Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[N. N.]: Alexander von Humboldts Vorlesungen über phÿsikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.]

Bild:
<< vorherige Seite

daß wenn die Erde sich drehe, so müsse ein Körper, de[unleserliches Material]n
man von der Spitze eines Thurmes fallen lasse, nicht am
Fuße desselben ankommen, sondern, da die Erde während
dessen von West nach Ost fortgerückt sei, er müße er etwas
gegen Westen zurückbleiben. Es wurden viele Versuche des-
halb gemacht; allein man konnte nichts von dem Zurückbleiben
bemerken; bis endlich Newton darthat, daß ein Körper, der
von der Spitze eines Thurmes fällt, in dem Augenblick
des Abfalls eine größere Wurfkraft habe als wenn er
unten am Fuß sich befände; weil er nemlich um die ganze
Höhe des Thurms weiter vom Mittelpunkt der Erde entfernt
sei. Hieraus folgt, daß er nun nicht mehr nach Westen zurück-
bleibe, sondern, wenn der Thurm hoch genug, also die Wurf-
kraft stark genug ist, noch um ein geringes von Osten voraus-
geschleudert werden muß. Dies bestätigten die Versuche voll-
kommen, welche theils von Guglielmini in Bologna am Thurm
degl'Asinelli (demselben wo schon Galilei seine Versuche
machte) theils von Benzenberg am Michaelisthurm zu Ham-
burg
und in einigen Kohlengruben in der Grafschaft Mark
angestellt wurden. Man fand überall eine Deviation
nach Osten, weil die Schwungkraft an der Thurmspitze größer
ist, bei 250-260 Fuß Höhe von 4-5 Zoll.

Einen Beweis für die Translation der Erde finden
wir in der Aberration des Lichtes der Fixsterne. Da dies
aber ein sehr schwieriges Thema ist, so werde ich mich
darauf beschränken den Weg des Raisonnements anzugeben,
wodurch die Sache am deutlichsten werden wird.

daß wenn die Erde sich drehe, so müsse ein Körper, de[unleserliches Material]n
man von der Spitze eines Thurmes fallen lasse, nicht am
Fuße desselben ankommen, sondern, da die Erde während
dessen von West nach Ost fortgerückt sei, er müße er etwas
gegen Westen zurückbleiben. Es wurden viele Versuche des-
halb gemacht; allein man konnte nichts von dem Zurückbleiben
bemerken; bis endlich Newton darthat, daß ein Körper, der
von der Spitze eines Thurmes fällt, in dem Augenblick
des Abfalls eine größere Wurfkraft habe als wenn er
unten am Fuß sich befände; weil er nemlich um die ganze
Höhe des Thurms weiter vom Mittelpunkt der Erde entfernt
sei. Hieraus folgt, daß er nun nicht mehr nach Westen zurück-
bleibe, sondern, wenn der Thurm hoch genug, also die Wurf-
kraft stark genug ist, noch um ein geringes von Osten voraus-
geschleudert werden muß. Dies bestätigten die Versuche voll-
kommen, welche theils von Guglielmini in Bologna am Thurm
degl’Asinelli (demselben wo schon Galilei seine Versuche
machte) theils von Benzenberg am Michaelisthurm zu Ham-
burg
und in einigen Kohlengruben in der Grafschaft Mark
angestellt wurden. Man fand überall eine Deviation
nach Osten, weil die Schwungkraft an der Thurmspitze größer
ist, bei 250–260 Fuß Höhe von 4–5 Zoll.

