungen zu verfügen. Belgien. Brüssel, 14. Okt. Die Independance des belgischen Musterstaates macht heute wieder die folgende komische Mittheilung: "Wir empfinden stets eine gewisse Satisfaktion, wenn wir Belgien und den Fürsten, der es regiert, wegen der Haltung, die unser Land inmitten der allgemeinen europäischen Verwirrung behauptete, loben hören. Wir hatten schon Gelegenheit verschiedene Auszüge aus englischen und deutschen Journalen zu geben; es möge hier nachfolgen, was wir in der Daily-News lasen: "Nach dieser hübschen Einleitung folgt nun wirklich ein Fetzen aus dem genannten englischen Journale, in dem der komische König Leopold in einer wahrhaft überschwenglichen Manier gelobt und ein Muster aller Könige genannt wird. Wenn das Geschick oder die Politik, meint die Daily-News, den König Leopold nach Frankfurt statt nach Brüssel gesetzt hätte, so würde es ganz anders um Deutschland stehen! Französische Republik. Paris, 16. Oktober. (Vormittags.) So wäre denn der entscheidende Tag da! Noch wenige Augenblicke und wir werden wissen, ob die Februarrepublik von den Männern Louis Philipp's regiert werden darf oder nicht? - Nicht nur in der offiziellen Welt, sondern in der Arbeiterbevölkerung herrscht eine unbeschreibliche Spannung. Es sind sogar Wetten eingegangen worden. Die Einen sprechen dem Ministerium eine ungeheure Majorität zu, die Anderen bestimmen dieselbe höchstens auf 100 Stimmen, was bei achthundert Anwesenden schon sehr bedenklich klingt, und endlich die Rothgesinnten lassen das Ministerium ganz durchfallen. - Die Klubs der Herren Volksvertreter waren auch gestern Abend ungemein thätig. Jeder will natürlich sein Votum im Voraus feststellen. Das Palais National (Marrastianer) ist ganz zerfahren; es hat sich in zwei Hälften gespalten, von denen die größere aus Furcht vor den Rothen für die Männer Louis Philipp's stimmen will. So tief ist die Nationalpartei gesunken! Die Rue de Poitiers wird sich natürlich wie Ein Mann erheben, dennoch wollen Scharfsichtige die Bemerkung gemacht haben, daß sich manche weiße Kugel noch in eine schwarze bis heute Abend verwandeln dürfte. Daß die sechzig Köpfe des Berges Rue Taitbout (worunter Proudhon und Peter Bonaparte, der Sohn Luzian's) gegen das Ministerium stimmen werden, versteht sich von selbst. - Geduld. Bald wird Paris wissen, ob sich Cavaignac mit dem gefallenen Urnen-Resultat begnügen werde? - Heute (Montag) sollte eine großartige Arbeiter-Demonstration zu Ehren des Ex-Präfekten Ducoux stattfinden. Alle Anstalten waren getroffen. Allein sämmtliche demokratische Blätter warnen das Volk, keine öffentliche Manifestation zu veranstalten, welche der royolistischen Partei (Lamoriciere) offenbar nur eine schöne Gelegenheit bieten würde, die ächten Republikaner zusammenzuschießen. Darum wird jeder Aufzug unterbleiben. - Wortlaut der Motion des Berges zu Gunsten der Mai- und Juni-Gefangenen: Artikel 1. Allgemeine Amnestie ist allen denjenigen gewährt, welche politischer Verbrechen und Vergehen angeklagt sind, die sie in Paris oder in den Departements begangen haben. Artikel 2. Alle Untersuchungen und begonnene Prozesse aus diesen Gründen werden abgebrochen oder niedergeschlagen. Artikel 3. Die schon ausgesprochenen Urtheile und Strafen, Geldbußen etc. werden vernichtet und resp. wiedererstattet. (Folgen die Unterschriften von 50 Berggliedern.) - Trotz aller Polizeimannschaften und Verklausulirungen erwachen fast alle Arbeiterklubs zu neuem Leben. Die Ernennung der Herren Dufaure und Vivien und die Ereignisse in Wien waren gestern und Sonnabend in dem Munde aller Volksredner. Mit welchen Gefühlen die Ernennung der beiden Exminister aufgenommen wurde, geht aus obiger Demonstration hervor. Arge Drohungen sind ausgestoßen worden. Ferner wurden die Berichte aus Wien mit wahrem Enthusiasmus begrüßt. Es leben die Wiener! Es lebe das demokratische Deutschland! Nieder mit allen Königen! erschallte es in vielen Klubs. Mehrere Adressen und Glückwünschungsbriefe an das Wiener Volk sind beschlossen worden. Wir nennen hier nur den Klub des Travailleurs, Klub de la Fraternite und die l'Association ouvriere, welche letztere von mehreren tausend Personen besucht wurde, worunter vorzüglich viele Soldaten, auffallend viele Unteroffiziere und Gefreiten etc. Man diskutirte dort schließlich die Frage, wer Präsident der Republik sein solle? Die meisten Redner schlugen den Kämpfer-Doktor Raspail vor, weil er dem Volke Nationalküchen und Nationalwerkstätten versprochen habe. Einige Andere stimmten für Louis Bonaparte, der auch ein Freund der Armen sei (siehe seine Broschüre über den Pauperismus); jedoch mit der Bedingung, daß er Raspail, Barbes und Blanqui zu Ministern nehme etc. Man sieht, unser Volksleben ist wieder im besten Gange. - (Neue Abdankungen.) Etienne Arago, Generalpostdirektor, zieht sich zurück. Ebenso Littre, Institutsglied aus der Munizipal- und Departemental-Kommission. Letzterer richtet an die Seine-Präfektur (Präsident der Kommission) folgende Zeilen: "Herr Präfekt. Da ich nicht der Volkswahl, sondern der Regierung meine Anstellung verdanke, "diese Regierung" sich aber auf eine Seite neigt, die nicht die meinige ist, so bitte ich Sie, meine Entlassung als Mitglied der Munizipal- und Departementalkommission anzunehmen." Gruß und Brüderschaft. Paris 15. Octbr. (gez.) R. Littre. - Der Moniteur zeigt an, daß der Advokat Paul Desmazures (unter Louis Philipp schon Kabinets-Chef Dufaure's) wieder zum Kabinets-Chef des Ministeriums des Innern ernannt ist. ‒ In die Amnestie der bei der letzten Wiener Revolution betheiligten, werde das Reichsministerium sich nicht mischen, wohl aber einen Unterschied verlangen, zwischen politischen Verbrechen und Mord. ‒ Der Präsident zeigt an daß noch drei dringliche Anträge vorliegen, die Versammlung beschließt aber Tagesordnung. ‒ Reh beantragt über Punkt I und III der heutigen Tagesordnung, (S. oben dieselbe.) mit Rücksicht daß dergleichen Dinge nicht mehr vorkommen werden, zur ferneren Tagesordnung überzugehen. Die Dringlichkeit des Antrags zu begründen wird Herrn Reh mit schwacher Majorität zugestanden. Reh In Erwägung daß durch eine Diskussion über I und III die Fakta nicht ungeschehen gemacht werden, in Erwägung daß damals Leidenschaftlichkeit vorgewaltet hat, bitte ich Sie, diese beiden Punkte mit Stillschweigen zu übergehen. Jeder über diese Punkte gefaßte Antrag wird nichts bezwecken. Ich apellire an Ihr Gefühl für Humanität und Anstand (Bravo! bravo! Abstimmen.) Der Antrag von Reh (S. oben.) wird fast einstimmig angenommen. (Lauter Beifall.) Der Ausschuß für Geschäftsordnung beantragt: 1. Dem Präsidenten steht das Recht des Ordnungsrufes ohne Diskussion zu. 2. Der Ordnungsruf muß unmittelbar erfolgen. 3. Von demselben findet eine Apellation statt. Zu diesen Anträgen über die Art und Weise des Ordnungsrufes wird ein Antrag von Fischer aus Jena, diese Anträge bis zur Berathung über die Disciplinarordnung ruhen zu lassen, angenommen. Nro 2 der Tagesordnung (S. oben.) Wie Sie durch die Sitzung vom Freitag schon wissen, beantragt in der bekannten Angelegenheit der Ausschuß: Die hohe Nationalversammlung wolle beschließen: die von dem Oberappellationsgerichte, als Criminalgericht der freien Stadt Frankfurt, in dem an das Reichsministerium der Justiz unter dem 4. d. M. gerichteten Schreiben beantragte Zustimmung zur Einleitung der Untersuchung gegen die Abgeordneten Zitz, Schlöffel und Simon von Trier zu ertheilen; dagegen den von dem gedachten Gerichte nur vorsorglich gestellten Antrag: die Zustimmung zu der Verhaftung der genannten Abgeordneten, wenn solche im Laufe der Untersuchung nöthig werden könnte, schon jetzt zu ertheilen, abzulehnen. Als Redner haben sich einschreiben lassen. Gegen Zimmermann. Vogt, Joseph, Leue, Wiegardt, Reinhard, Wesendonk, Schaffrath. Für Basserman, Beckerath, Reh. Zimmermann aus Stuttgart. Wir seien soweit gekommen, daß man Anträge auf Verhaftungen, Untersuchungen ja Ausschließung einer ganzen Parthei gestellt. ‒ Er verspricht die Anschuldigungen zurückzuweisen, die heutigen Angeklagten kurz zu vertheidigen. Die Partheileidenschaft hat sich der vorliegenden Gegenstände über die Maaßen hinaus bemächtigt. ‒ Die Geschichte wird anders urtheilen. Man hat eine Hetzjagd auf moralische Beweise angestellt. ‒ Zweierlei müssen die Partheien lernen: „Erkenntniß und Versöhnlichkeit! Man ist soweit gegangen der äußerten Linken vorzuwerfen, sie hätte Mörder gedungen. ‒ Auf Zeitungsgeschrei brauchen wir (wenn die Versammlung in's Spiel kommt) nicht zu antworten; aber die Stimmen die sich im Hause selbst vernehmen lassen, müssen wir berücksichtigen. Ich hätte Vieles auf dem Herzen, aber ich will es unterdrücken, weil ja hier nur von der Reichstagszeitung gesprochen werden darf. Präsident. Herr Zimmermann ich muß Ihnen bemerken, daß ich hier nie von der Reichstagszeitung gesprochen, obschon ich am Gründlichsten darin angegriffen bin. (Links: Aber Stavenhagen! ‒ Und Dahlmann! ‒ Schaffrath Stavenhagen hat über eine viertel Stunde von der Reichstagszeitung gesprochen.) Zur Sache selbst, beantragt Zimmermann: „Die Versammlung soll beschließen, daß eine einfache Vernehmung genüge, zur gerichtlichen Untersuchung aber hinreichender Grund nicht vorliegt. Zum Schluß meint Zimmermann, die Zeit erheischt es, mehr auf Stimmen und Stimmung des Volks zu achten. Ich bitte Sie Maaß zu halten und gerecht zu sein. Plathner aus Halberstadt. Es handelt sich nicht um eine Parthei, nur einfach darum, ob gegen die drei Abgeordneten Untersuchung einzuleiten sei. ‒ Ob der Thatbestand eines Verbrechens vorliegt, ist Sache des Richters. ‒ Aber den Betheiligten selbst muß daran liegen, daß sie in dieser Sache ein freisprechendes Urtheil erlangen. Deshalb muß die Untersuchung vorangehen. Der Ausschuß ist einstimmig darin einverstanden, daß der Richter nur der Gerechtigkeit ihr Recht zu verschaffen beabsichtigt, keineswegs an einen Tendenzprozeß denkt. (Bravo!) Vogt. Von zwei Standpunkten können wir in dieser Sache ausgehen. Vom juristischen und politischen. ‒ Mit dem ersteren Standpunkt mögen sich andere beschäftigen. Es kommt mir fast vor als ob nach dem Vorüberrauschen eines großen Sturmes, man jede einzelne Welle des erregten Sees fragen wollte, wer hat dich aufgeregt? ‒ Die Aufregung in politischen Sachen ist sehr subjektiv. ‒ Auf mich z. B. haben Reden von rother Republik etc. lange nicht den Eindruck gemacht als das Benehmen eines Ministeriums, welches dem Verlangen des Volks allezeit mit höhnischer Gleichgültigkeit gegenüber getreten. ‒ Verstehen sie mich nicht falsch, ich meine (wenn ich recht verstanden sagte Vogt, „verstehen sie mich recht, ich meine dies Ministerium.