[Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]Man hat beobachtet, um welche Zeit in der Nacht in verschiedenen Jahreszeiten, Man hat ein eignes wunderbar unbekanntes Gefühl, wenn man bei der Annäherung Wir wenden uns nunmehr zur Betrachtung Es ist eine sonderbare Meinung, daß der Mond nicht von je her geschienen haben die
Man hat beobachtet, um welche Zeit in der Nacht in verschiedenen Jahreszeiten, Man hat ein eignes wunderbar unbekanntes Gefühl, wenn man bei der Annäherung Wir wenden uns nunmehr zur Betrachtung Es ist eine sonderbare Meinung, daß der Mond nicht von je her geschienen haben die
<TEI> <text> <body> <div type="session" n="15"> <p><pb facs="#f0151" n="74r"/> Man hat beobachtet, um welche Zeit in der Nacht in verschiedenen Jahreszeiten,<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 196: Komma fehlt.</note> das Kreuz<lb/> im Süden gerade <choice><abbr>od.</abbr><expan resp="#BF">oder</expan></choice> geneigt ist. Es ist dies eine Uhr welche ziemlich regelmäßig, nahe<lb/> um 4 <choice><abbr>Min.</abbr><expan resp="#CT">Minuten</expan></choice> täglich vorrückt, und kein anderes Sternbild bietet eine so leicht anzu-<lb/> stellende Beobachtung der Zeit dar. „Mitternacht ist vorbei, das Kreuz senkt<lb/> sich!‟ hörten wir oft unsere Wegweiser sagen, in den Savannen von <hi rendition="#aq">Venezuela</hi>,<lb/> und oft haben mir diese Worte die rührende Scene zurückgerufen die <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118604945 http://d-nb.info/gnd/118604945">Bernardin<lb/> de St. Pierre</persName></hi> schildert, als beim Anblick des Kreuzes im Süden, der Greis <hi rendition="#aq">Paul</hi> <choice><abbr>u.</abbr><expan resp="#BF">und</expan></choice> <hi rendition="#aq">Virginie<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 197: "Viginie".</note></hi><lb/> erinnert, daß es Zeit sey zu scheiden.<note resp="#BF" type="editorial">Vgl. <bibl>Saint-Pierre, Bernardin de: Paul et Virginie. Paris 1789.</bibl> Online verfügbar: <ref target="https://archive.org/details/pauletvirgini00sain">Internet Archive, abgerufen am 21.12.2015</ref>.</note></p><lb/> <p>Man hat ein eignes wunderbar unbekanntes Gefühl, wenn man bei der Annäherung<lb/> gegen den Aequator allmälig die Sterne verschwinden sieht, welche uns in der Heimath<lb/> leuchten. In der Einsamkeit des Meeres grüßt man einen Stern wie einen Freund<lb/> von dem man lange getrennt war, und freudig erblickten selbst unsere Matrosen<lb/> den Polarstern, wenn sie aus der andern Hemisphäre heimkehrend die bekann-<lb/> ten Sterne ihrer Kindheit wieder sehen.</p><lb/> <p>Wir wenden uns nunmehr zur Betrachtung<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 197: "Beschreibung".</note> des Mondlichtes, <choice><abbr>u.</abbr><expan resp="#BF">und</expan></choice> einer allgemei-<lb/> nen Uebersicht der Topographie des Erdtrabanten. –<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 197: Halbgeviertstrich fehlt.</note> Die Entfernung des Mondes von<lb/> der Erde beträgt 51,000 Meilen. Ein <choice><abbr>engl.</abbr><expan resp="#CT">englisches</expan></choice> Packetboot brauchte nur 6 mal die Fahrt<lb/> von <hi rendition="#aq">London</hi> nach <hi rendition="#aq">Canton</hi> hin <choice><abbr>u.</abbr><expan resp="#BF">und</expan></choice> her zurückzulegen, um dieselbe Distanz durchmessen zu<lb/> haben. – Der Durchmesser des Mondes beträgt 466 Meilen; mithin erreicht<lb/> der uns zugewendete Theil noch nicht einmal die Größe des russischen Reiches.</p><lb/> <p>Es ist eine sonderbare Meinung, daß der Mond nicht von je her geschienen haben<lb/> soll. In Griechenland ging man so weit die <hi rendition="#aq">Arcadier Antiseleniten</hi> zu nennen<lb/> weil sie älter seyen, als der Mond, der erst in einer Schlacht erschienen sey,<lb/> <fw type="catch" place="bottom">die</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [74r/0151]
Man hat beobachtet, um welche Zeit in der Nacht in verschiedenen Jahreszeiten, das Kreuz
im Süden gerade od. geneigt ist. Es ist dies eine Uhr welche ziemlich regelmäßig, nahe
um 4 Min. täglich vorrückt, und kein anderes Sternbild bietet eine so leicht anzu-
stellende Beobachtung der Zeit dar. „Mitternacht ist vorbei, das Kreuz senkt
sich!‟ hörten wir oft unsere Wegweiser sagen, in den Savannen von Venezuela,
und oft haben mir diese Worte die rührende Scene zurückgerufen die Bernardin
de St. Pierre schildert, als beim Anblick des Kreuzes im Süden, der Greis Paul u. Virginie
erinnert, daß es Zeit sey zu scheiden.
Man hat ein eignes wunderbar unbekanntes Gefühl, wenn man bei der Annäherung
gegen den Aequator allmälig die Sterne verschwinden sieht, welche uns in der Heimath
leuchten. In der Einsamkeit des Meeres grüßt man einen Stern wie einen Freund
von dem man lange getrennt war, und freudig erblickten selbst unsere Matrosen
den Polarstern, wenn sie aus der andern Hemisphäre heimkehrend die bekann-
ten Sterne ihrer Kindheit wieder sehen.
Wir wenden uns nunmehr zur Betrachtung des Mondlichtes, u. einer allgemei-
nen Uebersicht der Topographie des Erdtrabanten. – Die Entfernung des Mondes von
der Erde beträgt 51,000 Meilen. Ein engl. Packetboot brauchte nur 6 mal die Fahrt
von London nach Canton hin u. her zurückzulegen, um dieselbe Distanz durchmessen zu
haben. – Der Durchmesser des Mondes beträgt 466 Meilen; mithin erreicht
der uns zugewendete Theil noch nicht einmal die Größe des russischen Reiches.
Es ist eine sonderbare Meinung, daß der Mond nicht von je her geschienen haben
soll. In Griechenland ging man so weit die Arcadier Antiseleniten zu nennen
weil sie älter seyen, als der Mond, der erst in einer Schlacht erschienen sey,
die
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Zitationshilfe: | [Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 74r. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827/151>, abgerufen am 22.07.2024. |