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[Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

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Axiome hin und wieder den Verfaßer verleiten, der Wahrheit Abbruch zu thun.
Chateaubriand stellt in der: Atala ein eben so reizendes Bild der südlichen Natur
auf, als er im "Genie du christianisme" die Missionen mit Wahrheit, und der Natur
getreu schildert. So auch malt er mit eigentlichen Localfarben das südliche Italien, Ae-
gypten, Jerusalem, das gelobte Land, bis zum todten Meere, und giebt uns in seinem
neuesten Werke den Abenceragen, den Anblick der Sierra Nevada in Granada, des höch-
sten Gebirges in Spanien. - Vor allen aber erwähnen wir hier den hohen Meister,
dessen Werke ein so tiefes Gefühl für die Natur durchdringt. Wie im Werther, so in
der Reise, in der Metamorphose der Pflanzen, überall klingt dies begeisterte Ge-
fühl an, und berührt uns, gleich wie "ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht."

Bei den Franzosen bilden diese Schilderungen der Natur besonders der
exotischen, einen eignen Zweig der Litteratur, die poesie descriptive. Es ist nicht
zu verkennen, daß man hierbei mitunter auf Abwege gerathen ist, in so fern
eine gezierte Schwülstigkeit gar oft den Mangel des innern Gefühls ersetzen muß.
Es ist immer gefährlich bei der Schilderung großer Gegenstände sich ungemessen
des Schmucks der Rede zu bedienen, wenn auch der Hauch der Poesie niemals fehlen
sollte. Eine Hauptsache liegt darin, daß derjenige welcher das Bild aufstellt,
ganz in demselben aufgeht, und sich selbst der Betrachtung entzieht.

Wir dürfen bei dieser Gelegenheit die Landschaftsmalerei nicht übergehen, in so fern
sie sich mit dem charakteristischen der einzelnen Pflanzenformen, und der Physiognomie
der Natur überhaupt beschäftigt. Bei den Alten war dies nur Nebenwerk, und sie bedien-
ten sich zur Darstellung der anorganischen Natur gewisser feststehender Typen, wie wir
dies auch an den neuaufgefundenen Werken größerer Meister bemerken, welche vor

kurzem

Axiome hin und wieder den Verfaßer verleiten, der Wahrheit Abbruch zu thun.
Chateaubriand stellt in der: Atala ein eben so reizendes Bild der südlichen Natur
auf, als er im „Genie du christianisme die Missionen mit Wahrheit, und der Natur
getreu schildert. So auch malt er mit eigentlichen Localfarben das südliche Italien, Ae-
gypten, Jerusalem, das gelobte Land, bis zum todten Meere, und giebt uns in seinem
neuesten Werke den Abenceragen, den Anblick der Sierra Nevada in Granada, des höch-
sten Gebirges in Spanien. – Vor allen aber erwähnen wir hier den hohen Meister,
dessen Werke ein so tiefes Gefühl für die Natur durchdringt. Wie im Werther, so in
der Reise, in der Metamorphose der Pflanzen, überall klingt dies begeisterte Ge-
fühl an, und berührt uns, gleich wie „ein sanfter Wind vom blauen Him̃el weht.‟

Bei den Franzosen bilden diese Schilderungen der Natur besonders der
exotischen, einen eignen Zweig der Litteratur, die poësie descriptive. Es ist nicht
zu verkennen, daß man hierbei mitunter auf Abwege gerathen ist, in so fern
eine gezierte Schwülstigkeit gar oft den Mangel des innern Gefühls ersetzen muß.
Es ist immer gefährlich bei der Schilderung großer Gegenstände sich ungemessen
des Schmucks der Rede zu bedienen, wenn auch der Hauch der Poesie niemals fehlen
sollte. Eine Hauptsache liegt darin, daß derjenige welcher das Bild aufstellt,
ganz in demselben aufgeht, und sich selbst der Betrachtung entzieht.

Wir dürfen bei dieser Gelegenheit die Landschaftsmalerei nicht übergehen, in so fern
sie sich mit dem charakteristischen der einzelnen Pflanzenformen, und der Physiognomie
der Natur überhaupt beschäftigt. Bei den Alten war dies nur Nebenwerk, und sie bedien-
ten sich zur Darstellung der anorganischen Natur gewisser feststehender Typen, wie wir
dies auch an den neuaufgefundenen Werken größerer Meister bemerken, welche vor

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[81r/0165] Axiome hin u. wieder den Verfaßer verleiten, der Wahrheit Abbruch zu thun. Chateaubriand stellt in der: Atala ein eben so reizendes Bild der südlichen Natur auf, als er im „Genie du christianisme‟ die Missionen mit Wahrheit, u. der Natur getreu schildert. So auch malt er mit eigentlichen Localfarben das südliche Italien, Ae- gypten, Jerusalem, das gelobte Land, bis zum todten Meere, u. giebt uns in seinem neuesten Werke den Abenceragen, den Anblick der Sierra Nevada in Granada, des höch- sten Gebirges in Spanien. – Vor allen aber erwähnen wir hier den hohen Meister, dessen Werke ein so tiefes Gefühl für die Natur durchdringt. Wie im Werther, so in der Reise, in der Metamorphose der Pflanzen, überall klingt dies begeisterte Ge- fühl an, und berührt uns, gleich wie „ein sanfter Wind vom blauen Him̃el weht.‟ Bei den Franzosen bilden diese Schilderungen der Natur besonders der exotischen, einen eignen Zweig der Litteratur, die poësie descriptive. Es ist nicht zu verkennen, daß man hierbei mitunter auf Abwege gerathen ist, in so fern eine gezierte Schwülstigkeit gar oft den Mangel des innern Gefühls ersetzen muß. Es ist immer gefährlich bei der Schilderung großer Gegenstände sich ungemessen des Schmucks der Rede zu bedienen, wenn auch der Hauch der Poesie niemals fehlen sollte. Eine Hauptsache liegt darin, daß derjenige welcher das Bild aufstellt, ganz in demselben aufgeht, u. sich selbst der Betrachtung entzieht. Wir dürfen bei dieser Gelegenheit die Landschaftsmalerei nicht übergehen, in so fern sie sich mit dem charakteristischen der einzelnen Pflanzenformen, u. der Physiognomie der Natur überhaupt beschäftigt. Bei den Alten war dies nur Nebenwerk, u. sie bedien- ten sich zur Darstellung der anorganischen Natur gewisser feststehender Typen, wie wir dies auch an den neuaufgefundenen Werken größerer Meister bemerken, welche vor kurzem

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription in Hamel, Jürgen u. Klaus Harro Tiemann (Hg.) (1993): Alexander von Humboldt: Über das Universum. Die Kosmosvorträge 1827/28 in der Berliner Singakademie. Frankfurt a. M.: Insel. anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

Abweichungen dieser Druckedition von der Manuskriptvorlage werden im Text an der entsprechenden Stelle in editorischen Kommentaren ausgewiesen.

Abweichungen von den DTA-Richtlinien:

  • I/J: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert



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Zitationshilfe: [Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 81r. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827/165>, abgerufen am 25.11.2024.