“ ‒ Andere wollen gehört haben: Guizots Ministerium?) dies Ministerium. (Gelächter. Bravo!) Waren es die Mirabeau, Danton etc. die die französische Revolution gemacht, oder war es das Hofgeschmeiß und die Unterdrücker des Volks? (Lautes Bravo!) Und zu den jetzigen Wiener Verhältnißen, wer hat dazu aufgeregt. ‒ Jellachich etc. oder die Aula? (Bravo!) ‒ Ich bin erhaben über die Angriffe meiner Parthei und Person. ‒ Z. B. hat man mich der revolutionären Absichten beschuldigt, weil ich von Convent gesprochen, m. H. ich weiß sehr wohl, daß aus dieser Versammlung kein Convent hervorgehen wird! (Große Heiterkeit. Bravo.) Auch ich war im Vorparlament; damals als ein frischer Hauch der Freiheit über Deutschland ging, damals haben die Herren ihr Haupt sehr gebückt getragen, die es jetzt wieder stolz erheben. (Bravo) Anlangend die Wiener Revolution, wird vielleicht, so fürchte ich, wenn ich auch das Entgegengesetzte hoffe, diese wiederum vernichtet werden, und verloren sein, aber dann meine Herren (das bin ich überzeugt) wird eine zweite kommen, welche die zu verantworten haben werden, welche die jetzige verloren gehen lassen. ‒ Ich habe im Vorparlament andere Reden gehört als auf der Pfingstweide. Warum hat man damals von Seiten des Gerichts nicht eingeschritten? ‒ (Bravo und Heiterkeit.) Darum meine Herren weil man sich bei diesen Reden nicht auf den juristischen, sondern den politischen Standpunkt gestellt hat, und so muß es auch sein. ‒ (Bravo! Sehr wahr!) ‒ Woher kommen die Brutalitäten in den untersten Volksschichten? Von den Aufwieglern zur Ruhe und Ordnung kommen sie, denen auch jedes Mittel zur Erreichung ihres Zieles recht ist. ‒ Das Volk nimmt sich ein Beispiel daran, und macht es im umgekehrten Verhältniße auf seine Weise ebenso. (Donnernder Beifall. Gelächter) Im vorliegenden Falle will ich nicht auf die Jämmerlichkeit der Beweise und der Zeugen eingehen. ‒ Wenn ich wüßte, ob der Ausschuß mit seinem Antrag auf Untersuchung die General- oder Special-Untersuchung verlangt, würde ich ihm (nämlich im ersteren Falle) vollkommen beistimmen. Eine allgemeine Vernehmung mag stattfinden, damit die angeklagten Abgeordneten sich rechtfertigen können. ‒ Im Interesse der Würde der Nationalversammlung lassen Sie nicht politische Gründe und Ueberzeugungen auf Ihren Beschluß influiren. (Anhaltender Beifall.) Bassermann: Ob es keine Aufreizung zur Aufregung wenn Vogt sagt: „aus dieser Versammlung werde kein Convent entstehen!“ (Gelächter links und Gallerien.) Dies Gelächter charakterisire die Linke. ‒ Unterbrechungen aller Art. ‒ Präsident: man möchte Herrn Bassermann ruhig anhören, wie man Vogt gehört hat. Der Unterstaats-Sekretär spricht sich natürlich für die Anträge des Ausschusses aus. Wir lassen uns, sagt er u. a., nicht irre machen durch die Worte „Reaktion! Cammarilla etc.! (Gelächter) In gewissem Sinne würde er auf den Namen „Reaktionär“ Ansprüche machen (Wird ihm Niemand nehmen!) Herr Bassermann gibt aber zu, daß wie Vogt sagt, es bald so weit gekommen ist, daß man die Freiheit nicht mehr sieht. Ad rem: Die Gründe des Gerichtes zu prüfen sei keineswegs Sache der Versammlung. Die Gleichheit vor dem Gesetze erheische den Fortgang der Untersuchung. Die Mitglieder der Linken, die gegen die Unverantwortlichkeit des Reichsverwesers gewesen, wollen jetzt selbst diese Unverantwortlichkeit. (Gelächter!) Zum Schluß spricht Herr Bassermann viel und oft von den Banden, die sich gegen das souveräne Volk (d. h. dessen Vertreter) selbst aufgelehnt, von Rohheit, von der sogenannten Freiheit etc. (Bemerkungen links werden gewaltsam zurückgedrückt). Herr Bassermann schließt mit einer rührenden Apostrophe: (und fast erstickter Stimme) man möchte es doch in Deutschland nicht soweit treiben, daß aus der ganzen Revolution nichts hervorgeht, als ein zertrümmertes armes Vaterland. (Bravo rechts und Centrum. Zischen auf den Gallerien. Schaffrath gibt zuerst eine moralische Rechtfertigung seiner Ansichten von Freiheit. Ich könnte die ganze Rede des vorigen Redners mit wenig Abänderungen gegen ihn selbst und seine Partei kehren. Mit demselben Rechte wie Bassermann sagt, er sei erstaunt, daß Jemand gegen den Antrag auf Untersuchung spräche, sei er erstaunt, daß Jemand dafür spräche. (Bravo). Schaffrath widerlegt die einzelnen Punkte der Bassermann'schen Rede, wo durch der Unterstaats-Sekretär dermaßen in Zorn geräht, daß er Schaffrath einen Nachfolger der rothen Fahne nennt. Schaffrath weißt Bassermann gehörig zurecht. Unter Anderm sag er: Es wäre die größte Tyrannei, wenn unsere Wähler erklärten, wir hätten ihr Vertrauen verloren, und wir blieben dennoch hier. (Furchtbares Bravo Gallerien und links.) Die Majorität hier ist nicht immer die Majorität im Volk. (Bravo). Zur Sache selbst gehörig, ist er der Ansicht als Richter, daß keine Untersuchung eingeleitet werden dürfe. Der Schluß der Debatte wird verlangt und abgelehnt. Edel (aus Würzburg) für den Ausschußantrag. Zitz: Wenn ich spreche, so geschieht es nicht um mich zu vertheidigen, denn ich brauche keine Vertheidigung; sondern nur der Stellung wegen auf die mich meine Wähler gestellt haben. Ob wir dadurch, daß wir dem Gerichte überliefert werden, später unsere Freisprechung erlangen, darum handelt es sich nicht, ‒ es handelt sich darum, ob sie es bestätigen durch Ihren heutigen Beschluß, daß Grund genug vorliegt, durch unsere Reden und die gegen uns vorgebrachten Verdächtigungen, um überhaupt die Untersuchung zu beginnen. Zitz geht näher auf die Zeugenaussagen ein, und weis't deren Unhaltbarkeit und das Widersprechende darin nach. Der Schluß seiner Rede, in welchem er durch sein früheres Leben und seine Prinzipien, die Verdächtigungen die man auf ihn gewälzt hat, abzustreifen sucht, ist überzeugend und verfehlt nicht Eindruck zu machen. Nicht die Motive des Richters sollen Sie bewegen, sagt Zitz, unsere Untersuchung zu verhängen, ‒ sie sollen prüfen, ob die Motive richtig sind. Schlöffel. Ich lehne jede Verdächtigung ab, die man meiner Rede auf der Pfingstweide in den Blättern und Zeitschriften und sonstwo unterlegt. Ich meine mit Herrn Edel, daß ich auf die Großmuth der Versammlung in unseren Angelegenheiten verzichte. Mir ist nichts verhaßter als Gnade. Früher, vor dem März, war es ein Verbrechen, schwarz-roth-gelb zu erscheinen. Jetzt bezeichnet man unsere Parthe mit rothen Strichen; und dies ist nach der jetzigen Sachlage Verbrechen. Schlöffel spricht vom alten Staat, den er wie alle Anwesenden mißbilligen muß. Die Majorität und Minerität, die sich in diesem Hause finden, finden sich auch außer demselben, nur im umgekehrten Verhältniß. (Heiterkeit). ‒ Die eine Partei will den rückwärtsschreitenden Fortschritt, die andere den vorwärtsschreitenden Fortschritt. (Heiterkeit, links Bravo.) Ich bekenne mich zu dem neuen guten Staat. Uebrigens, meine Herren! wenn ich mich bei der Revolution betheiligen will, so werde ich es so einrichten, daß Sie mich nicht richten können (Bravo ‒ Lachen ‒ Aufregung). Meine Herren! Sie werden mir wenigstens zugeben, daß ich nicht um Ihre Gunst buhle, oder mich von den Erfindungen, Verläumdungen etc. zu rechtfertigen suche, weil ich Furcht habe, ich möchte der Strafe eines Systems verfallen, das ich mißbillige. Schlöffel widerlegt die einzelnen Zeugenaussagen gegen ihn. (Heiterkeit und Erstaunen über die Haltlosigkeit der Zeugenaussagen geben sich kund). Mit äußerstem Scharfsinn und vielem Humor, zu allgemeiner Freude aller Hörer, unter tiefer Stille der Versammlung, geht Schlöffel die 12 Zeugendepositionen gegen ihn durch und verweis't mit Ironie und Hohn deren Richtigkeit. Die freisprechenden Depositionen seien in dem Bericht nicht aufgenommen worden. Ich überlasse Ihnen, über uns zu beschließen, was Ihnen gut dünkt, ich halte es für angemessen, Sie schließlich auf eine Aeußerung von Schmerling's aufmerksam zu machen, die er that, als Schmidt von Löwenberg die Tribüne betrat. Er sagte: „Das ist auch so eine Canaille, die wir heraus haben müssen. ‒ Man schreit entrüstet: „Pfui!“ Tumult. ‒ Man fordert Beweise. ‒ Schlöffel wird sie liefern. Simon von Trier hält gleichfalls eine lange und glänzende Vertheidigungsrede, die allgemeinen stürmischen Beifall der Linken und der überfüllten Gallerien findet und bei dem gleichwohl schon sehr ermüdeten Hause, gespannte Aufmerksamkeit erregt. ‒ Die Rede von Simon aus Trier dauert fast 3/4 Stunden, und wird, obschon es gegen 4 Uhr ist, ohne Schlußruf angehört. Simon wünscht die Untersuchung. Er weis't die Widersprüche der Zeugenaussagen mit juristischer Schärfe nach, nicht um einen Antrag auf Nicht-Untersuchung zu begründen, sondern um sich vor dem Volk, von dem er gewählt, hier offen zu vertheidigen, was ihm vielleicht im Verlauf der geheimen Untersuchung unmöglich sein möchte. Es möchte wohl nicht die Göttin der Gerechtigkeit, (sagt er) sondern die Reaktion sein, die sich verfolgend an unsere Versen heftet. Was Schmerling's Aeußerung betrifft, die von dem Stenographen bewiesen werden wird, giebt sie ein Zeugniß, wie weit der Terrorismus von oben geht. (Furchtbare Entrüstung und Mißbilligung). Was Schmerling anbelangt, seine Thaten werden ihm folgen. Simon schließt ungefähr: „Was Freiheit, Gefährdung und Verfolgung meiner geringen Person anbelangt, so sind dieselben nicht in die Wagschale zu legen, gegen die Bedrückungen und Gefahr des ganzen armen deutschen Volkes. Meine politische Ehre aber, und um diese handelt es sich für mich allein, werden sie mir nicht nehmen können. (Langdauernder und außerordentlicher Beifall). Der Berichterstatter Langenfeldt spricht für die Anträge des Ausschusses. (S. oben). Zwei Anträge liegen vor: 1. der Antrag des Ausschusses und 2. der von Zimmermann aus Stuttgart. (S. oben). Zimmermann zieht seinen Antrag zurück. Zell nimmt ihn auf. Die namentliche Abstimmung über den Antrag des Ausschusses