Einen Beweis für die Translation der Erde finden
wir in der Aberration des Lichtes der Fixsterne. Da dies
aber ein sehr schwieriges Thema ist, so werde ich mich
darauf beschränken den Weg des Raisonnements anzugeben,
wodurch die Sache am deutlichsten werden wird.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="session" n="21">
        <div n="1">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0102" n="[96]"/>
daß wenn die Erde sich drehe, so müsse ein Körper, de<subst><del rendition="#ow"><gap reason="illegible"/></del><add place="across">n</add></subst><lb/>
man von der Spitze eines Thurmes fallen lasse, nicht am<lb/>
Fuße desselben ankommen, sondern, da die Erde während<lb/>
dessen von West nach Ost fortgerückt sei, <del rendition="#s">er</del> müße <add place="superlinear"><metamark/>er</add> etwas<lb/>
gegen Westen zurückbleiben. Es wurden viele Versuche des-<lb/>
halb gemacht; allein man konnte nichts von dem Zurückbleiben<lb/>
bemerken; bis endlich <hi rendition="#aq"><persName resp="#SB" ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118587544 http://d-nb.info/gnd/118587544">Newton</persName></hi> darthat, daß ein Körper, der<lb/>
von der Spitze eines Thurmes fällt, in dem Augenblick<lb/>
des Abfalls eine größere Wurfkraft habe als wenn er<lb/>
unten am Fuß sich befände; weil er nemlich um die ganze<lb/>
Höhe des Thurms weiter vom Mittelpunkt der Erde entfernt<lb/>
sei. Hieraus folgt, daß er nun nicht mehr nach Westen zurück-<lb/>
bleibe, sondern, wenn der Thurm hoch genug, also die Wurf-<lb/>
kraft stark genug ist, noch um ein geringes von Osten voraus-<lb/>
geschleudert werden muß. Dies bestätigten die Versuche voll-<lb/>
kommen, welche theils von <hi rendition="#aq"><persName resp="#SB" ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-119256525 http://d-nb.info/gnd/119256525">Guglielmini</persName></hi> in <hi rendition="#aq">Bologna</hi> am Thurm<lb/><hi rendition="#aq">degl&#x2019;Asinelli</hi> (demselben wo schon <hi rendition="#aq"><persName resp="#SB" ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118537229 http://d-nb.info/gnd/118537229">Galilei</persName></hi> seine Versuche<lb/>
machte) theils von <hi rendition="#aq"><persName resp="#SB" ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-119019930 http://d-nb.info/gnd/119019930">Benzenberg</persName></hi> am Michaelisthurm zu <hi rendition="#aq">Ham-<lb/>
burg</hi> und in einigen Kohlengruben in der Grafschaft <hi rendition="#aq">Mark</hi><lb/>
angestellt wurden. Man fand überall eine Deviation<lb/>
nach Osten, weil die Schwungkraft an der Thurmspitze größer<lb/>
ist, bei 250&#x2013;260 Fuß Höhe von 4&#x2013;5 Zoll.</p><lb/>
            <p>Einen Beweis für die Translation der Erde finden<lb/>
wir in der Aberration des Lichtes der Fixsterne. Da dies<lb/>
aber ein sehr schwieriges Thema ist, so werde ich mich<lb/>
darauf beschränken den Weg des Raisonnements anzugeben,<lb/>
wodurch die Sache am deutlichsten werden wird.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[96]/0102] daß wenn die Erde sich drehe, so müsse ein Körper, de_ n man von der Spitze eines Thurmes fallen lasse, nicht am Fuße desselben ankommen, sondern, da die Erde während dessen von West nach Ost fortgerückt sei, er müße er etwas gegen Westen zurückbleiben. Es wurden viele Versuche des- halb gemacht; allein man konnte nichts von dem Zurückbleiben bemerken; bis endlich Newton darthat, daß ein Körper, der von der Spitze eines Thurmes fällt, in dem Augenblick des Abfalls eine größere Wurfkraft habe als wenn er unten am Fuß sich befände; weil er nemlich um die ganze Höhe des Thurms weiter vom Mittelpunkt der Erde entfernt sei. Hieraus folgt, daß er nun nicht mehr nach Westen zurück- bleibe, sondern, wenn der Thurm hoch genug, also die Wurf- kraft stark genug ist, noch um ein geringes von Osten voraus- geschleudert werden muß. Dies bestätigten die Versuche voll- kommen, welche theils von Guglielmini in Bologna am Thurm degl’Asinelli (demselben wo schon Galilei seine Versuche machte) theils von Benzenberg am Michaelisthurm zu Ham- burg und in einigen Kohlengruben in der Grafschaft Mark angestellt wurden. Man fand überall eine Deviation nach Osten, weil die Schwungkraft an der Thurmspitze größer ist, bei 250–260 Fuß Höhe von 4–5 Zoll. Einen Beweis für die Translation der Erde finden wir in der Aberration des Lichtes der Fixsterne. Da dies aber ein sehr schwieriges Thema ist, so werde ich mich darauf beschränken den Weg des Raisonnements anzugeben, wodurch die Sache am deutlichsten werden wird.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription in Anonym (Hg.): Alexander von Humboldts Vorlesungen über physikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. Berlin, 1934. anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

Abweichungen von den DTA-Richtlinien:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Kustoden: nicht erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2345_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2345_1827/102
Zitationshilfe: [N. N.]: Alexander von Humboldts Vorlesungen über phÿsikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. [96]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2345_1827/102>, abgerufen am 29.03.2024.