soll stattfinden. Es erhebt sich Streit darüber, ob der Antrag des Ausschusses getrennt oder zusammen zur Abstimmung kommen soll. Nach der Zählung entscheidet man sich für Zusammen-Abstimmung mit 189 Stimmen gegen 187. Es erhebt sich ferner Streit darüber, ob man zuerst den Antrag des Ausschusses, oder den von Zimmermann aus Stuttgart abstimmen soll. Mit 216 Stimmen gegen 162 beschließt man zuerst den Ausschußantrag abzustimmen. Endlich erfolgt die namentliche Abstimmung. Der Antrag des Ausschusses wird mit 245 Stimmen gegen 140 angenommen. Schlöffel, Simon (Trier) und Zitz stimmten nicht mit. Morgen um 9 Uhr Sitzung. Schluß der Sitzung um 5 Uhr. Es ist ganz finster in der Kirche. Um die Tribüne sind Lichter aufgestellt, was den Eindruck eines Katafalks macht. Frankfurt, 16. Oktbr. Italienische Blätter erzählen (vom 10. Okt.), daß die Magyaren in Radetzky's Armee, nach den letzten Nachrichten aus ihrem Vaterlande, voll Erbitterung gegen die Kroaten und von einem höchst subordinationswidrigen Geiste ergriffen seien. In Mantua, wo die Mehrzahl der Magyaren besteht, habe man einen Militärkrawall befürchtet. Italien. * Die Concordia von Turin berichtet über die erste Sitzung des Kongresses der italienischen Ligue. Viacenzo Gioberti eröffnete sie durch eine Rede über die Nothwendigkeit der Einheit und der Eintracht, indem er darauf aufmerksam machte, wie die wissenschaftlichen Kongresse zu politischen geführt hätten. Andrea Romeo, Vincenzo Gioberti und Terenzio Mamiani wurden darauf mit immenser Majorität erwählt. Vizepräsidenten sind Perez von Palermo und Lucian Bonaparte. Mamiani nahm dann das Wort und endigte seine Rede damit, daß er ausrief: „Wir müssen in Zukunft alle unsere Hoffnung in das Glück der Waffen setzen ‒ Krieg! Das muß unsere Diplomatie sein. Krieg! Das ist das einzige Mittel zu unserm Heile.“ Die Worte: Krieg! Krieg! wurden tausendfach wiederholt. Perez fuhr fort und schloß mit den Worten: „Mit dem Schrei: Es lebe die Ligue! war es, daß der Mann des Volkes, während der glorreichen Revolution des Januar, den Satelliten des Bourbon in den Tod sandte. Die Grausamkeit des Königs von Neapel übersteigt alle Begriffe und wenn Italien sich dieses Tyrannen entledigt hat, so wird es einen östreichischen General weniger zu bekämpfen haben.“ ‒ In Genua wurden am 10. Okt. neue republikanische Plakate angeschlagen, die neue Unruhen hervorriefen. Die Agitation in Toskana hatte glückliche Resultate. Am 8. Okt. erklärte nämlich das Ministerium, daß es die exceptionelle Gewalt, womit es bekleidet war, niederlege. Die offizielle Zeitung von Florenz brachte zur selben Zeit ein Amnestie-Dekret für Alle bei den Unruhen in Livorno Betheiligten. In Livorno erwartete eine immense Volksmasse den neuen Gouverneur. Von dem St. Marcusthore bis zum großen Platze drängte sich alles in bunter Reihe. Aus den Fenstern regnete es Blumen; „Es lebe Montonelli!“ schrie man und: „Nieder mit dem Ministerium!“ Mantonelli hielt eine feurige Rede an das Volk. Am Abend war die Stadt illuminirt. An dem Tage der letzten Nachrichten kannte man noch nirgendwo in Italien die jüngsten Wiener Ereignisse. Schweiz. Lugano, 12. Okt. Ohne irgendwelches Hinzuthun der eidgenössischen Repräsentanten im Kanton Tessin hat der die Gränzdivision kommandirende östreichische General wiederholt dringend den Wunsch gegen sie ausgesprochen, eine Unterredung mit ihnen halten zu können. Diesem Wunsche haben die Repräsentanten entsprochen und es hat diese Unterredung am 10. an der tessinischlombardischen Gränze, wie dies von den Repräsentanten bestimmt worden war, stattgefunden. Sie dürfte nicht ohne Einfluß auf die Lösung der obwaltenden Anstände sein. Nachschrift. 12. Okt. Abends. So eben ist bei den eidgenössischen Repräsentanten von Seite des Generals v. Wohlgemuth, mit dem sie die oben erwähnte Unterredung gehalten, die Nachricht eingetroffen, daß Radetzky in Folge dieser Besprechung sofort unterm 11. die bis jetzt verhängt gewesene Sperre des kommerziellen Verkehrs gegen den Kanton Tessin aufgehoben habe und sich blos vorbehalte, wegen Herstellung der freien Postverbindung und Verpflichtung der Vidimirung der Kantonalpässe durch den östreichischen Gesandten in der Schweiz noch nach den weitern Umständen und nach den ihm gewordenen Gewährleistungen zu verfügen. Belgien. Brüssel, 14. Okt. Die Independance des belgischen Musterstaates macht heute wieder die folgende komische Mittheilung: „Wir empfinden stets eine gewisse Satisfaktion, wenn wir Belgien und den Fürsten, der es regiert, wegen der Haltung, die unser Land inmitten der allgemeinen europäischen Verwirrung behauptete, loben hören. Wir hatten schon Gelegenheit verschiedene Auszüge aus englischen und deutschen Journalen zu geben; es möge hier nachfolgen, was wir in der Daily-News lasen: „Nach dieser hübschen Einleitung folgt nun wirklich ein Fetzen aus dem genannten englischen Journale, in dem der komische König Leopold in einer wahrhaft überschwenglichen Manier gelobt und ein Muster aller Könige genannt wird. Wenn das Geschick oder die Politik, meint die Daily-News, den König Leopold nach Frankfurt statt nach Brüssel gesetzt hätte, so würde es ganz anders um Deutschland stehen! Französische Republik. Paris, 16. Oktober. (Vormittags.) So wäre denn der entscheidende Tag da! Noch wenige Augenblicke und wir werden wissen, ob die Februarrepublik von den Männern Louis Philipp's regiert werden darf oder nicht? ‒ Nicht nur in der offiziellen Welt, sondern in der Arbeiterbevölkerung herrscht eine unbeschreibliche Spannung. Es sind sogar Wetten eingegangen worden. Die Einen sprechen dem Ministerium eine ungeheure Majorität zu, die Anderen bestimmen dieselbe höchstens auf 100 Stimmen, was bei achthundert Anwesenden schon sehr bedenklich klingt, und endlich die Rothgesinnten lassen das Ministerium ganz durchfallen. ‒ Die Klubs der Herren Volksvertreter waren auch gestern Abend ungemein thätig. Jeder will natürlich sein Votum im Voraus feststellen. Das Palais National (Marrastianer) ist ganz zerfahren; es hat sich in zwei Hälften gespalten, von denen die größere aus Furcht vor den Rothen für die Männer Louis Philipp's stimmen will. So tief ist die Nationalpartei gesunken! Die Rue de Poitiers wird sich natürlich wie Ein Mann erheben, dennoch wollen Scharfsichtige die Bemerkung gemacht haben, daß sich manche weiße Kugel noch in eine schwarze bis heute Abend verwandeln dürfte. Daß die sechzig Köpfe des Berges Rue Taitbout (worunter Proudhon und Peter Bonaparte, der Sohn Luzian's) gegen das Ministerium stimmen werden, versteht sich von selbst. ‒ Geduld. Bald wird Paris wissen, ob sich Cavaignac mit dem gefallenen Urnen-Resultat begnügen werde? ‒ Heute (Montag) sollte eine großartige Arbeiter-Demonstration zu Ehren des Ex-Präfekten Ducoux stattfinden. Alle Anstalten waren getroffen. Allein sämmtliche demokratische Blätter warnen das Volk, keine öffentliche Manifestation zu veranstalten, welche der royolistischen Partei (Lamoricière) offenbar nur eine schöne Gelegenheit bieten würde, die ächten Republikaner zusammenzuschießen. Darum wird jeder Aufzug unterbleiben. ‒ Wortlaut der Motion des Berges zu Gunsten der Mai- und Juni-Gefangenen: Artikel 1. Allgemeine Amnestie ist allen denjenigen gewährt, welche politischer Verbrechen und Vergehen angeklagt sind, die sie in Paris oder in den Departements begangen haben. Artikel 2. Alle Untersuchungen und begonnene Prozesse aus diesen Gründen werden abgebrochen oder niedergeschlagen. Artikel 3. Die schon ausgesprochenen Urtheile und Strafen, Geldbußen etc. werden vernichtet und resp. wiedererstattet. (Folgen die Unterschriften von 50 Berggliedern.) ‒ Trotz aller Polizeimannschaften und Verklausulirungen erwachen fast alle Arbeiterklubs zu neuem Leben. Die Ernennung der Herren Dufaure und Vivien und die Ereignisse in Wien waren gestern und Sonnabend in dem Munde aller Volksredner. Mit welchen Gefühlen die Ernennung der beiden Exminister aufgenommen wurde, geht aus obiger Demonstration hervor. Arge Drohungen sind ausgestoßen worden. Ferner wurden die Berichte aus Wien mit wahrem Enthusiasmus begrüßt. Es leben die Wiener! Es lebe das demokratische Deutschland! Nieder mit allen Königen! erschallte es in vielen Klubs. Mehrere Adressen und Glückwünschungsbriefe an das Wiener Volk sind beschlossen worden. Wir nennen hier nur den Klub des Travailleurs, Klub de la Fraternité und die l'Association ouvrière, welche letztere von mehreren tausend Personen besucht wurde, worunter vorzüglich viele Soldaten, auffallend viele Unteroffiziere und Gefreiten etc. Man diskutirte dort schließlich die Frage, wer Präsident der Republik sein solle? Die meisten Redner schlugen den Kämpfer-Doktor Raspail vor, weil er dem Volke Nationalküchen und Nationalwerkstätten versprochen habe. Einige Andere stimmten für Louis Bonaparte, der auch ein Freund der Armen sei (siehe seine Broschüre über den Pauperismus); jedoch mit der Bedingung, daß er Raspail, Barbes und Blanqui zu Ministern nehme etc. Man sieht, unser Volksleben ist wieder im besten Gange. ‒ (Neue Abdankungen.) Etienne Arago, Generalpostdirektor, zieht sich zurück. Ebenso Littré, Institutsglied aus der Munizipal- und Departemental-Kommission. Letzterer richtet an die Seine-Präfektur (Präsident der Kommission) folgende Zeilen: „Herr Präfekt. Da ich nicht der Volkswahl, sondern der Regierung meine Anstellung verdanke, „diese Regierung“ sich aber auf eine Seite neigt, die nicht die meinige ist, so bitte ich Sie, meine Entlassung als Mitglied der Munizipal- und Departementalkommission anzunehmen.“ Gruß und Brüderschaft. Paris 15. Octbr. (gez.) R. Littrè. ‒ Der Moniteur zeigt an, daß der Advokat Paul Desmazures (unter Louis Philipp schon Kabinets-Chef Dufaure's) wieder zum Kabinets-Chef des Ministeriums des Innern ernannt ist. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar120_013" type="jArticle"> <pb facs="#f0003" n="0603"/> <p>‒ In die Amnestie der bei der letzten Wiener Revolution betheiligten, werde das Reichsministerium sich nicht mischen, wohl aber einen Unterschied verlangen, zwischen politischen Verbrechen und Mord. ‒</p> <p>Der Präsident zeigt an daß noch drei dringliche Anträge vorliegen, die Versammlung beschließt aber Tagesordnung. ‒</p> <p><hi rendition="#g">Reh</hi> beantragt über Punkt I und III der heutigen Tagesordnung, (S. oben dieselbe.) mit Rücksicht daß dergleichen Dinge nicht mehr vorkommen werden, zur ferneren Tagesordnung überzugehen. Die Dringlichkeit des Antrags zu begründen wird Herrn Reh mit schwacher Majorität zugestanden.</p> <p><hi rendition="#g">Reh</hi> In Erwägung daß durch eine Diskussion über I und III die Fakta nicht ungeschehen gemacht werden, in Erwägung daß damals Leidenschaftlichkeit vorgewaltet hat, bitte ich Sie, diese beiden Punkte mit Stillschweigen zu übergehen. Jeder über diese Punkte gefaßte Antrag wird nichts bezwecken. Ich apellire an Ihr Gefühl für Humanität und Anstand (Bravo! bravo! Abstimmen.)</p> <p>Der Antrag von Reh (S. oben.) wird fast einstimmig angenommen. (Lauter Beifall.)</p> <p>Der Ausschuß für Geschäftsordnung beantragt:</p> <p>1. Dem Präsidenten steht das Recht des Ordnungsrufes ohne Diskussion zu.</p> <p>2. Der Ordnungsruf muß unmittelbar erfolgen.</p> <p>3. Von demselben findet eine Apellation statt.</p> <p>Zu diesen Anträgen über die Art und Weise des Ordnungsrufes wird ein Antrag von Fischer aus Jena, diese Anträge bis zur Berathung über die Disciplinarordnung ruhen zu lassen, angenommen.</p> <p>Nro 2 der Tagesordnung (S. oben.) Wie Sie durch die Sitzung vom Freitag schon wissen, beantragt in der bekannten Angelegenheit der Ausschuß:</p> <p>Die hohe Nationalversammlung wolle beschließen: die von dem Oberappellationsgerichte, als Criminalgericht der freien Stadt Frankfurt, in dem an das Reichsministerium der Justiz unter dem 4. d. M. gerichteten Schreiben beantragte Zustimmung zur Einleitung der Untersuchung gegen die Abgeordneten Zitz, Schlöffel und Simon von Trier zu ertheilen;</p> <p>dagegen den von dem gedachten Gerichte nur vorsorglich gestellten Antrag: die Zustimmung zu der Verhaftung der genannten Abgeordneten, wenn solche im Laufe der Untersuchung nöthig werden könnte, schon jetzt zu ertheilen, abzulehnen.</p> <p>Als Redner haben sich einschreiben lassen.</p> <p>Gegen Zimmermann. Vogt, Joseph, Leue, Wiegardt, Reinhard, Wesendonk, Schaffrath.</p> <p>Für Basserman, Beckerath, Reh.</p> <p><hi rendition="#g">Zimmermann</hi> aus Stuttgart. Wir seien soweit gekommen, daß man Anträge auf Verhaftungen, Untersuchungen ja Ausschließung einer ganzen Parthei gestellt. ‒ Er verspricht die Anschuldigungen zurückzuweisen, die heutigen Angeklagten kurz zu vertheidigen. Die Partheileidenschaft hat sich der vorliegenden Gegenstände über die Maaßen hinaus bemächtigt. ‒ Die Geschichte wird anders urtheilen. Man hat eine Hetzjagd auf moralische Beweise angestellt. ‒ Zweierlei müssen die Partheien lernen: „Erkenntniß und Versöhnlichkeit! Man ist soweit gegangen der äußerten Linken vorzuwerfen, sie hätte Mörder gedungen. ‒ Auf Zeitungsgeschrei brauchen wir (wenn die Versammlung in's Spiel kommt) nicht zu antworten; aber die Stimmen die sich im Hause selbst vernehmen lassen, müssen wir berücksichtigen. Ich hätte Vieles auf dem Herzen, aber ich will es unterdrücken, weil ja hier nur von der Reichstagszeitung gesprochen werden darf.</p> <p>Präsident. Herr Zimmermann ich muß Ihnen bemerken, daß ich hier nie von der Reichstagszeitung gesprochen, obschon ich am Gründlichsten darin angegriffen bin. (Links: Aber Stavenhagen! ‒ Und Dahlmann! ‒ Schaffrath Stavenhagen hat über eine viertel Stunde von der Reichstagszeitung gesprochen.)</p> <p>Zur Sache selbst, beantragt Zimmermann: „Die Versammlung soll beschließen, daß eine einfache Vernehmung genüge, zur gerichtlichen Untersuchung aber hinreichender Grund nicht vorliegt. Zum Schluß meint Zimmermann, die Zeit erheischt es, mehr auf Stimmen und Stimmung des Volks zu achten. Ich bitte Sie Maaß zu halten und gerecht zu sein.</p> <p><hi rendition="#g">Plathner</hi> aus Halberstadt. Es handelt sich nicht um eine Parthei, nur einfach darum, ob gegen die drei Abgeordneten Untersuchung einzuleiten sei. ‒ Ob der Thatbestand eines Verbrechens vorliegt, ist Sache des Richters. ‒ Aber den Betheiligten selbst muß daran liegen, daß sie in dieser Sache ein freisprechendes Urtheil erlangen. Deshalb muß die Untersuchung vorangehen. Der Ausschuß ist einstimmig darin einverstanden, daß der Richter nur der Gerechtigkeit ihr Recht zu verschaffen beabsichtigt, keineswegs an einen Tendenzprozeß denkt. (Bravo!)</p> <p><hi rendition="#g">Vogt.</hi> Von zwei Standpunkten können wir in dieser Sache ausgehen. Vom juristischen und politischen. ‒ Mit dem ersteren Standpunkt mögen sich andere beschäftigen. Es kommt mir fast vor als ob nach dem Vorüberrauschen eines großen Sturmes, man jede einzelne Welle des erregten Sees fragen wollte, wer hat dich aufgeregt? ‒ Die Aufregung in politischen Sachen ist sehr subjektiv. ‒ Auf mich z. B. haben Reden von rother Republik etc. lange nicht den Eindruck gemacht als das Benehmen eines Ministeriums, welches dem Verlangen des Volks allezeit mit höhnischer Gleichgültigkeit gegenüber getreten. ‒ Verstehen sie mich nicht falsch, ich meine (wenn ich recht verstanden sagte Vogt, „verstehen sie mich recht, ich meine dies Ministerium.“ ‒ Andere wollen gehört haben: Guizots Ministerium?) dies Ministerium. (Gelächter. Bravo!) Waren es die Mirabeau, Danton etc. die die französische Revolution gemacht, oder war es das Hofgeschmeiß und die Unterdrücker des Volks? (Lautes Bravo!) Und zu den jetzigen Wiener Verhältnißen, wer hat dazu aufgeregt. ‒ Jellachich etc. oder die Aula? (Bravo!) ‒ Ich bin erhaben über die Angriffe meiner Parthei und Person. ‒ Z. B. hat man mich der revolutionären Absichten beschuldigt, weil ich von Convent gesprochen, m. H. ich weiß sehr wohl, daß aus dieser Versammlung kein Convent hervorgehen wird! (Große Heiterkeit. Bravo.)</p> <p>Auch ich war im Vorparlament; damals als ein frischer Hauch der Freiheit über Deutschland ging, damals haben die Herren ihr Haupt sehr gebückt getragen, die es jetzt wieder stolz erheben. (Bravo) Anlangend die Wiener Revolution, wird vielleicht, so fürchte ich, wenn ich auch das Entgegengesetzte hoffe, diese wiederum vernichtet werden, und verloren sein, aber dann meine Herren (das bin ich überzeugt) wird eine zweite kommen, welche die zu verantworten haben werden, welche die jetzige verloren gehen lassen. ‒ Ich habe im Vorparlament andere Reden gehört als auf der Pfingstweide. Warum hat man damals von Seiten des Gerichts nicht eingeschritten? ‒ (Bravo und Heiterkeit.) Darum meine Herren weil man sich bei diesen Reden nicht auf den juristischen, sondern den politischen Standpunkt gestellt hat, und so muß es auch sein. ‒ (Bravo! Sehr wahr!) ‒ Woher kommen die Brutalitäten in den untersten Volksschichten? Von den Aufwieglern zur Ruhe und Ordnung kommen sie, denen auch jedes Mittel zur Erreichung ihres Zieles recht ist. ‒ Das Volk nimmt sich ein Beispiel daran, und macht es im umgekehrten Verhältniße auf seine Weise ebenso. (Donnernder Beifall. Gelächter)</p> <p>Im vorliegenden Falle will ich nicht auf die Jämmerlichkeit der Beweise und der Zeugen eingehen. ‒ Wenn ich wüßte, ob der Ausschuß mit seinem Antrag auf Untersuchung die General- oder Special-Untersuchung verlangt, würde ich ihm (nämlich im ersteren Falle) vollkommen beistimmen. Eine allgemeine Vernehmung mag stattfinden, damit die angeklagten Abgeordneten sich rechtfertigen können. ‒ Im Interesse der Würde der Nationalversammlung lassen Sie nicht <hi rendition="#g">politische</hi> Gründe und Ueberzeugungen auf Ihren Beschluß influiren. (Anhaltender Beifall.)</p> <p><hi rendition="#g">Bassermann:</hi> Ob es keine Aufreizung zur Aufregung wenn Vogt sagt: „aus <hi rendition="#g">dieser</hi> Versammlung werde kein <hi rendition="#g">Convent</hi> entstehen!“ (Gelächter links und Gallerien.) Dies Gelächter charakterisire die Linke. ‒ Unterbrechungen aller Art. ‒</p> <p><hi rendition="#g">Präsident:</hi> man möchte Herrn Bassermann ruhig anhören, wie man Vogt gehört hat.</p> <p>Der Unterstaats-Sekretär spricht sich natürlich für die Anträge des Ausschusses aus. Wir lassen uns, sagt er u. a., nicht irre machen durch die Worte „Reaktion! Cammarilla etc.! (Gelächter) In gewissem Sinne würde er auf den Namen „Reaktionär“ Ansprüche machen (Wird ihm Niemand nehmen!) Herr Bassermann gibt aber zu, daß wie Vogt sagt, es bald so weit gekommen ist, daß man die Freiheit nicht mehr sieht.</p> <p>Ad rem: Die Gründe des Gerichtes zu prüfen sei keineswegs Sache der Versammlung. Die Gleichheit vor dem Gesetze erheische den Fortgang der Untersuchung. Die Mitglieder der Linken, die gegen die Unverantwortlichkeit des Reichsverwesers gewesen, wollen jetzt selbst diese Unverantwortlichkeit. (Gelächter!)</p> <p>Zum Schluß spricht Herr Bassermann viel und oft von den Banden, die sich gegen das souveräne Volk (d. h. dessen Vertreter) selbst aufgelehnt, von Rohheit, von der sogenannten Freiheit etc. (Bemerkungen links werden gewaltsam zurückgedrückt). Herr Bassermann schließt mit einer rührenden Apostrophe: (und fast erstickter Stimme) man möchte es doch in Deutschland nicht soweit treiben, daß aus der ganzen Revolution nichts hervorgeht, als ein zertrümmertes armes Vaterland. (Bravo rechts und Centrum. Zischen auf den Gallerien.</p> <p><hi rendition="#g">Schaffrath</hi> gibt zuerst eine moralische Rechtfertigung seiner Ansichten von Freiheit. Ich könnte die ganze Rede des vorigen Redners mit wenig Abänderungen gegen ihn selbst und seine Partei kehren. Mit demselben Rechte wie Bassermann sagt, er sei erstaunt, daß Jemand gegen den Antrag auf Untersuchung spräche, sei er erstaunt, daß Jemand dafür spräche. (Bravo). Schaffrath widerlegt die einzelnen Punkte der Bassermann'schen Rede, wo durch der Unterstaats-Sekretär dermaßen in Zorn geräht, daß er Schaffrath einen Nachfolger der rothen Fahne nennt.</p> <p><hi rendition="#g">Schaffrath</hi> weißt Bassermann gehörig zurecht. Unter Anderm sag er: Es wäre die größte Tyrannei, wenn unsere Wähler erklärten, wir hätten ihr Vertrauen verloren, und wir blieben dennoch hier. (Furchtbares Bravo Gallerien und links.) Die Majorität hier ist nicht immer die Majorität im Volk. (Bravo).</p> <p>Zur Sache selbst gehörig, ist er der Ansicht als Richter, daß keine Untersuchung eingeleitet werden dürfe. Der Schluß der Debatte wird verlangt und abgelehnt.</p> <p><hi rendition="#g">Edel</hi> (aus Würzburg) für den Ausschußantrag.</p> <p><hi rendition="#g">Zitz:</hi> Wenn ich spreche, so geschieht es nicht um mich zu vertheidigen, denn ich brauche keine Vertheidigung; sondern nur der Stellung wegen auf die mich meine Wähler gestellt haben. Ob wir dadurch, daß wir dem Gerichte überliefert werden, später unsere Freisprechung erlangen, darum handelt es sich nicht, ‒ es handelt sich darum, ob sie es bestätigen durch Ihren heutigen Beschluß, daß Grund genug vorliegt, durch unsere Reden und die gegen uns vorgebrachten Verdächtigungen, um überhaupt die Untersuchung zu beginnen. Zitz geht näher auf die Zeugenaussagen ein, und weis't deren Unhaltbarkeit und das Widersprechende darin nach. Der Schluß seiner Rede, in welchem er durch sein früheres Leben und seine Prinzipien, die Verdächtigungen die man auf ihn gewälzt hat, abzustreifen sucht, ist überzeugend und verfehlt nicht Eindruck zu machen. Nicht die Motive des Richters sollen Sie bewegen, sagt Zitz, unsere Untersuchung zu verhängen, ‒ sie sollen prüfen, ob die Motive richtig sind.</p> <p><hi rendition="#g">Schlöffel.</hi> Ich lehne jede Verdächtigung ab, die man meiner Rede auf der Pfingstweide in den Blättern und Zeitschriften und sonstwo unterlegt. Ich meine mit Herrn Edel, daß ich auf die Großmuth der Versammlung in unseren Angelegenheiten verzichte. Mir ist nichts verhaßter als Gnade. Früher, vor dem März, war es ein Verbrechen, schwarz-roth-gelb zu erscheinen. Jetzt bezeichnet man unsere Parthe mit <hi rendition="#g">rothen</hi> Strichen; und dies ist nach der jetzigen Sachlage Verbrechen.</p> <p><hi rendition="#g">Schlöffel</hi> spricht vom alten Staat, den er wie alle Anwesenden mißbilligen muß.</p> <p>Die Majorität und Minerität, die sich in diesem Hause finden, finden sich auch außer demselben, nur im umgekehrten Verhältniß. (Heiterkeit). ‒ Die eine Partei will den rückwärtsschreitenden Fortschritt, die andere den vorwärtsschreitenden Fortschritt. (Heiterkeit, links Bravo.) Ich bekenne mich zu dem neuen guten Staat.</p> <p>Uebrigens, meine Herren! wenn ich mich bei der Revolution betheiligen will, so werde ich es so einrichten, daß Sie mich nicht richten können (Bravo ‒ Lachen ‒ Aufregung). Meine Herren! Sie werden mir wenigstens zugeben, daß ich nicht um Ihre Gunst buhle, oder mich von den Erfindungen, Verläumdungen etc. zu rechtfertigen suche, weil ich Furcht habe, ich möchte der Strafe eines Systems verfallen, das ich mißbillige.</p> <p><hi rendition="#g">Schlöffel</hi> widerlegt die einzelnen Zeugenaussagen gegen ihn. (Heiterkeit und Erstaunen über die Haltlosigkeit der Zeugenaussagen geben sich kund). Mit äußerstem Scharfsinn und vielem Humor, zu allgemeiner Freude aller Hörer, unter tiefer Stille der Versammlung, geht Schlöffel die 12 Zeugendepositionen gegen ihn durch und verweis't mit Ironie und Hohn deren Richtigkeit. Die freisprechenden Depositionen seien in dem Bericht nicht aufgenommen worden. Ich überlasse Ihnen, über uns zu beschließen, was Ihnen gut dünkt, ich halte es für angemessen, Sie schließlich auf eine Aeußerung von Schmerling's aufmerksam zu machen, die er that, als Schmidt von Löwenberg die Tribüne betrat. Er sagte: „Das ist auch so eine <hi rendition="#g">Canaille,</hi> die wir heraus haben müssen. ‒ Man schreit entrüstet: „Pfui!“ Tumult. ‒ Man fordert Beweise. ‒ Schlöffel wird sie liefern.</p> <p><hi rendition="#g">Simon</hi> von Trier hält gleichfalls eine lange und glänzende Vertheidigungsrede, die allgemeinen stürmischen Beifall der Linken und der überfüllten Gallerien findet und bei dem gleichwohl schon sehr ermüdeten Hause, gespannte Aufmerksamkeit erregt. ‒ Die Rede von Simon aus Trier dauert fast 3/4 Stunden, und wird, obschon es gegen 4 Uhr ist, ohne Schlußruf angehört. Simon wünscht die Untersuchung. Er weis't die Widersprüche der Zeugenaussagen mit juristischer Schärfe nach, nicht um einen Antrag auf Nicht-Untersuchung zu begründen, sondern um sich vor dem Volk, von dem er gewählt, hier <hi rendition="#g">offen</hi> zu vertheidigen, was ihm vielleicht im Verlauf der <hi rendition="#g">geheimen</hi> Untersuchung unmöglich sein möchte. Es möchte wohl nicht die Göttin der Gerechtigkeit, (sagt er) sondern die Reaktion sein, die sich verfolgend an unsere Versen heftet.</p> <p>Was Schmerling's Aeußerung betrifft, die von dem Stenographen bewiesen werden wird, giebt sie ein Zeugniß, wie weit der Terrorismus von oben geht. (Furchtbare Entrüstung und Mißbilligung). Was Schmerling anbelangt, seine Thaten werden ihm folgen.</p> <p><hi rendition="#g">Simon</hi> schließt ungefähr: „Was Freiheit, Gefährdung und Verfolgung meiner geringen Person anbelangt, so sind dieselben nicht in die Wagschale zu legen, gegen die Bedrückungen und Gefahr des ganzen armen deutschen Volkes. Meine politische Ehre aber, und um diese handelt es sich für mich allein, werden sie mir nicht nehmen können. (Langdauernder und außerordentlicher Beifall).</p> <p>Der Berichterstatter <hi rendition="#g">Langenfeldt</hi> spricht für die Anträge des Ausschusses. (S. oben).</p> <p>Zwei Anträge liegen vor: 1. der Antrag des Ausschusses und 2. der von Zimmermann aus Stuttgart. (S. oben).</p> <p><hi rendition="#g">Zimmermann</hi> zieht seinen Antrag zurück.</p> <p><hi rendition="#g">Zell</hi> nimmt ihn auf.</p> <p>Die namentliche Abstimmung über den Antrag des Ausschusses soll stattfinden.</p> <p>Es erhebt sich Streit darüber, ob der Antrag des Ausschusses getrennt oder zusammen zur Abstimmung kommen soll.</p> <p>Nach der Zählung entscheidet man sich für Zusammen-Abstimmung mit 189 Stimmen gegen 187.</p> <p>Es erhebt sich ferner Streit darüber, ob man zuerst den Antrag des Ausschusses, oder den von Zimmermann aus Stuttgart abstimmen soll.</p> <p>Mit 216 Stimmen gegen 162 beschließt man zuerst den Ausschußantrag abzustimmen.</p> <p>Endlich erfolgt die namentliche Abstimmung. Der Antrag des Ausschusses wird mit 245 Stimmen gegen 140 angenommen.</p> <p>Schlöffel, Simon (Trier) und Zitz stimmten nicht mit.</p> <p>Morgen um 9 Uhr Sitzung.</p> <p>Schluß der Sitzung um 5 Uhr.</p> <p>Es ist ganz finster in der Kirche. Um die Tribüne sind Lichter aufgestellt, was den Eindruck eines Katafalks macht.</p> </div> <div xml:id="ar120_014" type="jArticle"> <head>Frankfurt, 16. Oktbr.</head> <p>Italienische Blätter erzählen (vom 10. Okt.), daß die Magyaren in Radetzky's Armee, nach den letzten Nachrichten aus ihrem Vaterlande, voll Erbitterung gegen die Kroaten und von einem höchst subordinationswidrigen Geiste ergriffen seien. In Mantua, wo die Mehrzahl der Magyaren besteht, habe man einen Militärkrawall befürchtet.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Italien.</head> <div xml:id="ar120_015" type="jArticle"> <head> <bibl> <author>*</author> </bibl> </head> <p>Die Concordia von Turin berichtet über die erste Sitzung des Kongresses der italienischen Ligue. Viacenzo Gioberti eröffnete sie durch eine Rede über die Nothwendigkeit der Einheit und der Eintracht, indem er darauf aufmerksam machte, wie die wissenschaftlichen Kongresse zu politischen geführt hätten. Andrea Romeo, Vincenzo Gioberti und Terenzio Mamiani wurden darauf mit immenser Majorität erwählt. Vizepräsidenten sind Perez von Palermo und Lucian Bonaparte. Mamiani nahm dann das Wort und endigte seine Rede damit, daß er ausrief: „Wir müssen in Zukunft alle unsere Hoffnung in das Glück der Waffen setzen ‒ Krieg! Das muß unsere Diplomatie sein. Krieg! Das ist das einzige Mittel zu unserm Heile.“</p> <p>Die Worte: Krieg! Krieg! wurden tausendfach wiederholt.</p> <p>Perez fuhr fort und schloß mit den Worten: „Mit dem Schrei: Es lebe die Ligue! war es, daß der Mann des Volkes, während der glorreichen Revolution des Januar, den Satelliten des Bourbon in den Tod sandte. Die Grausamkeit des Königs von Neapel übersteigt alle Begriffe und wenn Italien sich dieses Tyrannen entledigt hat, so wird es einen östreichischen General weniger zu bekämpfen haben.“</p> <p>‒ In Genua wurden am 10. Okt. neue republikanische Plakate angeschlagen, die neue Unruhen hervorriefen. Die Agitation in Toskana hatte glückliche Resultate. Am 8. Okt. erklärte nämlich das Ministerium, daß es die exceptionelle Gewalt, womit es bekleidet war, niederlege. Die offizielle Zeitung von Florenz brachte zur selben Zeit ein Amnestie-Dekret für Alle bei den Unruhen in Livorno Betheiligten.</p> <p>In Livorno erwartete eine immense Volksmasse den neuen Gouverneur. Von dem St. Marcusthore bis zum großen Platze drängte sich alles in bunter Reihe. Aus den Fenstern regnete es Blumen; „Es lebe Montonelli!“ schrie man und: „Nieder mit dem Ministerium!“ Mantonelli hielt eine feurige Rede an das Volk. Am Abend war die Stadt illuminirt. An dem Tage der letzten Nachrichten kannte man noch nirgendwo in Italien die jüngsten Wiener Ereignisse.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Schweiz.</head> <div xml:id="ar120_016" type="jArticle"> <head>Lugano, 12. Okt.</head> <p>Ohne irgendwelches Hinzuthun der eidgenössischen Repräsentanten im Kanton Tessin hat der die Gränzdivision kommandirende östreichische General wiederholt dringend den Wunsch gegen sie ausgesprochen, eine Unterredung mit ihnen halten zu können. Diesem Wunsche haben die Repräsentanten entsprochen und es hat diese Unterredung am 10. an der tessinischlombardischen Gränze, wie dies von den Repräsentanten bestimmt worden war, stattgefunden. Sie dürfte nicht ohne Einfluß auf die Lösung der obwaltenden Anstände sein.</p> <p><hi rendition="#g">Nachschrift.</hi> 12. Okt. Abends. So eben ist bei den eidgenössischen Repräsentanten von Seite des Generals v. Wohlgemuth, mit dem sie die oben erwähnte Unterredung gehalten, die Nachricht eingetroffen, daß Radetzky in Folge dieser Besprechung sofort unterm 11. die bis jetzt verhängt gewesene Sperre des kommerziellen Verkehrs gegen den Kanton Tessin aufgehoben habe und sich blos vorbehalte, wegen Herstellung der freien Postverbindung und Verpflichtung der Vidimirung der Kantonalpässe durch den östreichischen Gesandten in der Schweiz noch nach den weitern Umständen und nach den ihm gewordenen Gewährleistungen zu verfügen.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Belgien.</head> <div xml:id="ar120_017" type="jArticle"> <head>Brüssel, 14. Okt.</head> <p>Die Independance des belgischen Musterstaates macht heute wieder die folgende komische Mittheilung: „Wir empfinden stets eine gewisse Satisfaktion, wenn wir Belgien und den Fürsten, der es regiert, wegen der Haltung, die unser Land inmitten der allgemeinen europäischen Verwirrung behauptete, loben hören. Wir hatten schon Gelegenheit verschiedene Auszüge aus englischen und deutschen Journalen zu geben; es möge hier nachfolgen, was wir in der Daily-News lasen: „Nach dieser hübschen Einleitung folgt nun wirklich ein Fetzen aus dem genannten englischen Journale, in dem der komische König Leopold in einer wahrhaft überschwenglichen Manier gelobt und ein Muster aller Könige genannt wird. Wenn das Geschick oder die Politik, meint die Daily-News, den König Leopold nach Frankfurt statt nach Brüssel gesetzt hätte, so würde es ganz anders um Deutschland stehen!</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Französische Republik.</head> <div xml:id="ar120_018" type="jArticle"> <head>Paris, 16. Oktober.</head> <p>(Vormittags.) So wäre denn der entscheidende Tag da! Noch wenige Augenblicke und wir werden wissen, ob die Februarrepublik von den Männern Louis Philipp's regiert werden darf oder nicht?</p> <p>‒ Nicht nur in der offiziellen Welt, sondern in der Arbeiterbevölkerung herrscht eine unbeschreibliche Spannung. Es sind sogar Wetten eingegangen worden. Die Einen sprechen dem Ministerium eine ungeheure Majorität zu, die Anderen bestimmen dieselbe höchstens auf 100 Stimmen, was bei achthundert Anwesenden schon sehr bedenklich klingt, und endlich die Rothgesinnten lassen das Ministerium ganz durchfallen.</p> <p>‒ Die Klubs der Herren Volksvertreter waren auch gestern Abend ungemein thätig. Jeder will natürlich sein Votum im Voraus feststellen.</p> <p>Das Palais National (Marrastianer) ist ganz zerfahren; es hat sich in zwei Hälften gespalten, von denen die größere aus Furcht vor den Rothen für die Männer Louis Philipp's stimmen will. So tief ist die Nationalpartei gesunken!</p> <p>Die Rue de Poitiers wird sich natürlich wie Ein Mann erheben, dennoch wollen Scharfsichtige die Bemerkung gemacht haben, daß sich manche weiße Kugel noch in eine schwarze bis heute Abend verwandeln dürfte.</p> <p>Daß die sechzig Köpfe des Berges Rue Taitbout (worunter Proudhon und Peter Bonaparte, der Sohn Luzian's) gegen das Ministerium stimmen werden, versteht sich von selbst.</p> <p>‒ Geduld. Bald wird Paris wissen, ob sich Cavaignac mit dem gefallenen Urnen-Resultat begnügen werde?</p> <p>‒ Heute (Montag) sollte eine großartige Arbeiter-Demonstration zu Ehren des Ex-Präfekten Ducoux stattfinden. Alle Anstalten waren getroffen. Allein sämmtliche demokratische Blätter warnen das Volk, keine öffentliche Manifestation zu veranstalten, welche der royolistischen Partei (Lamoricière) offenbar nur eine schöne Gelegenheit bieten würde, die ächten Republikaner zusammenzuschießen. Darum wird jeder Aufzug unterbleiben.</p> <p>‒ Wortlaut der Motion des Berges zu Gunsten der Mai- und Juni-Gefangenen:</p> <p>Artikel 1. Allgemeine Amnestie ist allen denjenigen gewährt, welche politischer Verbrechen und Vergehen angeklagt sind, die sie in Paris oder in den Departements begangen haben.</p> <p>Artikel 2. Alle Untersuchungen und begonnene Prozesse aus diesen Gründen werden abgebrochen oder niedergeschlagen.</p> <p>Artikel 3. Die schon ausgesprochenen Urtheile und Strafen, Geldbußen etc. werden vernichtet und resp. wiedererstattet.</p> <p>(Folgen die Unterschriften von 50 Berggliedern.)</p> <p>‒ Trotz aller Polizeimannschaften und Verklausulirungen erwachen fast alle Arbeiterklubs zu neuem Leben. Die Ernennung der Herren Dufaure und Vivien und die Ereignisse in Wien waren gestern und Sonnabend in dem Munde aller Volksredner.</p> <p>Mit welchen Gefühlen die Ernennung der beiden Exminister aufgenommen wurde, geht aus obiger Demonstration hervor. Arge Drohungen sind ausgestoßen worden.</p> <p>Ferner wurden die Berichte aus Wien mit wahrem Enthusiasmus begrüßt. Es leben die Wiener! Es lebe das demokratische Deutschland! Nieder mit allen Königen! erschallte es in vielen Klubs. Mehrere Adressen und Glückwünschungsbriefe an das Wiener Volk sind beschlossen worden. Wir nennen hier nur den Klub des Travailleurs, Klub de la Fraternité und die l'Association ouvrière, welche letztere von mehreren tausend Personen besucht wurde, worunter vorzüglich viele Soldaten, auffallend viele Unteroffiziere und Gefreiten etc. Man diskutirte dort schließlich die Frage, wer Präsident der Republik sein solle? Die meisten Redner schlugen den Kämpfer-Doktor Raspail vor, weil er dem Volke Nationalküchen und Nationalwerkstätten versprochen habe. Einige Andere stimmten für Louis Bonaparte, der auch ein Freund der Armen sei (siehe seine Broschüre über den Pauperismus); jedoch mit der Bedingung, daß er Raspail, Barbes und Blanqui zu Ministern nehme etc.</p> <p>Man sieht, unser Volksleben ist wieder im besten Gange.</p> <p>‒ <hi rendition="#g">(Neue Abdankungen.)</hi> Etienne Arago, Generalpostdirektor, zieht sich zurück. Ebenso Littré, Institutsglied aus der Munizipal- und Departemental-Kommission. Letzterer richtet an die Seine-Präfektur (Präsident der Kommission) folgende Zeilen:</p> <p>„Herr Präfekt. Da ich nicht der Volkswahl, sondern der Regierung meine Anstellung verdanke, „diese Regierung“ sich aber auf eine Seite neigt, die nicht die meinige ist, so bitte ich Sie, meine Entlassung als Mitglied der Munizipal- und Departementalkommission anzunehmen.“</p> <p>Gruß und Brüderschaft.</p> <p>Paris 15. Octbr. (gez.) R. Littrè.</p> <p>‒ Der Moniteur zeigt an, daß der Advokat Paul Desmazures (unter Louis Philipp schon Kabinets-Chef Dufaure's) wieder zum Kabinets-Chef des Ministeriums des Innern ernannt ist.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0603/0003]
‒ In die Amnestie der bei der letzten Wiener Revolution betheiligten, werde das Reichsministerium sich nicht mischen, wohl aber einen Unterschied verlangen, zwischen politischen Verbrechen und Mord. ‒
Der Präsident zeigt an daß noch drei dringliche Anträge vorliegen, die Versammlung beschließt aber Tagesordnung. ‒
Reh beantragt über Punkt I und III der heutigen Tagesordnung, (S. oben dieselbe.) mit Rücksicht daß dergleichen Dinge nicht mehr vorkommen werden, zur ferneren Tagesordnung überzugehen. Die Dringlichkeit des Antrags zu begründen wird Herrn Reh mit schwacher Majorität zugestanden.
Reh In Erwägung daß durch eine Diskussion über I und III die Fakta nicht ungeschehen gemacht werden, in Erwägung daß damals Leidenschaftlichkeit vorgewaltet hat, bitte ich Sie, diese beiden Punkte mit Stillschweigen zu übergehen. Jeder über diese Punkte gefaßte Antrag wird nichts bezwecken. Ich apellire an Ihr Gefühl für Humanität und Anstand (Bravo! bravo! Abstimmen.)
Der Antrag von Reh (S. oben.) wird fast einstimmig angenommen. (Lauter Beifall.)
Der Ausschuß für Geschäftsordnung beantragt:
1. Dem Präsidenten steht das Recht des Ordnungsrufes ohne Diskussion zu.
2. Der Ordnungsruf muß unmittelbar erfolgen.
3. Von demselben findet eine Apellation statt.
Zu diesen Anträgen über die Art und Weise des Ordnungsrufes wird ein Antrag von Fischer aus Jena, diese Anträge bis zur Berathung über die Disciplinarordnung ruhen zu lassen, angenommen.
Nro 2 der Tagesordnung (S. oben.) Wie Sie durch die Sitzung vom Freitag schon wissen, beantragt in der bekannten Angelegenheit der Ausschuß:
Die hohe Nationalversammlung wolle beschließen: die von dem Oberappellationsgerichte, als Criminalgericht der freien Stadt Frankfurt, in dem an das Reichsministerium der Justiz unter dem 4. d. M. gerichteten Schreiben beantragte Zustimmung zur Einleitung der Untersuchung gegen die Abgeordneten Zitz, Schlöffel und Simon von Trier zu ertheilen;
dagegen den von dem gedachten Gerichte nur vorsorglich gestellten Antrag: die Zustimmung zu der Verhaftung der genannten Abgeordneten, wenn solche im Laufe der Untersuchung nöthig werden könnte, schon jetzt zu ertheilen, abzulehnen.
Als Redner haben sich einschreiben lassen.
Gegen Zimmermann. Vogt, Joseph, Leue, Wiegardt, Reinhard, Wesendonk, Schaffrath.
Für Basserman, Beckerath, Reh.
Zimmermann aus Stuttgart. Wir seien soweit gekommen, daß man Anträge auf Verhaftungen, Untersuchungen ja Ausschließung einer ganzen Parthei gestellt. ‒ Er verspricht die Anschuldigungen zurückzuweisen, die heutigen Angeklagten kurz zu vertheidigen. Die Partheileidenschaft hat sich der vorliegenden Gegenstände über die Maaßen hinaus bemächtigt. ‒ Die Geschichte wird anders urtheilen. Man hat eine Hetzjagd auf moralische Beweise angestellt. ‒ Zweierlei müssen die Partheien lernen: „Erkenntniß und Versöhnlichkeit! Man ist soweit gegangen der äußerten Linken vorzuwerfen, sie hätte Mörder gedungen. ‒ Auf Zeitungsgeschrei brauchen wir (wenn die Versammlung in's Spiel kommt) nicht zu antworten; aber die Stimmen die sich im Hause selbst vernehmen lassen, müssen wir berücksichtigen. Ich hätte Vieles auf dem Herzen, aber ich will es unterdrücken, weil ja hier nur von der Reichstagszeitung gesprochen werden darf.
Präsident. Herr Zimmermann ich muß Ihnen bemerken, daß ich hier nie von der Reichstagszeitung gesprochen, obschon ich am Gründlichsten darin angegriffen bin. (Links: Aber Stavenhagen! ‒ Und Dahlmann! ‒ Schaffrath Stavenhagen hat über eine viertel Stunde von der Reichstagszeitung gesprochen.)
Zur Sache selbst, beantragt Zimmermann: „Die Versammlung soll beschließen, daß eine einfache Vernehmung genüge, zur gerichtlichen Untersuchung aber hinreichender Grund nicht vorliegt. Zum Schluß meint Zimmermann, die Zeit erheischt es, mehr auf Stimmen und Stimmung des Volks zu achten. Ich bitte Sie Maaß zu halten und gerecht zu sein.
Plathner aus Halberstadt. Es handelt sich nicht um eine Parthei, nur einfach darum, ob gegen die drei Abgeordneten Untersuchung einzuleiten sei. ‒ Ob der Thatbestand eines Verbrechens vorliegt, ist Sache des Richters. ‒ Aber den Betheiligten selbst muß daran liegen, daß sie in dieser Sache ein freisprechendes Urtheil erlangen. Deshalb muß die Untersuchung vorangehen. Der Ausschuß ist einstimmig darin einverstanden, daß der Richter nur der Gerechtigkeit ihr Recht zu verschaffen beabsichtigt, keineswegs an einen Tendenzprozeß denkt. (Bravo!)
Vogt. Von zwei Standpunkten können wir in dieser Sache ausgehen. Vom juristischen und politischen. ‒ Mit dem ersteren Standpunkt mögen sich andere beschäftigen. Es kommt mir fast vor als ob nach dem Vorüberrauschen eines großen Sturmes, man jede einzelne Welle des erregten Sees fragen wollte, wer hat dich aufgeregt? ‒ Die Aufregung in politischen Sachen ist sehr subjektiv. ‒ Auf mich z. B. haben Reden von rother Republik etc. lange nicht den Eindruck gemacht als das Benehmen eines Ministeriums, welches dem Verlangen des Volks allezeit mit höhnischer Gleichgültigkeit gegenüber getreten. ‒ Verstehen sie mich nicht falsch, ich meine (wenn ich recht verstanden sagte Vogt, „verstehen sie mich recht, ich meine dies Ministerium.“ ‒ Andere wollen gehört haben: Guizots Ministerium?) dies Ministerium. (Gelächter. Bravo!) Waren es die Mirabeau, Danton etc. die die französische Revolution gemacht, oder war es das Hofgeschmeiß und die Unterdrücker des Volks? (Lautes Bravo!) Und zu den jetzigen Wiener Verhältnißen, wer hat dazu aufgeregt. ‒ Jellachich etc. oder die Aula? (Bravo!) ‒ Ich bin erhaben über die Angriffe meiner Parthei und Person. ‒ Z. B. hat man mich der revolutionären Absichten beschuldigt, weil ich von Convent gesprochen, m. H. ich weiß sehr wohl, daß aus dieser Versammlung kein Convent hervorgehen wird! (Große Heiterkeit. Bravo.)
Auch ich war im Vorparlament; damals als ein frischer Hauch der Freiheit über Deutschland ging, damals haben die Herren ihr Haupt sehr gebückt getragen, die es jetzt wieder stolz erheben. (Bravo) Anlangend die Wiener Revolution, wird vielleicht, so fürchte ich, wenn ich auch das Entgegengesetzte hoffe, diese wiederum vernichtet werden, und verloren sein, aber dann meine Herren (das bin ich überzeugt) wird eine zweite kommen, welche die zu verantworten haben werden, welche die jetzige verloren gehen lassen. ‒ Ich habe im Vorparlament andere Reden gehört als auf der Pfingstweide. Warum hat man damals von Seiten des Gerichts nicht eingeschritten? ‒ (Bravo und Heiterkeit.) Darum meine Herren weil man sich bei diesen Reden nicht auf den juristischen, sondern den politischen Standpunkt gestellt hat, und so muß es auch sein. ‒ (Bravo! Sehr wahr!) ‒ Woher kommen die Brutalitäten in den untersten Volksschichten? Von den Aufwieglern zur Ruhe und Ordnung kommen sie, denen auch jedes Mittel zur Erreichung ihres Zieles recht ist. ‒ Das Volk nimmt sich ein Beispiel daran, und macht es im umgekehrten Verhältniße auf seine Weise ebenso. (Donnernder Beifall. Gelächter)
Im vorliegenden Falle will ich nicht auf die Jämmerlichkeit der Beweise und der Zeugen eingehen. ‒ Wenn ich wüßte, ob der Ausschuß mit seinem Antrag auf Untersuchung die General- oder Special-Untersuchung verlangt, würde ich ihm (nämlich im ersteren Falle) vollkommen beistimmen. Eine allgemeine Vernehmung mag stattfinden, damit die angeklagten Abgeordneten sich rechtfertigen können. ‒ Im Interesse der Würde der Nationalversammlung lassen Sie nicht politische Gründe und Ueberzeugungen auf Ihren Beschluß influiren. (Anhaltender Beifall.)
Bassermann: Ob es keine Aufreizung zur Aufregung wenn Vogt sagt: „aus dieser Versammlung werde kein Convent entstehen!“ (Gelächter links und Gallerien.) Dies Gelächter charakterisire die Linke. ‒ Unterbrechungen aller Art. ‒
Präsident: man möchte Herrn Bassermann ruhig anhören, wie man Vogt gehört hat.
Der Unterstaats-Sekretär spricht sich natürlich für die Anträge des Ausschusses aus. Wir lassen uns, sagt er u. a., nicht irre machen durch die Worte „Reaktion! Cammarilla etc.! (Gelächter) In gewissem Sinne würde er auf den Namen „Reaktionär“ Ansprüche machen (Wird ihm Niemand nehmen!) Herr Bassermann gibt aber zu, daß wie Vogt sagt, es bald so weit gekommen ist, daß man die Freiheit nicht mehr sieht.
Ad rem: Die Gründe des Gerichtes zu prüfen sei keineswegs Sache der Versammlung. Die Gleichheit vor dem Gesetze erheische den Fortgang der Untersuchung. Die Mitglieder der Linken, die gegen die Unverantwortlichkeit des Reichsverwesers gewesen, wollen jetzt selbst diese Unverantwortlichkeit. (Gelächter!)
Zum Schluß spricht Herr Bassermann viel und oft von den Banden, die sich gegen das souveräne Volk (d. h. dessen Vertreter) selbst aufgelehnt, von Rohheit, von der sogenannten Freiheit etc. (Bemerkungen links werden gewaltsam zurückgedrückt). Herr Bassermann schließt mit einer rührenden Apostrophe: (und fast erstickter Stimme) man möchte es doch in Deutschland nicht soweit treiben, daß aus der ganzen Revolution nichts hervorgeht, als ein zertrümmertes armes Vaterland. (Bravo rechts und Centrum. Zischen auf den Gallerien.
Schaffrath gibt zuerst eine moralische Rechtfertigung seiner Ansichten von Freiheit. Ich könnte die ganze Rede des vorigen Redners mit wenig Abänderungen gegen ihn selbst und seine Partei kehren. Mit demselben Rechte wie Bassermann sagt, er sei erstaunt, daß Jemand gegen den Antrag auf Untersuchung spräche, sei er erstaunt, daß Jemand dafür spräche. (Bravo). Schaffrath widerlegt die einzelnen Punkte der Bassermann'schen Rede, wo durch der Unterstaats-Sekretär dermaßen in Zorn geräht, daß er Schaffrath einen Nachfolger der rothen Fahne nennt.
Schaffrath weißt Bassermann gehörig zurecht. Unter Anderm sag er: Es wäre die größte Tyrannei, wenn unsere Wähler erklärten, wir hätten ihr Vertrauen verloren, und wir blieben dennoch hier. (Furchtbares Bravo Gallerien und links.) Die Majorität hier ist nicht immer die Majorität im Volk. (Bravo).
Zur Sache selbst gehörig, ist er der Ansicht als Richter, daß keine Untersuchung eingeleitet werden dürfe. Der Schluß der Debatte wird verlangt und abgelehnt.
Edel (aus Würzburg) für den Ausschußantrag.
Zitz: Wenn ich spreche, so geschieht es nicht um mich zu vertheidigen, denn ich brauche keine Vertheidigung; sondern nur der Stellung wegen auf die mich meine Wähler gestellt haben. Ob wir dadurch, daß wir dem Gerichte überliefert werden, später unsere Freisprechung erlangen, darum handelt es sich nicht, ‒ es handelt sich darum, ob sie es bestätigen durch Ihren heutigen Beschluß, daß Grund genug vorliegt, durch unsere Reden und die gegen uns vorgebrachten Verdächtigungen, um überhaupt die Untersuchung zu beginnen. Zitz geht näher auf die Zeugenaussagen ein, und weis't deren Unhaltbarkeit und das Widersprechende darin nach. Der Schluß seiner Rede, in welchem er durch sein früheres Leben und seine Prinzipien, die Verdächtigungen die man auf ihn gewälzt hat, abzustreifen sucht, ist überzeugend und verfehlt nicht Eindruck zu machen. Nicht die Motive des Richters sollen Sie bewegen, sagt Zitz, unsere Untersuchung zu verhängen, ‒ sie sollen prüfen, ob die Motive richtig sind.
Schlöffel. Ich lehne jede Verdächtigung ab, die man meiner Rede auf der Pfingstweide in den Blättern und Zeitschriften und sonstwo unterlegt. Ich meine mit Herrn Edel, daß ich auf die Großmuth der Versammlung in unseren Angelegenheiten verzichte. Mir ist nichts verhaßter als Gnade. Früher, vor dem März, war es ein Verbrechen, schwarz-roth-gelb zu erscheinen. Jetzt bezeichnet man unsere Parthe mit rothen Strichen; und dies ist nach der jetzigen Sachlage Verbrechen.
Schlöffel spricht vom alten Staat, den er wie alle Anwesenden mißbilligen muß.
Die Majorität und Minerität, die sich in diesem Hause finden, finden sich auch außer demselben, nur im umgekehrten Verhältniß. (Heiterkeit). ‒ Die eine Partei will den rückwärtsschreitenden Fortschritt, die andere den vorwärtsschreitenden Fortschritt. (Heiterkeit, links Bravo.) Ich bekenne mich zu dem neuen guten Staat.
Uebrigens, meine Herren! wenn ich mich bei der Revolution betheiligen will, so werde ich es so einrichten, daß Sie mich nicht richten können (Bravo ‒ Lachen ‒ Aufregung). Meine Herren! Sie werden mir wenigstens zugeben, daß ich nicht um Ihre Gunst buhle, oder mich von den Erfindungen, Verläumdungen etc. zu rechtfertigen suche, weil ich Furcht habe, ich möchte der Strafe eines Systems verfallen, das ich mißbillige.
Schlöffel widerlegt die einzelnen Zeugenaussagen gegen ihn. (Heiterkeit und Erstaunen über die Haltlosigkeit der Zeugenaussagen geben sich kund). Mit äußerstem Scharfsinn und vielem Humor, zu allgemeiner Freude aller Hörer, unter tiefer Stille der Versammlung, geht Schlöffel die 12 Zeugendepositionen gegen ihn durch und verweis't mit Ironie und Hohn deren Richtigkeit. Die freisprechenden Depositionen seien in dem Bericht nicht aufgenommen worden. Ich überlasse Ihnen, über uns zu beschließen, was Ihnen gut dünkt, ich halte es für angemessen, Sie schließlich auf eine Aeußerung von Schmerling's aufmerksam zu machen, die er that, als Schmidt von Löwenberg die Tribüne betrat. Er sagte: „Das ist auch so eine Canaille, die wir heraus haben müssen. ‒ Man schreit entrüstet: „Pfui!“ Tumult. ‒ Man fordert Beweise. ‒ Schlöffel wird sie liefern.
Simon von Trier hält gleichfalls eine lange und glänzende Vertheidigungsrede, die allgemeinen stürmischen Beifall der Linken und der überfüllten Gallerien findet und bei dem gleichwohl schon sehr ermüdeten Hause, gespannte Aufmerksamkeit erregt. ‒ Die Rede von Simon aus Trier dauert fast 3/4 Stunden, und wird, obschon es gegen 4 Uhr ist, ohne Schlußruf angehört. Simon wünscht die Untersuchung. Er weis't die Widersprüche der Zeugenaussagen mit juristischer Schärfe nach, nicht um einen Antrag auf Nicht-Untersuchung zu begründen, sondern um sich vor dem Volk, von dem er gewählt, hier offen zu vertheidigen, was ihm vielleicht im Verlauf der geheimen Untersuchung unmöglich sein möchte. Es möchte wohl nicht die Göttin der Gerechtigkeit, (sagt er) sondern die Reaktion sein, die sich verfolgend an unsere Versen heftet.
Was Schmerling's Aeußerung betrifft, die von dem Stenographen bewiesen werden wird, giebt sie ein Zeugniß, wie weit der Terrorismus von oben geht. (Furchtbare Entrüstung und Mißbilligung). Was Schmerling anbelangt, seine Thaten werden ihm folgen.
Simon schließt ungefähr: „Was Freiheit, Gefährdung und Verfolgung meiner geringen Person anbelangt, so sind dieselben nicht in die Wagschale zu legen, gegen die Bedrückungen und Gefahr des ganzen armen deutschen Volkes. Meine politische Ehre aber, und um diese handelt es sich für mich allein, werden sie mir nicht nehmen können. (Langdauernder und außerordentlicher Beifall).
Der Berichterstatter Langenfeldt spricht für die Anträge des Ausschusses. (S. oben).
Zwei Anträge liegen vor: 1. der Antrag des Ausschusses und 2. der von Zimmermann aus Stuttgart. (S. oben).
Zimmermann zieht seinen Antrag zurück.
Zell nimmt ihn auf.
Die namentliche Abstimmung über den Antrag des Ausschusses soll stattfinden.
Es erhebt sich Streit darüber, ob der Antrag des Ausschusses getrennt oder zusammen zur Abstimmung kommen soll.
Nach der Zählung entscheidet man sich für Zusammen-Abstimmung mit 189 Stimmen gegen 187.
Es erhebt sich ferner Streit darüber, ob man zuerst den Antrag des Ausschusses, oder den von Zimmermann aus Stuttgart abstimmen soll.
Mit 216 Stimmen gegen 162 beschließt man zuerst den Ausschußantrag abzustimmen.
Endlich erfolgt die namentliche Abstimmung. Der Antrag des Ausschusses wird mit 245 Stimmen gegen 140 angenommen.
Schlöffel, Simon (Trier) und Zitz stimmten nicht mit.
Morgen um 9 Uhr Sitzung.
Schluß der Sitzung um 5 Uhr.
Es ist ganz finster in der Kirche. Um die Tribüne sind Lichter aufgestellt, was den Eindruck eines Katafalks macht.
Frankfurt, 16. Oktbr. Italienische Blätter erzählen (vom 10. Okt.), daß die Magyaren in Radetzky's Armee, nach den letzten Nachrichten aus ihrem Vaterlande, voll Erbitterung gegen die Kroaten und von einem höchst subordinationswidrigen Geiste ergriffen seien. In Mantua, wo die Mehrzahl der Magyaren besteht, habe man einen Militärkrawall befürchtet.
Italien. * Die Concordia von Turin berichtet über die erste Sitzung des Kongresses der italienischen Ligue. Viacenzo Gioberti eröffnete sie durch eine Rede über die Nothwendigkeit der Einheit und der Eintracht, indem er darauf aufmerksam machte, wie die wissenschaftlichen Kongresse zu politischen geführt hätten. Andrea Romeo, Vincenzo Gioberti und Terenzio Mamiani wurden darauf mit immenser Majorität erwählt. Vizepräsidenten sind Perez von Palermo und Lucian Bonaparte. Mamiani nahm dann das Wort und endigte seine Rede damit, daß er ausrief: „Wir müssen in Zukunft alle unsere Hoffnung in das Glück der Waffen setzen ‒ Krieg! Das muß unsere Diplomatie sein. Krieg! Das ist das einzige Mittel zu unserm Heile.“
Die Worte: Krieg! Krieg! wurden tausendfach wiederholt.
Perez fuhr fort und schloß mit den Worten: „Mit dem Schrei: Es lebe die Ligue! war es, daß der Mann des Volkes, während der glorreichen Revolution des Januar, den Satelliten des Bourbon in den Tod sandte. Die Grausamkeit des Königs von Neapel übersteigt alle Begriffe und wenn Italien sich dieses Tyrannen entledigt hat, so wird es einen östreichischen General weniger zu bekämpfen haben.“
‒ In Genua wurden am 10. Okt. neue republikanische Plakate angeschlagen, die neue Unruhen hervorriefen. Die Agitation in Toskana hatte glückliche Resultate. Am 8. Okt. erklärte nämlich das Ministerium, daß es die exceptionelle Gewalt, womit es bekleidet war, niederlege. Die offizielle Zeitung von Florenz brachte zur selben Zeit ein Amnestie-Dekret für Alle bei den Unruhen in Livorno Betheiligten.
In Livorno erwartete eine immense Volksmasse den neuen Gouverneur. Von dem St. Marcusthore bis zum großen Platze drängte sich alles in bunter Reihe. Aus den Fenstern regnete es Blumen; „Es lebe Montonelli!“ schrie man und: „Nieder mit dem Ministerium!“ Mantonelli hielt eine feurige Rede an das Volk. Am Abend war die Stadt illuminirt. An dem Tage der letzten Nachrichten kannte man noch nirgendwo in Italien die jüngsten Wiener Ereignisse.
Schweiz. Lugano, 12. Okt. Ohne irgendwelches Hinzuthun der eidgenössischen Repräsentanten im Kanton Tessin hat der die Gränzdivision kommandirende östreichische General wiederholt dringend den Wunsch gegen sie ausgesprochen, eine Unterredung mit ihnen halten zu können. Diesem Wunsche haben die Repräsentanten entsprochen und es hat diese Unterredung am 10. an der tessinischlombardischen Gränze, wie dies von den Repräsentanten bestimmt worden war, stattgefunden. Sie dürfte nicht ohne Einfluß auf die Lösung der obwaltenden Anstände sein.
Nachschrift. 12. Okt. Abends. So eben ist bei den eidgenössischen Repräsentanten von Seite des Generals v. Wohlgemuth, mit dem sie die oben erwähnte Unterredung gehalten, die Nachricht eingetroffen, daß Radetzky in Folge dieser Besprechung sofort unterm 11. die bis jetzt verhängt gewesene Sperre des kommerziellen Verkehrs gegen den Kanton Tessin aufgehoben habe und sich blos vorbehalte, wegen Herstellung der freien Postverbindung und Verpflichtung der Vidimirung der Kantonalpässe durch den östreichischen Gesandten in der Schweiz noch nach den weitern Umständen und nach den ihm gewordenen Gewährleistungen zu verfügen.
Belgien. Brüssel, 14. Okt. Die Independance des belgischen Musterstaates macht heute wieder die folgende komische Mittheilung: „Wir empfinden stets eine gewisse Satisfaktion, wenn wir Belgien und den Fürsten, der es regiert, wegen der Haltung, die unser Land inmitten der allgemeinen europäischen Verwirrung behauptete, loben hören. Wir hatten schon Gelegenheit verschiedene Auszüge aus englischen und deutschen Journalen zu geben; es möge hier nachfolgen, was wir in der Daily-News lasen: „Nach dieser hübschen Einleitung folgt nun wirklich ein Fetzen aus dem genannten englischen Journale, in dem der komische König Leopold in einer wahrhaft überschwenglichen Manier gelobt und ein Muster aller Könige genannt wird. Wenn das Geschick oder die Politik, meint die Daily-News, den König Leopold nach Frankfurt statt nach Brüssel gesetzt hätte, so würde es ganz anders um Deutschland stehen!
Französische Republik. Paris, 16. Oktober. (Vormittags.) So wäre denn der entscheidende Tag da! Noch wenige Augenblicke und wir werden wissen, ob die Februarrepublik von den Männern Louis Philipp's regiert werden darf oder nicht?
‒ Nicht nur in der offiziellen Welt, sondern in der Arbeiterbevölkerung herrscht eine unbeschreibliche Spannung. Es sind sogar Wetten eingegangen worden. Die Einen sprechen dem Ministerium eine ungeheure Majorität zu, die Anderen bestimmen dieselbe höchstens auf 100 Stimmen, was bei achthundert Anwesenden schon sehr bedenklich klingt, und endlich die Rothgesinnten lassen das Ministerium ganz durchfallen.
‒ Die Klubs der Herren Volksvertreter waren auch gestern Abend ungemein thätig. Jeder will natürlich sein Votum im Voraus feststellen.
Das Palais National (Marrastianer) ist ganz zerfahren; es hat sich in zwei Hälften gespalten, von denen die größere aus Furcht vor den Rothen für die Männer Louis Philipp's stimmen will. So tief ist die Nationalpartei gesunken!
Die Rue de Poitiers wird sich natürlich wie Ein Mann erheben, dennoch wollen Scharfsichtige die Bemerkung gemacht haben, daß sich manche weiße Kugel noch in eine schwarze bis heute Abend verwandeln dürfte.
Daß die sechzig Köpfe des Berges Rue Taitbout (worunter Proudhon und Peter Bonaparte, der Sohn Luzian's) gegen das Ministerium stimmen werden, versteht sich von selbst.
‒ Geduld. Bald wird Paris wissen, ob sich Cavaignac mit dem gefallenen Urnen-Resultat begnügen werde?
‒ Heute (Montag) sollte eine großartige Arbeiter-Demonstration zu Ehren des Ex-Präfekten Ducoux stattfinden. Alle Anstalten waren getroffen. Allein sämmtliche demokratische Blätter warnen das Volk, keine öffentliche Manifestation zu veranstalten, welche der royolistischen Partei (Lamoricière) offenbar nur eine schöne Gelegenheit bieten würde, die ächten Republikaner zusammenzuschießen. Darum wird jeder Aufzug unterbleiben.
‒ Wortlaut der Motion des Berges zu Gunsten der Mai- und Juni-Gefangenen:
Artikel 1. Allgemeine Amnestie ist allen denjenigen gewährt, welche politischer Verbrechen und Vergehen angeklagt sind, die sie in Paris oder in den Departements begangen haben.
Artikel 2. Alle Untersuchungen und begonnene Prozesse aus diesen Gründen werden abgebrochen oder niedergeschlagen.
Artikel 3. Die schon ausgesprochenen Urtheile und Strafen, Geldbußen etc. werden vernichtet und resp. wiedererstattet.
(Folgen die Unterschriften von 50 Berggliedern.)
‒ Trotz aller Polizeimannschaften und Verklausulirungen erwachen fast alle Arbeiterklubs zu neuem Leben. Die Ernennung der Herren Dufaure und Vivien und die Ereignisse in Wien waren gestern und Sonnabend in dem Munde aller Volksredner.
Mit welchen Gefühlen die Ernennung der beiden Exminister aufgenommen wurde, geht aus obiger Demonstration hervor. Arge Drohungen sind ausgestoßen worden.
Ferner wurden die Berichte aus Wien mit wahrem Enthusiasmus begrüßt. Es leben die Wiener! Es lebe das demokratische Deutschland! Nieder mit allen Königen! erschallte es in vielen Klubs. Mehrere Adressen und Glückwünschungsbriefe an das Wiener Volk sind beschlossen worden. Wir nennen hier nur den Klub des Travailleurs, Klub de la Fraternité und die l'Association ouvrière, welche letztere von mehreren tausend Personen besucht wurde, worunter vorzüglich viele Soldaten, auffallend viele Unteroffiziere und Gefreiten etc. Man diskutirte dort schließlich die Frage, wer Präsident der Republik sein solle? Die meisten Redner schlugen den Kämpfer-Doktor Raspail vor, weil er dem Volke Nationalküchen und Nationalwerkstätten versprochen habe. Einige Andere stimmten für Louis Bonaparte, der auch ein Freund der Armen sei (siehe seine Broschüre über den Pauperismus); jedoch mit der Bedingung, daß er Raspail, Barbes und Blanqui zu Ministern nehme etc.
Man sieht, unser Volksleben ist wieder im besten Gange.
‒ (Neue Abdankungen.) Etienne Arago, Generalpostdirektor, zieht sich zurück. Ebenso Littré, Institutsglied aus der Munizipal- und Departemental-Kommission. Letzterer richtet an die Seine-Präfektur (Präsident der Kommission) folgende Zeilen:
„Herr Präfekt. Da ich nicht der Volkswahl, sondern der Regierung meine Anstellung verdanke, „diese Regierung“ sich aber auf eine Seite neigt, die nicht die meinige ist, so bitte ich Sie, meine Entlassung als Mitglied der Munizipal- und Departementalkommission anzunehmen.“
Gruß und Brüderschaft.
Paris 15. Octbr. (gez.) R. Littrè.
‒ Der Moniteur zeigt an, daß der Advokat Paul Desmazures (unter Louis Philipp schon Kabinets-Chef Dufaure's) wieder zum Kabinets-Chef des Ministeriums des Innern ernannt ist.
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(2017-03-20T13:08:10Z)
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Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
(2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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